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15.09.19, 10:53
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#1
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Freigeist
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"Wir haben die Terroristen bekämpft, nun hört ihr uns nicht?"
Zitat:

Kobane war einst Symbol für den Kampf gegen den Islamischen Staat. Heute ist die Stadt fast vergessen. Einer von wenigen ausländischen Helfern vor Ort ist der Arzt Gerhard Trabert. t-online.de sprach mit ihm.
Im Herbst und Winter 2014 bewegte das Schicksal von Kobane die Welt. Damals drangen Terroristen des so genannten Islamischen Staates in die Stadt an der syrisch-türkischen Grenze ein, in der vor dem Krieg rund 55.000 Menschen lebten. Die Verteidiger leisteten erbitterten Widerstand und Kobane wurde zum Symbol für den Kampf gegen den IS. In blutigen Häuserkämpfen wendeten kurdische Milizen – unterstützt von Kampfjets der Anti-IS-Koalition – schließlich das Blatt und trieben die Dschihadisten aus der Stadt.
Bald fünf Jahre sind die dramatischen Ereignisse nun her. Seither ist es still geworden um Kobane. Die Stadt ist befriedet, doch für die heute etwa 40.000 Einwohner ist der Krieg nie vorbei gewesen. Die Türkei, die die Kurden als Feinde und Terroristen betrachtet, ist im benachbarten Afrin einmarschiert. Staatschef Recep Tayyip Erdogan hält die Kurdengebiete in Nordsyrien mit seinen Kriegsdrohungen in einem Dauerzustand der Angst.
Internationale Hilfe erhält Kobane praktisch kaum, obwohl es an so vielem fehlt: An Medikamenten, an Lebensmitteln, an Kapazitäten zur Behandlung von Krankheiten. Wenige Ausnahmen bilden Initiativen wie die von Gerhard Trabert, Arzt und Sozialarbeiter aus Mainz. Er engagiert sich seit einigen Jahren in Kobane. In dieser Woche war Trabert vor Ort. t-online.de erreichte ihn am Telefon.
Herr Trabert, in Deutschland arbeiten Sie seit vielen Jahren in der Obdachlosenhilfe und unterstützen Menschen ohne Krankenversicherung. Worin besteht Ihr Engagement in Kobane?
Gerhard Trabert: Ich besuche Kobane zum sechsten Mal. Unser Verein unterstützt hier das Rainbow-Waisenhaus. Es beherrbergt zum einen Kinder, die ihre Eltern verloren haben. Zum anderen ist es Ausbildungsstätte für Einheimische, die Krankenpfleger werden wollen und die hier in Theorie und Praxis geschult werden. Unser Verein leistet finanzielle Unterstützung. Ein syrischer Arzt, der mit seiner Familie in Deutschland lebt und auf uns zukam, weil er vor Ort helfen wollte, koordiniert hier unsere Arbeit.

Mit welchen Krankheitsbildern haben Sie in Kobane zu tun?
Es gibt viele Fälle von Diabetes. Zahlreiche Patienten kommen mit einem so genannten Diabetes-Fuß zu uns, der für die Erkrankten mit einem hohen Infektionsrisiko verbunden ist. Wir haben Hunderte Diabetes-Patienten versorgt und sie auf einen guten Blutzuckerspiegel eingestellt. Ein anderes Beispiel ist die so genannte Mittelmeer-Anämie oder Thalassämie. Eine spezielle Krankheit, die hier häufiger bei Kindern auftritt.
Was genau ist das?
Es handelt sich um einen Gendefekt, durch den im Blut zu wenig Hämoglobin gebildet wird. Man findet ihn hier bei vielen Kinder. Die Krankheit wird mit Bluttransfusionen behandelt. Dabei sammelt sich jedoch zuviel Eisen im Blut an. Das Eisen muss ausgeschieden werden. Die Medikamente sind einfach zu beschaffen, wir können sie aber nicht hierher nach Rojava bringen (offiziell Demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien, Anm. d. Red.). Und ohne Behandlung werden die Kinder in zwanzig Jahren sterben.
Gibt es denn hier keine Hilfe aus dem Ausland?
Das große Problem ist das Embargo gegen Syrien, wodurch es überall an Medikamenten und medizinischem Gerät fehlt. Und die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, verhandelt nur mit der Regierung in Damaskus. Wir brauchen hier dringend Mittel für Tuberkulosepatienten, für Krebserkrankte. Behandlungen mit Chemotherapie sind nicht möglich. Ein großes Problem sind Nierenerkrankungen, bei denen eine Dialyse notwendig ist. Wir konnten einer Geburtsklinik jüngst einen dringend benötigten Inkubator übergeben. Es hatte uns aber acht Monate Arbeit gekostet, ihn hierher zu bringen. Es wäre enorm wichtig, dass das Embargo verschwindet.

