Willkommen |
|
myGully |
|
Links |
|
Forum |
|
|
|
 |
29.07.19, 03:48
|
#1
|
Silent Running
Registriert seit: Feb 2010
Beiträge: 7.191
Bedankt: 22.375
|
Zeitreise: Wie der Kuhschädel zum Wacken-Kult-Logo wurde
Den Beitrag sah ich im NDR - Schleswig-Holstein Magazin
Zitat:
Zeitreise: Wie der Kuhschädel zum Wacken-Kult-Logo wurde
von Sven Jachmann
[
Das Wacken Open Air hat sich seit den Anfängen 1990 mit einem Familienfestcharakter in ein hoch kommerzielles Mega-Event entwickelt. Die Idee für das W:O:A entstand 1989 bei einem gemeinsamen Besuch von Thomas Jensen und Holger Hübner im Landgasthof "Zur Post" von Hans-Jörn Arp in Wacken.
Jensen und Hübner lebten in Wacken und waren befreundet, Jensen spielte den E-Bass bei der Rock- und Coverband "Skyline". Der Platz war schnell gefunden, die Wahl fiel auf eine unscheinbare Sandkuhle unweit des Dorfes. Am 24. und 25. August 1990 traten insgesamt sechs Bands auf. Die Gruppen versprühten damals durchweg Lokalkolorit und der Eintrittspreis lag bei "kumpeligen" zwölf D-Mark. Immerhin 800 Fans waren dabei.
Zitat:
Wackens Kuhschädel: Die Geburt eines Kult-Logos
Schleswig-Holstein Magazin - 28.07.2019 19:30 Uhr
Das Wacken Open Air erlebt seine mittlerweile 30. Auflage. Mark Ramsauer gehörte zu den Männern der ersten Stunde: Er entwarf das berühmte Logo fürs Heavy-Metal-Festival.
|
Videoclip im Link 5:35 min.
Als ein Logo erwachte
Kurz bevor das erste Festival an den Start ging, wollte Thomas Jensen schnell noch ein Logo. Mark Ramsauer, ebenfalls aus Wacken, sollte es zeichnen. Er war in der Lehre zum Molkereifachmann und zeichnete nebenbei Comics. Thomas Jensen sagt heute - 30 Jahre danach: "Mark ist ein Riesentyp, ein ganz alter Kumpel von uns. Wir waren damals auf vielen Konzerten zusammen unterwegs. Und er konnte super zeichnen. Auch Ramsauer erinnert sich: "Erst wollte Thomas eine Whiskeyflasche haben, so ähnlich wie die von Jack Daniels. Aber ich befürchtete, dass wir dann rechtliche Probleme bekommen würden." Auch ein zweiter Entwurf, eine Kombination aus Peace-Zeichen und Totenkopf, funktionierte nicht wirklich.
Auch auf T-Shirts sah es gut aus

Schließlich sagte Thomas Jensen, dass wir irgendwie einen Schädel brauchen, "aber keinen Totenkopf, sondern was anderes". Und wieder machte sich der damals 19-Jährige ans Werk. "Ich blätterte in diversen Magazinen, um eine Ahnung zu bekommen, wie so was aussehen könnte." Schließlich zeichnete er den berühmten Bull-Head, den Kuhschädel. "Den habe ich dann auch nur dieses eine Mal gezeichnet - und das war die Vorlage für alles andere." Thomas Jensen war begeistert - zumal das auch auf T-Shirts gut aussah. Sofort ließ er einige Shirts drucken. Beim ersten W:O:A 1990 trug er selbst eins.
Superlative eines Festivals

Wie das Festival auch, nahm der Bull-Head immer größere Formen an. 1997 wurde das Logo in Stahl gegossen, 2013 durch einen noch größeren ersetzt: zweieinhalb Tonnen schwer, rund zwölf Meter breit und zehn Meter hoch. Der Schädel ist allgegenwärtig. "Einige lassen sich das sogar tätowieren“, lacht er. "Wenn ich mir heute den Schädel anschaue, dann erfüllt mich das auch mit Stolz. Wer kann schon von sich behaupten, dass er etwas entworfen hat, das die ganze Welt kennt?"
