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Chuck Norris sein Vater
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Rechtsterrorismus: Alarmzeichen verdrängen seit 1945
Zitat:
Halle? Unvorstellbar! NSU? Gibt's doch gar nicht! Rechte Terrornetze in Deutschland? Alles Einzeltäter! Die BRD hat Jahrzehnte geübt, die Nachfolger der Nazis zu leugnen.
Von Tanjev Schultz
11. Oktober 2019, 20:00 Uhr

Mitglieder der rechts*******n Terrorvereinigung "Wehrsportgruppe Hoffmann" 1978 im Garten ihres Gründers Karl-Heinz Hoffmann in Ermreuth bei Nürnberg © dpa
Deutschland ist den Nationalsozialismus und den Rassismus nie ganz losgeworden. Sie waren immer da. Die Geschichte der Bundesrepublik ist auch eine nicht endende Geschichte rechter Gewalt, aber eben das wird seit 1945 gern verdrängt. Es steckt mehr dahinter als persönliches Versagen oder Ungeschick, wenn Annegret Kramp-Karrenbauer nach dem [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] lediglich von einem "Alarmzeichen" spricht, und der Bundespräsident von einer Tat, die "unvorstellbar" gewesen sei. [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Sie wollen es einfach nicht wahrhaben. Das Entsetzen über die Morde von [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] ist bis heute von einer Erschrockenheit geprägt, die zeigt: Die Mechanismen der Verdrängung und Verharmlosung sind der Gesellschaft und ihrer politischen Kultur tief eingeschrieben, entgegen ihrem Selbstbild.
Deutschland wäre so gern die Nation, die als Vorbild strahlt, weil sie aus ihrer Geschichte gelernt hat und nun als Muster an Zivilität dasteht. Es wäre so gern das allseits geliebte Land, in dem "die Welt zu Gast bei Freunden" ist, wie es vielsagend hieß während der Fußball-WM im Jahr 2006, [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Kein Mensch müsse sich vor diesem Deutschland fürchten, sagte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Und er sei sehr erleichtert, dass "die Rechtsextremisten gar keine Chance haben, beachtet zu werden".
Ja, tatsächlich – die Neonazis hat man nicht besonders beachtet. Der Staat ließ sie viel zu oft viel zu leicht gewähren. Rechter Terror? Jahrzehntelang wurde so getan, als ginge es nur um ein paar alte Unverbesserliche und ein paar junge Ungehobelte, die manchmal im Bierrausch eher aus Blödheit denn aus politischem Antrieb einem Ausländer einen Haken verpassten. Als würde sich ihr Extremismus schon von allein auswachsen. In Wahrheit haben Rechtsextremisten eine Blutspur durch die Geschichte der Bundesrepublik gezogen, so breit und rot, dass man sie immer vor Augen haben könnte, wenn irgendwo die Fahne der Bundesrepublik weht.
Wenige Wochen, bevor Schäuble damals zur WM das so gern gehörte Märchen vom rundum friedlichen Land erzählte, ermordete der "Nationalsozialistische Untergrund" ([ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]), wie wir heute wissen, zwei Menschen. Im April 2006 [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Dass Neonazis dahintersteckten, erschien den Behörden jahrelang unmöglich.
Allein seit der Wiedervereinigung gibt es nach Recherchen von ZEIT ONLINE und Tagesspiegel etwa 169 [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] bis September 2018. In der fragwürdigen offiziellen Statistik ist die Zahl kleiner, aber mit mehr als 80 Toten trotzdem beachtlich. Hinzu kommen die täglichen [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ], Körperverletzung, Beleidigungen und Drohungen. Für die vielen Menschen, die stets damit rechnen müssen, mindestens beschimpft und bepöbelt zu werden, ist die Bundesrepublik keineswegs das "freie, friedliche, freundliche Land", als das es ein Bundesanwalt im Plädoyer des NSU-Prozesses beschrieb. Es ist eben nicht so, dass der rechte Terror hereinbricht und aufschlägt wie ein seltener Meteorit, der das Land kurzzeitig erschüttert. Die Täter haben ihre Wurzeln in dieser Gesellschaft, sie sind ihre Gewächse. Und ihr Geflecht ist, selbst da, wo es keine Mittäter im strafrechtlichen Sinne gibt, viel größer, als [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] suggeriert.
