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Uwe Farz 15.08.19 21:52

Seehofer will mehr Überwachung
 
Seehofer verschärft Überwachung
Staatstrojaner im Schachtelsatz:
Zitat:

Mit komplizierten Gesetzen greift Innenminister Horst Seehofer in die Grundrechte ein - und will die Computer von Bürgern und Journalisten durchsuchen lassen.

Kommentar von Ronen Steinke

Horst Seehofer, der Bundesinnenminister, hat vor einer Weile etwas Kritik auf sich gezogen, als er erläuterte, wie man brisante Verschärfungen der Sicherheitsgesetze am effektivsten auf den Weg bringe, ohne viel Gegenwind auszulösen. Ganz einfach: Man müsse die Gesetze kompliziert machen. "Dann fällt es nicht so auf." Manche haben ihm vorgeworfen, das sei undemokratisch. Dabei sieht, wer jetzt Seehofers riesiges, 41 Seiten pralles Gesetzespaket zur Stärkung des Verfassungsschutzes studiert: Es geht sogar noch besser.

Es ist nicht nur dieser besondere Stil: "Auf Aufzeichnungen nach Absatz 3 Satz 2 und §§ 9d, 9e Absatz 1 (...) ist § 3a Absatz 1 Satz 4 bis 6 und Absatz 2 des Artikel-10-Gesetzes entsprechend anzuwenden", so liest man im dritten, dem zentralen Paragrafen dieses Geheimdienst-Gesetzespakets. Einer der heiklen Sätze kurz darauf verströmt ebenso stickige, schläfrig machende Behördenluft: "Erfolgen Maßnahmen bei einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 3b oder Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person ..."
Kriminalität Innenminister Seehofer fordert mehr Videoüberwachung

Nach Mord am Frankfurter Hauptbahnhof
Innenminister Seehofer fordert mehr Videoüberwachung

Außerdem kündigt er an, für mehr Polizisten an Bahnhöfen sorgen zu wollen. Die Opposition wirft ihm Aktionismus vor, potenzielle Täter ließen sich von einer Kamera nicht abschrecken.
Übersetzt heißt dies, dass der Verfassungsschutz künftig auch journalistische Redaktionen mit Staatstrojanern ausspähen dürfen soll. Man kann dies aber nicht lesen, ohne dass der gesamte Schreibtisch übersät ist mit aufgeschlagenen weiteren Gesetzen. Ob man es dann versteht, ist immer noch eine andere Frage.

Brisante Ideen werden in Schachtelsätze eingewickelt

Noch besser ist dieser simple Kniff: Die wirklich brisanten Neuerungen schreibt Seehofers Ministerium nicht in die Gesetzesbegründung hinein. Das würde es den Leserinnen und Lesern zu einfach machen. Die Gesetzesbegründung, das ist schließlich der Teil, der in relativ verständlichem Deutsch geschrieben ist und deshalb meist zuerst gelesen wird. Vielleicht hätte Seehofers Gesetzentwurf, mit dem der CSU-Politiker eine größere Aufrüstung der Sicherheitsbehörden einfordert, als es sein braver Vorgänger Thomas de Maizière je gewagt hätte, viel breitere Empörung ausgelöst - wenn sein Ministerium nicht so hellsichtig gewesen wäre, auch die folgenden brisanten Ideen in Schachtelsätze einzuwickeln und in der Gesetzesbegründung zu verschweigen:

Der Verfassungsschutz soll, so der Plan, nicht nur die Befugnis erhalten, Kinder zu überwachen. Er soll ihre Daten auch an ausländische Geheimdienste übermitteln dürfen. Und: Der Verfassungsschutz soll, so der Plan, in private Wohnungen nicht nur einbrechen dürfen, um nach Handys oder Laptops zu suchen, auf die er Spionagesoftware aufspielen kann. Er soll auch einbrechen dürfen, schlicht um seine sogenannten V-Leute zu schützen, die später die Bewohner dieser Privatwohnungen besuchen.

Live-Überwachung via Kaufhaus-Kamera

Schließlich: Die Privatwirtschaft soll künftig viel öfter zwangsrekrutiert werden, so der Plan. Das Bundesinnenministerium soll künftig IT-Unternehmen per Verordnung zwingen können, beim Aufspielen von Spähsoftware auf Handys, Computer oder andere Geräte mitzuhelfen. Kaufhäuser sollen verpflichtet werden, dem Verfassungsschutz Live-Zugang zu ihrer Videoüberwachung zu geben. So steht es in dem Gesetzentwurf aus dem Hause Seehofer, wenn auch wohlweislich versteckt.

