Hallo,
da ich noch keinen Artikel auf mygully bzgl. der Blockupy-Proteste in Frankfurt gefunden habe, dachte ich, ich stelle mal ein paar Berichtserstattungen von angesehenen Zeitungen zusammen. Ich denke allerdings, dass die Artikel noch mit Vorsicht zu genießen sind, da sie z.T. sehr subjektiv geschrieben wirken.
Der erste Artikel stammt von der Frankfurter Rundschau: Ende einer Demonstration
Zitat:
Von Hanning Voigts
Der Willy-Brandt-Platz in Frankfurt am Samstagabend. Egal, wen man fragt, man trifft überall auf dieselben zwei Gefühle: Unverständnis und eine kalte, ohnmächtige Wut. Foto: Sascha Rheker
Der Tag hatte so friedlich angefangen: Am Samstag versammelte sich das Blockupy-Bündnis in Frankfurt und wollte gegen die europäische Austeritätspolitik demonstrieren. Der Aufzug endete kurze Zeit später im Desaster, einem politischen Skandal.
Werner Rätz hat schon Einiges erlebt. Der Attac-Mitbegründer mit dem weißen Bart meldet seit den 70ern Demonstrationen an, er kennt sich mit der Rechtslage aus, er weiß, dass es auf der Straße ruppig zugehen kann. Doch am Samstagnachmittag muss er sich sichtlich bemühen, beim Sprechen ruhig zu bleiben. „Hier werden in einer Art und Weise Grundrechte außer Kraft gesetzt, wie ich das seit Jahrzehnten nicht erlebt habe“, sagt Rätz. Was sich hier gerade abspiele, sei unglaublich. Und ein politischer Skandal: Der polizeiliche Eingriff in die Demonstration sei offensichtlich von langer Hand geplant worden. „Die Polizei hat politische Vorgaben bekommen“, sagt Rätz. „Die wussten, dass sie irgendwann in die Demo hineingehen würden.“
Blockupy - die Situation eskaliert
Zu diesem Zeitpunkt ist die Lage in der Hofstraße, keine 100 Meter Luftlinie von der Europäischen Zentralbank entfernt, schon seit Stunden unverändert: Gepanzerte Polizisten, Einsatzhundertschaften aus Sachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, kesseln rund 1000 Menschen und einen Lautsprecherwagen ein. Darüber kreist ein Polizeihubschrauber, davor steht eine ratlose Demospitze aus 50 Linkspartei-Politikern, Gewerkschaftern und Occupy-Aktivisten. Dahinter stehen gut 8000 Demonstranten, skandieren wütende Parolen und fragen sich, wann es endlich weitergeht. Und egal, wen man fragt, man trifft überall auf dieselben zwei Gefühle: Unverständnis und eine kalte, ohnmächtige Wut.
Mehr dazu
Ein desaströser Einsatz
Dabei hatte der Tag so friedlich angefangen. Etwa 10.000 Menschen hatten sich am Baseler Platz versammelt, um gegen die Auswirkungen der europäischen Austeritätspolitik zu demonstrieren. Bunt war die Szenerie gewesen, so bunt, dass sie politisch fast oftmals beliebig wirkte: Linkspartei- und DGB-Fahnen waren ebenso zu sehen wie die der Fluglärmgegner und die des syrischen Staates, schwarzgekleidete Jungautonome standen neben als „gefräßige Raupe Profit“ verkleideten Rentnern, auf Schildern wurde fast alles gefordert: vom Mindestlohn über die Entmachtung der EU-Troika bis zur kommunistischen Weltrevolution.
Vertreter der verschiedenen linken Strömungen, die sich seit Donnerstag unter dem Banner „Blockupy“ in Frankfurt vereinigt hatten, geißelten in Redebeiträgen die Verarmung der Bevölkerung in Südeuropa, die Sparpolitik, den Abbau von demokratischen Rechten, die Asylpolitik, die Belastung der Frauen in der Krise.
