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Brigitte Bierlein: Mehr als nur Übergang

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Wornat1959
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Standard Brigitte Bierlein: Mehr als nur Übergang

Zitat:
Brigitte Bierlein
Mehr als nur Übergang

Der erste Minister wollte bereits frustriert zurücktreten. Wie Kanzlerin Brigitte Bierlein ihr Beamten-Kabinett zusammenhält und warum sie noch für Überraschungen gut ist

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4. August 2019, 15:14 Uhr ZEIT Österreich Nr. 32/2019, 1. August 2019 7 Kommentare


Eine Regierung ohne Mehrheit im Parlament "sollte ein Provisorium bleiben", sagt die interimistische Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein. © Belga News Agency/​ddp

Es wirkt wie ein Wink mit dem Zaunpfahl. Unmittelbar vor der Einfahrt ins Bundeskanzleramt parkte dieser Tage ein Lieferwagen mit der Aufschrift "Glaserei". Gläserne Geschäfte sind im Augenblick im Kanzleramt am Wiener Ballhausplatz in der Tat vordringlich angesagt.

Im ersten Stock des ehemaligen Palais Metternich hat die neue Hausherrin vergangenen Mittwoch kurz nach 9 Uhr vormittags bereits die erste Sitzung hinter sich. Es ging – wie in vielen politischen Runden dieser Tage – [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ], die Daten-Vernichtung in den letzten Tagen der Regierung von Sebastian Kurz.

Brigitte Bierlein, seit bald zwei Monaten interimistische Regierungschefin, weiß um die Herausforderung, vor der sie in diesem Zusammenhang steht: Ihr Kabinett muss höllisch aufpassen, nicht in einen Wahlkampf hineingezogen zu werden, dessen erste Vorboten nichts Gutes verheißen.

Die Kanzlerin ließ sich von der morgendlichen Beamtenrunde den Stand der hausinternen Ermittlungen berichten, wer was wann über die spektakuläre Vernichtung der fünf Festplatten bei der Firma Reißwolf wusste. Noch müssten alle Erkenntnisse unter Verschluss gehalten werden, bedauert Bierlein. Doch spätestens gegen Ende der ersten Augustwoche will die interne Revision ihren Ermittlungsbericht vorlegen.

Noch Tage bevor die Affäre die Gemüter erhitzte war das zwölfköpfige Übergangskabinett auf etwas ruhigere Zeiten eingestellt. Die Kanzlerin befand sich am Freitag der vorvergangenen Woche ausnahmsweise schon am frühen Nachmittag auf dem Weg ins Wochenende, als ihr Büro dringende Medienanfragen ereilten. Schicksal einer Neo-Politikerin: schnurstracks retour ins Kanzleramt. Die Affäre war nolens volens krachend am Kabinettstisch jener Regierung aufgeschlagen, die für einen geordneten Übergang zwischen der Ära Kurz I und der wahrscheinlichen Ära Kurz II sorgen sollte.

Ein dickes Bündel parlamentarischer Anfragen liegt bereits auf dem Schreibtisch der Regierungschefin. Demnächst dürfte sie auch dem Parlament in einer Sondersitzung Rede und Antwort stehen müssen. Gegen den zur Rechtfertigung der Vernichtungsaktion geäußerten Generalverdacht, Beamte würden parteiisch agieren, hat Bierlein das tausendköpfige Beamtenheer ihres Hauses bereits in Schutz genommen. Schließlich ist auch sie auf dessen Goodwill angewiesen.

Der erfahrene jahrzehntelange Leiter der IT-Abteilung scheidet jetzt bei der internen Aufklärung als Informant aus, er musste sich schon Wochen vor der Schredder-Affäre für längere Zeit in den Krankenstand verabschieden. Langjährige Beamte im Kanzleramt bezweifeln allerdings, dass sich im Fall der Mission Reißwolf Hinweise auf vernichtete Inhalte finden lassen werden, und mutmaßen, dass die Befehlskette, die zur Verwandlung von amtlichen Dateien in Metallstaub führte, im Dunkel bleiben wird. In den Stäben der Machthaber sei es in letzter Zeit in Mode gekommen, wichtige Entscheidungen zu treffen, ohne sie zu verakten, wie der Fachjargon es nennt, wenn Schriftgut in einen offizielles Dokument verwandelt wird. Dadurch werden keine Spuren hinterlassen.

Brigitte Bierlein wirkt trotz der dräuenden Widrigkeiten gelassen. Eine Auszeit war bei der Kanzlerin ohnehin nicht eingeplant: "Ich bin so gepolt: Solange ich diese Verantwortung trage, gehe ich nicht auf Urlaub. Denn Sie wissen schon, sobald die Katze aus dem Haus ist ..." Die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs zieht so auch in den ersten Woche nach der Schredder-Affäre beflissen die Fäden hinter den Kulissen.

