Wornat1959 |
09.09.19 11:54 |
Textilsiegel: "Grüner Knopf" für fairere Textilien
Zitat:
Textilsiegel
"Grüner Knopf" für fairere Textilien
Gut für die Umwelt, gut für die Mitarbeiter: Dieses Versprechen ist mit dem neuen Siegel für Textilien verbunden. Die Branche hält es für unnötig, NGOs für unzureichend.
9. September 2019, 10:28 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, tst 35 Kommentare
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Überlebende der zusammengebrochenen Rana-Plaza-Kleidungsfabriken (Bild von 2014) © Abir Abdullah/epa/dpa
So wie Gemüse aus biologischem Anbau unterscheidbar ist von einer konventionellen Produktion, sollen auch Textilien aus fairer Fertigung bald durch ein einheitliches Signet gekennzeichnet sein. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) stellte dazu den Grünen Knopf vor – ein staatliches Siegel, das Kunden anzeigen soll, dass die Textilien nach hohen sozialen und ökologischen Standards hergestellt wurden. Es gehe um "mehr Menschlichkeit" und um "Gerechtigkeit" in den Lieferketten, sagte Müller.
Unternehmen, die den Grünen Knopf für ein Textilprodukt erhalten wollen, müssen 26 soziale und ökologische Mindeststandards einhalten. Die ökologischen Standards umfassen etwa das Verbot von Weichmachern und anderen Chemikalien sowie Grenzwerte für Abwässer, die bei der Produktion entstehen. Auch müssen die Produzenten nachweisen, dass sie menschenrechtliche, soziale und ökologische Verantwortung übernehmen. Die Unternehmen verpflichten sich etwa, Mindestlöhne zu zahlen, bestimmte Gesundheits- und Sicherheitsstandards einzuhalten und Kinderarbeit auszuschließen.
Hintergrund von Müllers Initiative ist der Einsturz [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...]. Müller hatte das Unglück als Weckruf für Wirtschaft und Politik gewertet, sich stärker für sichere und faire Arbeitsbedingungen in der Textilwirtschaft einzusetzen. Deutschland könne es sich nicht leisten, die Bedingungen in Billiglohnländern auszublenden, sagte Müller. Er versicherte zugleich, dass die Produkte für Kundinnen und Kunden nicht teurer würden.
Sein Projekt ist allerdings umstritten. Die deutsche Textilbranche hält den Grünen Knopf für überflüssig und die Kriterien für kaum kontrollierbar. Die Präsidentin des Gesamtverbandes textil+mode, Ingeborg Neumann, sagte den Zeitungen des RedaktionsNetzwerkes Deutschland, es gebe bereits "zahlreiche Qualitätssiegel, die auch international anerkannt sind". Ein zusätzliches nationales Siegel mache keinen Sinn. Es schaffe nicht mehr Klarheit. Ziel der Maßnahme ist auch, das Bewusstsein der Kunden zu vergrößern. Einige Handelsketten und Discounter bieten in Deutschland Kleidungsstücke wie T-Shirts, aber auch Jacken oder Sweatshirts teils für wenige Euro an, deren Nutzungszeit von kurzer Dauer ist.
Anderen geht Müllers Vorhaben nicht weit genug. Uwe Wötzel vom internationalen Netzwerk Kampagne für Saubere Kleidung bemängelte, die Kriterien seien "deutlich zu schwach, die Überwachung unzureichend und die Ausnahmen zu umfangreich". In den Kriterien sei nur die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns verankert, der aber in der Regel so niedrig sei, dass niemand davon leben könne. Zudem schließt Müllers Siegel vorerst Teile der Produktionskette aus: Nur die Arbeitsbedingungen beim Nähen, Färben und Bleichen würden einbezogen. Nicht aber beim Weben, Spinnen und der Rohstoffproduktion.
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Ich habe gerade auf der Deutschen Welle noch einen zweiten guten Artikel (etwas ausführlicher) dazu gelesen:
Zitat:
Fairer Handel
"Grüner Knopf" - Deutschlands erstes staatliches Siegel für fair produzierte Textilien
Wie viel Gift oder Kinderarbeit steckt in einem T-Shirt? Die Verbraucher können nun entscheiden, ob sie Textilien kaufen, die hohen sozialen und ökologischen Standards gerecht werden. Der "Grüne Knopf" wird eingeführt.
Es ist die größte Katastrophe in der Geschichte der Textilindustrie. Im April 2013 stürzt in Bangladesch die Textilfabrik von Rana Plaza ein. Weit über 1000 Menschen sterben, über 2000 werden verletzt. Bekannte Firmen wie Mango, Benetton, C&A und Primark lassen dort ihre Kleidung nähen. Die Fabrik ist erst kurz zuvor von der Business Compliance Initiative (BSCI) kontrolliert worden, der weltweit größten Umsetzungsinitiative für Arbeitsstandards.
Nicht nur dem deutschen Entwicklungshilfeminister Gerhard Müller dämmert spätestens jetzt, dass sich dringend etwas ändern muss: "Wir müssen weg von dem Shareholder Value Denken, sondern hin zu einer globalen Verantwortung für globale Lieferketten."
https://www.dw.com/image/45079068_401.jpg
Rana-Plaza in Dhaka, Bangladesch, am 25.April 2013 - die größte Katastrophe in der Textilindustrie
2014 initiiert er das Textilbündnis. An der gesamten Textil-Lieferkette entlang sollen die sozialen, ökologischen und ökonomischen Bedingungen verbessert werden. Freiwillig. Für den Minister gibt es genug ethische Gründe, dass Unternehmen und Verbrauchen einfach mitmachen müssen. Doch nach fünf Jahren ist das Ergebnis dürftig. Geht man vom Gesamtumsatz aus, dann macht nur die Hälfte der Textilbranche mit. Die andere Hälfte fühlt sich nicht angesprochen oder scheut den bürokratischen Aufwand.
