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08.10.19, 15:53
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Süchtiger
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Drei Gründe für die Eskalation in Ecuador
Drei Gründe für die Eskalation in Ecuador
Dem südamerikanischen Land steht eine unruhige Woche bevor. Regierung setzt Armee und Polizei gegen Gewerkschaften und Indigene ein
Manuel Preusser & Harald Neuber
07.10.2019
Zitat:
Quito. Ecuador startet nach Tagen schwerer Unruhen angesichts eines bevorstehenden Generalstreiks und der teilweisen Militarisierung des Landes in eine unruhige Woche. Ursache für die schwere Krise sind Zugeständnisse der Regierung von Präsident Len�*n Moreno an den Internationalen Währungsfonds (IWF). Nach der Streichung von staatlichen Subventionen auf Treibstoff kam es zu landesweiten Protesten, in deren Verlauf nach Augenzeugenberichten mehrere Menschen starben und hunderte Personen festgenommen wurden.
Inzwischen hat Moreno eine Deutschland-Reise in dieser Woche abgesagt. Der neoliberale Politiker sollte Mitte der Woche auf dem Lateinamerika-Tag der deutschen Wirtschaft in Frankfurt am Main als Ehrengast sprechen und wurde auch in Berlin zu politischen Gesprächen erwartet.
Zur Eskalation maßgeblich beigetragen hat die Ausrufung des Ausnahmezustandes durch die Regierung Moreno und die Mobilisierung von Armee und Polizei. Der Verband der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) berichtete am Sonntag über Repression gegen Bewohner des Verwaltungsbezirks La Esperanza in der Provinz Imbabura im Norden des Landes durch Militär und Polizei. In sozialen Netzwerken kursierten zahlreiche Videos, in denen das gewaltsame Vorgehen der bewaffneten staatlichen Kräfte und militärisches Gerät zu sehen ist.
Laut Conaie drangen in der Provinz Imbabura Soldaten mit Gewalt in die Häuser ein und bedrohten die Bewohner. Bei den Zusammenstößen zwischen Anwohnern und Sicherheitskräften seien insgesamt sieben Personen festgenommen worden.
Die von der Regierung kontrollierte Tageszeitung El Telégrafo versuchte am Montag indes, ein Bild der Normalität zu zeichnen. Der Schulunterricht im Land sei wieder aufgenommen worden, berichtete das Blatt. Lediglich im Hochland, der Sierra, blieben die Schulen wegen andauernder Unruhen geschlossen. Über einen für Mittwoch angekündigten Generalstreik und in anderen Landesteilen andauernde Proteste berichtete die Redaktion nicht.
Laut El Telégrafo sind 29.000 Soldaten der ecuadorianischen Streitkräfte an mindestens 40 verschiedenen Stellen im Zentrum des Landes stationiert worden. Die Militärs "garantieren den Schutz von Treibstofflieferungen für die Gebiete Coyoctoro, Bezirk Cañar, Loja-Cuenca, Saraguro, Cayambe-Quito und El Churuco in der Provinz Morona Santiago". Rund 50.000 Polizisten bewachten Unternehmen, um Plünderungen zu verhindern. Insgesamt habe die Regierung 79.000 Soldaten und Polizisten mobilisiert, um im Rahmen des erlassenen Ausnahmezustands die staatliche Kontrolle aufrechtzuerhalten.
Nach zwei Tagen harter Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Armee auf der einen Seite und überwiegend friedlichen Demonstranten auf der anderen Seite am 3. und 4. Oktober blieb es am Sonntag ruhig in der Hauptstadt Quito. Offenbar hat dort die massive Repression der letzten Tage Wirkung gezeigt und die Bewohner zunächst vor weiteren Protesten abgehalten. Über 150 Personen waren alleine in Quito festgenommen worden; sie wurden nach eigenen Angaben teilweise misshandelt. Zahlreichen Gefangenen wurden Grundrechte wie der Kontakt zu Anwälten und Angehörigen verwehrt. Menschenrechtsgruppen verurteilen die unverhältnismäßige Repression. Angesichts der Gewalt haben die "Transportistas", die Gewerkschaften der Transportarbeiter, ihren Streik Ende der Woche zunächst beendet.