Thomas Jensen ist heute immer noch begeistert von dem Festival-Logo: "Der Bull-Head gehört zu uns. Er steht auch ein bisschen für den norddeutschen Sturkopf, der sich nicht verbiegen lässt." Der Zeichner von damals ist inzwischen Produktionsleiter in einem Molkereibetrieb. Dem Zeichnen ist er nicht treu geblieben. "Das beruflich zu machen, dazu fehlte mir damals der Mut."
Über die Entstehung eines weltberühmten Logos, die berühmte Mistgabel als Fingerzeig und 30 Jahre Heavy Metal auf der Bühne: In unserer Zeitreise blicken wir auf das einzigartige Festival und seine Macher zurück.
Mehr im Archiv
|
Quelle:
[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
|
|
|
Die folgenden 8 Mitglieder haben sich bei pauli8 bedankt:
|
|
29.07.19, 04:27
|
#2
|
Super Moderatorin
Registriert seit: Mar 2009
Ort: South Bronx
Beiträge: 24.103
Bedankt: 63.090
|
Ich wink euch allen am WE mal zu von Wacken.
Irgendwie hab ich beim ersten Wacken aber keine 12 DM bezahlt.
|
|
|
Die folgenden 5 Mitglieder haben sich bei Avantasia bedankt:
|
|
01.08.19, 11:04
|
#3
|
Profi
Registriert seit: Aug 2016
Beiträge: 1.857
Bedankt: 6.242
|
Hab gerade auch noch einen guten Beitrag zum Wacken-Festival gelesen:
Zitat:
Heavy Metal: Von der Teufelsfaust zur Pommesgabel
Vor 50 Jahren wurde Heavy Metal im Rahmen einer Satansmesse geboren. Seit 30 Jahren pilgern vergnügte Fans zum Wacken Open Air. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Von [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
1. August 2019, 10:33 Uhr 13 Kommentare

Gäste des Wacken Open Air in Schleswig-Holstein. Gewisse Ähnlichkeiten zum Albumcover der Band Coven von 1969 (siehe unten links) sind rein zufällig. © Christophe Gateau/dpa
Ding-dong! Der Beelzebub ruft! Und wer sich von ihm rufen lässt, hat garantiert besseren Sex! Unheilig dunkel bimmelt es aus dem Kirchturm, helle Sakristeiglöckchen kommen dazu, ein Hohepriester murmelt etwas Lateinisches und ein Frauenchor antwortet ihm euphorisch ergeben: "Rege Satanas! Hail Satan! Ave Satanas!"
[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] heißt dieses Stück, das die aus Chicago stammende Rockgruppe Coven im Sommer 1969 herausgebracht hat; es nimmt fast die gesamte zweite Seite ihres Debütalbums ein, Witchcraft – Destroys Minds and Reaps Souls. "Nach unserer Kenntnis ist dies die erste Tonaufnahme, die jemals von einer Schwarzen Messe gemacht wurde", heißt es in den Liner Notes, darum werden schwarzmagische Laien auch vor der Nachahmung gewarnt, zu groß seien die "Risiken und Gefahren" bei unsachgemäßem Verhalten. Wer alles richtig macht, wird hingegen mit reichlich Spaß und Ekstase belohnt: "Während die Altarglocke abermals neunmal geläutet wird", heißt es weiter, "wandert der Hohe Priester durch die Versammlung der 13 Hexen und berührt die Genitalien einer jeden Hexe mit dem speziellen Segen des Satans, um den Erfolg der nachfolgenden Orgie zu garantieren."

(eingebettetes YouTube-Video: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ])
Ein "Coven", das ist eben eine Versammlung aus 13 Hexen; 13 Minuten währt dann auch das zentrale Stück des Coven-Debüts; die anderen dauern etwa die handelsüblichen fünf Minuten und tragen Titel wie Pact With Lucifer, Wicked Woman oder For Unlawful Carnal Knowledge. Von Jinx Dawson, der gewaltigen Sängerin der Band, werden sie mit souveränem Walkürensopran dargebracht, mit ebenso Furcht einflößender wie lockend-erotischer Stimme. Dazu spielen ihre vier Mitmusiker einen kräftigen, wenn auch zeittypisch etwas verdüdelten psychedelischen Rock. Das von einer Reise zum Hexenberg Brocken handelnde [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] inspiriert eine ursprünglich unter dem Namen Polka Tulk Blues Band gegründete Gruppe aus Birmingham im Spätsommer desselben Jahres zu ihrem neuen Namen.