Blockupy - Das war der Freitag
Journalist wird verletzt
Doch um all das geht es ab 12.45 Uhr nicht mehr. In diesem Moment, das Ende der Demonstration hat den Baseler Platz noch nicht einmal verlassen, dringen unvermittelt Beamte in den Demonstrationszug vor. Sie schubsen die Teilnehmer beiseite, sie decken sie mit Pfefferspray ein, sie ziehen einen Kessel um etwa 1000 Menschen aus dem „antikapitalistischen Block“. Einer der ersten, den sie dabei verletzen, ist der Journalist Christian M. Er habe gerade das Fronttransparent fotografiert, wird M. später erzählen, er sei klar als Pressevertreter erkennbar gewesen. „Ich habe nur noch aus dem Augenwinkel gesehen, dass jemand auf mich zustürmt“, sagt er. „Und dann hatte ich schon überall Pfefferspray im Gesicht.“ Für M. endet der Tag, wie für viele, im Krankenhaus. Blockupy zählt am Ende 200 Verletzte.
Als die Polizei die Demonstration stoppt, ist die Lage nicht besonders bedrohlich. Drei Böllerschüsse hat es gegeben, einen Schuss einer Leuchtrakete in die Luft. Im antikapitalistischen Block tragen viele Aktivisten Kapuzen und Sonnenbrillen, bemalte Regenschirme und Halstücher. Sie haben große Bücher aus Styropor gebastelt, die sie vor sich hertragen. Die Polizei wird später sagen, diese Verstöße gegen das Versammlungsrecht seien der Grund für das Eingreifen gewesen.
Blockupy: Vorbereitungen auf die Aktionstage
Sowie der Aufzug gestoppt ist, wird die Stimmung auch bei den Demonstranten aggressiv. Parolen wie „Haut ab“ und „All Cops Are Bastards“ schallen den Beamten entgegen, vier oder fünf Farbbeutel fliegen in die Polizeiketten. Es gibt Gerangel, am Rande reißen Beamte Demonstranten zu Boden, um sie zu verhaften. Polizisten und Demonstranten brüllen aufeinander ein, es spielen sich schier unglaubliche Szenen ab. Ein Beamter im Polohemd, mit silbernen Sternen auf den blauen Schulterklappen, schreit einen jungen Mann an: „Wissen Sie eigentlich, was die letztes Jahr bei der M31-Demo mit einem meiner Kollegen gemacht haben? Die haben den so zusammengeschlagen, dass er drei Tage im Koma lag!“ Ob der Polizist denn Angst vor ihm habe, will der junge Mann wissen. „Nein, wenn Sie mich angreifen, erschieße ich Sie“, blafft der Beamte. „Eine Kugel zwischen die Augen, und gut is‘.“
Anfangs diskutier Werner Rätz noch mit dem örtlichen Einsatzleiter der Polizei. Die Demo müsse ohne die Gekesselten weiterziehen, fordert der Beamte, oder die Menschen im Kessel müssten kontrolliert ihre Vermummung ablegen und ihre Personalien abgeben. „Sie bringen uns in eine sehr schwierige Situation“, sagt Rätz. „Und dass Sie am Ende vor Gericht verlieren werden, dass wissen Sie genauso gut wie ich.“ Der Beamte zuckt mit den Schultern. Irgendwann sind die Verhandlungen offenbar gescheitert. Rätz berichtet, dass die Polizei alle Gekesselten einzeln kontrollieren wolle. Kurze Zeit später wird das auch von der Polizei durchgesagt. Mit dem Einsatzleiter vor Ort hätte er sich vielleicht einigen können, sagt Rätz hilflos. Aber der habe jetzt andere Order erhalten, von seinen Vorgesetzten im Innenministerium. Ab diesem Moment ist klar: Es wird keine Demonstration mehr geben.
Abgeführte bluten, einer ist ohnmächtig
Ab etwa 16.30 Uhr beginnt die Polizei damit, den Kessel zu räumen. Über Lautsprecher bittet ein Beamter um Mitarbeit. „Halten Sie Ihre Ausweise bereit, kooperieren Sie, dann wird es auch für Sie einfacher.“ Im Kessel ist nur noch Platz für Wut. „Dass wir uns hier einfach so abführen lassen, das könnt ihr vergessen“, hallt es vom Lautsprecherwagen. Die ersten Gekesselten, die abgeführt werden, wehren sich noch, die Polizei geht rabiat vor, einige der Abgeführten bluten, einer ist ohnmächtig und muss von Sanitätern behandelt werden. Jugendliche werden aus dem gesperrten Bereich geholt, alte Männer, nur wenige sehen nach linksradikalem „schwarzem Block“ aus.