Was hat sich in Kobane seit dem Ende der Kämpfe vor über vier Jahren getan?
Es ist viel in Bewegung gekommen. Neue Häuser und Straßen sind entstanden. Kürzlich gab es eine Kunstausstellung, ein neuer Spielplatz wurde eröffnet. Zugleich gibt es hier basisdemokratische Strukturen, in denen Kurden und andere Ethnien Hand in Hand zusammenarbeiten. Und Frauen werden von Anfang an in alle Entscheidungen einbezogen. Die Kraft und Energie der Menschen hier ist faszinierend. Man spürt eine tiefe Verinnerlichung der Basisdemokratie. Die Selbstverwaltung funktioniert meines Erachtens.
Sind die Spuren des Krieges noch sichtbar?
Oh ja. Kobane hat diese beiden Seiten: die Zerstörung und den Wiederaufbau. Vor allem der Stadtteil nahe der Grenze liegt komplett in Trümmern. Er soll als Mahnmal gegen den Krieg erhalten bleiben.
In Idlib im Nordwesten Syriens wird weiter gekämpft. Was bekommen Sie davon mit?
Relativ wenig. Problematischer für die Menschen hier war der Einmarsch der Türkei in Afrin vor eineinhalb Jahren. Zehntausende flüchteten daraufhin nach Rojava. Es gibt Berichte von Gräueltaten durch die türkische Armee und die mit ihnen verbündeten Dschihadisten. Was die Lage zusätzlich verschärfte: In Kobane und anderen kurdischen Gebieten wurden Felder angezündet, nachdem der IS dazu aufgerufen hatte.

Wie gehen die Menschen mit der Bedrohung um?
Es gibt eine große Angst davor, was Erdogan tun wird. Ich war zuletzt im Dezember hier, als die Warnungen aus Ankara vor einem bevorstehenden Einmarsch in Syrien besonders intensiv waren. Damals konnte man überall hier die Angst spüren.
Wie wirkt sich das aus?
Während der Kämpfe in Kobane verzeichneten die Ärzte viele Fehlgeburten, was mit dem Stress und der Angst vor den Bomben zusammenhing. Später gingen die Zahlen zurück. Derzeit werden im Gesundheitszentrum jeden Monat 400 Kinder zur Welt gebracht. Doch mit den Drohungen von Erdogan ist die Zahl der Fehlgeburten wieder stark gestiegen.
Es scheint, als könnten die Menschen auch Jahre nach den schlimmen Kämpfen nicht zur Ruhe kommen. Wer hilft ihnen, das zu verarbeiten?
Eine wirkliche Therapie für traumatisierte Menschen findet nicht statt. In Rojava leben rund fünf Millionen Menschen, davon sind 1,5 Millionen Geflüchtete. Ärzte sagen zu mir: 'Wir sind hier alle traumatisiert.' Aber es gibt in der ganzen Region nur 50 Psychiater, die Traumata behandeln.
Würden Sie sagen, Kobane und die Region werden von der Welt allein gelassen?
Absolut. Die Menschen hier meinen: 'Wir haben die Terroristen bekämpft, nicht nur für uns, sondern auch für euch. Und nun werden wir so wenig gehört? Wir haben eine offene Gesellschaft, haben basisdemokratische Strukturen geschaffen. Aber dennoch unterstützt man uns nicht.'
Mit Blick auf die kommenden Monate und Jahre: Was sorgt Sie am meisten?
Erdogan ist fast alles zuzutrauen. Zwar haben die USA ihren Kurs etwas verändert und wollen sich nun doch nicht ganz aus Syrien zurückziehen. Das entspannt die Lage etwas. Zugleich aber wächst der innenpolitische Druck auf Erdogan und man weiß nicht, ob er darauf mit einer außenpolitischen Antwort reagiert.
Herr Trabert, wir danken Ihnen für das Gespräch.[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
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Der Bürgerkrieg tobt seit 2011. Dieser Krieg zeigt das Versagen der NATO, Arabischen Liga, Russlands, der Vereinten Nationen. Jede Seite hat katastrophal versagt ....
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Die folgenden 7 Mitglieder haben sich bei MunichEast bedankt:
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15.09.19, 18:33
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#2
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Chuck Norris
Registriert seit: Sep 2009
Beiträge: 3.631
Bedankt: 5.860
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Ich weiß, man könnte Bände schreiben, aber es ist ganz einfach: Die Kurden sind aus innenpolitischen Grünen der Türkei, und Erdogan insbesondere, ein Dorn im Auge. Und solange Erdogan am Bosporus sitzt und die Türkei NATO Land ist, werden wir natürlich ihn nicht über Gebühr sauer machen. Wir brauchen den Drecksack ja noch.