Das ist jetzt genau 50 Jahre her, und in gewisser Weise kann man sagen, dass wir mit dem Geburtstag des Coven-Debüts auch gerade den 50. Geburtstag des Heavy Metal begehen. Unter Metal- und Rock-Philologen gibt es naturgemäß unterschiedliche Ansichten darüber, [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] anzusehen ist. Was die Schwere und Wuchtigkeit des Sounds angeht, geben auch Iron Butterfly mit ihren Alben Heavy von 1968 und insbesondere In-A-Gadda-Da-Vida aus dem folgenden Jahr oder Led Zeppelin mit ihrem gleichnamigen Debüt aus dem Jahr 1969 gute Kandidaten dafür ab. Oder Steppenwolf, in deren 1968er-Song Born To Be Wild es heißt: "I like smoke and lightning, heavy metal thunder, racin' with the wind, and the feelin' that I'm under."

Die Innenseite des Coven-Debütalbums mit dem Teufelsgruß © Mercury Records
Bei Coven aber findet man – über die Musik hinaus – auch erstmals in voll ausgebildeter Form jene Ikonografie, die für die verschiedensten Spielarten des Metal in den folgenden Jahrzehnten charakteristisch wird: die Huldigung des Teufels, die Feier schwarzer Messen und den Gebrauch satanischer Symbole wie etwa des Pentagramms und des umgedrehten Christenkreuzes. Oder eben den bis heute Metal-typischen Gruß mit der Hand, bei dem man den Zeigefinger und den kleinen Finger ausstreckt, während man den Daumen, den Mittel- und den Ringfinger eingeklappt hält. Coven sind 1969 die erste Rockband überhaupt, die diese Geste als Erkennungszeichen benutzen: Zu sehen ist es zum Beispiel auf der ausklappbaren Innenseite des Debütalbums. Dort posieren die vier Instrumentalisten der Band nebst einiger anderer Männer, die in Priestergewänder gekleidet sind, und entbieten mit ihnen gemeinsam den satanischen Gruß. Die Sängerin von Coven, Jinx Dawson, liegt derweil vor ihnen nackt auf einem Altar, mit einem Totenschädel auf der Vulva und einem güldenen Kelch auf der Brust.
Auch bei den Konzerten der Band befand sich stets ein Altar auf der Bühne – sowie ein Kreuz, an dem ein als Christus verkleideter Roadie hing. Die Auftritte endeten stets mit einer schwarzmagischen Taufe, bei der Jinx Dawson das Glaubensbekenntnis des satanistischen Vordenkers Aleister Crowley rezitierte: "Do what thou wilt shall be the whole of the Law." Crowleys in den Sechzigerjahren bekanntester Schüler, der Church-of-Satan-Hohepriester Anton LaVey, zählte denn auch zu den Freunden der Band. Zu einem gemeinsam mit ihm für den Herbst 1969 geplanten "satanistischen Woodstock" kam es allerdings nicht. Der Anfangserfolg der Band wurde dadurch vereitelt, dass sie gegen Ende des Jahres, wenn auch ungerechtfertigter Weise, mit der "Family" des Hippie-Gurus [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] in Verbindung gebracht wurde. Als sich die Nachricht von den Morden der Family im August 1969 verbreitete – einige der Sektenmitglieder hatten auf Geheiß ihres Führers unter anderem die schwangere Ehefrau Roman Polańskis, Sharon Tate, in einer Villa in Hollywood massakriert –, nahmen die meisten Schallplattenläden das Album von Coven aus den Regalen. Von diesem Rückschlag hat sich die Band nicht wieder erholt, nach dem dritten Album Blood on the Snow löste sie sich 1975 auf. Seit 2013 spielt Jinx Dawson allerdings mit anderen Musikern wieder unter diesem Namen und gibt im Rahmen ihrer [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] gerade auch einige Deutschlandkonzerte.