Die Frankfurter Occupy-Bewegung in Bildern
Und so geht es über Stunden. Immer wieder gibt es Wortgefechte, vom Lautsprecherwagen aus wird die Polizei ein ums andere Mal aufgefordert, sich zurückzuziehen und die Demonstration weiterziehen zu lassen. Im Kessel ist es manchmal resigniert ruhig, manchmal kämpferisch laut. Großen Applaus ernten einige Menschen, die aus Fenstern an der Rückseite des Schauspiels Ballons fliegen lassen und Wasserflaschen in Eimern in den Kessel herunterlassen.
Erst um 22.30 ist beendet, wofür auf Twitter der Name „Frankfurter Kessel“ die Runde macht. Die Demospitze vereint sich mit den 3000 Demonstranten, die noch da sind, es bildet sich ein wütender Menschenzug zum Hauptbahnhof. Auf der Straße bleiben Styroporfetzen, Transparente und Plastikflaschen zurück. Die Polizei hat alles ausgebreitet, was sie an Waffen im Kessel finden konnte: Fünf hölzerne Fahnenstöcke und zehn mit Farbe gefüllte Glasflaschen.
Auch die Pressekonferenz mit Innenminister Boris Rhein läuft laut HR auf ein ähnliches Bild hinaus, eine Prüfung steht allerdings laut Artikel noch aus: Von der öffentlichen Meinung verlassen
Zitat:
Schon bei der Zeitungslektüre am Morgen dürften Innenminister Boris Rhein (CDU) und die Frankfurter Polizeispitze geahnt haben, dass die öffentliche Meinung heute nicht ihr bester Freund ist. Durchweg kritisierten die Frankfurter Zeitungen den Stopp der Blockupy-Demonstration am Samstag und das stundenlange Einkesseln von 900 der 7.000 Teilnehmer durch die Polizei.
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) schrieb über Rhein: "Man muss den Innenminister offenbar erinnern, dass das Demonstrationsrecht ein hohes Gut ist." Der Minister kündigte darum bei der Pressekonferenz im Polizeipräsidium am Montag an, er wolle ein "völlig falsches Bild vom Einsatz" geraderücken.
Feuerwerkskörper, Farbbeutel, Sonnenbrillen
Rund um die zwei Dutzend erschienenen Journalisten hatten die Beamten ausgelegt, was sie am Samstag sichergestellt hatten: gefährliche Groß-Feuerwerkskörper, gebastelte Schutzschilde, Farbbeutel, Sonnenbrillen. "907 Sicherstellungen bei 911 festgestellten Personen", sagt Rhein. Er habe sich am Samstag nicht eingemischt, halte den Einsatz aber für richtig.
Es läuft nicht schlecht für Rhein und Einsatzleiter Harald Schneider. Oft erwähnen sie, dass die Maßnahmen mit der Stadt abgestimmt worden seien – unausgesprochen nehmen sie so die auch regierenden Grünen und Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) in Mithaftung. Schneider zählt zwar auch die rote Farbe im Zeil-Brunnen als Sachbeschädigung mit auf, schildert aber vor allem die festgesetzte Gruppe anschaulich als gefährlich.
Journalisten berichten von Übergriffen
Auch die ersten Fragen sind nicht ungewöhnlich: Gab es keine Alternative? Nein, sagt Rhein, Polizisten seien kein Freiwild. Es könne ihnen nicht zugemutet werden, mit ihrem Körper als Schutzwall Gewalttäter zu begleiten. Schneider sagt: "Ich würde diese Entscheidung jederzeit noch einmal treffen."
Doch dann fragt eine FAZ-Journalistin, warum auch Personalien von Journalisten erfasst worden seien. Auf die Frage nach Fällen meldet sich ein weiterer FAZ-Journalist und schildert, wie seine Personalien trotz Presseausweis aufgenommen wurden.
Rhein versichert, dies werde man prüfen. Doch schon meldet sich ein RTL-Reporter: Seinem Kameramann sei am Samstag ein Bein gestellt worden, ein Polizist habe ihm gesagt: "Verpiss dich."