Nun haben vor allem die in der Conaie organisierten Indigenenverbände das Ruder übernommen. Die Conaie hat ihrerseits einen Ausnahmezustand in den Gebieten verfügt, in denen die Indigenen die Mehrheit bilden. Soldaten und Polizisten, die in ihr Territorium eindringen, würden festgenommen und der indigenen Justiz überstellt. In Alaus�* haben die Indigenen 47 Soldaten in ihrer Gewalt. In Ambato haben sie Funkanlagen besetzt und mehrere Radio- und Fernsehsender abgestellt. Im ganzen Land haben sie Straßensperren errichtet. Militär und Polizei reagierten hart: Am Freitag wurde ein junger Indigener in Cayambe von Soldaten erschossen, in Riobamba wurde ein junger Mann angeschossen, der die Proteste filmte. Über soziale Medien werden zahlreiche solcher schweren Zwischenfälle berichtet, über die in staatlichen und etablierten Medien nichts zu erfahren ist.
"Es ist die größte und schnellste Volksmobilisierung in den letzten 35 Jahren", sagte gegenüber amerika21 ein ehemaliger ecuadorianischer Diplomat, der aus Angst vor Konsequenzen nicht namentlich genannt werden will. Dies belege die massive Enttäuschung der Bevölkerung von der Regierung und zeige die Konsequenzen der zwei Jahre andauernden Krise in Ecuador. Präsident Moreno sei nach einem sehr progressiven Wahlprogramm und im Rahmen einer wieder gesundenden Wirtschaft gewählt worden, führte der Diplomat aus. Er sagte weiter:
"Aber kurz nach der Wahl im 2017 legte sich Moreno kurzerhand auf eine neoliberale Politik in der Wirtschaft und in vielen anderen Bereichen fest. Linke Minister schieden aus und Vertreter der Unternehmerschaft wurden ins Kabinett geholt. Kürzungen der Sozialsysteme wurden beschlossen. Die Arbeitslosigkeit stieg rapide auf das hohe Niveau der neunziger Jahre. Ich denke, dass die jetzige Mobilisierung der Bevölkerung, insbesondere der Indigenen, zum Sturz der Regierung oder zumindest zur Rücknahme der Maßnahmen führend kann, was auch schon eine Schwächung des Regimes bedeuten würde."
Er könne sich nicht vorstellen, dass Moreno bis 2021 am Ruder bleibt, so der Ex-Diplomat. Der "Betrug" Morenos an seiner Wählerschaft, die maßgeblich aus Anhängern der linken Partei Alianza Pa�*s bestand, der wirtschaftliche Abstieg des Landes und die nun einsetzende Repression sind drei Gründe für die Eskalation.