Wer jetzt findet, dass das alles nicht Staatskunst ist, sondern eher eine Art von gesetzestechnischer Trickserei, die darauf ausgerichtet ist, den demokratischen Prozess auszubooten, der muss als Parlamentarier solche Gesetze an den Verfasser zurückgeben. Ganz einfach.
Quelle:
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DJKuhpisse 15.08.19 22:16

Alles schon seit Jahren geplant worden, jetzt kommt es wohl leider durch.

Uwe Farz 17.08.19 21:31

Dazu eine Ergänzung von netzpolitik.org:
Zitat:

Tor-Netzwerk und Redaktionsgeheimnis: Was die Bundesregierung anderswo unterstützt, greift sie hierzulande an

Die Bundesregierung empfiehlt in vielen Ländern die Nutzung von Anonymisierungsinfrastrukturen und unterstützt auch Digital-Security-Trainings für Journalist:innen. Im Innern sägt der zuständige Minister Seehofer mit Gesetzentwürfen dagegen am Redaktionsgeheimnis und könnte das Betreiben von Tor-Knoten kriminalisieren.

Das Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit unterstützt Menschen in vielen Ländern dabei, die „legale Nutzung von Anonymisierungstechnologien“ zu erlernen. Das Ziel solcher Trainings für digitale Sicherheit ist laut Bundesregierung, Journalist:innen oder gefährdete Menschen und Gruppen zu schützen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion hervor.

Andere Vorhaben der Bundesregierung im Inneren konterkarieren die gute Neuigkeit. Das Bundesinnenministerium setzt sich in einem Gesetzentwurf dafür ein, auch dem Bundesverfassungsschutz die Nutzung von Staatstrojanern zu erlauben. Ihr Einsatz könnte auch Redaktionen treffen. Journalist:innen sind im Entwurf nicht von dem Einsatz von Staatstrojanern ausgenommen, obwohl das bei anderen Berufsgruppen, in deren Arbeit Berufsgeheimnisse zum Alltag gehören, der Fall ist. Ein neuer Straftatbestand im Entwurf für das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 zielt offiziell auf illegale Händler im „Darknet“ ab, könnte aber laut Experten auch Betreiber:innen von Tor-Knoten treffen.
Entwicklungsministerium unterstützt Journalist:innen und sichere Kommunikation

Die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage bezeugt dagegen die Vorteile von Anonymisierungsinfrastrukturen: „Zur Gewährleistung bzw. Förderung digitaler Kommunikation für Nutzerinnen und Nutzer sowie Journalistinnen und Journalisten hat die Deutsche Welle Akademie im Auftrag des BMZ in den vergangenen Jahren in vielen Ländern Arbeitslinien zum Thema digitale Sicherheit aufgebaut. Die legale Nutzung von Anonymisierungsdiensten ist dabei ein Inhalt von Workshops und Trainings.“

Die Deutsche Welle Akademie ist Teil des deutschen Auslandsrundfunks, der im Gegensatz zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk über Steuergelder finanziert ist. Sie ist auf nahezu allen Kontinenten aktiv und unterstützt Medienmacher und Journalist:innen auch in repressiven Regimen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit. Ein Teil der Arbeit besteht aus den Digital-Security-Trainings, die Journalist:innen vor Ort vor Überwachung und Verfolgung schützen können. Das Thema „digitale Sicherheit“ ist laut Bundesregierung Bestandteil von 15 internationalen Projekten der Akademie. Das Entwicklungsministerium unterstützt außerdem Projekte des Zivilen Friedensdienst, der unter anderem auch Journalist:innen weiterbildet.

Auch in anderen internationalen Projekten finden je nach Bedarf Trainings statt, schreibt die Bundesregierung: „Die Bundesregierung fördert im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit die digitale Kompetenz gefährdeter Personen und Gruppen u.a. durch digitale Sicherheits-Trainings, die abhängig von der Gefährdungslage auch Informationen zu Anonymisierungsdiensten enthalten.“
Reporter Ohne Grenzen kritisiert die Pläne des Innenministeriums

Während die Bundesregierung im Ausland also die Nutzung von Anonymisierungsinfrastrukturen empfiehlt und ihre Vorteile klar benennt, plant sie, diese im eigenen Land anzugreifen. Reporter Ohne Grenzen, die auch solche Trainings anbieten, betonen die Wichtigkeit von anonymen Infrastrukturen und protestierten gegen die geplante Kriminalisierung von Tor-Servern.
Quelle:

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Das ist dann aber schon ein heftiges Ausmaß an Doppelmoral.