"Eine Schande für Frankfurt"
Rhein und Schneider machen sich jetzt still viele Notizen, versprechen Aufklärung. Ein Journalist der "Frankfurter Rundschau" berichtet von einem gefährlichen Armstoß. Auf die Frage, warum sie einen OP-Mundschutz trügen, hätten Beamte ihm gesagt: "wegen euch". Wie solle er übergriffige Beamte melden, sagt er, außer Helm und Uniform sei ja nichts zu erkennen. Tja, sagt Schneider, das sei ja nun eine irgendwie grundsätzlichere Frage.
Doch die Journalisten finden das alles sehr konkret. Längst ist das routinierte Frage-Antwort-Muster zwischen Journalisten und Referenten aufgelöst. Immer neue Reporter melden sich. Von hinten ruft einer über das Verhalten der Polizei gegenüber Journalisten: "Eine Schande für Frankfurt". So sei es noch nie zugegangen, sagte einer. Und zwar nirgendwo, ruft ein anderer.
Nur einer sagt kein einziges Wort
Eine Reporterin sagt, sie habe gesehen, wie friedliche Demonstranten von der Polizei niedergeprügelt wurden. Einsatzleiter Schneider sagt, man habe sich nur mit Pfefferspray und Schlagstock Raum verschaffen können. "Ich glaube, Sie waren auf einer anderen Veranstaltung als ich", schallt es ihm entgegen. Irgendwer ruft das Wort "Gewaltorgie". Und Journalisten ergänzen dazu mitten im Konferenzraum des Polizeipräsidiums vernehmlich: "Genau so war es."
Ganz ruhig bleibt nur einer: Polizeipräsident Achim Thiel. Er sitzt neben Schneider und Rhein, während sich die Flut von Vorwürfen ergießt - und sagt während der gesamten Pressekonferenz nicht eine Silbe.
Am gleichen Tag erschien im Weiteren ein zusätzlicher Artikel der Frankfurter Rundschau, diesmal in meinen Augen eher das, was man als "Presseartikel" bezeichnen kann und weniger subjektiv gefärbt: Zwei Seiten der Polizei
Zitat:
Ich bin doch nicht bescheuert! Anja sagt diesen Satz mit Nachdruck. Die 35-jährige Mutter, die eigentlich anders heißt, ihren Namen aber lieber nicht in der Zeitung lesen will, stand am Samstag daneben, als die Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken Ketten in die große Blockupy-Demonstration zog mit ihren beiden Töchtern, 2 und 7 Jahre alt. Niemals wäre sie dort gewesen, sagt Anja, wenn sie auch nur den Hauch einer Ahnung gehabt hätte, was passieren würde. Ich dachte mir, das ist eine angemeldete Demo, da kann ich auch meine Kinder mitnehmen.
Ein Beamter habe sie noch angesprochen, unmittelbar bevor es losging, berichtet Anja. Er meinte: ,Gehen Sie mit den Kindern mal weg da, das ist gefährlich. In dem Moment seien die Polizisten schon massiv in die Demo vorgedrungen ohne Vorwarnung. Plötzlich sagte meine Kleine, ihr Auge brenne, sagt Anja. Erst nach einer Weile sei ihr klar geworden, dass sie und ihre Töchter Reste einer Pfefferspray-Wolke abbekommen hätten. Im Schauspiel hätten sie dann glücklicherweise ihre Augen schnell ausspülen können. Meine Kleinen waren sehr tapfer, sagt Anja. Dennoch sei sie immer noch fassungslos über das Vorgehen der Polizei. Warum es da überhaupt Pfefferspray gab, ist mir immer noch nicht klar.
So ähnlich wie Anja äußern sich im Nachhinein viele Menschen, die am Samstag im oder am Polizeikessel standen. Lea zum Beispiel, die eigentlich auch anders heißt, war ganz vorne, als die Beamten auf die Demo einstürmten. Wir haben überhaupt nicht damit gerechnet, sagt die 29-jährige Aktivistin. Im Kessel seien viele eingeschüchtert gewesen man habe schließlich nicht gewusst, was einen erwarte. Da waren Leute, die richtig Angst hatten, sagt Lea.
Beamte entschuldigen sich
Ab dem Moment, wo die Polizisten Menschen aus dem Kessel abführten, sei die Situation unerträglich geworden. Viele der Beamten seien aggressiv gewesen, hätten Menschen geschlagen, getreten, an den Haaren gezogen. Manche Leute seien auch mit dem Gesicht auf den Boden gedrückt worden. Das war ein völlig überzogenes Vorgehen. Der einzige Trost sei gewesen, dass die restliche Demo bei den Eingekesselten geblieben sei.