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12.10.19, 08:07
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Süchtiger
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Update:
Ecuador im Ausnahmezustand - Jetzt spricht die Opposition
12.10.2019
Harald Neuber
Zitat:
Ecuador im Ausnahmezustand - Jetzt spricht die Opposition
Schwere Vorwürfe gegen Regierung und bewaffnete staatliche Kräfte. Unabhängige Medien unter Druck. Ruf nach Neuwahlen
Quito. Vertreter der Opposition und Menschenrechtsorganisationen in Ecuador haben das Vorgehen der Regierung von Präsident Len�*n Moreno gegen die andauernden sozialen Proteste scharf kritisiert. Nach Ansicht des Abgeordneten Estaban Melo, der für die linksgerichtete Oppositionspartei Bürgerrevolution (Revolución Ciudadana) im Parlament sitzt, hat das Ausmaß an Unterdrückung und Verfolgung ein "historisches Niveau" erreicht. Die heftige Reaktion des Staates diene alleine der Durchsetzung der Maßnahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Melo bezog sich auf Zugeständnisse der Regierung an den IWF. Nach der Streichung von staatlichen Subventionen auf Treibstoff und weiteren Kürzungsmaßnahmen kommt es seit Monatsbeginn zu landesweiten Protesten, in deren Verlauf mehrere Menschen starben und Hunderte Personen festgenommen wurden. Angeheizt werden die Proteste durch eine allgemeine wirtschaftliche Krise des Landes.Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Ecuadors ist im zweiten Quartal dieses Jahres nur um 0,3 Prozent gestiegen. Zugleich besteht die Regierung Moreno auf ein Sparprogramm in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar. Dieses Strukturanpassungsprogramm, das in Ecuador als "el paquetazo" (etwa: das Mega-Paket) bekannt wurde, ist Teil einer Vereinbarung mit dem IWF, der im Gegenzug Kredite in Höhe von gut 4,2 Milliarden US-Dollar gewährt hat. Anfang dieses Monats nun stiegen die Benzinpreise daraufhin von umgerechnet 1,68 Euro pro Gallone (rund 3,8 Liter) auf 2,10 Euro, während der Dieselpreis von 98 Eurocent auf 2,06 Euro stieg, was einem Anstieg von gut 110 Prozent entspricht.
"Dabei wirken sich die erhöhten Kraftstoffpreise auf fast alle Produkte aus und führen zu einer allgemeinen Teuerung und zu Entlassungen", sagte Melo gegenüber amerika21. Die Regierung spreche zwar von einem Dialog mit den Sozialorganisationen und Gewerkschaften, dies habe aber nichts mit der realen Politik zu tun. Tatsächlich hätten die Behörden in den vergangenen Tagen mit Zensur und Angriffen auf Medien reagiert, "um die Stimmen der politischen und sozialen Führungspersönlichkeiten zum Verstummen zu bringen", so Melo weiter. Im Ausnahmezustand seien Verhaftungen und Ausgangssperren an der Tagesordnung, verfassungsmäßige Rechte wie das Demonstrationsrecht, die Versammlungsfreiheit, die Unverletzlichkeit des Hauses und die Bewegungsfreiheit seien massiv eingeschränkt.
"Das Land ist wie gelähmt", sagte der ehemalige ecuadorianische Botschafter in Deutschland, Jorge Jurado. Die Wirtschaftsmaßnahmen der Regierung hätten die Mehrheit der ecuadorianischen Bevölkerung in den letzten zwei Jahren verarmen lassen. Der nun stattfindende Sozialprotest sei massiv und habe das ganze Land erfasst. "Fast 85 Prozent der Straßen im Land sind gesperrt", so Jurado, der auch auf die zunehmende Repression verweist. Die Zusammenstöße zwischen den Protestteilnehmern auf der einen Seite und Polizei sowie Armee auf der anderen Seite hätten alleine in der Hauptstadt Quito mehr als 400 Verwundete zur Folge gehabt. Für die übrigen Landesteile gebe es keine genauen Informationen.
Jurado beklagte zugleich eine "totale Zensur in den öffentlich-rechtlichen Medien". Der Radiosender der Provinzregierung von Pichincha habe als einziges öffentlich-rechtliches Medium eine kritische Linie bewahrt und Bürgersendungen angeboten. Nun sei auch dieser Sender "zu einem Teil des staatlichen Propagandaapparates" gemacht worden. Die Polizei habe zwei Universitäten angegriffen, in denen sich Menschen zu Friedensgebeten versammelt hatten, schilderte Jurado, der hinzufügte: "Zurzeit gibt es mehrere Dutzend vermisste Personen, darunter auch Kinder. Mehr als 800 Personen wurden verhaftet, darunter Journalisten und Politiker."