Unterhaltung für die ganze Familie
Bloß in Wacken spielen sie nicht. Warum eigentlich nicht? In dem schleswig-holsteinischen Dorf werden in den kommenden Tagen so viele Teufelsfäuste geschüttelt wie zeitgleich wahrscheinlich nirgends sonst auf der Welt. Dort wird das andere große Metal-Jubiläum der laufenden Saison zelebriert: Zum 30. Mal findet das Wacken Open Air statt; seit der ersten Ausgabe im Jahr 1990 mit damals 800 Besuchern und Besucherinnen ist dies zu einem der größten Metal-Festivals überhaupt angewachsen, in den vergangenen Jahren kamen jeweils 85.000 Menschen in die norddeutsche Provinz zum Metal-Hören und zum rituellen Ausstrecken des Zeige- und kleinen Fingers. Freilich ist die satanistische und sexuelle Bedeutung dieser Geste im Verständnis der meisten Metal-Freunde von heute wohl etwas verblasst. So wird sie meist nicht mehr als Teufelsfaust oder "mano cornuta" bezeichnet, sondern mit dem säkularisierten Begriff "Pommesgabel" bedacht. Man kann wohl auch davon ausgehen, dass ernsthaft praktizierende Satanisten und Satanistinnen nicht die Mehrheit des Wacken-Publikums bilden.
In Wacken ist der Metal in all seinen Spielarten zu einer Unterhaltung für die ganze Familie geworden; wobei "in allen Spielarten" bedeutet, dass auch die Grenzen zur Volksmusik und zum Schlager äußerst durchlässig geworden sind. Zu den Marksteinen der Festivalgeschichte gehört etwa der gemeinsame Auftritt der patriotischen Schlager-Großkünstler Rammstein und Heino im Jahr 2013. Am kommenden Wochenende bietet beispielsweise auch die drollige, aus der Region stammende Shanty-Rock-Gruppe Santiano ihre garantiert nicht okkultistische Mischung aus Rockmusik und Klabautermannromantik dar.
Antichristlicher Groll gehört zur Weltanschauung
Was aber wiederum auch nicht bedeutet, dass sich im Line-up des Festivals keine ordentlichen Teufelsanbieter mehr finden: So sind zum Beispiel die Altmeister von Slayer dabei, die in Wacken nach eigenen Angaben ihr allerletztes Festivalkonzert in Deutschland aufführen werden. Antichristlicher Groll gehört bei ihnen seit je zur weltanschaulichen Grundausstattung, und ordentliche Gotteslästerungen befinden sich verlässlich im lyrischen Repertoire. Wobei es im Fall von Slayer – anders als etwa bei Coven – nicht um die Steigerung des sexuellen Genusses durch okkulte Ekstase geht und auch nicht um die provokante Feier des Bösen durch Anrufung satanischer Kräfte. Denn nach Ansicht der Band ist die dunkle Seite der Macht gar nicht bei den Gotteslästerern und Anhängern okkulter Riten zu suchen, sondern im Gegenteil im Christentum und in allen anderen Arten der institutionalisierten Religion.

(eingebettetes YouTube-Video: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ])
"Religion ist Hass / Religion ist Angst / Religion ist Krieg / Religion ist Vergewaltigung", grunzt der Slayer-Sänger Tom Araya in dem programmatischen Stück Cult, das sich auf dem 2006 erschienenen Album [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] findet. Und in dem ebendort zu hörenden Skeleton Christ präzisiert die Band ihr politisches Anliegen noch: "Ich weiß, was im Namen Gottes angerichtet wurde, / darum habe ich mich für Satan entschieden. / Hail Satan!"
Der beim Slayer-Publikum beliebteste Hit der Band, Raining Blood von dem epochalen [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ], feiert die bevorstehende Machtübernahme des Teufels über die Menschheit als Ankunft des einzig wahren humanistischen Herrschers. Man kann den Titel – "es regnet Blut" – allerdings auch als Beschreibung der weiblichen Menstruation verstehen, wie dies etwa die patriarchatskritische Extrempianistin Tori Amos getan hat; sie hat das Stück auf ihrer Platte Strange Little Girls [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ].

(eingebettetes YouTube-Video: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ])
Sind Slayer also in Wahrheit eine feministische Band? Diese Frage ist bis auf den heutigen Tag ungeklärt. Wie dem auch sei: Bei aller Umarmung des Metal durch den gesellschaftlichen Mainstream gehört die mal mehr, mal weniger gut gelaunte Lästerung religiöser Systeme und Institutionen immer noch zum Kernbestand des Genres. Wenn man sich in westlichen Ländern befindet und die Blasphemie sich auf die christliche Kirche beschränkt, löst diese Art der Musik heute keine nennenswerten Gegenreaktionen mehr aus. Anders ist es überall dort, wo der Liberalismus und die säkulare Aufklärung unter dem Druck religiöser Fanatiker und Fanatikerinnen stehen – dort sind blasphemische Provokationen immer noch oder neuerdings wieder eine politische Tat. Zum Beispiel in Polen, wo der Metal-Sänger [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] zu den prominentesten kulturellen Widersachern der immer reaktionärer auftretenden katholischen Kirche und der angeschlossenen Regierungspartei PiS gehören.