Blockupy - die Situation eskaliert
Auch eine andere Demoteilnehmerin berichtet, dass die Polizisten massiv auf die ersten Menschenreihen im Kessel eingeprügelt hätten. Es war nicht schön, das mit anzusehen, sagt sie. Sie habe aber auch einige Beamte gesehen, die mit dem massiven Einsatz offenbar nicht einverstanden waren. Die haben sich sogar bei mir entschuldigt, als sie mich weggetragen haben sie meinten, sie müssten das tun. Im Internet finden sich in Blogs und Foren immer mehr Erlebnisberichte vom Samstag, etwa von einem 64-jährigen Ökonomen, der von einem Beamten berichtet, der zu ihm im Adrenalin-Rausch gesagt habe: Ich prügle dir die Birne zu Matsch. Auch der ältere Herr zeigt sich von der massiven Gewalt völlig entsetzt.
Chris Heimpel, der SPD-Stadtverordnete, erlebt die Proteste als offizieller Demonstrationsbeobachter der Stadt Frankfurt, mit Ausweis und Stempel. Schon im Vorfeld habe die Polizei eine ablehnende Haltung eingenommen. Uns wurde gesagt, wir hätten kein Recht, die Demo zu beobachten, erinnert sich Heimpel (siehe Chronik der Ereignisse). Der junge Sozialdemokrat, der auch Bezirksvorsitzender der südhessischen Jusos ist, wirft der Polizei vor, dass sie zunächst über mehrere Stunden keine Kommunikation mit den eingekesselten Demonstranten gesucht habe. Es gab bewusst keine Information. Auch habe die Polizei die Menschen absichtlich nicht mit Toiletten versorgt. Die Stimmung unter den Eingeschlossenen sei so über lange Zeit hinweg zunehmend aggressiver geworden.
Den Polizeieinsatz selbst schildert Heimpel als sehr bedrückend. Ohne Rücksicht hätten sich die Beamten prügelnd einen Weg in die Menge der Demonstranten gebahnt. Auch Leute, die bereits blutend am Boden lagen, wurden einfach weggeschleift. Dabei sei die Polizei auch gegen Journalisten und Demonstrationsbeobachter vorgegangen. Die zunächst vermummten Demonstranten hätten alle Vermummungsgegenstände abgelegt. Auf einer Länge von 20 Metern sei die Hofstraße von Masken und Schals und einigen Stöcken bedeckt gewesen. Die Polizei habe aber ihr Vorgehen in keiner Weise gemäßigt.
Heimpel zeigt sich überzeugt, dass der Kessel von der Polizei genau an der Engstelle in der Hofstraße geplant gewesen sei. Das war kein Zufall. Im Gegenteil habe er selbst von Polizisten gehört, dass die Hofstraße einer von drei vorbereiteten Punkten zum Eingreifen entlang der genehmigten Demonstrationsroute durch die Stadt gewesen sei, und zwar der erste.
Die Demonstration von rund 10.000 Kapitalismuskritikern, die am Samstag vor der Europäischen Zentralbank gegen die Krisenpolitik protestieren wollten, ist kurz nach Beginn der Veranstaltung von der Polizei vorzeitig beendet worden. Nur etwa zwanzig Minuten, nachdem der Demonstrationszug gestartet war, separierte ein Großaufgebot an Beamten etwa eintausend Aktivisten, die sie der linksextremistischen Szene zuordneten.
Sie begründeten ihr Vorgehen damit, dass zuvor Feuerwerkskörper gezündet worden waren und sich die Demonstranten mit Regenschirmen und Sonnenbrillen vermummten. Demonstrationsbeobachter bezeichneten dies als vorgeschobenes Argument. Über mehrere Stunden kesselten die Beamten die Aktivisten ein. Bei Auseinandersetzungen wurden dabei mehrere Demonstranten schwer verletzt. Unter den Verletzten sind offenbar auch Journalisten.
