BLOG: KlimaLounge Nah dran am Wandel
https://scilogs.spektrum.de/klimalou...header-1-1.jpg
Nir Shaviv erklärt den Klimawandel für die AfD im Bundestag
10. Dezember 2018| Von Stefan Rahmstorf 7 Kommentare
Die Alternative für Deutschland (AfD) hat im Bundestag der „Irrlehre vom angeblich menschen-gemachten Klimawandel“ den Kampf angesagt. Dazu nutzte sie am 28. November eine öffentliche Anhörung im Umweltausschuss zum Klimagipfel in Kattowitz, und sie lud als Gegenpol gegen den wissenschaftlichen Konsens Prof. Nir Shaviv von der Hebrew University ein. Eine durchaus lehrreiche Veranstaltung, die zeigte, mit welchen Argumenten die „Klimaskeptiker“ heute noch arbeiten.
Als erstes erklärte Shaviv, was seiner Meinung nach die beiden Argumente des [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...] für den vom Menschen verursachten Klimawandel seien: nämlich dass es eine solche Erwärmung nie zuvor gegeben habe und dass es keine andere Erklärung dafür gäbe. Und diese Argumente seien falsch. Damit zeigte Shaviv gleich in seinen ersten Sätzen, dass er entweder die Berichte des IPCC nicht kennt, oder aber deren Inhalt bewusst falsch darstellt. (Wohl letzteres, denn eine seiner beiden Grafiken zeigt die Strahlungsbilanz aus einem IPCC-Bericht.)
Denn diese beiden sind natürlich keineswegs die wesentlichen Argumente der Wissenschaft (und damit des IPCC), obwohl beide als ergänzende Argumente durchaus richtig sind. Der entscheidende Beleg ist und bleibt aber, dass die Physik des Treibhauseffekts verstanden ist. Das [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...] entfaltet nun einmal eine ständige Heizwirkung (Fachausdruck: [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...]) von 2 Watt pro Quadratmeter Erdoberfläche, und wenn man einem System Energie zuführt wird es wärmer. Dies wird auch von Shaviv nicht bestritten. Daher wurde eine kommende globale Erwärmung durch CO2 ja bereits im 19. Jahrhundert vorhergesagt, als es noch gar keine Hinweise auf eine tatsächliche Erwärmung gab. Seit den 1970er Jahren gibt es quantitative Modelle zur Vorhersage der Erwärmung, und seither läuft die Erwärmung übrigens auch ziemlich genauso ab wie vorhergesagt. Abb. 1 zeigt zur Abwechslung eine Prognose durch Experten der Ölfirma Exxon aus dem Jahr 1982 – mit dem tatsächlichen Verlauf ergänzt.
https://scilogs.spektrum.de/klimalou...Exxon-1982.jpg
( Abb. 1 Diese Grafik aus einem internen Exxon-Briefing von 1982 zeigt die aufgrund der Nutzung fossiler Brennstoffe erwartete künftige Entwicklung von CO2-Konzentration (linke Skala) und Temperatur (rechte Skala). Ich habe die tatsächliche Entwicklung von CO2 (blau) und Temperatur (rot) hinzugefügt. )
Vor 30 Jahren, 1988, erklärte berühmterweise der amerikanische Klimaforscher James Hansen im US-Senat, die lange vorhergesagte Erwärmung sei jetzt da und in den Daten erkennbar.
https://scilogs.spektrum.de/klimalou...ial-in-NYT.jpg
( Abb. 2 Titelseite der New York Times vom 24. Juni 1988 )
Als zweites brachte Shaviv einen der ältesten Glaubenssätze der Klimaleugner: die Hockeyschlägerkurve sei „dubiose Wissenschaft“! Wieso dieses zwanzig Jahre alte Forschungsergebnis eines jungen Postdoc (Mike Mann) heute noch wichtig ist, verriet er allerdings nicht. Die Paläoklimaforschung ist längst zwanzig Jahre weiter und hat mit großen internationalen Projekten wie PAGES-2k auf allen Kontinenten zahlreiche Daten gesammelt und daraus wesentlich besser fundierte Klimakurven abgeleitet. Inzwischen auch für die ganze Erde und nicht nur die Nordhalbkugel, und für die letzten 2000 und nicht nur 1000 Jahre wie seinerzeit Mann und Kollegen. Das Ergebnis sieht immer noch genauso aus wie die alte Hockeyschlägerkurve ([Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...]).
https://scilogs.spektrum.de/klimalou...l-Abb.-1.6.jpg
(Abb. 3 Der alte “Hockeyschläger von Mann et al. und die neuesten PAGES-2k Daten – aus der druckfrischen, vollständig aktualisierten Neuauflage von [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...].)
