Clankriminalität in Neukölln
Bürgermeister gibt Rap-Musik Mitschuld – zwei Remmos noch auf der Flucht
Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel hält die Razzia wegen des Raubs im Dresdner Grünen Gewölbe für ein wichtiges Signal. Zu lange sei bei Clankriminalität weggeschaut worden. Für ihn tragen Rap und Popkultur eine Mitschuld am Kult um Großfamilien.
Wie kann man verhindern, dass Jugendliche kriminell werden? Für den Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) ist es wichtig, dass an den Schulen über Rollenbilder und Stereotypen gesprochen wird, weil in den Familien falsche Vorstellungen kursierten. „Da gibt’s dann den starken Mann in der Familie und das wird einem auch so beigebracht“, sagte Hikel der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe „ganz großartige Projekte“ in Berlin, wie beispielsweise die „Heroes“, die mit Schülerinnen und Schülern daran arbeiteten, falsche Vorstellungen zurückzudrängen.
Ein Dorn im Auge ist es Hikel, wenn kriminelles Handeln in der Popkultur kritiklos gefeiert wird: in Form von Fernsehserien, Filmen oder Musik. Dies sei im Alltag in den Schulen nicht produktiv. Er sei kein Gegner von gut gemachten Serien und Rap-Musik, betonte Hikel. Es gebe aber einzelne Künstlerinnen und Künstler, die genau so etwas in der Vergangenheit glorifiziert hätten.
Paradebeispiel ist für ihn Bushido – dem dies gerade mit großem Gewicht auf die Füße falle. „Die Realitäten holen die Menschen ein und zeigen vor allem, dass mit Kriminalität nicht zu spaßen ist.“ Bushido ist derzeit Zeuge und Nebenkläger in einem Prozess, bei dem ein Clanchef, ein ehemaliger Geschäftspartner des Rappers, mit drei seiner Brüder vor Gericht steht.
Es gehe nicht um eine Sippenhaft, so Hikel
Clankriminalität sei über viele Jahre nicht richtig ernst genommen worden, sagte Hikel. „Das fällt uns ein Stück weit auf die Füße.“ Mittlerweile gibt es in Berlin einen Fünf-Punkte-Plan gegen Clankriminalität. Die Festnahmen und die Durchsuchungen im Zusammenhang mit dem Kunstdiebstahl in Dresden sieht Hikel als ein wichtiges Signal.
Hikel machte deutlich, dass es beim Kampf gegen Clankriminalität nicht darum gehe, Familien in Sippenhaft zu nehmen. „Es geht nicht um Menschen mit arabischer Herkunft, sondern es geht um kriminelle Strukturen, die vor allem auf Patriarchat und Abhängigkeitsverhältnisse setzen.“
Hikel fordert eine Umkehr der Beweislast
Im Kampf gegen die Clans plädiert er für neue Wege bei der Beweisführung. „Das schlechteste Signal, das wir geben können, ist, dass es sich lohnt, kriminell zur werden“, sagte Hikel. Er ist mit Blick auf illegal beschafftes Geld für eine Umkehr der Beweislast. Damit meint Hikel beispielsweise: Jemand, der Hartz IV bezieht, muss gegebenenfalls nachweisen, woher er das Geld für eine teure Villa hat. Es müsse verhindert werden, dass kriminell beschafftes Geld in den legalen Wirtschaftskreislauf komme.
Neukölln gilt als ein Brennpunkt der Clankriminalität und war am Dienstag einer der Schauplätze einer Razzia im Zusammenhang mit dem Kunstdiebstahl im Grünen Gewölbe in Dresden. Die festgenommenen Männer gehören zu einer polizeibekannten arabischstämmigen Großfamilie.
Nach Angaben der Ermittler handelt es sich um den Berliner Remmo-Clan. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte in einer spektakulären Aktion vor zwei Jahren 77 Grundstücke und Häuser von Clanmitgliedern im Wert von neun Millionen Euro. Die Polizei geht davon aus, dass die Immobilien mit Geldern aus Straftaten gekauft wurden.
Nach der Großrazzia im Zusammenhang mit dem Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden sind zwei Tatverdächtige weiterhin auf der Flucht. Zum Aufenthaltsort der 21-jährigen Zwillingsbrüder gebe es noch keine neuen Erkenntnisse, sagte ein Polizeisprecher am Mittwochmorgen in Dresden. Zuletzt hatten Ermittler am Dienstagabend über das Auffinden eines Fluchtfahrzeugs berichtet.
Mehr als 1600 Polizeibeamte aus acht Bundesländern, darunter Spezialeinheiten des Bundes sowie der Länder Berlin und Sachsen, hatten am Dienstagmorgen groß angelegte Durchsuchungen im Berliner Stadtteil Neukölln vorgenommen. Die Beamten fassten drei Männer im Alter von 23, 23 und 26 Jahren aus dem Clan-Milieu und beschlagnahmten verschiedene Beweismittel, darunter Speichermedien, die nun ausgewertet werden sollen.
|