Die Kurden hingegen haben ihre Schuldigkeit getan. Assad stürzen ist strategisch für sie eher nicht möglich. Also lässt man sie wieder mal fallen. Sicher, sie sind zwar noch für ein paar Bilder gut, aber echte Hilfe würde Geld und Einfluss kosten. Das geht natürlich nicht.
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Die folgenden 4 Mitglieder haben sich bei Nana12 bedankt:
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22.10.19, 21:41
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#3
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Erfahrener Newbie
Registriert seit: Jun 2012
Beiträge: 112
Bedankt: 137
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Zitat:
Zitat von Nana12
Die Kurden sind aus innenpolitischen Grünen der Türkei, und Erdogan insbesondere, ein Dorn im Auge.
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Nicht ganz richtig.
Es sind nicht die Kurden, die das Problem sind. Es sind Terorristen die im Namen der Kurden operieren.
Wie nicht jeder Moslem ein Islamistischer Terorrist sein kann, wie nicht jeder Jesuit ein Christlicher Terrorist sein kann, ist sicherlich auch nicht jeder Kurde ein Terrorist illegaler Organisationen.
Es gibt viele Kurden in höheren Positionen in der Türkei -auch in der Politik.
Aber es ist auch ein PKK Problem vorhanden (Die Ursprünge, warum es entstand würde Seiten füllen)
Stellt euch vor in Deutschland kommen die Türken auf die Idee, z.B. Hessen für sich zu beanspruchen (ja ja, die Geschichte in der Türkei geht länger) und sind mitveratwortlich für über 30.000 Terroropfer (PKK hat sich zu vielen Anschlägen bekannt). Mehr muss man glaube ich nicht sagen (Bei einer Ordnungswiedrigkeit wird hier schon Hetze betrieben)
Es ist eine sehr lange Geschichte, die sicher nicht nächstes Jahr gelöst wird.
Wenn man nun zum Artikel zurück kommt, kann ich nur ein Feststellen.
Alle mächtigen Länder der Welt haben aus Eigeninteresse schon Jahrelang die region unstabil gemacht. Haben Saddam unterstüzt, dann gehängt. Haben die Bin Laden's stark gemacht, dann hingerichtet.
So haben sie auch die Kurden für die eigenen Zwecke missbraucht mit dem Verprechen "Israel haben wir ein Land geschenkt, warum sollen wir euch keins schenken?"
Was suchen Amis, Russen, Türken, Iraner in Syrien?
Warum sind diese Länder nicht in anderen Ländern wo es auch Bürgerkriege gibt? Warum haben sie im Balkan erst gefühlte 1000 Jahre zugeschaut?
Am Ende sind es immer wieder Unschuldige die darunter leiden.
Sie werden durch die Aussenpolitik der mächtigen Länder benutzt. Am Ende werden sie aus dem eigenen Land vertrieben und werden dann in den Ländern der mächtigen gehasst weil sie als Flüchtlinge kommen.
Nur was können diese Menschen dafür?
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17.09.19, 10:35
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#4
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Chuck Norris sein Vater
Registriert seit: Apr 2009
Beiträge: 5.032
Bedankt: 12.659
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Moin,
ich fürchte das uns das Signal "Wir unterstützen jeden der uns nutzt. Aber nur so lange, wie er uns nutzt" noch teuer zu stehen kommt.
Wenn aus ehemaligen Verbündeten Feinde werden, wird es böse. Das wäre eine der ganz wenigen Sachen gewesen, die man von den USA hätte lernen können. Hat man aber wohl nicht. Vielleicht können Politiker ab einer bestimmten Höhe überhaupt nicht weiter denken als bis zur nächsten Wahl.
__________________
Wenn Kik den Preis pro Shirt um einen Euro erhöht um seinen Mitarbeitern ein besseres Gehalt zu zahlen, dann finden wir das alle gut.
Und dann gehen wir zu Takko einkaufen ...
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Die folgenden 3 Mitglieder haben sich bei Melvin van Horne bedankt:
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16.10.19, 18:26
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#5
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Banned
Registriert seit: Aug 2011
Beiträge: 129
Bedankt: 128
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Zitat:
Zitat von Melvin van Horne
Moin,
Vielleicht können Politiker ab einer bestimmten Höhe überhaupt nicht weiter denken als bis zur nächsten Wahl.
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Eine *Kernkompetenz* von Politikern ist das Absägen von Freunden/Gegnern zum genau richtigen Zeitpunkt.
Es gibt nicht umsonst den Spruch:
Feind -- Erzfeind -- Parteifreund
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