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17.06.25, 06:04
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#1
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das Muster ist das Muster
Registriert seit: Apr 2011
Ort: Schwarzwald
Beiträge: 2.840
Bedankt: 3.177
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Bürgergeld statt Steuerbetrug im Fokus: „Wir erleben eine Gerechtigkeitskrise“
Zitat:
Bürgergeld statt Steuerbetrug im Fokus: „Wir erleben eine Gerechtigkeitskrise“
Helena Steinhaus erhält das Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte. Sie eine Gerechtigkeitskrise an – zwischen Bürgergeld und Steuerbetrug.

Ich nehme das Marburger Leuchtfeuer nicht als persönliche Ehrung an, sondern stellvertretend für alle, die in diesem Land durch Armut systematisch oft in große Not gebracht werden. Ich nehme es als Mahnung und als Erinnerung daran, dass wir in einem der wohlhabendsten Länder der Welt leben, in dem trotzdem 14 Millionen Menschen, also ein Fünftel, unterhalb der Armutsgrenze leben müssen. In dem Erwerbslose so behandelt werden, als seien sie sowohl Schuld an ihrer eigenen Situation als auch an allem anderen, was sonst nicht so gut läuft: leere Haushaltskassen, Wirtschaftskrise und am besten noch an den Entgleisungen der Deutschen Bahn.
Helena Steinhaus über das Bürgergeld-System: „Von einer ‚sozialen Hängematte‘ fehlt jede Spur“
Unsere Arbeit bei Sanktionsfrei zeigt klar: Das Bürgergeld reicht nicht für gesunde Ernährung, nicht für gesellschaftliche Teilhabe, nicht für ein Leben in Würde. Hinzu kommen Behördenwillkür und bürokratische Hürden, die die Menschen an ihre Grenzen bringen. Dabei hängt Erwerbslosigkeit – wie die Zahlen ganz klar belegen – fast nie mit mangelndem Willen zusammen. Sondern mit Krankheit, fehlender Betreuung, prekären Arbeitsbedingungen, Pflegearbeit oder schlichtweg damit, dass es nicht ausreichend existenzsichernde Stellen gibt. Oder die Betroffenen gehören zu den 1,5 Millionen Kindern im Bürgergeld. Von einer „sozialen Hängematte“ fehlt jede Spur – es sei denn, man meint damit das Wartezimmer im Jobcenter.
Es wird von „Leistungsgerechtigkeit“, von „Eigenverantwortung“, von „Fördern und Fordern“ geredet. Aber man muss noch nicht einmal genau hinschauen, um zu bemerken, dass diese Prinzipien erstaunlich oft nur nach unten gelten. Wir haben ein System kultiviert, das Menschen in Not nahezu notorisch misstraut und kontrolliert – und das gleichzeitig Machtkonzentration großzügig toleriert.
Schieflage zwischen Armut und Reichtum nimmt zu – Profiteure schreiben Gesetze
Es ist völlig normal, dass Menschen nach 40 Jahren Vollzeit direkt in Altersarmut landen. Oder dass jemand, der 50 Euro zum Geburtstag bekommt, dieses Geschenk dem Jobcenter zurückgeben muss. Während Millionen- und Milliardenvermögen steuerfrei die Generationen wechseln, Arbeit viel höher besteuert wird als Kapitalerträge (!!!), Steuern im großen Stil vermieden und hinterzogen werden und Gesetze von denen geschrieben werden, die hinterher auch von ihnen profitieren.
Armut wird vererbt, Reichtum auch. Nur die von Reichtum betroffene Minderheit profitiert vom aktuellen Verteilungsmechanismus und kann damit nicht nur das individuelle, sondern auch das politische und gesellschaftliche Leben viel stärker gestalten, als Menschen ohne Erbschaft und Vermögen.