"Angesichts dieser schweren Krise, um weiteres Blutvergießen durch unsere indigenen und mestizischen Brüder und Schwestern zu vermeiden und den Konflikt in Ecuador zu überwinden, muss Präsident Moreno seine Wirtschaftsmaßnahmen zurücknehmen und von seinem Amt zurücktreten", sagte die oppositionelle Abgeordnete Esther Cuesta gegenüber amerika21. Dies sei auch angesichts der Tatsache nötig, da Präsident Moreno auf nationaler Ebene inzwischen kaum mehr 15 Prozent Zustimmung genieße. "Die Mitglieder der Fraktion der Bürgerrevolution sind der Ansicht, dass die Nationalversammlung gemäß Artikel 130 Ziffer 2 der ecuadorianischen Verfassung den Weg zu Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ebnen muss", sagte Cuesta. Dies wäre eine Grundlage, um das Land wieder aufzubauen.
Nur eine neue Regierung und eine neue Nationalversammlung könnten einen echten Dialog und eine Übereinkunft mit der indigenen Gemeinschaft, Studenten, Arbeitern und Bauern herstellen, fügte Cuesta an, "also mit der großen Mehrheit des ecuadorianischen Volkes".
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IWF provoziert Volksaufstand in Ecuador
12. Oktober 2019 Harald Neuber
Zitat:
Massenproteste gegen neoliberale Maßnahmen. Regierung mobilisiert Armee gegen Demonstranten und zensiert Medien
Ecuador erlebt derzeit einen Sozialaufstand gegen eine neoliberale Kahlschlagpolitik, wie ihn Lateinamerika seit Jahren nicht mehr erlebt hat. Während Hunderttausende gegen Präsident Len�*n Moreno auf die Straßen gehen, zeichnen die mehrheitlich von der Regierung kontrollierten oder die ihr nahestehenden Medien ein komplett anderes Bild. Es gebe keine legitimen Proteste, heißt es da, und: Die Demonstrationen seien von Venezuela aus gesteuert. Dieses Narrativ der Regierung prägt auch die internationale Berichterstattung. Die Bundesregierung, bei Venezuela auf Pressefreiheit und oppositionelle Rechte bedacht, schweigt trotz zunehmender Repression.
Ursache für die schwere Krise sind Zugeständnisse der Regierung von Präsident Len�*n Moreno an den Internationalen Währungsfonds (IWF). Nach der Streichung von staatlichen Subventionen auf Treibstoff und weiteren Kürzungsmaßnahmen kam es zu landesweiten Protesten, in deren Verlauf mehrere Menschen starben und hunderte Personen festgenommen wurden.
Angeheizt werden die Proteste durch eine allgemeine wirtschaftliche Krise des Landes. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Ecuadors ist im zweiten Quartal dieses Jahres nur um 0,3 Prozent gestiegen. Zugleich besteht die Regierung Moreno auf ein Sparprogramm in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar. Dieses Strukturanpassungsprogramm, das in Ecuador als "el paquetazo" bekannt wurde, ist Teil einer Vereinbarung mit dem IWF, der im Gegenzug Kredite in Höhe von gut 4,2 Milliarden US-Dollar gewährt hat.
Anfang dieses Monats nun stiegen die Benzinpreise in Folge von umgerechnet 1,68 Euro pro Gallone (rund 3,8 Liter) auf 2,10 Euro, während der Dieselpreis von 98 Eurocent auf 2,06 Euro stieg, was einem Anstieg von gut 110 Prozent entspricht.
Innenpolitisch ist diese neoliberale Politik Morenos brisant, weil er sich im April 2017 für die linksgerichtete damalige Regierungspartei Alianza Pa�*s wählen ließ, um dann eine wirtschaftspolitische 180-Grad-.Wendung zu vollziehen; das Personal in Regierung und Verwaltung tauschte er weitgehend aus.
Regierung begegnet Protesten mit maximaler Härte
Die aktuellen Proteste begannen am 3. Oktober mit einem Streik der Transportarbeitergewerkschaften, der schnell eskalierte und auf andere Bevölkerungsgruppen übergriff. Spätestens seit der machtvolle Indigenenverband Conaie sich den Demonstrationen angeschlossen hat, tragen die Proteste den Charakter eines Volksaufstandes. Moreno reagierte mit Härte und rief umgehend den Ausnahmezustand aus.