Uwe Farz 22.08.19 12:51

Einbrechen für Staatstrojaner: Verfassungsschutz soll mehr Befugnisse erhalten als bisher gedacht
Zitat:


Der im März bekanntgewordene Gesetzentwurf für den Verfassungsschutz enthält neben Staatstrojanern noch andere weitreichende Befugniserweiterungen. Um die Schadsoftware auf Geräten zu installieren, soll der Inlandsgeheimdienst in private Wohnungen eindringen dürfen.

Im März veröffentlichten wir den Gesetzentwurf zur „Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“ aus Horst Seehofers Innenministerium. Durch den seitdem vielfach kritisierten Entwurf sollen die Befugnisse des Verfassungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes ausgeweitet werden. Mit dabei: Staatstrojaner für Verfassungsschutz und BND.

Vier Monate nach der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfes beschreibt der Rechtsprofessor Frederik Roggan einen weiteren Kritikpunkt: das neue Gesetz würde gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung verstoßen. Denn die Verfassungsschützer sollen zukünftig ohne richterlichen Beschluss in Wohnungen einzudringen dürfen, um Staatstrojaner auf Computern und Smartphones zu installieren.

Wohnungseinbruch, Sicherheitslücken oder Mails mit Schadsoftware?

Auch wenn die Befugnisse zum Staatstrojaner-Einsatz – vor allem für die Polizei – in der Vergangenheit immer wieder erweitert wurden: Wie die Überwachungsmittel auf ein Gerät kommen, war weitgehend ungeklärt. Offengelassene Sicherheitslücken, Mail-Anhänge mit Schadsoftware oder heimliche Installation direkt auf dem Gerät? Es bestand Rechtsunsicherheit. Manche Rechtwissenschaftler verneinen, dass die Polizei zur Trojanerinstallation einfach in Wohnungen eindringen oder Nachrichten mit falschem Absender versenden dürfte. Auch dass die Polizei sich Sicherheitslücken in IT-Systemen zu nutze machen kann, halten sie für zweifelhaft. Mit dem neuen Gesetz will Seehofers Ministerium diese Hürde, zumindest für den Inlandsgeheimdienst, verkleinern.

Der Text für das neue Verfassungsschutzgesetz ist in verschachtelten Sätzen formuliert und mit Paragraphen versehen, die sich auf Paragraphen beziehen, die sich wiederum auf Paragraphen beziehen. Und so brauchte es vier Monate, einen erfahrenen Rechtsprofessor und die Veröffentlichung des kompletten Gesetzestextes, um die geplanten Änderungen in diesem Ausmaß zu entziffern. Ein kurzer Hinweis von Legal Tribute Online im März bekam keine breite Öffentlichkeit.

Das zeigt, dass es wichtig ist, Gesetzesentwürfe so früh wie möglich zu veröffentlichen. Denn nur wenn sich viele Journalist*innen, Rechtswissenschaftler*innen und andere die Vorhaben der Regierung anschauen können, lassen sich solche kritischen Stellen entdecken.
SPD: Entwurf ist nicht von Koalitionsvertrag gedeckt

Bereits im März hatte das Justizministerium unter der damaligen Justizministerin Katarina Barley den Vorschlag in Gänze abgelehnt und auf den Koalitionsvertrag verwiesen. In diesem waren eine „maßvolle“, aber „sachgerechte Kompetenzerweiterung“ für den Verfassungsschutz vereinbart worden, gekoppelt an eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle. Diese Voraussetzung sah Burkhard Lischka, Innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, in Seehofers Entwurf nicht.

Katarina Barley war im März bereits als Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten für die Europawahl benannt. Dass es eine Nachfolgerin für sie als Justizministerin geben müsste, war klar. Wer das sein würde und ob diese das Gesetz ebenso ablehnen würde jedoch nicht. Zu ihrer Nachfolgerin ist Christine Lambrecht geworden. Sie sagte in einem Interview letzten Monat, man prüfe „maßvolle Kompetenzerweiterungen“ für den Verfassungsschutz. Damit müsse aber eine „Ausweitung parlamentarischer Kontrolle verbunden sein“:

Ich werde mich mit meinem Kollegen Seehofer für ein erstes Gespräch in den nächsten zwei Wochen zusammensetzen und auch über diese Frage sprechen.

Nach einer kompletten Ablehnung hört sich das nicht mehr an. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, wie der Kompromiss zwischen Innen- und Justizministerium aussehen wird.
Quelle:
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Die SPD scheint schon zu wackeln.
Das Einbrechen in private Wohnungen lehne ich ab. Da wäre auch Manipulationen Tür und Tor geöffnet.


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