Immer wieder kam es zu Verhandlungen zwischen dem Versammlungsleiter und der Polizei. Die Aktivisten forderten, den Zug weiterziehen zu lassen. Die Demonstranten im Kessel ließen sich eigenen Angaben zufolge darauf ein, die Regenschirme und Seitentranspatente abzulegen. Die Polizei zeigte sich ihrerseits bereit, den Kessel aufzulösen und die Demonstranten weiterziehen zu lassen. Offenbar aber nur, wenn sie die Personalien sämtlicher Aktivisten aufnehmen können. Das lehnten die Demonstranten ab.
Nach einem stundenlangen Stillstand begannen Beamte am späten Samstagnachmittag, Aktivisten aus den von den übrigen Demonstranten abgegrenzten Kessel herauszuholen und festzunehmen. Unklar blieb zunächst, ob der Protestzug danach weitergehen würde. Die übrigen Demonstranten hatten es abgelehnt, auf einer anderen Route weiterzuziehen. Er gehe davon aus, dass es am Samstagabend zumindest noch auf einer verkürzten Route weitergehe, sagte Blockupy-Sprecher Roland Süß. Die Blockupy-Organisatoren erhoben schwere Vorwürfe gegen die Polizei. „Die Strategie der Polizei ist offensichtlich: Sie will eskalieren“, sagte Süß. Die Polizeiführung in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden habe jede Kooperation abgelehnt, sagte er.
Die Situation schaukelte sich vorübergehend auf, als es an den Polizeiketten wiederholt zu Rangeleien kam. Dabei rammte ein Demonstrant einem Polizisten einen Schraubenzieher in den Unterleib. Die Schutzkleidung verhinderte eine schwerere Verletzung.
Vor allem die Demonstranten, die im hinteren Block ebenfalls über Stunden festgehalten wurden, reagierten empört darüber, ihr Demonstrationsrecht nicht ausüben zu können. Die Polizei zog vereinzelt Demonstranten aus der Menge und nahm sie fest. Im Handgemenge wurden mehrere Personen verletzt, unter anderen auch ein Fotograf. Es dauerte fast eine Stunde, bis der Krankenwagen eintraf. Aus Wut über das Vorgehen der Polizei zündeten die Demonstranten, die sich über Stunden zunächst ruhig verhalten hatten, bengalische Feuer und schossen Feuerwerksraketen.
Offiziell teilt die Polizei bislang nur wenig mit. Sie bestätigt das, was sich längst an Bildern über das Internet verbreitet hat: Demonstranten, die aus der Menge gezogen werden und solche, die am verletzt am Boden liegen. Ein Sprecher sagt, man könne prinzipiell noch nichts Wesentliches sagen. Es sei aber notwendig geworden, dass die Demonstration aufgelöst worden sei. Die Teilnehmer, die sich mit Regenschirmen vermummt hätten, hätten sich unkooperativ gezeigt.
Unterdessen spricht sich das Gerücht herum, die Polizei habe den Kessel bewusst herbeiführen wollen - und die drei Böller, die im Block gezündet wurden, nur als Anlass genutzt. Angeblich habe die Polizei auf diese Weise an die Personalien der Demonstranten kommen wollen, weil man Verbindungen knüpfen wollte zu der sogenannten M31-Demonstration vom 31. Mai 2012. Damals waren Sachbeschädigungen begangen worden, ein Polizist wurde schwer verletzt. Dennoch sprechen Demonstrationsbeobachter, unter denen sich auch mehrere Abgeordnete befanden, davon, dass das Vorgehen der Polizei völlig unverhältnismäßig gewesen sei.
Im vergangenen Jahr hatten in Frankfurt bei einer „Blockupy“-Demonstration mehr als 20.000 Menschen größtenteils friedlich gegen die europäische Politik des Sparens und der Bankenrettung protestiert. Den Protesten in diesem Jahr waren mehrere juristische Auseinandersetzungen vorausgegangen, bei denen „Blockupy“ zwei Erfolge vor hessischen Gerichten erzielte. So durften die Aktivisten am Freitag auch im Flughafen-Terminal demonstrieren und am Samstag direkt vor die EZB ziehen.
„Blockupy“ setzt sich aus den englischen Begriffen „block“ (blockieren) und „occupy“ (besetzen) zusammen. Rund 40 Organisationen unterstützen die Proteste, darunter die Linkspartei, die globalisierungskritische Organisation Attac und die Gewerkschaft Verdi.