Nach Angaben der staatlichen Tageszeitung El Telégrafo sind 29.000 Soldaten der ecuadorianischen Streitkräfte an mindestens 40 verschiedenen Stellen im Zentrum des Landes stationiert worden. Die Militärs "garantieren den Schutz von Treibstofflieferungen für die Gebiete Coyoctoro, Bezirk Cañar, Loja-Cuenca, Saraguro, Cayambe-Quito und El Churuco in der Provinz Morona Santiago", heißt es in dem Blatt. Rund 50.000 Polizisten bewachten Unternehmen, um Plünderungen zu verhindern. Insgesamt habe die Regierung 79.000 Soldaten und Polizisten mobilisiert, um im Rahmen des erlassenen Ausnahmezustands die staatliche Kontrolle aufrechtzuerhalten.
Nach Ansicht des Abgeordneten Estaban Melo, der für die linksgerichtete Oppositionspartei Bürgerrevolution (Revolución Ciudadana) im Parlament sitzt, hat das Ausmaß an Unterdrückung und Verfolgung ein "historisches Niveau" erreicht. Die heftige Reaktion des Staates diene alleine der Durchsetzung der IWF-Maßnahmen. Dabei wirkten sich die erhöhten Kraftstoffpreise auf fast alle Produkte aus und würden zu einer allgemeinen Teuerung und zu Entlassungen führen.
Die Regierung spreche zwar von einem Dialog mit den Sozialorganisationen und Gewerkschaften, dies habe aber nichts mit der realen Politik zu tun. Tatsächlich hätten die Behörden in den vergangenen Tagen mit Zensur und Angriffen auf Medien reagiert, "um die Stimmen der politischen und sozialen Führungspersönlichkeiten zum Verstummen zu bringen", so Melo gegenüber Telepolis. Im Ausnahmezustand seien Verhaftungen und Ausgangssperren an der Tagesordnung, verfassungsmäßige Rechte wie das Demonstrationsrecht, die Versammlungsfreiheit, die Unverletzlichkeit des Hauses und die Bewegungsfreiheit seien massiv eingeschränkt.
Charakterzüge eines totalitären Staates
Weil die Medien in Ecuador massiv unter Druck stehen, sind keine verlässlichen Informationen über die Bilanz der Armee- und Polizeieinsätze verfügbar. Über soziale Netzwerke kursierte Ende dieser Woche eine Aufstellung, nach der sieben Menschen getötet wurden, darunter ein Neugeborenes. Die Nachricht einer "Ecuadorianischen Koordination für Gegeninformation" spricht weiterhin von 95 Schwerverletzten und über mehr als 500 Leichtverletzte. Von 83 Personen sei der Verbleib nach ihrer Festnahme unbekannt, unter ihnen 47 Minderjährige. Mehr als 800 Personen seien festgenommen worden, sie würden in Einrichtungen von Polizei und Militär festgehalten. Die Zahlen über Todesopfer decken sich mit Angaben des Indigenen-Dachverbandes Conaie, der zudem eine Reihe von Bildern von Verletzten während der Proteste veröffentlichte.
Nicht nur die unmittelbare Ausrufung des Ausnahmezustandes und Militarisierung des Landes per Präsidialdekret trägt den Charakterzug eines totalitären Staates. Seit Beginn der Proteste geht die Regierung Moreno zunehmend auch gegen die unabhängigen Medien des Landes vor. Schon vor Wochen musste das Onlineportal Ecuador Inmediato unter dem Druck von Klagen der Regierung nach 15 Jahren schließen. Kommunikationsminister Andrés Michelena hatte nach Angaben von Sendeleiter Direktor Francisco Herrerea Aráuz gut zwei Dutzend Klagen gegen die Redaktion angestrengt, Ecuador Inmediato führt die Arbeit seither über Twitter fort.
