80 Milliarden Euro will die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren einsparen und so die Wende in der Schuldenkrise schaffen. Soziales, Wirtschaft, Bundeswehr - viele Bereiche sind betroffen. SPIEGEL ONLINE gibt den Überblick über das schwarz-gelbe Kürzkonzept.
Berlin - Es waren harte Verhandlungen, daraus machte Kanzlerin Angela Merkel keinen Hehl - doch nun steht das größte Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik: Besonders hart trifft es den Sozialbereich. Aber auch die Wirtschaft soll einen milliardenschweren Beitrag leisten. Bei Bildung und Forschung soll es keine Abstriche geben. Auch von einer Erhöhung der Einkommen- und Mehrwertsteuer bleiben die Bürger verschont.
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Bis 2014 will die schwarz-gelbe Bundesregierung rund 80 Milliarden Euro einsparen. Bereits im kommenden Jahr werden davon etwa 11 Milliarden fällig
"Es sind ernste Zeiten", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Wir können uns nicht all das, was wir uns wünschen, leisten, wenn wir die Zukunft gestalten wollen." Das ausgehandelte Sparpaket sei "ein einmaliger Kraftakt". Es sei eine "durchaus ernste Situation für unser Land", sagte Merkel. "Aber ich bin optimistisch, dass wir das schaffen können, wenn wir das jetzt auch so umsetzen."
Zusammen mit Vizekanzler Guido Westerwelle präsentierte Merkel die zentralen Punkte des Sparpakets. Es sei ein "ausgewogenes, gerechtes, faires Sparpaket", sagte Westerwelle.
Der FDP-Chef verwies auf die guten Nachrichten für die Bürger:
* Die Mehrwertsteuer wird nicht erhöht.
* Die Einkommensteuer wird nicht erhöht.
* Der Solidaritätszuschlag wird nicht erhöht.
* Bei Bildung, Forschung und Entwicklung wird nicht gespart.
"Obwohl sparen niemand gerne hat, ist es notwendig", sagte Westerwelle. Angesichts der gewaltigen Sparsumme setzt die Regierung in zentralen Bereichen den Rotstift an
Quelle: Spiegel.de
Hier soll überall gespart werden:
Sozialleistungen
Dieser Bereich, der mehr als die Hälfte des Bundeshaushaltes ausmacht, soll effizienter werden. Grundsätzlich will die Koalition Pflichtleistungen in Ermessensleistungen umwandeln - etwa bei Eingliederungshilfen für Jobsuchende. Dies soll den Anreiz zur Annahme einer Arbeit erhöhen.
Abeitslose/Harz IV
Bei den Leistungen für Arbeitslose setzt die Koalition den Rotstift an. So sollen die für zwei Jahre gezahlten Zuschläge beim Übergang vom Arbeitslosengeld I ins Arbeitslosengeld II ersatzlos gestrichen werden. Bisher werden Alleinstehenden im ersten Jahr bis zu 160 Euro monatlich gezahlt, im zweiten bis zu 80 Euro. Für Verheiratete gibt es maximal das Doppelte. Mit der Streichung will der Staat 200 Millionen Euro einsparen.
Hartz-IV-Empfängern soll das Elterngeld komplett gestrichen werden. Das Einsparpotential beträgt hier 400 Millionen Euro. Hartz-IV-Empfänger werden künftig auch nicht mehr rentenversichert. Der aus Steuergeldern bezahlte Rentenversicherungsbeitrag für Langzeitarbeitslose (1,8 Milliarden Euro jährlich) soll entfallen.
Die Arbeitslosenversicherung soll künftig ohne Darlehen oder Zuschüsse auskommen. Dies könnte auf eine Erhöhung des Beitragssatzes über die für 2011 festgelegten drei Prozent hinauslaufen. Die Bundesagentur für Arbeit soll Leistungen stärker nach eigenem Ermessen gewähren können und dadurch ihre Ausgaben zwischen 1,5 und 3 Milliarden Euro drücken können.
Elterngeld
Gutverdienende Eltern bekommen künftig etwas weniger. Den Höchstbetrag von maximal 1800 Euro im Monat will die Koalition nicht antasten. Doch werden künftig nur noch 65 statt 67 Prozent als Berechnungsgrundlage genommen, wenn das Nettoeinkommen über 1240 Euro im Monat beträgt. Unterm Strich entlastet das den Bundesetat nach Erwartung der Regierung um 200 Millionen Euro im Jahr.
Heizkostenzuschuss
Der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger soll wegfallen. Die Regierung erwartet dadurch eine Entlastung um 100 Millionen Euro.
Ökosteuer
Auf den Prüfstand sollen Finanzhilfen und Steuervergünstigungen. Durch Einschränkung der Ausnahmeregelungen von der Ökosteuer für besonders energieintensive Unternehmen sollen jährlich bis zu 1,5 Milliarden Euro mehr in die Staatskasse kommen.
Energie
Die Sondergewinne der Energiekonzerne aus der beabsichtigten Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke sollen abgeschöpft werden. Daraus erhofft sich die Regierung jährlich Zusatzeinnahmen von 2,5 Milliarden Euro.
Flugreisen
Für Flugpassagiere ist eine ökologische Luftverkehrsabgabe geplant. Sie soll jährlich etwa eine Milliarde Euro einspielen und bei Abflügen von deutschen Flughäfen erhoben und nach Kriterien wie Lärm und Energieverbrauch differenziert werden.
Finanzmarktabgabe
Mit einer Finanzmarkttransaktionssteuer sollen die Banken sich an den Kosten der Krise beteiligen. Die Bundesregierung setzt dabei auf eine internationale oder europäische Vorgehensweise, behält sich aber auch eine nationale Lösung vor. Angestrebt wird eine Lösung zum 1. Januar 2012.
Bahn
Die Deutsche Bahn soll einen erheblichen Teil ihrer künftigen Gewinne an den Bund als Eigentümer abführen. Von 2011 bis 2014 hat der Bund jeweils 500 Millionen Euro Dividenden-Einnahmen eingeplant. Bisher konnte der bundeseigene Konzern Gewinne komplett behalten.
Bund
Bei den Streitkräften ist eine großangelegte Reform geplant. Ziel ist es, ab 2013 jeweils zwei Milliarden Euro einzusparen. Die Rede ist von einer Reduzierung der Truppenstärke um 40.000 Berufs- und Zeitsoldaten. Es soll bei einem Wehr- und Ersatzdienst von sechs Monaten bleiben.
Beamte
Die Zahl der Bundesbeschäftigten soll bis 2014 um bis zu 15.000 Stellen sinken. Zudem sollen die Bundesbeamten 2011 auf die geplante Erhöhung des Weihnachtsgeldes verzichten. Dies bedeutet eine Kürzung der Bezüge um 2,5 Prozent. Generell sollen die Ausgaben des Bundes pauschal auf mittlere Sicht um 4,4 Milliarden Euro im Jahr gesenkt werden.
Berlin
Der Aufbau des Berliner Schlosses wird auf Eis gelegt. Ursprünglich war der erste Spatenstich bereits für Anfang 2011 geplant. Die einstige Residenz der preußischen Könige und deutschen Kaiser soll nun erst von 2014 an wiederaufgebaut werden. Daraus ergeben sich Einsparungen in Höhe von 400 Millionen Euro.