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Schöffenbefragung zum Strafprozess Ehrenamtliche Richter haben beim "Deal" nichts zu

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Ungelesen 23.11.23, 18:48   #1
gerhardal
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Standard Schöffenbefragung zum Strafprozess Ehrenamtliche Richter haben beim "Deal" nichts zu

Zitat:
Schöffenbefragung zum Strafprozess
Ehrenamtliche Richter haben beim "Deal" nichts zu melden
Gastbeitrag von Prof. Dr. Jörg Kinzig und Benedikt Iberl
17.11.2023

Eine Umfrage der Uni Tübingen unter 9.000 Laienrichtern offenbart neue Erkenntnisse zu illegalen Absprachen und dem Schöffenamt. Was bedenklich stimmt: Bei Gesprächen in den Hinterzimmern sind die Ehrenamtlichen oft unerwünscht.
Schöffen sind mit ihrem Amt allgemein zufrieden, erachten die eigenen Urteile als angemessen, bleiben aber bei Verständigungen im Strafprozess ("Deal") meistens außen vor: Dies sind die Hauptergebnisse der bis heute umfangreichsten Schöffenbefragung, die zwischen Herbst 2021 und Frühjahr 2022 vom Institut für Kriminologie (IfK) der Universität Tübingen durchgeführt wurde. Im Rahmen einer Online-Umfrage konnten dabei knapp 9.000 Schöffen aus allen Bundesländern erreicht werden – immerhin rund 15 Prozent aller Laienrichter.
Der Befragung vorangegangen war eine im Jahr 2020 veröffentlichte Untersuchung zur Praxis der Verständigung im Strafprozess, die das IfK zwischen 2018 und 2020 in Zusammenarbeit mit den Universitäten Düsseldorf und Frankfurt am Main durchgeführt hatte. Den Anstoß zu dieser ersten Studie hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegeben. Es befand im Jahre 2013, dass das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren von 2009 zwar grundsätzlich verfassungsgemäß sei, in der Praxis aber ein "erhebliches Vollzugsdefizit" bestehe (BVerfGE 133, 16.

Bisher Forschungslücke

In der Konsequenz verpflichtete das höchste deutsche Gericht den Gesetzgeber, die Einhaltung der Vorschriften regelmäßig zu überprüfen. Schon diese erste Untersuchung, die vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegeben worden war, offenbarte erstaunliche Zahlen: Etwa ein Fünftel der bundesweit durch das IfK befragten rund 1.500 Staatsanwälte, Berufsrichter und Strafverteidiger berichtete, regelmäßig von informellen Absprachen zu erfahren. Über 15 Prozent gaben sogar an, sich häufig selbst daran zu beteiligen. Die Forschungsteams aus Düsseldorf und Frankfurt am Main kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Langversion mit Fundstellen in StV 12/23
Somit war klar, dass informelle Absprachen auch nach dem Urteil des BVerfG im Alltag der Gerichte unverändert eine große Rolle spielen. Ungeklärt blieb allerdings die Frage, wie die Schöffen an (legalen und illegalen) Absprachen beteiligt sind. Nach geltendem Recht müssen Schöffen als gleichwertige Richter an Verständigungen mitwirken – ob dies tatsächlich der Fall ist, war bislang nicht systematisch erforscht worden. Ziel der nun publizierten Studie des IfK war es also, diese Forschungslücke zu schließen.
Zudem nutzte das Tübinger Projektteam die Gelegenheit, um den zahlreichen Teilnehmern auch allgemeine Fragen zu ihren Eindrücken vom Schöffenamt zu stellen. Mit der Unterstützung aller Landesjustizministerien konnten am Ende fast 9.000 Laienrichter erreicht werden. Die Ergebnisse liegen nunmehr vor: pünktlich zur neuen Amtsperiode der Schöffen, die im Januar 2024 beginnt.

Ausführlichere Vorbesprechungen gewünscht

Generell zeigten sich die Schöffen mit ihrem Ehrenamt eher zufrieden. Beispielsweise äußerten rund 90 Prozent von ihnen die Bereitschaft, ihr Schöffenamt noch einmal anzutreten, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnten. Drei von vier Laienrichtern gaben zudem an, dass das Schöffenamt ein wichtiger Bestandteil des Strafprozesses sei. Auch die Zusammenarbeit mit den Berufsrichtern wurde überwiegend als gut bewertet – sowohl inhaltlich, etwa bei der Einführung in das jeweilige Verfahren oder im Rahmen der Verhandlung, als auch persönlich: So fühlten sich die meisten Schöffen von den Berufsjuristen wertgeschätzt.
Trotz der insgesamt positiven Eindrücke machten viele Befragte Verbesserungsvorschläge. Nicht selten kritisiert wurden als unzureichend empfundene Vorbereitungen auf die jeweiligen Verhandlungen. Viele Schöffen wünschten sich etwa ausführlichere Vorbesprechungen oder eine Einsicht in die Verfahrensakten. Oft wurden auch häufigere und bessere fachliche Schulungen bzw. Weiterbildungsangebote gefordert. Mitunter sehr deutliche Kritik bezog sich auf die Terminplanung der Justiz. Während sich einige Schöffen über kaum vorhandene Einsätze beschwerten, klagten andere über eine mangelnde Vereinbarkeit ihres Ehrenamts mit Familie und Beruf.
Befragt nach ihren Mitbestimmungsmöglichkeiten im Strafverfahren, ergab sich ein gemischtes Bild. Zwar berichteten 73 Prozent der Schöffen, (eher) die Möglichkeit zu haben, die Urteile beeinflussen zu können. Demgegenüber gaben aber in einem anderen Zusammenhang auch vier von fünf Schöffen an, sich in der Regel (eher) den Einschätzungen der Berufsrichter anzuschließen. Dies stimmt mit älteren Schöffenbefragungen überein, denen zufolge Schöffen nur selten auf Konfrontationskurs mit den Berufsrichtern gehen.