Im Zuge der aktuellen Proteste nun stürmte die Polizei die Redaktion des Radiosenders Pichincha Universal, gegen Sendeleiter Washington Yépez sei Haftbefehl erlassen worden. Der öffentlich-rechtliche Sender hatte in den vergangenen Jahren eine unabhängige Linie bewahrt und Bürgersendungen eingerichtet. Nun will die Regierung die Sendepolitik wieder stärker kontrollieren.
Ingesamt wurden in den vergangenen Tagen nach Augenzeugenberichten 57 Journalisten von der Polizei angegriffen, 13 Journalisten inhaftiert und neun Medien von bewaffneten staatlichen Kräften attackiert.
Moreno: Venezuela und Amtsvorgänger Correa sind Schuld
"Das Land ist wie gelähmt", sagte der ehemalige ecuadorianische Botschafter in Deutschland, Jorge Jurado. Die Wirtschaftsmaßnahmen der Regierung hätten die Mehrheit der ecuadorianischen Bevölkerung in den letzten zwei Jahren verarmen lassen. Der nun stattfindende Sozialprotest sei massiv und habe das ganze Land erfasst. "Fast 85 Prozent der Straßen im Land sind gesperrt", so Jurado, der auch auf die zunehmende Repression verweist.
Dennoch hält das Bündnis zwischen Moreno-Regierung, der Armee und Vertretern der Oberschicht, mit denen der einstige Vizepräsident von Ex-Staatschef Rafael Correa (2007-2017) kooperiert. Nach seiner kurzzeitigen Flucht aus der Hauptstadt Quito auf dem Höhepunkt des Streiks trat Moreno demonstrativ gemeinsam mit hochrangigen Militärs auf.
In der Videonachricht bezeichnete der Präsident die laufenden Proteste als einen Versuch, seine Regierung zu stürzen und die verfassungsmäßige Ordnung im Land von außen zu zerstören. "Was wir derzeit in Ecuador erleben, ist kein sozialer Protest oder ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit einer Regierungsentscheidung", sagte er. Plünderungen und Vandalismus zeigten, dass es einen "organisierten politischen Versuch gibt, die Regierung zu destabilisieren".
Zugleich beschuldigte Moreno den ehemaligen Präsidenten Rafael Correa (2007-2017), gemeinsam mit der Regierung von Venezuela eine Verschwörung organisiert zu haben. "Der Tyrann Maduro hat gemeinsam mit Correa seinen Destabilisierungsplan in Gang gesetzt", sagte er. Correa trat diesen Vorwürfen von seinem belgischen Exil aus entschieden entgegen. Sein Nachfolger verstricke sich zunehmend in Widersprüche, sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters: "Sie sagen, ich sei so mächtig, dass ich von Brüssel aus mit einem Smartphone Demonstrationen leiten könnte."
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Update:
Militär in Ecuador übernimmt Kontrolle
14. Oktober 2019
Harald Neuber
Zitat:
Medien werden geschlossen, Oppositionspolitiker fliehen, Demonstranten sterben. Bundesregierung schweigt zu den Ereignissen
In Ecuador spitzt sich die Situation nach der vollständigen Militarisierung der Hauptstadt Quito und der umliegenden Gebiete inmitten heftiger Proteste gegen ein neoliberales Maßnahmenpaket der Regierung von Präsident Len�*n Moreno weiter zu. Augenzeugen berichten von tödlichem Schusswaffeneinsatz der Armee gegen Demonstranten. Mehrere Oppositionspolitiker sind außer Landes oder in Botschaften geflohen, unabhängige Medien wurden geschlossen oder unter staatliche Kontrolle gestellt.
Eine am Sonntag von Moreno verfügte Ausgangssperre begann um 15:00 Uhr (Ortszeit). Die Maßnahme wurde nur 38 Minuten im Voraus angekündigt. Tausende Menschen blieben dennoch auf den Straßen und hielten die Proteste aufrecht.