Nach Entdecken des NSU sagte Heinz Fromm, der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, der dann wegen der Schredder-Affäre sein Amt verlor und Platz für Hans-Georg Maaßen machte: "Wir haben die Dimension ihres Hasses ebenso unterschätzt wie ihren Willen zur Tat." Man habe sich einfach nicht vorstellen können, dass Neonazis systematisch Exekutionen ausführen. Ernsthaft? Zerknirscht schob Fromm hinterher, man hätte es eigentlich besser wissen können – "schließlich kennen wir die historischen Vorbilder dieser Leute". Er meinte die Nationalsozialisten und deren Mordmaschinerie.
Wer kennt denn noch die Hepp-Kexel-Gruppe?
Es war ein langer Weg, bis die sensible und präzise Erinnerung an den historischen Nationalsozialismus den hohen Grad an Selbstverständlichkeit erreichte, den die Repräsentanten der Bundesrepublik und viele Bürger heute empfinden. Nicht nur die ständigen Angriffe der [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] auf die Erinnerungskultur zeigen jedoch, wie fragil dieser historische Fortschritt ist. Es war und bleibt ein Ringen gegen die Kräfte des Verdrängens.
Nach dem Krieg konnten alte Nazis schnell wieder Karriere machen. [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] und im Sicherheitsapparat, von den Geheimdiensten bis zum Bundeskriminalamt, hingen Beamte in ihren braunen Seilschaften. Der Feind stand links. Die Liberalisierung des Landes hat dann zweifellos vieles verändert, im Umgang des Staates mit seiner Vergangenheit und auch in der inneren Verfassung der Behörden. Aber das freie, friedliche, freundliche Land ist trotzdem noch immer ein Land, in dem Asylbewerber ständig Angst haben müssen vor Brandsätzen, die in ihre Wohnungen geschleudert werden. Ein Land, in dem sich Juden in der Synagoge verbarrikadieren müssen. Ein Land, in dem eine Terrorgruppe im Jahr 2003 das Jüdische Gemeindezentrum in München in die Luft sprengen wollte. Ein Land, in dem [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ], weil er geflüchteten Menschen helfen will.
Die Erinnerung an den [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] und seine Verbrechen ist in Deutschland fest verankert, sie prägt die politische Kultur, auch wenn die AfD diese Kultur zu zerstören sucht. Auffällig aber ist, wie schwer es den liberalen Eliten und jenen Bürgern, denen die AfD ein Graus ist, weiterhin fällt, sich dem rechten Terror der Gegenwart zu stellen. Das [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] ist vielen immerhin ein Begriff, aber wer kennt sich schon aus mit den vielen anderen Anschlägen und ihren Opfern? Wem sagt die Hepp-Kexel-Gruppe etwas oder die Wehrsportgruppe Hoffmann? Und hat die Gesellschaft nicht längst Routine darin, Angriffe auf Türken oder Schmierereien auf jüdischen Friedhöfen als Kurzmeldung abzuhaken, solange nichts "Schlimmeres" passiert ist?
Die Vorstellung, es gebe eine letztlich dominierende liberale Ordnung, die irgendwie damit fertig werden muss, dass es nun einmal stets auch einige gefährliche Extremisten gibt, ist allzu verführerisch. Und trügerisch. Gewiss, die Bürger sind mehrheitlich keine Neonazis, nicht mal [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Und ja, die Bundesrepublik hat sich, auch im internationalen Vergleich, in mehreren Schüben auf beachtliche Weise liberalisiert. Aber was bedeutet es für diese Ordnung, wenn der Rassismus so tief sitzt und immer wieder neue Generationen von Rechtsextremisten heranwachsen? Womöglich ist die Liberalität der Gesellschaft insgesamt, auch in ihrer Mitte, viel brüchiger und widersprüchlicher, als es zunächst aussieht.
Nicht nur die Obsession, mit der in einer fruchtlosen Endlosschleife Jahr für Jahr übers Deutschsein oder über den Islam diskutiert wird, deutet darauf hin. Auch die wiederkehrenden und bemühten Versuche, Radikale einzufangen, indem man ihnen, wie manche CSU-Politiker, zeitweise verbal nacheifert, um dann einige Zeit später [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ], zeugt nicht von liberaler Festigkeit. Diese zu erlangen, wird nur gelingen, wenn als Erstes der Selbstbetrug aufhört, rechter Terror sei in diesem freundlichen Land nicht vorstellbar. Er ist die unfreundliche Realität. Seit langer Zeit, und wieder und wieder.
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Quelle:[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
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