Zitat:
...es wurde eine ansprache erwartet...
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Das erste Problem:
Von wem genau wurde eine Ansprache "erwartet"?
Also von mir eindeutig nicht! Befürchtet ja. Rituale, einmal installiert, sind vermutlich nie mehr auszurotten.
Meine (zugegeben spärlichen) Erfahrungen mit den bisherigen Neujahrsansprachen haben mir gezeigt, daß ich auf nichts leichter verzichten kann, als auf leere Verpackungen ohne Inhalt. Selbst wenn sie zufällig einmal mit der Neujahrsansprache des Vorjahres verwechselt werden sollte: Lieber eine vom Vorjahr als gar keine!
Zugegeben: Die diesjährige war anders als die anderen. Da war eigentlich ausschließlich die Pandemie das Thema. Welch Glück! Das ersparte eine Menge verbaler Peinlichkeiten und garantierte Unverwechselbarkeit.
Zweites Problem:
Wenn ich nichts zu sagen habe, kann Schweigen eine Option sein?
Meine Antwort: Eindeutig ja! Und ein Jahr ohne Neujahrsansprache würden voraussichtlich die meisten Bürger der Republik unbeschadet überleben.
Drittes Problem:
Wenn dringend anzupackende Probleme konsequent ignoriert, das Anpacken immer wieder verschoben oder Problemlösungen gefunden werden, die das Probem noch verschärfen (Ein paar Stichworte dazu: "Aussitzen", "Kaputtsparen", "Steuergeldverschwendung", "Lobbyismus", "Umverteilung von unten nach oben"), welche frohen Botschaften verbleiben dann noch für eine einigermaßen sinnvolle "Neujahrsansprache"?
Genau. Exakt keine.
Ein regelrechter "Lichtblick" im Finsteren war da die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten.
"Wir mussten auf so vieles verzichten, auf das wir uns gefreut hatten: Fußball im Stadion, Kino und Konzert, die Reise in den Urlaub, die Feier zur Hochzeit und vieles andere mehr."
Wenn der Bundespräsident ausgerechnet "Fußball" in seiner Weihnachtsansprache an die allererste Stelle der Dinge setzt, auf die "wir" so schmerzlich verzichten mußten, dann beschreibt dies den trostlosen Zustand dieser Republik, dieser Gesellschaft auf unüberbietbar überzeugende und erschütternde Weise.
"Lieber Gott, bitte mach, daß wir bald wieder ins Stadion gehen und dem Ball hinterhersehen dürfen, sonst hat das Leben keinen Sinn mehr!"
Amen.