Ursache für die schwere Krise sind Zugeständnisse der Regierung von Präsident Len�*n Moreno an den Internationalen Währungsfonds (IWF). Nach der Streichung von staatlichen Subventionen auf Treibstoff und weitere Kürzungsmaßnahmen kam es zu landesweiten Protesten, in deren Verlauf mehrere Menschen starben und hunderte Personen festgenommen wurden.
Angeheizt werden die Proteste durch eine allgemeine wirtschaftliche Krise des Landes. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Ecuadors ist im zweiten Quartal dieses Jahres nur um 0,3 Prozent gestiegen. Zugleich besteht die Regierung Moreno auf ein Sparprogramm in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar. Dieses Strukturanpassungsprogramm, das in Ecuador als "el paquetazo" bekannt wurde, ist Teil einer Vereinbarung mit dem IWF, der im Gegenzug Kredite in Höhe von gut 4,2 Milliarden US-Dollar gewährt hat.
Anfang dieses Monats nun stiegen die Benzinpreise in Folge von umgerechnet 1,68 Euro pro Gallone (rund 3,8 Liter) auf 2,10 Euro, während der Dieselpreis von 98 Eurocent auf 2,06 Euro stieg, was einem Anstieg von gut 110 Prozent entspricht.
Gesprächsbereitschaft und Repression
Moreno kündigte am Samstagabend (Ortszeit) im nationalen Fernsehen seine Bereitschaft an, das umstrittene Dekret 883 zu revidieren, mit dem er Anfang des Monats die Abschaffung der Treibstoffsubvention und eine Reihe weitere Sparmaßnahmen verfügt hatte. "Für den Frieden und die Zukunft unseres Landes (....) werden wir das Dekret 883 entsprechend dem Wunsch indigener Organisationen und sozialer Gruppierungen überarbeiten", sagte er.
Moreno fügte hinzu, er werde einen monatlichen Bonus privater Unternehmen an ihre Mitarbeiter in Höhe von 20 US-Dollar vorschlagen, um die sozialen Folgen der landesweiten Blockaden seit Monatsbeginn abzufedern.
In einem Kommuniqué haben die Vereinten Nationen indes moderierte Gespräche zwischen der Regierung von Moreno und den Bevölkerungsgruppen angekündigt, die gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik auf die Straßen gehen. Moreno hatte einen Dialog mit den Gegnern seiner Politik zu Beginn entschieden abgelehnt und hatte die Demonstranten beschimpft. Wenige Tage später schwenkte er angesichts der Massivität der Proteste auf einen konzilianteren Kurs ein.
Dennoch gehen ecuadorianischen Behörden weiterhin gegen Regierungsgegner und kritische Medien vor. Am Samstag wurde das Signal des lateinamerikanischen Fernsehkanals Telesur abgeschaltet. "Unser Signal wurde ohne jegliche Rechtfertigung vom Satellitenkanal 722 und Kabel 626 in Ecuador entfernt. Wir verurteilen dieses Vorgehen und bitten unsere Zuschauer, die sofortige Freischaltung von Telesur zu verlangen", sagte Sendechefin Patricia Villegas.
Zuvor war das öffentliche Radio Pichincha Universal, dessen Redaktion regierungskritische Positionen vertreten hatte, unter zentrale Kontrolle der Medienbehörden in Quito gestellt worden. Mehrere Journalisten wurden von Polizei und Armee angegriffen oder festgenommen.
Oppositionspolitiker auf der Flucht
Derweil fliehen immer mehr Oppositionspolitiker vor politischer Verfolgung durch Polizei, Armee und regierungsnahe Justiz. Die mexikanische Regierung hat vor diesem Hintergrund am Samstag in ihrer Botschaft in Quito die Abgeordnete Gabriela Rivadeneira aufgenommen. Rivadeneira gehört der Fraktion der Partei Bürgerrevolution (Revolución ciudadana) an, die dem ehemaligen Präsidenten (2007-2017) Rafael Correa nahesteht, einem entschiedenen Kritiker der Regierung Moreno.