Kuscheljustiz? Laut Schöffen eher nicht

Vor dem Hintergrund des oftmals in der Boulevardpresse verbreiteten Vorwurfs, die deutsche "Kuscheljustiz" ahnde Straftaten nicht streng genug, ist die Einschätzung der Schöffen zur Angemessenheit strafgerichtlicher Urteile von besonderer Relevanz. In der Allgemeinbevölkerung scheint die Meinung, die Strafjustiz urteile zu milde, weit verbreitet zu sein: So berichtet der "Roland Rechtsreport 2023", dass 45 Prozent der im November 2022 befragten Bundesbürger der Aussage "Die Urteile der deutschen Gerichte sind oft zu milde" zustimmten.
Demgegenüber empfinden die Schöffen die Urteile "ihrer" Strafgerichte als vergleichsweise adäquat. So antworteten auf die Frage, wie sie rückblickend die Urteile in den Verfahren einschätzen, an denen sie als Schöffe mitgewirkt haben, rund 70 Prozent mit der Antwortoption "angemessen", etwas mehr als 20 Prozent mit "(eher) milde". Das Bild einer deutschen "Kuscheljustiz" scheint unter Schöffen also nicht übermäßig verbreitet zu sein, auch wenn nur weniger als 2 Prozent die Urteile als "eher hart" oder "zu hart" erachteten.
Für die Diskrepanz zwischen den Einschätzungen der Schöffen und der Allgemeinbevölkerung liegen zwei Erklärungen nahe. So könnten Schöffen "ihre" Urteile generell positiv bewerten – immerhin haben sie diese mitzuverantworten. Als andere Erklärung kommt in Betracht, dass die Laienrichter durch ihre Erfahrungen im Ehrenamt besser mit der Strafrechtspflege vertraut sind als durchschnittliche Bürger. Anekdotisch wird diese These durch die Anmerkung eines Schöffen gestützt, der angab, dass "die Zeit als Schöffe" sein "Vertrauen in die Strafrechtsprechung erheblich verbessert" habe, weshalb er für "Bildzeitungspolemik" nicht mehr empfänglich sei.
Dass Laienrichter Urteile überhaupt als "eher milde" bewerten, ist übrigens eine relativ neue Entwicklung. Noch in Befragungen aus den 1970er und 1990er Jahren stuften Schöffen die Urteile der Strafjustiz eher als zu hart denn als zu milde ein.

Entgegen den Regeln der StPO

Der Hauptteil der Befragung drehte sich allerdings darum, wie Schöffen Absprachen erleben und bewerten. Dabei wurde in den Frageformulierungen bewusst der Oberbegriff "Absprache" verwendet, da man bei Schöffen als juristischen Laien nicht davon ausgehen kann, dass sie formelle Verständigungen und informelle Vorgänge verlässlich voneinander unterscheiden können. Dennoch waren indirekte Schlüsse auf die Häufigkeit informeller Absprachen möglich.
Laut Schätzungen der Teilnehmer erfolgte in rund einem Viertel der Verfahren, die sie miterlebt hatten, eine Absprache. Auch wenn dieses Ergebnis mit Vorsicht zu interpretieren ist (womöglich unter- oder überschätzten manche Schöffen die Anzahl der von ihnen erlebten Absprachen), belegt das Resultat die wichtige Bedeutung, die Absprachen im modernen gerichtlichen Alltag aufweisen.
Zudem lassen zahlreiche Befunde der Umfrage darauf schließen, dass viele Absprachen gegen bestehende Regeln der Strafprozessordnung (StPO) verstoßen. So wurden nur etwa zwei Drittel der Absprachen unter aktiver Teilnahme der Schöffen getroffen – obwohl ihre Mitwirkung daran gesetzlich vorgeschrieben ist. Den Berichten der Laienrichter zufolge wurden sie sogar von 14 Prozent der Absprachen ausgeschlossen, obwohl sie im Gericht vor Ort waren.