Der "Grüne Knopf" wird in Äthiopien geboren
2017 besucht Entwicklungshilfeminister Müller eine Textilfabrik in Äthiopien. Da ist ihm schon klar, dass er nachlegen muss. Für Unternehmen, die soziale Standards wie gerechte Löhne und humane Arbeitsbedingungen einhalten, ohne giftige Chemikalien arbeiten, soll es ein Siegel geben. Faire Produktion soll erkennbar sein, und wenn sich daraus ein Wettbewerbsvorteil für diese Unternehmen ergibt, dann ist das auch so gewollt.
https://www.dw.com/image/50259894_401.jpg
Grüner Knopf: Metasiegel für fair produzierte Textilien
Müller steht an einem Zuschneidetisch und versucht, die ihn begleitenden Journalisten von dem neuen Siegel zu überzeugen. Ein staatliches Metasiegel. Im Gespräch geht es hin und her, wie es heißen könnte. "Grünes Band", "Fairer Faden" - der "Grüne Knopf" erntet die meisten Lacher. Die Journalisten ahnen da noch nicht, dass ihnen [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...] zwei Jahre später tatsächlich begegnen wird.
Das Entwicklungsministerium geht ins operative Geschäft
Die Beamten im Entwicklungsministerium betreten Neuland. Zusammen mit Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Modeindustrie entwickeln sie 26 Mindeststandards, die Textilunternehmen erreichen müssen, um an das Metasiegel zu kommen.
Es betrifft Abwassergrenzwerte, schwere Formen von Kinderarbeit und Verbot von Zwangsarbeit. Außerdem müssen die Unternehmen anhand von 20 Kriterien nachweisen, dass sie ihren Sorgfaltspflichten nachkommen.
Zum Beispiel, ob es in den Produktionsstätten [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...] gibt. Unabhängige Prüfer kontrollieren die Einhaltung. Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) hat dafür extra Prüfer ausgebildet und stellt die Kontrollen sicher. Zwei Jahre lang übernimmt das BMZ dafür die Kosten, danach müssen die Unternehmen sie selbst schultern.
Potenzial für umweltfreundliche Produkte
Etwa 50 Unternehmen lassen sich derzeit prüfen. Es ist aufwändig. Nicht jedes Unternehmen kann oder will das leisten. Zwanzig Unternehmen davon haben die Prüfung schon erfolgreich bestanden, darunter der Outdoor-Hersteller Vaude, der Hotelwäscheproduzent Dibella oder das Modelabel Melawear.
Müller schwärmt, welche Kraft der "Grüne Knopf" entfalten könnte, wenn er Kriterium bei der öffentlichen Beschaffung wäre. Klinikwäsche, Uniformen - es wäre ein erhebliches Potenzial, um sozial- und umweltfreundliche Produkte zu unterstützen. Müllers Schwärmerei hat nur einen Schönheitsfehler. Der "Grüne Knopf" kann, aber er muss nicht Kriterium bei der Auftragsvergabe sein.
Der "Grüne Knopf" ein Rohrkrepierer?
An Kritik am "Grünen Knopf" mangelt es nicht. Während die Textilindustrie ein "Bashing" ihrer Branche beklagt, geht das Siegel vielen Entwicklungs- und Umweltorganisationen nicht weit genug. Uwe Kekeritz, der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, sagt gegenüber der Deutschen Welle: "Ob das Siegel Breitenwirksamkeit entfaltet, steht in den Sternen. Und zu einem Umdenken in der Branche oder gar zu einer Veränderung des Geschäftsmodells der Fast Fashion wird der 'Grüne Knopf' nicht führen."
https://www.dw.com/image/47057403_401.jpg
Bangladesch - Näherinnen protestieren gegen die miserablen Arbeitsbedingungen
Diese Kritik teilen die meisten, kirchliche Vertreter, Entwicklungs- und Umweltorganisationen. Dass Freiwilligkeit zu etwas führt, glaubt fast niemand von ihnen. Sie fordern stattdessen ein Lieferkettengesetz.
Noch wird nicht die ganze Lieferkette geprüft
Gerhard Müller kennt auch die Kritik, dass der "Grüne Knopf" nicht die gesamte Produktionskette, vom Baumwollfeld bis zur Konfektion, unter die Lupe nimmt. Kontrolliert werden die Produktionsstufen "Zuschneiden und Nähen" sowie "Bleichen und Färben". Der Entwicklungshilfeminister hält dagegen: "Wir starten mit 95 Prozent, es ist ein Prozess."
https://www.dw.com/image/17001398_401.jpg
Der "Grüne Knopf" - Entscheidungshilfe für Verbraucher?
In drei Jahren etwa will man die gesamte Lieferkette prüfen, um den "Grünen Knopf" vergeben zu können. Andere, wie Uwe Kekeritz, wollen aber jetzt schon 100 Prozent. "Der Minister verspricht Nachhaltigkeit vom Baumwollfeld bis zum Bügel, obwohl der 'Grüne Knopf' bislang nur für wenige Produktionsschritte gelten soll. Der 'Grüne Knopf' darf gesetzliche Maßnahmen nicht ersetzen. Es kann nicht sein, dass die Politik die Verantwortung an die Kundinnen und Kunden abgibt."
Von diesem Montag an sind die Textilien mit dem "Grünen Knopf" im Handel. Bundesentwicklungshilfeminister Gerhard Müller betont: "Es geht nicht um uns." Vielmehr sei es wichtig, die Situation der weltweit über 120 Millionen Beschäftigten in der Textilindustrie zu verbessern. Die meisten arbeiten in Entwicklungsländern und meistens sind es Frauen.
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