Mit der Aufnahme Rivadeneiras "bekräftigt Mexiko in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht sein Engagement für die Achtung, den Schutz und die Förderung der Menschenrechte aller Menschen, unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit", heißt es in der Erklärung. Mexikos Regierung betonte darin auch ihre Sorge über die politische Situation Ecuadors.
Vor wenigen Tagen erst hatte Mexiko dem ehemaligen ecuadorianischen Außenminister Ricardo Patiño Asyl gewährt. Patiño war unter dem Präsident Correa zwischen 2013 und 2016 Mitglied des Kabinetts. Er hatte Ecuador am 17. April fluchtartig in Richtung Mexiko verlassen, einen Tag bevor die ecuadorianische Justiz einen Haftbefehl gegen ihn wegen "Anstiftung zur Übernahme öffentlicher Institutionen" ausgestellt hatte.
Er soll in einer öffentlichen Rede dies unter dem Einsatz von Gewalt gefordert haben, so der damalige Vorwurf. Anschließend beantragte die ecuadorianische Sonderstaatsanwaltschaft für grenzüberschreitende und internationale organisierte Kriminalität auch bei Interpol einen internationalen Haftbefehl gegen Patiño. Allerdings kam die internationale Polizeibehörde dem Antrag aus Ecuador nicht nach, ebenso wenig wie im Fall Correas.
Mehrere Oppositionspolitiker berichteten an diesem Wochenende von Eingriffen in Messengerdienste wie Whatsapp sowie in die Kommunikation über soziale Netzwerke.
Zahl der Toten steigt
Inzwischen gibt es mehr Informationen über die Folgen der staatlichen Repression. Seitdem Präsident Moreno den Ausnahmezustand erklärte und zunehmende Ausgangssperren verfügte, hat die Zahl von Toten und Verletzten offenbar massiv zugenommen.
Vor allem in der Hauptstadt Quito kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Dort wurde der Sitz des Rechnungshofes von Demonstranten gestürmt und teilweise in Brand gesteckt, ebenso ein regierungsnaher Fernsehsender. Der mächtige Indigenendachverband Conaie distanzierte sich von den Vorfällen und beschuldigte die Regierung, "die Wut des Volkes befeuert" zu haben.
Über soziale Netzwerke berichteten mehrere Augenzeugen von zunehmender Gewalt staatlicher bewaffneter Kräfte. Ein Demonstrant starb mutmaßlich durch die Kugel eines Scharfschützen.
Eine Arbeitsgruppe zu Menschenrechten im ecuadorianischen Parlament veröffentlichte - allerdings noch vor der jüngsten Eskalation vom Wochenende - eine vorläufige Bilanz. Demnach kam es vor allem in den Provinzen Pichincha und Guayas zwischen dem 3. und 9. Oktober zu hunderten Festnahmen. Insgesamt dokumentierte das Gremium in diesem Zeitraum landesweit 1.090 Inhaftierungen. Gut 850 Menschen hätten im Zusammenhang mit den Protesten und Angriffen von Polizei sowie Armee medizinisch versorgt werden müssen, heißt es in der Aufstellung, die sich unter anderem auf Zahlen des nationalen Roten Kreuzes beruft. Bis zum 9. Oktober starben demnach fünf namentlich benannte Personen durch staatliche bewaffnete Kräfte. Angesichts der derzeitigen Eskalation dürfte sich diese Zahl erhöht haben.
Die Bundesregierung hat sich zu dem Geschehen in Ecuador bislang nicht geäußert. Sie bewertete den politischen Umschwung und die innenpolitische Lage nach der Wahl Morenos 2017 zuletzt positiv. (Harald Neuber)
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Geändert von sydneyfan (14.10.19 um 16:51 Uhr)
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