Kenne einige, die da waren. Die Polizei soll unnötig aggressiv gewesen sein, bei einem Bekannten haben sie auch durch das Bedrängen und Schubsen das Handy aus der Hand geschlagen (natürlich kaputt).
Also ich finde das Vorgehen der Polizei auch absolut unverhältnismäßig und m.E. verfassungswidrig. Allerdings sind die armen Polizisten, die in den Kessel geschickt wurden nur die Marionetten und vermutlich mit der Situation heilos überfordert.
man muss sich doch nur mal die ganzen Artikel, Bilder und Videos angucken dann sieht man das der Einsatz der Polizei völlig unverhältnismässig war. Man wollte die Demo stoppen egal wie.
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Sollte einer meiner Uploads offline sein. Bitte eine PN. Danke
Rechtsstaat begraben
Trotz anderslautender Gerichtsurteile: Polizei stoppt gewaltsam Blockupy-Demonstration zur Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main
»Untertänige Hammelherde«: Polizisten warten am Samstag in Frankfurt auf ihren Einsatz gegen Demonstranten
Alles deutete am Samstag mittag in Frankfurt am Main darauf hin, daß es eine bunte Großdemonstration von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, Mitgliedern von Erwerbslosen- und Flüchtlingsinitiativen, Flughafenausbaugegnern, der Linkspartei und europäischen Aktivistinnen und Aktivisten geben würde. ATTAC-, IG-Metall und ver.di-Fahnen wehten, die Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten war zahlreich vertreten, die Stimmung fröhlich. Doch dann wurde der Zug der Kapitalismuskritiker, die gegen die Verarmungspolitik der Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission protestieren wollten, brutal von der Polizei gestoppt. Die Veranstalter sprachen nach ihrem visuellem Eindruck von rund 20000 Protestierenden, hatten aber die Zählung »wegen des gewaltsamen Polizeieinsatzes« abbrechen müssen; die Polizei gibt die Zahl mit 7000 an. Ohne sichtbaren Anlaß waren Polizisten in den Zug gestürmt. Die Einkesselung eines ganzen Blocks – Anwälte des unabhängigen Ermittlungsausschusses zählten darin 1050 Personen – begründeten Beamte gegenüber junge Welt mit dem Werfen von Feuerwerkskörpern und der »Passivbewaffnung« einiger Teilnehmer. Darunter seien auch Transparente, Sonnenbrillen und Regenschirme zu verstehen. Der Polizist, der diese Auskunft gab, sagte zugleich, er teile in diesem Punkt nicht die Meinung seines Dienstherrn. Andere setzten sie sehr bereitwillig um: Immer wieder kam es zum Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken, Geschubse und Rangeleien der behelmten Polizisten gegen Teilnehmer. Augenzeugen berichteten, zum Werfen der Bengalischen Lichter und Farbbeutel sei es erst gekommen, nachdem die Polizei in die Demonstration hinein gespurtet sei. Somit wurde die Großdemo, die zur EZB führen sollte und deren Route vom hessischen Verwaltungsgerichtshof genehmigt worden worden war, letztlich durch die Polizei unterbunden. »Alles deutet darauf hin, daß diese Eskalation von der Polizeiführung in Wiesbaden von langer Hand vorbereitet und der Kessel an dieser Stelle von vornherein geplant worden ist«, sagte Blockupy-Sprecherin Ani Dießelmann. Dixie-Toiletten für die Eingekesselten seien zum Beispiel nach wenigen Minuten vor Ort gewesen.
Die ganze Stadt war zu diesem Zeitpunkt mit Polizeiketten abgesperrt, die EZB weiträumig mit Stacheldraht. Ein Demonstrant sei im Kessel kollabiert, habe ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen, so Blockupy-Sprecher Hanno Bruchmann. Ein weiterer, der selbst einen Bluterguß unter dem Auge hatte, sagte am Samstag abend gegenüber junge Welt, er habe gesehen, wie mehrere andere Aktivisten ebenfalls auf den Kopf geschlagen worden seien. Auch die Pressefreiheit wurde zwischenzeitlich außer Kraft gesetzt. All das ging selbst der konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu weit: Die berichtete am Samstag über ein hartes Durchgreifen der Polizei »ohne echten Grund, wie viele sagen« – unter den Verletzten sei offenbar auch ein Journalist gewesen. An der Neuen Mainzer Straße verwehrte die Polizei Medienvertretern den Zugang zum Kessel mit der Begründung, dort sei »gar nichts los«. Auf den Einwand von jW, daß man ja dann ruhig nachschauen könne, hieß es: »Die Presse darf nicht mehr durch: Anweisung von oben, der Polizeiführung in Wiesbaden«. Parlamentarische Beobachter wurden ebenfalls nicht respektiert: »Sie sind kein Abgeordneter! Der Ausweis ist gefälscht«, habe er sich anhören müssen, berichtete der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat. »Ein schwarzer Tag für die Demokratie! Der Rechtsstaat wurde in Frankfurt begraben«, resümierte er.