"Hurra, wir leben noch!"

Vertreter der wichtigsten NGOs, alle Sozialpartner und viele Landeshauptleute waren schon zu Gesprächen bei ihr. Am Montag der vergangenen Woche, als alle Welt über die Datenvernichtungsaktion mutmaßte, hatte sie rund zwanzig österreichische Wirtschaftsbosse zum Meinungsaustausch geladen. Tags darauf machte der Chef der Grünen, Werner Kogler, seine Aufwartung im Kanzleramt. Obwohl die Ökos mangels Mandaten derzeit kein Machtfaktor sind, legt Bierlein Wert auch auf eine intakte Gesprächsebene mit der Kogler-Truppe.

Freunde der Kanzlerin berichten, die bekennende Liberal-Konservative würde es privat durchaus begrüßen, wenn die Grünen als zusätzliche politische Kraft wieder im Hohen Haus säßen. Die 70-jährige Juristin verfolge auch die Aktivitäten der "Fridays for Future"-Aktivisten mit Wohlwollen.

Mit dem ehemaligen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen versteht sich die Kanzlerin inzwischen beinahe blind. Die beiden telefonieren mindestens einmal die Woche miteinander. Kenner von Bierlein gehen davon aus, dass sich der Bundespräsident und die Bundeskanzlerin in den kommenden Wochen gemeinsam zu mahnenden Worten der Mäßigung zusammenfinden könnten, sollten es die Parteien im Wahlkampf zu bunt treiben.

Dabei stand am Anfang ihrer persönlichen Beziehung mit dem Staatsoberhaupt ein langer Moment der Schockstarre. Ende Mai, am Tag des Niki-Lauda-Requiems im Wiener Stephansdom, erkundigte sich die Präsidentschaftskanzlei im Verfassungsgerichtshof nach der Mobiltelefonnummer der damaligen Chefin. Dass das etwas mit der Übergangsregierung, die nach dem Misstrauensvotum gegen Sebastian Kurz nötig geworden war, zu tun haben könnte, lag für Bierlein auf der Hand. Sie rechnete für den Fall des Falles aber höchstens mit dem Angebot, das Justizressort zu übernehmen.

Den Wunsch, als Kanzlerin einzuspringen, schlug sie im ersten Reflex so auch höflich, aber bestimmt aus: "Das kann ich nicht." Das wollte das Staatsoberhaupt nicht gelten lassen. Das sei ein typisches Frauen-Argument, antwortete Van der Bellen. Erst die Information, der Bundespräsident habe mit dem Ex-Verwaltungsgerichtshofpräsidenten bereits einen möglichen Justizminister und Vizekanzler im Visier, brachte Bierlein dazu, das Ansinnen wenigstens zu überschlafen. Die Zusage fiel Bierlein leichter, weil die konservative Ex-Höchstrichterin mit dem sozialdemokratisch gesinnten Ex-Höchstrichter Jabloner eine jahrzehntelange freundschaftliche Beziehung verbindet. Tags darauf, am katholischen Feiertag von Christi Himmelfahrt, sagte Bierlein "im Interesse der Republik" zu.

Zu ihrer Erleichterung ist das Projekt Regierungschefin bislang zu keinem persönlichen Himmelfahrtskommando ausgeartet. Auch wenn es Tage gibt, an denen sie ihr staatstragendes Ja in trüben Farben sieht. Schon am Tag der Vorstellung der Regierung im Parlament drohte ihr der Verteidigungsminister wieder abhandenzukommen. [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] wollte gleich zum Start das Projekt einer Sicherheitsschule in Wiener Neustadt stoppen, um der darbenden Truppe den Sparwillen der neuen Regierung zu signalisieren. Als ihm aber eine Parlamentsmehrheit deutlich machte, sie billige seine Aktion nicht, war der frisch gebackene Heereschef drauf und dran zurückzutreten. Das wäre ein fatales Signal kurz nach Start des Kabinetts Bierlein geworden, das diese lautlos, aber erfolgreich rechtzeitig aus der Welt schaffte: Mit der ihr eigenen Mischung aus klarer Haltung gepaart mit einer Offenheit für Argumente. Und das alles, so ein Bierlein-Kenner, "immer ladylike".

Pessimisten in den eigenen Reihen hatten dem Kabinett ohne Mehrheit im Parlament nur ein paar Wochen gegeben, bevor es zwischen den Fronten aufgerieben werde. Unter dem unausgesprochenen Motto "Hurra, wir leben noch!" lud die Kanzlerin Anfang Juli zu einem Abendessen ins Hotel Park Hyatt am Hof, um die unfallfrei überstandenen ersten 30 Regierungstage zu feiern.