Shavivs Meeresspiegel-Argument
Doch nun zum Hauptargument von Shaviv: er präsentierte „eine der wahrscheinlich wichtigsten Grafiken zum Verständnis des Klimawandels“, die aber „vom IPCC und Alarmisten einfach ignoriert wird“ – nämlich seine eigene. Die Grafik zeigt eine Korrelation der Anstiegsrate des Meeresspiegels mit der Sonnenaktivität – publiziert von [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...]. Die Bedeutung dieser Grafik wird von der Fachwelt allerdings völlig anders eingeschätzt als von Shaviv selbst – seine Studie wurde seither nur 15 mal zitiert, fast nur von ihm selbst und fragwürdigen Klimaskeptiker-Mitstreitern ([Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...], [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...]). (Zum Vergleich: zwei meiner Studien zum Meeresspiegel aus dieser Zeit, von 2007 und 2009, wurden bislang 813 und 537 mal zitiert).
Dass Klimakurven mit Kurven der Sonnenaktivität korrelieren ist auch nichts Besonderes – auch wenn die Korrelation in anderen Daten zum globalen Meeresspiegel viel schwächer ausfällt als in den von Shaviv genutzten Daten von 24 Pegelstationen. Zahlreiche Klimadaten korrelieren aus naheliegenden Gründen mit den Sonnenzyklen, auch die globale Temperatur (siehe z.B. meine gemeinsame [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...] – übrigens 135 mal zitiert). Der IPCC ignoriert die Studien zur Sonnenaktivität auch keinesfalls, sondern zieht nur andere Schlüsse daraus als Shaviv. Und das mit gutem Grund.
Denn Shaviv folgert aus seiner Meeresspiegelkurve, dass der Effekt der Sonne auf die globale Temperatur eine Größenordnung größer sei als es die zahlreichen anderen Studien dazu ergeben. (Die entsprechende Kennzahl ist als [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...] bekannt.) Dazu führt er in seiner Publikation aus 2008 eine abenteuerliche Rechnung vor, die gewissermaßen „von hinten durch die Brust ins Auge“ die Klimasensitivität aus den Meeresspiegelschwankungen zu errechnen versucht und die auf vielen Annahmen beruht. Bei der Klimasensitivität geht es ja nicht um den Meeresspiegel sondern um die globale Temperatur – und den Effekt der Sonnenzyklen auf die globale Temperatur kann man direkt in den Messungen derselben sehen! Diese Daten zeigen direkt und ohne Umwege, dass die Wirkung der Sonnenschwankungen auf die Temperatur eben so gering ist, wie der IPCC sagt und wie es zahlreiche andere Studien ergeben.
[Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...]
(Abb. 5 Verlauf von globaler Temperatur, CO2-Konzentration und Sonnenaktivität. Temperatur und CO2 sind relativ zueinander so skaliert, wie es dem physikalisch erwarteten CO2-Effekt auf das Klima entspricht (d.h. beste Abschätzung der Klimasensitivität). Die Amplitude der Sonnenkurve ist so skaliert, wie es der beobachteten Korrelation von Sonnen- und Temperaturdaten entspricht. (Details sind [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...].) Diese Grafik kann man sich [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...] erzeugen und dort auch einen Code kopieren, mit dem sich die Grafik als Widget in die eigene Website einbauen lässt (wie in [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...]) – dort wird sie dann automatisch jedes Jahr mit den neuesten Messdaten aktualisiert. Dank an Bernd Herd, der dies programmiert hat.)
Aber nehmen wir einmal an, Shaviv hätte recht und die Reaktion des Meeresspiegels auf die Sonnenschwankungen (deren Strahlungsantrieb gemessen und bekannt ist) deute auf eine viel größere Klimawirkung der Sonne hin als weithin gedacht. Dann müsste es verstärkende Rückkopplungen geben, die aus einem kleinen Strahlungsantrieb eine große Klimawirkung machen. Entweder würde diese Rückkopplung spezifisch nur auf Sonnenstrahlung wirken – dann hätte das keinerlei Auswirkung auf die Wirkung des CO2 auf das Klima. Oder es ist eine allgemeine Rückkopplung (wie die Wasserdampf-Rückkopplung) – dann würde sie auch die Klimawirkung von CO2 entsprechend verstärken und keinesfalls für einen schwächeren CO2-Effekt sprechen. Aus einer besonders starken Reaktion des Klimasystems auf schwache Sonnenzyklen zu folgern, das Klimasystem sei besonders unempfindlich gegenüber Strahlungsantrieb, ist in beiden Fällen logisch widersinnig.
Vor allem aber erklärt deshalb kein ernsthafter Klimaforscher die moderne globale Erwärmung mit der Sonnenaktivität, weil deren Trend seit Mitte des 20. Jahrhunderts praktisch flach ist und sogar leicht nach unten zeigt! Das ist der Grund, warum Klimaskeptiker und Fans der Sonnenaktivität immer wieder von der kurz bevorstehenden globalen Abkühlung fabulieren – siehe Fritz Vahrenholts Buch „Die kalte Sonne“. Deren Prognosen aber, anders als die der Klimaforscher, [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...] worden sind. Hätte Shaviv also recht und die Wirkung der Sonne sei viel stärker als gedacht, so hätte sie der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung der letzten Jahrzehnte lediglich stärker entgegengewirkt. Mehr zur Wirkung der Sonne in meinem Beitrag bei Spektrum.de: [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...]
