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TinyTimm 17.04.18 10:11

Den neuen Clint Eastwood Film solltest du besser auslassen
 
Zitat:

Patscherter Heldengesang

2015 verhindern Spencer Stone, Alek Skarlatos und Anthony Sadler, drei amerikanische Touristen, ein Attentat in einem Zug nach Paris. Leider hat Clint Eastwoods Film über die drei Männer niemand verhindert. In „The 15:17 to Paris“ spielen Stone, Skarlatos und Sadler sich selbst.

THE 15:17 TO PARIS Trailer German Deutsch
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Aus dem Kinosaal kann man mit den verschiedensten Gefühlen stolpern, aber das Post-Film-Gefühl „Mitleid mit Bayern-München-Stürmer Thomas Müller“ ist mir neu. Hätte ich jetzt auch nicht direkt so prophezeien können, hätte ich Prognosen für die eigene Stimmungslage nach „The 15:17 to Paris“ abgeben sollen. Clint Eastwoods neuester Film erzählt die wahre Geschichte, wie im Sommer 2015 die drei amerikanischen Touristen Spencer Stone, Alek Skarlatos und Anthony Sadler in einem Zug von Amsterdam nach Paris einen terroristischen Anschlag verhindern.

Skarlatos trägt zu diesem Zeitpunkt ein Bayern-München-T-Shirt mit Müllers Namen am Rücken und wenn man in einem Film eher nicht verewigt werden möchte, dann wohl in diesem schiefen Patriotismus-Vehikel, das vor allem eines ist: Eine Parade der schlechten Besetzungs-Entscheidungen. Nicht nur besetzt Eastwood zunächst kleinere Rollen mit Judy Greer, Thomas Lennon und Tony McHale - also SchauspielerInnen, die man aus dem Komödiantischen kennt - in einem Film, der das Terrain der Komik zwar häufig, aber immer unfreiwillig betritt. Doch die Casting-Entscheidung, mit der „The 15:17 to Paris“ endgültig höchstens als seltsames Experiment in Sachen Authentizität angesehen werden kann, betrifft Stone, Skarlatos und Sadler. Denn die drei Männer Anfang 20, die im TGV den schwer bewaffneten Ayoub El Khazzani übermannen, spielen sich selbst.

Mit Nicht-Schauspielern zu arbeiten ist eine Sache, aber Nicht-Schauspieler sich selbst spielen zu lassen, das liest sich schon auf dem Papier wie eine gewaltige Abrissbirne, die auf ein dünnes Ideengerüst zurast. Bevor wir allerdings den Dreien dabei zusehen müssen, wie sie ihren Backpacking-Trip durch Europa („Wow, Gelato!“) nachspielen, holt Eastwood noch weiter aus. Denn der heldenhafte Moment im Zug nach Paris, das Überwältigen des Mannes, der mit einer AK-47 bewaffnet einen Waggon betritt und einem Mann in den Rücken schießt, hat nur wenige Minuten gedauert. Die 94 langen Minuten von „The 15:17 to Paris“ füllen sich also mit einer elaborierten Vorgeschichte. Im Sinne Continuity der Schauspielleistung sehen wir mittelmäßig begabte Kinderschauspieler als Stone, Skarlatos und Sadler, wie sie im verschlafenen Sacramento aufwachsen. Und dort, so will es das plumpe Drehbuch von Dorothy Blyskal, formen vor allem zwei Elemente sie zu heldenhaften Erwachsenen: Waffen und Gott.

Spencer Stone, der dickliche Junge, der sich gern ganz in Camouflage kleidet und - falls das Publikum noch mehr dezente Hinweise braucht - Poster von „Full Metal Jacket“ und „Letters from Iwo Jima“ an der Kinderzimmerwand hängen hat, hat auch ein Spielzeugwaffenarsenal im Kasten. „Let’s play war“ lässt das Drehbuch Spencer sagen und dann ballern die drei Jungs von der christlichen Schule im Wald herum. Eine Exposition, als würde der Film die Kindheit eines High-School-Attentäters erzählen, dabei ist Eastwoods Film genau das Gegenteil, eine amerikanische Heldensaga, wie sie Eastwood so gerne auf die Leinwand bringt. Männer, die tun, was getan werden muss.

Was genau das sein wird, das weiß Spencer als Kind noch nicht so ganz genau, doch er betet unter dem „Iwo Jima“-Poster zu Gott und bittet, dass er ihn zu einem Instrument seiner Macht macht. Im Laufe der Zeit wird Eastwoods Drang, alles überdeutlich auszuformulieren, unfreiwillig komisch. Manchmal hat das zeigefingerhafte Vorbuchstabieren allerdings auch etwas Positives: der Schuldirektor der christlichen Schule hat tatsächlich FAITH in Holzbuchstaben am Fensterbrett hinter sich stehen, das verschafft mir jetzt immerhin für den Rest des Films einen George-Michael-Ohrwurm.

