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Ungelesen 18.11.17, 11:59   #64
pauli8
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@acherontia:

Wenn man "verklärter, romantischer" Verfechter der alten DDR ist, legt man ja keinen Wert darauf, dass nur allein in der Region Bitterfeld sich etwas getan hat.

Zitat:
25 Jahre nach dem Mauerfall
Tafelsilber oder Altlast?
Die Umweltmitgift der DDR für die deutsche Einheit

[...]
Kein Geld für sauberere und effektivere Produktion
Es war nicht allein Ignoranz, die die DDR-Führung dazu brachte, die massiven Umweltprobleme auszublenden und geheim zu halten. Cord Schwartau vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, aus Westberlin, gleich nach der Wende:
"Das heißt, die DDR hält Produktionen aufrecht, von denen sie auch weiß, sie sind umweltschädlich, sie sind unrentabel, man dürfte sie gar nicht mehr machen, besonders, wenn man so ein kleines Land ist. Nur es gibt das Problem: Im RGW sind die Waren nicht zu bekommen, weil der RGW auf vielen Gebieten technologisch rückständig ist, hinzukommt, dass RGW-Länder jetzt auch zunehmend harte Währung haben wollen.

Vom Westen wollte man sich nicht abhängig machen. Und wenn ich mir die Verschärfung der Umweltprobleme in der DDR angucke, dann kann man bei der Braunkohle überhaupt nicht übersehen, dass es Zahlungsschwierigkeiten, Devisenschwierigkeiten auch waren, die die DDR veranlassten, etwas zu tun, was ökologisch heute zu einer Katastrophe führt."
Die Leiter und Mitarbeiter der Betriebe sahen die Probleme tagtäglich. Sie entwickelten auch Pläne, wie durch Sanierung der Anlagen, Abwasserreinigung und Rauchgasentschwefelung die Produktion sauberer und effektiver werden könnte.

Doch diese Maßnahmen hätten hunderte Millionen DDR-Mark gekostet. Allein für das Bitterfelder Chemiekombinat zum Beispiel 850 Millionen. Geld, das die Betriebe von der Zentralen Plankommission nie bekamen. Und erwirtschaftete Gewinne gingen in den Staatshaushalt, durften nicht selbst investiert werden. Rolf Weier, der spätere Gründer der oppositionellen Umweltbibliothek von Bitterfeld war zuvor selbst Produktionsleiter in der Schwefelsäurefabrik:

"Es wurde praktisch jedes Jahr der Plan um viele Prozente erhöht, aber die notwendigen Reparaturen, Investitionen blieben aus. Genau wie viele meiner Betriebsleiterkollegen ist es uns nicht gelungen, diese Anlagen auf dem Stand der Technik zu halten und die Anlagen verschlissen so stark, dass die Arbeitsbedingungen auch von Jahr zu Jahr immer schlechter wurden und viele unter akuten Belästigungen toxischer Stoffe litten. Für mich war das Schwefeldioxid in großem Umfang, durch undichte kaputte Rohrsysteme und Anlagenteile. Und ich bin dann mit einer chronischen Bronchitis als Berufskrankheit aus diesem Betrieb 1978 ausgeschieden."



Nicht nur in der Region um Bitterfeld gehörte die Belastung der Umwelt durch die Industrie zum Alltagsleben. (picture alliance / Klaus Rose)

Viele der Belastungen im Chemie-Dreieck waren schon in der DDR-Zeit Altlasten. Im ersten Weltkrieg hatten Betriebe hier Benzin für die kaiserliche U-Bootflotte produziert und aus Braunkohle Kunststoffe gemacht. Die DDR führte das dann fort.
Was Luft und Boden zu ertragen hatten, schlug sich noch deutlicher in den Gewässern nieder. Ernst Paul Dörfler erarbeitete am Institut für Gewässerschutz in Berlin von 1978 bis 1982 eine Schadstoffstudie, die gleich im Tresor verschwand, weil sie zu brisant war. Der Biologe erinnert sich:

"Die Flüsse waren Sammelbecken für alle Abfälle, die die Industrie nicht mehr verwerten konnte. Das war nicht nur die chemische Industrie, das war auch die Papier-und Zellstoffindustrie, die Textilindustrie. Das Hauptproblem war, dass der Sauerstoffhaushalt gegen Null tendierte. Das heißt, höheres Leben war in vielen Flüssen wie der Mulde und der Saale nicht mehr vorhanden. Ein weiteres Problem waren die Schadstoffe. Vor allem die Schwermetalle, Blei, Kadmium, Kupfer, Zink, Quecksilber. Und natürlich diese Gifte, die man auch heute noch kennt die polychlorierten Kohlenwasserstoffe, also die schwer abbaubaren organischen Verbindungen."