Schieflage ist „Ausdruck eines Systems, das soziale Hängematte brüllt“ – wegen 563 Euro Bürgergeld
Diese Schieflage ist keine Panne. Sie ist Prinzip. Sie ist Ausdruck der Bigotterie eines Systems, das „soziale Hängematte“ brüllt, wenn jemand lächerliche 563?€ Bürgergeld bekommt – aber großzügig wegsieht, wenn Superreiche ihre Milliarden vermehren und sich dabei an der Allgemeinheit bedienen und sie sogar betrügen. Stichwort: Cum-Ex.
Was wir bei Sanktionsfrei täglich erleben, ist nicht „Einzelfall“. Es ist System. Eines, das Armut nicht bekämpft, sondern Menschen arm hält und in Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit stürzt. Und das dann überrascht tut, wenn Menschen den Glauben an Politik verlieren.
Unter der Gerechtigkeitskrise leiden auch diejenigen, die arbeiten
Was wir alle erleben, ist keine „Sozialstaatskrise“. Es ist eine Gerechtigkeitskrise. Und es ist eine Krise des politischen Mutes, sich mit den Privilegierten, Reichen und Mächtigen anzulegen: Armut ist kein Naturgesetz. Sie ist gemacht und gewollt.
Ein schlechtes Sozialsystem ist nicht nur für die Menschen schlecht, die davon leben müssen. Sondern es ist zugleich eine Drohkulisse, gerichtet an alle, die arbeiten. Das Signal ist klar: Mach deinen Job, denn hier willst du nicht hin! Und es funktioniert! Im europäischen Vergleich hat Deutschland einen der größten Niedriglohnsektoren.
Menschenwürdige Grundsicherung könnte eine Verhandlungsgrundlage für höhere Löhne sein
Aber das könnte ganz anders sein! Wir könnten den Menschen auch eine echte Verhandlungsgrundlage und damit eine menschenwürdige Grundsicherung gönnen. Vielleicht müssten millionen- und milliardenschwere Unternehmen dann höhere Löhne zahlen – was nur fair wäre.
Und dann können wir hoffentlich aufhören darüber zu reden, ob Menschen in Armut 20 Euro mehr oder weniger im Monat bekommen sollen, wie viel man sie sanktionieren muss, wenn sie einen Termin verpassen, oder ob man ihnen die Leistungen schlimmstenfalls gleich komplett entzieht.
Ein sanktionsfreier Bürgergeld-Regelsatz von 813 Euro ist das Minimum – dazu Vertrauen statt Kontrolle
Deshalb sagen wir als Sanktionsfrei ganz klar: Das Minimum ist ein sanktionsfreier Regelsatz, der tatsächlich zum Leben reicht – mindestens 813?Euro, wie der Paritätische Gesamtverband ausgerechnet hat. Selbst damit haben die Betroffenen leider noch genug Sorgen.
Was ich darüber hinaus fordere, ist so einfach wie weit entfernt: Vertrauen statt Kontrolle und Drohung. Augenhöhe statt Herablassung und ein Ende des Generalverdachts durch Behörden, die selbst oft überfordert sind, weil sie ein System umsetzen müssen, das Menschen brechen soll, nicht begleiten.
Ich danke der Humanistischen Union für diesen Preis und dafür, dass sie damit sichtbar macht, was sonst lieber übersehen wird. Aber dieser Dank kommt mit einem Versprechen: Wir werden lauter. Wir werden unbequem bleiben. Und wir werden nicht aufhören, bis wir dieses System überwunden haben.
Denn das Leuchtfeuer, das Sie mir heute geben, das tragen viele längst in sich. Und es wird heller, je mehr wir werden. Danke auch an alle, die unsere finanzielle und juristische Unterstützung für Betroffene mit ihren Spenden möglich machen!
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die Frau Steinhaus bringt es gut auf den Punkt, jetzt müsste nur mal die Politik handeln.
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Die folgenden 6 Mitglieder haben sich bei ziesell bedankt:
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17.06.25, 15:14
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#2
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Are YOU a people person?
Registriert seit: Apr 2015
Beiträge: 2.771
Bedankt: 4.863
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Zitat:
Zitat von ziesell
[...] jetzt müsste nur mal die Politik handeln.
