Ich habe Jura studiert, bereite mich gerade auf den zweiten Versuch meines Examens vor. Ich kann dir sagen...lass es.
Zum einen macht sich der Studienanfänger zunächst kein Bild, was da an Arbeit hinter steckt. Die Uni bringt dir nicht einmal ansatzweise bei, was in der staatlichen Prüfung abverlangt wird. Demnach wirst du zwangsläufig auf einen kommerziellen Repetitor zurückgreifen müssen. Es gibt nur 2 wirklich gute am Markt und die nehmen dafür richtiges Geld.
Ein Privatleben kannst du rund 1 Jahr vor deiner ersten Examensprüfung abschreiben. Sei froh, wenn deine Freundin das mitmacht. Eine 70 Stunden Woche ist leider Normalität. Auch wenn man Juristen hochleben lässt, weil sie sehr ehrgeizig sind usw. Keine Frage, das wirst du dann aber auch müssen. Denn das Studium besteht man leider nicht mit gut Glück. Da steckt ein Haufen Arbeit hinter, daher der erzwungene Ehrgeiz.
Wie ich am Anfang schon erwähnte, bereite ich mich gerade auf meinen zweiten Versuch vor. Bin also beim ersten Versuch durchgerasselt. Jetzt könnte man denken, der hat halt nicht genug gelernt. Wenn du mal (hypothetisch) soweit bist und das Examen vor Augen hast, wirst du es anders sehen. Die cand. iur. die in die Prüfung reingehen sind alle gut, die haben sich alle den Arsch abgelernt. Die wenigsten fallen da durch, weil sie faul waren. Jura wird nach Quote entschieden. Das ist natürlich niemals offiziell und ich wollte es auch nicht glauben. Habe es aber am eigenen Leib erfahren. Auch aus heutiger Sicht und nachdem ich meine Examensklausuren von mehreren befreundeten Volljurist habe überprüfen lassen, bin ich eigentlich nicht durchgefallen. Jura ist eine reine Wertungsfrage, das ist nicht wie Mathe, wo es nur ein Ergebnis geben kann.
Mittlerweile schreibe ich wieder eine Probeexamensklausur nach der anderen (rund 4-5 Stück in der Woche je 5 Stunden). Von 20 bisher geschriebenen Klausuren habe ich bisher nur eine in den Sand gesetzt. Im Examen habe ich von 6 geschriebenen Klausuren angeblich 4 nicht bestanden und die anderen beiden gerade mal mit Arsch über Latte. Man sieht, irgendwas passt da nicht.
Ich weiß, deine Frage ging danach, ob es sich finanziell und beruflich lohnen würde. Ich wollte dir jedoch einmal kurz einen Einblick geben, dass es auch eine ganz dunkle Seite dieses Studiums gibt.
Übrigens kann ich nur bestätigen, was die Notenvergabe angeht. 18 Punkte sind möglich (vgl. dem Abiturnotenspiegel). Willst du dir das antun, gewöhne dich daran, idR zwischen 4 und 8 Punkte pro Klausur mit nach Hause zu bringen. Alles was danach kommt hat zum einen mit Talent und zum anderen mit sehr viel Glück zu tun.
Noch kurz zu deiner eigentlichen Frage, was den finanziellen Ablauf angeht. Es kommt nicht allein auf die Note an. Du hast die Möglichkeit, auch während des Studiums Rethorikseminare usw. zu besuchen. Noch besser wäre eine abgeschlossene Berufsausbildung. Juristisches Fachwissen runterzurasseln ist eine Sache, dieses dann auch im wahren Leben anzuwenden eine ganz andere. Man legt viel mehr Wert darauf, dass du mitten im Leben stehst und nicht irgendwelche unnützen Meinungsstreitigkeiten wiedergeben kannst, die eh kein Schwanz braucht. Realitätsbewusstsein bringt dir mehr als Klugzuscheissen. Systemverständnis ist besser als Auswendiglernen (btw. alles auswendig zu lernen schafft man übrigens nicht).
Du kannst in einer Großkanzlei genauso gut einen Job mit einem 8 Punkte Examen bekommen, sofern du dich auch durch soziale Kompetenzen ausweisen kannst und diese auch widerspiegelst. Ich arbeite seit rund 6 Jahren bereits für eine Rechtsabteilung eines großen Konzerns (ja das geht, obwohl ich noch nicht fertig bin) Der Verdienst ist ok. Man wird nicht reich, aber arm ist man auch nicht unbedingt.
Für einen Berufsweg musst du dir mehrere Fragen stellen. Staatsdienst oder Privatwirtschaft?
Staatsdienst: 8-9 Punkte aufwärts, Verdienst besser als jeder Durchschnittsangestellte, sicherer Job und zwangsläufig steigst du alleine aufgrund deines Alters immer weiter auf in den Gehaltsklassen, Verdienst aber im Vergleich zur Privatwirtschaft wesentlich schlechter.
Privatwirtschaft: Kanzlei oder Unternehmen?
(Groß)-Kanzlei: Gut bis sehr gutes Gehalt, aber absolut kein Privatleben und keine Freizeit. Glaub mir, das willst du nicht. Ich kenne genug reale Beispiele: 26 Jahre alt, 100.000 EUR Jahresgehalt, 70 Stunden Woche, 3 Beziehung mittlerweile in kurzer Zeit in den Sand gesetzt.
Unternehmen: besseres Gehalt als Staatsdienst, schlechteres Gehalt als (Groß)-Kanzlei (sofern du etabliert bist). wesentlich bessere Arbeitszeiten, zwangsläufig auch Vorgesetzte, Teamarbeit, keine Prozesse, sondern eher rechtliche interne Beratung
Unternehmen - Dienstleistung oder Industrie: Industrie zahlt besser als Dienstleistung....
Ich breche an dieser Stelle mal ab, da kann man ewig weitere Wege spinnen. Letztlich ist auch noch entscheidend, in welche Fachrichtung du gehen willst. Strafrecht - überlaufen, Wirtschaftsstrafrecht dagegen sehr gute Verdienstmöglichkeiten, aber musst du auch gut sein, siehe Sven Thomas, Klaus Bernsmann usw.
Zivilrecht: Vertragsrecht ganz gut, Erbrecht? gestorben wird immer

IT-Recht: aufstrebend aber schwer zu etablieren
Ö-Recht: Muss man mögen, aber gute Verdienstmöglichkeiten....usw.usw
Als letzter Tipp: Fahr mal zur nächsten Uni in deiner Nähe, die eine Fakultät für Rechtswissenschaften hat. Besuche dort einmal die Fachbibliothek für Juristen. IdR kommst du da ohne Probleme rein. Gerade am Eingang erhältst du erfahrungsgemäß unzählige kostenlose Fachzeitschriften: Anwaltskarriere und son Rotz. Hol dir die mal, schau mal rein. Da stehen auch ganz viele tolle Karrierewege drin und Gehaltsvorstellungen für die verschiedensten Bereiche. Dazu sei erwähnt, das ist der "best case" und spiegelt für 95 % der Juristen nicht die Realität wieder.
Fazit: Auch auf dem Hintergrund, dass ich heute mit 31 Jahren (nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung zum Bankkaufmann und einem fast fertigen Juristen) noch einmal wählen könnte: Ein FH Studium gekoppelt mit einer Berufsausbildung. Bachelor mit Option auf Master und dann ab in die Industrie. Das bringt dir 1000 mal mehr und bereitet auch mehr Spass.
Viel Glück und eine gute Erkenntnis bei deiner Wahl....