(eingebettetes YouTube-Video: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ])
Lange Zeit wurde bei jedem Behemoth-Konzert jeweils eine Bibel zerrissen, und auf dem aktuellen Album I Loved You At Your Darkest aus dem Jahr 2018 bekundet gleich am Anfang ein Kinderchor, dass er dem christlichen Gott und seinem Sohn Jesus Christus die in ihrem Namen begangenen Gräueltaten nicht zu vergeben gedenkt: "Jesus Christ – I forgive thee not!" Für solche Arten der künstlerischen Artikulation wurde Darski diverse Male von Vertretern des Staats und der Kirche verklagt, zuletzt, weil er das polnische Wappen – den Doppeladler – mit einem satanisch umgedrehten Kruzifix in den Schwanzfedern variiert hatte. Bislang ist er aus allen Gerichtsverfahren unbeschadet hervorgegangen, aber das Klima im Land wird unversöhnlicher und härter, wie er im letzten Jahr in den Interviews zu I Loved You At Your Darkest feststellte. Für die mit diesem Zustand und der unheiligen Allianz aus reaktionärem Nationalismus und Katholizismus unzufriedene säkulare Jugend ist Darski gerade wegen seiner stoischen Haltung gegen Kirche und Staat ein Held; jedenfalls kommen die Alben von Behemoth verlässlich auf Platz eins der polnischen Hitparade.
Jeder für sich ein Außenseiter in einer feindlichen Gesellschaft
(eingebettetes YouTube-Video: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ])
Noch unangenehmer ist die Lage in muslimischen Ländern, wo weite Teile der Bevölkerung sogar spaßbefreiter als die polnischen Katholiken sind, wenn es um die Lästerung ihres Gottes und des dazugehörigen Propheten geht. Wer wie etwa die libanesische Black-Metal-Band Ayat die blasphemischen Gepflogenheiten der europäischen Genrevorbilder auf die örtliche Religion überträgt, riskiert damit nicht weniger als sein Leben. Ayat spielen seit Anfang der Nullerjahre ultra-schnellen aggressiven Grunz-Metal und nennen ihre Songs zum Beispiel [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Sie leben bis heute in Beirut, aber wahren konsequent ihre Anonymität und haben – abgesehen von einigen klandestinen Untergrund-Gigs in winzigen Kellersälen – niemals Konzerte gegeben. Ihr bislang letztes Album, Carry on, Carrion!, erschien 2017.
Der britische Journalist Orlando Crowcroft hat Ayat in seinem schon 2017 erschienenen, leider bislang nicht ins Deutsche übersetzten Buch [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] porträtiert, und er hat dafür auch die gesamte sonstige Metal-Szene des Nahen Ostens und des Iran erkundet. In Teheran hat er die Band Master of Persia getroffen, die Death Metal mit persischen Folkmusik-Elementen verbindet. Diese hält sich zwar fern von allen Arten der offenen Blasphemie; doch im Iran reicht es schon, wenn man sich auf vorislamische Musiktraditionen bezieht, um ins Visier der Religionswächter zu geraten. Der Gründer der Gruppe, Meraj Ansari, wurde wegen Satanismus zu einer Strafe von 100 Stockhieben verurteilt. Später gelang ihm und der Sängerin Anahid die Flucht ins Exil.