Viele Menschen wollten den Dreck nicht länger schlucken und dazu schweigen. Gelber schwefelstinkender Smog in Leipzigs Innenstadt nahm ihnen die Sicht, Chemiegestank verschlug einem den Atem beim Durchfahren von Bitterfeld. Schaumkronen in allen Regenbogenfarben wirbelten auf der Mulde und Elster. Auch deshalb gingen die Montagsdemonstranten gerade in Leipzig auf die Straße, erinnert sich Angelika Kell, die damals Politikwissenschaften studierte:

"Ich muss sagen, ich kam 1986 aus dem beschaulichen Thüringen nach Leipzig und war doch einigermaßen erschrocken, wie sich hier die Umweltprobleme auch konzentriert haben. Und während des Studiums lernt man dann ja Leute kennen, die man vorher nicht kannte, da war ein Freund dabei, der sich bei der dann schon entstehenden Grünen Liga schon engagiert hat und über den ich im Prinzip in diese Szene gekommen bin. Und das fand ich ausgesprochen spannend, weil es mich wirklich umgetrieben hat, wie die Stadt aussah, wie das gerochen hat, wie das Wasser aussah. Dass teilweise die Flussläufe beschildert waren, Bürger wascht hier nicht euer Obst und Gemüse, das Wasser ist giftig. Ich dachte, um Gottes willen, wo bin ich hier hingeraten? Und konnte mir auch gar nicht vorstellen, dass ich jemals einen Tag länger, als das Studium dauert, in Leipzig bleiben würde."

Dass sie blieb, lag auch an den gleichgesinnten Menschen, die sie traf und an den Möglichkeiten zur Veränderung, die sich mit der friedlichen Revolution 1989 eröffneten. Zu den Mitstreitern gehörte Roland Quester, der unter dem Dach der Kirche die oppositionelle Leipziger Umweltbibliothek gegründet hatte:
"Wir haben ganz am Anfang, 1990 eine Aktion gehabt, die hieß stoppt Cospuden 90. Das war ein Tagebau im Süden Leipzigs, der schon bis ins Stadtgebiet vorgetrieben wurde, in dem im Vorfeld die Wälder abgeholzt wurden. Und da haben wir damals mit Bürgerinitiativen in Markkleeberg, was hier gleich anschließt, diese große Initiative gegründet und haben einen Sternmarsch mit 10.000 Leuten gemacht, um diesen Tagebau stillzulegen und anzuhalten, was auch gelungen ist. Das ist heute die Badewanne der Leipziger und das Naherholungsgebiet."

Nach der Wende: Abschalten der schlimmsten Dreckschleudern
Die einfache Abschaltung der schlimmsten Dreckschleudern war eine der ersten und wirksamsten Umweltschutzmaßnahmen nach der Wende. Viele Experten plädierten schon Anfang 1990, als eine schnelle Wiedervereinigung noch nicht abzusehen war dafür. Cord Schwartau vom DIW.

"Wenn ich 25 Prozent der DDR-Industrieanlagen stilllege, die ihre Berechtigung nur aus der Politik hatten, die aber sonst ökonomisch nicht zu halten waren, zum Beispiel die Betonung der Braunkohle, der Ausstieg ist ja beschlossen. Das kann man nicht von heute auf morgen machen, das muss man sozial abfedern, dann habe ich 50 Prozent der Belastung weg."

Stilllegung besonders schmutziger Betriebe brachte auch das erste Aufatmen für besonders belastete Flüsse, erinnert sich der Biologe Ernst Paul Dörfler:
"Das Verschmutzungsproblem unserer Flüsse hat sich schlagartig weitestgehend gelöst durch die Stilllegung der Verschmutzungsindustrie. Danach kam ein Käranlagenbauprogramm."

Allerdings arbeiteten in der Region um Leipzig Hunderttausende Menschen in den Tagebauen, Braunkohlekraftwerken und der Chemischen Industrie. Abschalten hieß also auch massenhafter Verlust von Arbeitsplätzen. Daher mussten auch Umweltaktivisten wie Roland Quester Rückschläge einstecken.

[...]
Quelle:
http://www.deutschlandfunkkultur.de/...icle_id=302823

Umweltprobleme gibt und gab es auch im "Westen", aber nicht in diesem Ausmaß.
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