Ohne großes Aufsehen verständigte sich die Regierung zunehmend selbstbewusst intern auch auf ein paar Projekte, die über eine reine Verwaltungstätigkeit hinausgehen. In jedem Ministerium arbeiten die Beamten gerade an einem Kassasturz – damit die nächste Regierung auf sicherem Boden ein Budget für 2020 erarbeiten kann. Zudem wurden einige Infrastrukturvorhaben des ehemaligen Infrastrukturressorts von Norbert Hofer in Begutachtung geschickt – damit eine neue Regierung nach den Wahlen schnell loslegen kann.

Sie kennt ihre politischen Grenzen

Schon lange vor der Bestellung von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin streckten Brigitte Bierlein und ihr Europaminister die Fühler in Richtung aller Parteien aus, wen Österreich als EU-Kommissar ins Rennen schicken sollte. Am Ballhausplatz bilanziert man nicht ohne Stolz: Bierleins Kompromiss-Kandidat Johannes Hahn ist der erste österreichische Kommissar, der ohne jede Gegenstimme vom Parlament durchgewunken wurde.

Eine der schwierigsten Klippen in der EU haben Bierlein und ihr Team bislang durch schlichtes Stillhalten umschifft. Das wochenlange Tauziehen um die aus Seenot geretteten Flüchtlinge hat in Europa eine neue Debatte um die Verteilung dieser Menschen losgetreten. 14 von 28 Staaten signalisierten, einen Verteilungsschlüssel erarbeiten zu wollen. Das Kabinett Bierlein bleibt jedoch bei der von seinen Vorgängern ausgegebenen Parole, der EU-Außengrenzschutz habe politisch Vorrang.

Die Kanzlerin kennt nicht nur hier ihre politischen Grenzen. Regierungen ohne entsprechende Parlamentsmehrheit können und sollten keine großen Sprünge machen. "Es gibt Länder, die haben eine andere Geschichte und sind solche Regierungen gewohnt", sagt die Regierungschefin der ZEIT: "Für Österreich ist das kein Ideal und sollte ein Provisorium bleiben."

Dass "die Anonymität weg ist", sie oft um Selfies gebeten wird und unbekannte Menschen freundlich an sie appellieren, "hoffentlich bleiben Sie", daran hat sie sich schon gewöhnt. Sie weiß aber, je länger das Provisorium dauert, desto nachteiliger wäre das für das Land. "Es gehören natürlich bald Reformen her, auch im Sozialsystem", ist von ihr in kleinem Kreis immer wieder zu hören

Bierlein hätte daher so wie der Bundespräsident einen früheren Wahltermin als den 29. September bevorzugt. Jetzt muss sie mit der Aussicht auf noch zwei Monate Wahlkampf leben.

Sie zeigt derweil aber auch nach innen selbstbewusst die Grenzen, wo für sie das Amt der Kanzlerin endet und das Privatleben beginnt. Der obligate Cobra-Begleitschutz eskortiert sie zwar wie jeden ihrer Vorgänger von ihrer Privatwohnung ins Amt oder zu Terminen. Eine permanente auch nächtliche Bewachung ihrer privaten Mietwohnung oder den Einbau von speziellen Sicherungsmaßnahmen lehnte sie bislang jedoch erfolgreich ab.

Auf gut sechs Monate hat Bierlein ihr Kanzlerinnen-Dasein veranschlagt. Ihre Hoffnung nach einem präzise kalkulierbaren Ende wird sich aber nur dann erfüllen, wenn ein eindeutiges Wahlergebnis eine rasche Regierungsbildung noch Wochen vor Weihnachten möglich macht. Pessimisten hatten ihr schon prophezeit, sie könnte noch im März nächsten Jahres am Ballhausplatz nach dem Rechten sehen müssen.

Brigitte Bierlein verlässt sich da lieber auf das Orakel eines Einstands-Präsents ihres Außenministers Alexander Schallenberg: Eine in Asia-Shops gerne angebotene Grinse-Katze, die freundlich winkt, so lange das die Batterie hergibt. Und die reicht, so Schallenberg augenzwinkernd beim gemeinsamen Amtsantritt Anfang Juni, für ganze sechs Monate.

An einer Frage kann in Tagen wie diesen auch eine Übergangs-Kanzlerin nicht vorbei: Ob sie vorhabe, vor Amtsübergabe Datenträger großflächig schreddern zu lassen? Brigitte Bierlein: "Wir werden alles ordentlich übergeben, so wie es vorgesehen ist: mit frisch aufgesetzten Computern und Dienst-Handys und aufgeräumten Büros."
Quelle: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
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"Mitleid und Erbarmen hielten Bilbos Hand zurück. Viele, die leben, verdienen den Tod und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben, Frodo? Dann sei nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand. Selbst die ganz Weisen erkennen nicht alle Absichten. Mein Herz sagt mir, dass Gollum noch eine Rolle zu spielen hat, zum Guten oder zum Bösen, ehe das Ende kommt." (Gandalf zu Frodo)
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