Die Demonstranten des von der Polizei als gewaltbereit bezeichneten Blocks hätten sich auch noch kurz vor der Räumung am späten Nachmittag nicht »von den aggressiv vorrückenden Einheiten« provozieren lassen, so Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, das mit 20 Beobachtern vor Ort war. Die Polizei sei »mit äußerster Brutalität und Schmerzgriffen, die die körperliche Unversehrtheit verletzten« vorgegangen. Vor der Absperrung an der Hofstraße, wo Polizisten ohne Kampfmontur im Einsatz waren, gab es um 21.15 Uhr für dieses Vorgehen Claqueure, die den dortigen Polizisten sichtlich peinlich waren. Geschniegelte kurzhaarige Rechts******* freuten sich dort: »Gut, daß ihr denen mal so richtig auf die Fresse gebt, macht ruhig weiter«.
Das Blockupy-Presseteam faßte zusammen: Die Demonstranten hätten trotzdem kämpferisch protestiert und sich nicht spalten lassen, mehrere tausend seien aus Solidarität bis in die späte Nacht auf der Straße geblieben. Erst um 22.30 Uhr hatten die Veranstalter die Proteste mit einer Kundgebung gegen Polizeiwillkür und -gewalt beendet. Laut Ermittlungsausschuß waren insgesamt 2000 Personen im Rahmen der Aktionstage von Polizeimaßnahmen betroffen, 200 wurden durch Reizgas, Knüppel und Faustschläge verletzt.
Tja Leute, machen wir uns nichts vor. Mit Deutschland geht es langsam aber sicher bergab.
Lohn-Dumping, Finanzielle Abzocke der Bürger, schwache Politiker, Korruption, Lobbyismus etc., und nun auch noch "Knüppel-Frei" für den "Freund und Helfer in der Not"!
Deutschland geht es als Nation besser dennje, schliesslich blutet die Bevölkerung für das Bruttoinlandsprodukt ausgiebig, insofern macht die Regierung bzw. machen die Lobbyisten alles richtig.
Es gibt auch erhebliche Kritik an der theoretischen und praktischen Ausrichtung der Blockupy-Proteste generell, wie dieses Radio-Interview zeigt: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
Darin wird aus meiner Sicht ziemlich korrekterweise behauptet, dass die Aktivisten bloss mal ein bisschen Räuber und Gendarme spielen wollen. Um wirklich fundamentale Veränderungen ging es bei Blockupy offenkundig sowieso nicht. Diese Veranstaltung hat letztlich nur ein paar Polizisten und Aktivisten geärgert, ansonsten geht alles so weiter wie bisher.
Die haben halt Narrenfreiheit. In der Verfolgung und Bestrafung von Schlägern in Uniform sind wir ein absolutes Entwicklungsland.
Eigentlich brauchen wir auch keine Demonstrationen mehr, sondern da hilft anscheinend nur noch eine Sprache. FUCK THE SYSTEM!!!
Edit:
Habe gerade noch einen [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] von Polizeiforschern an die hessische Landesregierung gefunden. Dort wird die Strategie der Polizei gegen die Blockupy-Demonstration am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main kritisiert.
Lustig ist ja eigentlich, dass diese Eskalationsstrategie der Polizei erst seit Stuttgart 21 in den Fokus der Öffentlichkeit geraten ist. Diese Haudrauf-Strategie der Polizei kenne ich schon seit sehr langer Zeit aus Demos gegen Rechts. Natürlich wurden überwiegend nur die Menschen die sich gegen Rechts gestellt haben eingekesselt, gedemütigt und geschlagen.