Absprachen im Strafprozess – mit Schöffen als Statisten?

Bedenklich stimmt außerdem, dass offenbar über die Hälfte der Schöffen mindestens einmal eine Absprache erlebt hat, in der verbotene Inhalte thematisiert wurden. Am häufigsten waren dabei Absprachen über den Schuldspruch oder über die Vereinbarung von Punktstrafen – beides Inhalte, über die sich nach geltenden Regelungen nicht verständigt werden darf. Dessen ungeachtet zweifelten die Schöffen nur selten an der Rechtmäßigkeit der von ihnen erlebten Absprachen. Offenbar sind die meisten Laien nicht in der Lage, solche Vorgänge als Verstöße zu identifizieren.
Dies mag angesichts der komplexen Regelungen nicht verwundern, belegt aber, wie schlecht die Schöffen über die Bestimmungen zur Verständigung im Strafverfahren informiert sind. Auch gaben zusammengenommen 64 Prozent der Laienrichter an, das Zustandekommen von Absprachen (eher) nicht beeinflussen zu können. Die Einschätzung der Schöffen zur Möglichkeit, den Inhalt von Absprachen mitzubestimmen, fiel mit insgesamt 65 Prozent (tendenzieller) Ablehnung ähnlich verhalten aus.
Insgesamt untermauerte die Schöffenbefragung die Erkenntnisse der vorangehenden Studie zur Praxis der Verständigung – noch immer und den Mahnungen des BVerfG zum Trotz finden illegale Absprachen im Gerichtsalltag breite Anwendung. Darüber hinaus stimmen die Ergebnisse zur Rolle der Schöffen bei Absprachen bedenklich. So deuten die Resultate darauf hin, dass Schöffen (wenn überhaupt) eher "pro forma" und nur als abnickende Statisten an Absprachen beteiligt sind. Die mittlerweile weitverbreitete Praxis der Verständigung im Strafverfahren hat also dazu geführt, die in der StPO vorgesehene Laienbeteiligung (weiter) auszuhöhlen.
Prof. Dr. Jörg Kinzig ist Direktor des Institutes für Kriminologie (IfK) und Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie, Straf- und Sanktionenrecht an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Akad. Mit. Benedikt Iberl ist dort als Psychologe tätig.

Bei dem Text handelt es sich um eine Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags mit Literatur- und Rechtsprechungsbelegen, der in der Zeitschrift "StV – Strafverteidiger", Heft 12, 2023, erscheinen wird. Die Zeitschrift wird wie LTO von Wolters Kluwer herausgegeben.

Quelle [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]

Es ist ja schon erfreulich, dass bei den Schöffen in der Mehrheit keine Kuscheljustiz gesehen wird.
Aus meiner Berufserfahrung, war auch berufsbedingt öfters bei Gerichtsverhandlungen, stellt sich die Sache oft öfters dar, als es ursprünglich ausgesehen hat.

Was ich jedoch mehr als bedenklich finde, sind die Absprachen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert ....
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Diskutiere nie mit einem Idioten, denn wenn du dich auf sein Niveau herabläßt, schlägt er dich mit seiner Erfahrung.
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Ungelesen 24.11.23, 08:25   #2
Caplan
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Vor vielen vielen Jahren, war ich selbst in der Funktions des Schoeffens fuer eine Periode.
Was beihaltete das Amt im Kern, unabhaengig davon, was als zulaessig oder unzulaessig zu erachten ist per Papier?
Letztendlich war man Beisitzer, ergaenzendner Beaobachter im Verlauf, der schlussendlich in der abschliessenden Beratung zur Urteilsfindung unauffaellige Punkte, innerhalb des Prozesslaufes noch einmal verdeutlichen konnte, sofern diese nicht beruecksichtigt oder untergegangen waren oder auch eine Einschaetzung, persoenlicher Natur.
Das war es auch im wesentlichen.

Absprachen gab es gelegentlich, dessen hoeheres Ziel sicherlich offen blieb, da man dort nicht zugegen zu sein hatte.
Das behaelt sich der Stand der reinen Juristen, ob nun ordentlich oder nicht ordentlich, vor.

Eins muss man auch vorwegnehmen; Schoeffen sind, wie es das Wort im allgemeinen hergibt: Laien.
In wie weit jeder Schoeffe vorbehaltlich, unvorbehaltlich und auch intuitiv, die jedweilige Sachlage, zu der sie /er zumeist recht spontan geladen ist, herangeht, ist auch ein Kapitel fuer sich.
Ich kann mich nicht entsinnen, das es eine laengere Vorlaufzeit gab zum Sachverhalt. Es war eher die Situation der Umrissenheit zur Kenntnisnahme vorab.

Und trotzdem ist dieses herangetragene Amt, was man letztendlich befuerworten oder ablehnen kann, doch ein Zuenglein an so mancher Waage.

Geändert von Caplan (24.11.23 um 10:44 Uhr) Grund: Mit Brille waere das nicht passiert
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