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Ungelesen 22.05.15, 00:41   #27
knechtwillrecht
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Die Frage kann einem richtig hart auf den Sack gehen. Unmengen an Zeit und Energie verschliegen und im schlimmsten Fall kriecht man dem Wunsch nach Sinn und tieferer Bedeutung folgend in irgendeine vermurkste Eso-Ideologie hinein.
Ich persönlich denke, dass man die Frage heute nicht ninreichend beantworten kann. Ob es einmal möglich sein wird, kann man sich nun mal schlecht ausmalen, da wir nichts von zukünftigen Differenzierungs-Möglichkeiten, Technologien, Analysekompetenzen wissen usw..
Aber wenn man einen Blick in die Psychologie und Weiten der Geisteswissenschaften wirft... vlt lieber ettliche Blicke... lassen sich zumindest Wahrscheinlichkeiten abwägen.
Z.B. liebt unser Hirn sinnvolle Systeme. Es hat ein Belohnungssystem dafür entwickelt. Wenn wir etwas beobachten, bewerten und es als runde Sache keine komplizierteren mentalen Prozesse beansprucht wird das Nervensystem mit kognitiver Leichtigkeit belohnt. Da gibt es nun viele Techniken, der sich unser Gehirn bedient um Sachverhalte auf überschaubare Verwicklungen zu reduzieren. Eine will ich hier eben herausstellen um etwas zu verdeutlichen: Sieht man sich einer zu komplexen Frage gegenüber beantortet man oft eine einfachere Frage und überträgt diese dann. Daniel Kahnemann hat für seine Forschungen dies-bzügl, auf dem Gebiet der Entscheidungsfindung in der Neuropsychologie, mal nen Nobelpreis abgeräumt. Steht man zB vor der Entscheidung ein Auto zu kaufen und fragt sich ob Auto XY die richtige Investition ist, hat aber nicht das nötige technische Wissen die Frage wirklich zu beantworten zieht man Ersatzfragen wie "Geflällt mir die Farbe? Wirft es genug sozialen Prestige ab?" oder "Was sagt wohl mein(e) Freund(in) dazu?" vor und beantwortet diese weniger komplizierten Fragen. Gibt dann aber anhand der Beantwortung der Ersatzfragen Antwort auf die Komplexe Frage. Das ist einer von vielen möglichen Gründen warum das Konzept "Gott" einmal eine hilfreiche Krücke war und für so manches Subjekt noch heute ist. Ganz abgesehen davon der eigenen Existenz Tiefe und Bedeutung zu verleihen, sich das Gefühl von etwas Sicherheit gegenüber der Ohnamcht angesichts der undurchsichtigen Welt erlauben zu könne usw.
Das Misstrauen gegenüber der Realität hat wiederum gute Gründe. Der Realität als Solcher aber ihren Wirklichkeitsgehalt abzusprechen ist wahrscheinlich wieder eine Vereinfachung. Ich versuche es einfach zu halten. Werde also viele wichtige Unterscheidungen der Verständlichkeit zu Liebe auf der Strecke lassen. Es gibt die Matrix , jedoch ist die Matrix anderer Natur, als im gleichnamigen Film. Wir alle, als Teilnehmer an der menschlichen Hochkultur haben einen Pakt geschlossen; die Sprache. In hintergründiger Übereinkunft bedienen wir uns Verknüpfungen von Lauten und/oder Symbolen und verweben sie mit Bedeutungen. Wir denken in ihr und haben super weitreichende Beduetungsketten erschaffen, die unser Gefühlsleben bis in die tiefe bestimmen und formen: Vergewaltigung, der Duft von Sommerregen, Überstunden, Freiheit. Begriffe sind mehr als Kommunikationshilfen. Sprache strukturiert unsere Wirklichkeit. Jacques Lacan zB spricht hier von der symbolischen Ordnung. Sie ist vor uns da, wir werden in sie hineingeboren und wenn wir gehen wird sie noch da sein. Man könnte auch vereinfacht Kultur dazu sagen. Sie beinhaltet Sinn (Wünsche, Ziele), Verhaltenanleitungen (Moral/ Werte, Tabus, usw.) bis hin zu unseren Vorstellungen über uns selber. Dieses Netz aus Informationen, Befehlen usw formt das Individuum. Es ist der Autopilot den wir unsere unverwechselbare Identität nennen. An Menschen, die noch platter und unreflektierter als wir den normativen Vorstellungen von Gut/Böse, Schön/Hässlich folgen fällt es uns oft auf. Ein Kind ,das seine Mutter heulend und schreiend davon zu überzeugen sucht, dass die fußballschuhe nunmal von Nike sein müssen und so ein Deuchmannkram einfach falsch ist. Der Player, der den Nerd belächelt. Die Mutter, die die gendernde Feministin verachtend bewertet. Man könnte die Liste unendlich weiter führen.
Was ich damit sagen will, ist das die Matrix existiert. Sie reitet dich und mich. Sie ist voller Meme (Informationseinheiten, Ideen), die das Individuum besetzen/infizieren. Michel Foucault hat in diesem Zusammenhang die Verbindungen zwischen Macht, Wissen und Subjekt untersucht und kam zu einem enttäuschenden Ergebnis was unsere Freiheit angeht.
Mein persönliches Fazit aus all dem ist, dass es sich lohnt kulturkritische Schriften zu lesen. Man mag politisch von ihnen halten was man will aber den linksintellektuellen Theoretikern macht da keiner so leicht was vor. Faucoult, Derrida, Lancan, Cioran (nicht politisch), Adorno, Walter Benjamin, Donna Haraway, Nietzsche (auch ehr unpolitisch aber wenn man ihn vereinfacht ist man schnell ein kleiner Faschist) usw usw... erlauben es einem viel Distanz zum Alltäglichen aufzubauen, machen die Muster in denen wir ticken und denken sichtbar. Ich glaube um so mehr Ideen wir zur Auswahl haben, umso größer ist unsere Freiheit, denn die einzige Freiheit die einem bleibt ist die, zu entscheiden welcher Idee man sich unterwirft.
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