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"Die Politik" handelt. Das ist seit Ewigkeiten einer der Gründe für die Gerechtigkeitskrise.
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Die folgenden 3 Mitglieder haben sich bei muavenet bedankt:
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29.06.25, 17:52
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#3
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viel-leserin
Registriert seit: Sep 2008
Beiträge: 1.884
Bedankt: 4.967
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war eigentlich die grundsicherung - wie auch immer sie in den letzten jahren geheißen haben mag - jemals menschenwürdig? war es jemals genug, für gesundes essen, für gesellschaftliche teilhabe?
und gut... die kleine garstige in mir denkt sich leider immer noch: ich kenn beruflich bedingt doch einige, die nicht arbeiten wollen, sondern lieber vorm TV hocken und zocken und die jegleiches klischee erfüllen, das man so kennt.... bei genau denen hab ich gar keine lust, ihre gesellschaftliche teilhabe in form von kinotickets oder gel-fingernägeln, tattoos oder dem bierchen zum abend zu finanzieren.
wohlgemerkt: bei denen, die keinen bock haben zu arbeiten. und ich behaupte, von denen gibt es einige!
ansonsten hat frau steinhaus recht - gerechtigkeit ist anders.
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„Nur weil du dein Talent noch nicht gefunden hast, heißt das nicht, dass du keins hast.“
Kermit
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Die folgenden 3 Mitglieder haben sich bei elise bedankt:
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30.06.25, 07:35
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#4
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Erfahrener Newbie
Registriert seit: Jan 2010
Ort: Berlin
Beiträge: 186
Bedankt: 283
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Zitat:
Zitat von elise
und ich behaupte, von denen gibt es einige!
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Es sind wohl weniger als 1%. Lächerlich wenig. Trotzdem wird dieses Thema von der Politik immer wieder aufgegriffen. Klar, man braucht 'ne Rechtfertigung, dass man den Sozialstaat abschaffen will.
Zitat:
Minderungen und Sanktionen wegen einer Arbeitsverweigerung seien jedoch selten. Die Zahl dieser Gruppe, bei denen der Regelsatz aufgrund von Weigerung gekürzt wurde, betrug laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit in den ersten elf Monaten des Jahres 2023 insgesamt 13.838. Von den 1,6 Millionen arbeitsfähigen Bürgergeld-Empfänger sind somit 0,86 Prozent „Totalverweigerer“ von Arbeit oder Ausbildungen.
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Die folgenden 4 Mitglieder haben sich bei Estorias bedankt:
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30.06.25, 11:05
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#5
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Are YOU a people person?
Registriert seit: Apr 2015
Beiträge: 2.771
Bedankt: 4.863
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Der immer präsente "Florida-Rolf" oder whatever als Rechtfertigungsnarrativ für den Sozialstaatsabbau ist nur eine von vielen Variablen. Mer muss hier aber schon ehrlich sein: Das wird politisch aufgegriffen weil's eben immer wieder wunderbar funktioniert. Nichts ist einfacher, als des Michel's pathetische, kleinbürgerliche Frustrationen zu bespielen, so dass dieser dann nach unten tritt. Damit braucht mer nicht mal mehr in dessen Taschen zu greifen; dieser entleert die völlig freiwillig. Rinse, repeat.
Sozialstaaterosion ist auch nur einer der Stützpfeiler; konkretere Ziele wie Machterhalt und das Umschiffen von Mechanismen zur Verantwortungsgewährleistung haben (erstmal) eine höhere Priorität.
Mir jedenfalls sind diese sogenannten "Totalverweigerer" lieber als die ganzen Muppets, die Konservatives oder Blaunbraunes wählen bzw. deren Mitregierungskompetenzen bewerben. Und die sind in Deutschland in der Überzahl. Und der Lebenstil Ersterer, solange ausreichend sozialverträglich, geht mir völlig am Arsch vorbei.
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Folgendes Mitglied bedankte sich bei muavenet:
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