Wer ist Nir Shaviv?
Ein genereller Tipp: wer den Thesen von Klimaskeptikern begegnet, kann sich über die meisten Akteure rasch in der Datenbank von [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...] informieren, für die u.a. auch Journalisten des Guardian recherchieren und schreiben. Hier der [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...], aus dem man z.B. erfährt, dass Shaviv regelmäßig auf Konferenzen des Heartland Institute spricht. Genau – jener u.a. von fossilen Energiekonzernen finanzierten Lobbyorganisation, die in einer Plakatkampagne Menschen, die an die globale Erwärmung glauben, mit einem Terroristen verglich.
https://scilogs.spektrum.de/klimalou.../heartland.jpg
Unsere heimische Filiale der Klimaleugner, [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...], veranstaltete am 23.-24. November gemeinsam mit Heartland eine Konferenz in München, auf der auch Shaviv auftrat.
(eingebettetes YouTube-Video: [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...])
ARD Monitor zu EIKE
Mir begegnete Shaviv erstmals im Jahr 2003, als er in dem Artikel [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...] im Magazin der Geological Society of America behauptete, aus 20 Meteoriten (also 20 Datenpunkten) einen Klimazyklus über die letzten 520 Millionen Jahre mit einer Periode von 143 Millionen Jahre gefunden zu haben, der durch kosmische Strahlen verursacht wird. Eine fachlich ziemlich hanebüchene Arbeit, wie wir damals mit einer Gruppe führender Experten der relevanten Gebiete [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...], der Zeitschrift der American Geophysical Union, dargelegt haben. U.a. wurde die Datierung der Meteoriten in der Zeit verschoben, bei einem um 40 Millionen Jahre, um sie passend zum Zyklus zu machen. Aber viel interessanter und haarsträubender als Shavivs Artikel war die Pressemitteilung, die er dazu herausgab. Der Titel war „Die globale Erwärmung ist kein menschengemachtes Phänomen“, und er wurde darin zitiert mit dem Satz:
The operative significance of our research is that a significant reduction of the release of greenhouse gases will not significantly lower the global temperature, since only about a third of the warming over the past century should be attributed to man.
Im Ernst? Eine einzige Arbeit, die aufgrund mehr als dünner Evidenz aus 20 Datenpunkten einen Klimazyklus von 143 Millionen Jahren postuliert, soll relevant für die globale Erwärmung über 100 Jahre sein? Und sogleich tausende Studien direkt zur modernen globalen Erwärmung nichtig machen und zur Folgerung führen, Emissionsreduktion bringe nichts? Diese Pressemitteilung zeigte schon vor 15 Jahren klar, worum es Shaviv geht: um Politik, nicht um Wissenschaft. Wie übrigens generell bei der Leugnung des Klimawandels, wie [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...]. Die Klimaskeptiker dienen als Feigenblatt für Politiker, die sich hinter der Behauptung verstecken, es gäbe in der Wissenschaft eine Debatte mit zwei Seiten zum anthropogenen Klimawandel.
Zurück zur Anhörung im Umweltausschuss des Bundestages. Mein Kollege Anders Levermann, der daran als echter Klimaexperte teilnahm, bewertete die dortigen Aussagen von Shaviv mit einem Wort als „Quatsch“. Das ist zwar richtig, aber es ist kein harmloser Quatsch sondern genau genommen Propaganda – es geht hier um gezielte Irreführung des Laienpublikums. Die AfD betreibt mit ihrer Leugnung des vom Menschen verursachten Klimawandels das Geschäft der internationalen fossilen Energiekonzerne auf Kosten der Menschen in Deutschland. Sie hat dazu im Bundestagswahlkampf [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...]. Unsere Küsten sind durch den steigenden Meeresspiegel bedroht, Wälder brennen und Ernten vertrocknen wegen der Dürre, die zunehmenden Extremregen überfluten Städte und Dörfer, Hitzewellen töten Menschen (die Hitze 2003 kostete Europaweit 70.000 Menschenleben). Und nicht zuletzt treibt die fortschreitende Erwärmung immer mehr Menschen gerade aus trockenen und heißen Klimazonen infolge von Missernten in die Flucht. Klimaschutz ist auch Heimatschutz.
Die Anhörung im Umweltausschuss des Bundestages hat einmal mehr deutlich gezeigt: die selbsternannten Klimaskeptiker haben keinerlei ernsthafte Argumente mehr.
(eingebettetes YouTube-Video: [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...])
ARD Monitor-Bericht zu Heartland, Klimagipfel in Kattowitz und zur aktuellen Anhörung im Umweltausschuss
|