(eingebettetes YouTube-Video: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ])
Die berührendste Szene, die sich in dem Buch findet, stammt aus dem Syrien der Zeit vor dem Bürgerkrieg. Ende der Nullerjahre erkundet Crowcroft die vibrierende Metal-Szene in Yarmouk, einem Vorort von Damaskus mit einem hohen Bevölkerungsanteil an palästinensischen Flüchtlingen: Dort kann man damals noch auf Metal-Partys gehen, bei denen Ägypter, Iraner, Syrer, Palästinenser, Sunniten und Schiiten einträchtig headbangen und moshen; viele Menschen, die sich nach dem Willen ihrer politischen Führer eigentlich als Feinde begegnen müssten. Wenn sie nach dem Grund für ihre Metal-Begeisterung gefragt werden, geben sie immer wieder die gleiche Antwort: Die gemeinsame Leidenschaft für die Musik und für den verbindlichen Stil, den sie vorgibt – in Kleidung und Auftreten, Haltung und Teufelsfaustgrüßen –, verleiht den Beteiligten das Gefühl, zu einer großen Familie zu gehören; eine Sicherheit, die sie sonst niemals spüren, jeder für sich ein Außenseiter in einer feindlichen Gesellschaft.
Am Ende erzählt Crowcroft, wie der Regisseur Monzer Darwish, der in seinem Film Syrian Metal Is War die Szene dokumentiert hat, mit seiner Frau Lena in einem überfüllten Boot über das Mittelmeer flieht. Als sie in einen Sturm geraten und das Boot kentert, helfen sich alle Insassen gegenseitig. Aber als sie am rettenden griechischen Ufer ankommen, sehen die Anderen erstmals seine Metal-Tattoos und beginnen ihn sofort zu beschimpfen und anzugreifen. "Das war das Erste, was ich in Europa erlebte", sagt Monzer Darwish. Er sei in seinem Heimatland ein Außenseiter gewesen, und er werde es auch in Europa bleiben: unter den Europäern, für die alle muslimischen Flüchtlinge nur verkappte Terroristen sind – und unter seinen Landsleuten, die ihn als "kaffir", als Ungläubigen verachten. Wie heißt es noch einmal bei Slayer so treffend: "Religion ist Hass / Religion ist Angst / Religion ist Krieg / Religion ist Vergewaltigung".
|
Quelle: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
__________________
"Mitleid und Erbarmen hielten Bilbos Hand zurück. Viele, die leben, verdienen den Tod und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben, Frodo? Dann sei nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand. Selbst die ganz Weisen erkennen nicht alle Absichten. Mein Herz sagt mir, dass Gollum noch eine Rolle zu spielen hat, zum Guten oder zum Bösen, ehe das Ende kommt." (Gandalf zu Frodo)
Geändert von Wornat1959 (01.08.19 um 13:40 Uhr)
Grund: einen doppelten YouTube-Beitrag mit dem richtigen ersetzt
|
|
|
Die folgenden 5 Mitglieder haben sich bei Wornat1959 bedankt:
|
|
04.08.19, 15:35
|
#4
|
Profi
Registriert seit: Aug 2016
Beiträge: 1.857
Bedankt: 6.242
|
Noch ein klein wenig Zeitreise mit einer Fotostrecke:
[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
Dabei musste ich besonders hierrüber lachen.
Zitat:
Altersgrenze? Gibt's für den Teufelsgruß nicht. Zum 30. Jubiläum des Wacken Open Air sind Marianne Hansen (l), Helga Schreckling, Irmgard Mestermann und Gustav Jacobs aus dem Altenheim "Haus am Park" in Heide angereist. © Axel Heimken/dp
|
Ein Altersheim besucht das Festival - sowas sollte es mehr geben. Den Senioren scheint es jedenfalls zu gefallen auf dem Foto.
Dazu gibts auch einen Bericht der Pforzheimer Zeitung:
[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
Das Altersheim aus Heide scheint das Festival jedenfalls fest im Angebot zu haben. Immerhin waren die zum 6. Mal dort.
__________________
"Mitleid und Erbarmen hielten Bilbos Hand zurück. Viele, die leben, verdienen den Tod und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben, Frodo? Dann sei nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand. Selbst die ganz Weisen erkennen nicht alle Absichten. Mein Herz sagt mir, dass Gollum noch eine Rolle zu spielen hat, zum Guten oder zum Bösen, ehe das Ende kommt." (Gandalf zu Frodo)
Geändert von Wornat1959 (04.08.19 um 15:43 Uhr)
Grund: Link repariert
|
|
|
Die folgenden 3 Mitglieder haben sich bei Wornat1959 bedankt:
|
|
Forumregeln
|
Du kannst keine neue Themen eröffnen
Du kannst keine Antworten verfassen
Du kannst keine Anhänge posten
Du kannst nicht deine Beiträge editieren
HTML-Code ist Aus.
|
|
|
Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 23:14 Uhr.
().
|