Wer jetzt die Inszenierung von kindlichen Waffennarren als Instrumente von Gott sowohl im Sinne der Inszenierung als auch im Sinne der Botschaft eher schwierig gefunden hat, der sollte sich für das, was jetzt noch kommt, ganz fest an den George-Michael-Hit klammern, um das durchzustehen. Denn die unfreiwillige Komik, gepaart mit Eastwoods pathetischer Botschaft, schwillt noch mehr an, sobald Stone, Skarlatos - der eine ist bei der Air Force, der andere war als Soldat in Afghanistan - und Sadler schließlich ihre Reise durch Europe nachspielen, bewaffnet mit Selfiestick und schmerzlich steifem Dialog über einerseits die Schönheit der alten Bauten Roms und der neuen Clubs in Amsterdam. Eindeutiges Highlight in der didaktischen Inszenierung ist ein Fremdenführer in Berlin, der den dreien - bevor er übrigens dazu ansetzt „Springtime for Hitler“ zu singen - erklärt, nicht immer würde Europa die Amerikaner als Befreier und Retter brauchen, haha, ahnungsloser Fremdenführer, du wirst schon noch sehen.

Mehrmals muss Spencer Stone den Satz wiederholen, dass er das Gefühl hat, einem höheren Zweck zu dienen, der sich bald erfüllen würde und man ist dann recht erleichert, wenn die drei den Zug nach Paris besteigen, weil dann hat dieses Trauerspiel von einem Film wenigstens bald ein Ende. Und irgendwie wirken auch Stone, Skarlatos und Sadler erleichtert in dem Segment im Zug; im Nachspielen des Übermannens von Ayoub El Khazzani scheinen sie sich merklich wohler zu fühlen als beim Deklamieren ihres Urlaubsdialogs.

Aus dem Verhindern eines Attentats hat Clint Eastwood eine reaktionäre Fabel darüber gestrickt, wie good old Europe das mutige Amerika braucht, um das Böse zu bekämpfen. Der Film ist eine tonal schiefe, von Patriotismus triefende Botschaft, die als Spielfilm genauso wenig funktioniert wie als Dokument der Authentizität. In Sachen Filmen, die eine Zugabfahrtszeit im Titel haben, bleibt also „16:50 ab Paddington“ weiterhin der Spitzenreiter.
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Caplan 17.04.18 14:18

Geschmack und Hirnlos. Aber Staufenberg wurd ja auch von dem amerikanischen Sektenmitglied gespielt.

dieterthehaack 17.04.18 20:02

Gibt es eigentlich eine Gesetzmäßigkeit, nach der viele bewunderte Schauspieler mit zunehmendem Alter immer ätzender werden und dummes Zeug machen? Ich denke da auch an Mel Gibson, und J. Depp, nicht zu vergessen old Mr. Heston. Persönlichkeitsschäden durch Ruhm?

TinyTimm 17.04.18 20:44

Zitat:

Zitat von dieterthehaack (Beitrag 31822991)
Gibt es eigentlich eine Gesetzmäßigkeit, nach der viele bewunderte Schauspieler mit zunehmendem Alter immer ätzender werden und dummes Zeug machen?

Wir übertragen unbewusst Rollen und Dialoge auf den Schauspieler.
Dabei sind sie nur Papageien die nachplappern was mehr oder weniger geniale Drehbuchautoren oder Agenten vorlegen.
Den selben Fehler machen die Stars und einige halten sich dann für überragend.
Nicht umsonst kommt der Spruch: "Sei schön und halt den Mund" aus Hollywood. Hätte sich Clint mal daran gehalten, als er noch gut ausgesehen hat, er wäre eine Legende. So ist er nur ein lächerlicher alter Mann, der den "american hero" beschwört, den es so nie gegeben hat.

Silent Rob 17.04.18 21:19

Zitat:

Zitat von TinyTimm (Beitrag 31823156)
Wir übertragen unbewusst Rollen und Dialoge auf den Schauspieler.
Dabei sind sie nur Papageien die nachplappern was mehr oder weniger geniale Drehbuchautoren oder Agenten vorlegen.
Den selben Fehler machen die Stars und einige halten sich dann für überragend.

Ein guter Schauspieler, egal ob Star oder ewiger Nebendarsteller - muss schon mehr draufhaben, als nur wie ein "Papagei" alles nachzuquatschen.
Aber "dieterthehaack" hat schon recht. Da könnte man eine ellenlange Liste mit alternden Stars, die nur noch B- oder C-Movies drehen, erstellen.
Schade z.B. um Robert DeNiro, der steinreich durch seine frühere Filmkarriere wurde, nun auch noch erfolgreich im Restaurant- und Hotelbuisness agiert. Dem ist es seit Jahren (leider) "scheißegal", in welchem Mist er mitwirkt, Hauptsache 3 Film pro Jahr - als Hobby sozusagen.

Zitat:

Zitat von TinyTimm (Beitrag 31823156)
Hätte sich Clint mal daran gehalten, als er noch gut ausgesehen hat, er wäre eine Legende. So ist er nur ein lächerlicher alter Mann, der den "american hero" beschwört, den es so nie gegeben hat.

Als Regisseur ist es doch egal, wie Eastwood aussieht, zudem darf man nicht vergessen, in welchem Land er lebt, welche Nationalität er hat - da tickt nun einmal verstärkt das patriotische Herz. Und das brauchen die Amis in den harten Zeiten.
Vielleicht einfach solche Filme ignorieren und gut ist.

TinyTimm 17.04.18 22:08

Zitat:

Zitat von Silent Rob (Beitrag 31823277)
Vielleicht einfach solche Filme ignorieren und gut ist.

Eine eigene Meinung darf ich aber schon noch haben oder?


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