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25.07.12, 07:52
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Chuck Norris sein Vater
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Der Wählerwille geschehe - aber wie?
Zitat:
Wahlrecht vor dem Verfassungsgericht
Der Wählerwille geschehe - aber wie?
25.07.2012 Von Philipp Wittrock
Überhangmandate, negatives Stimmgewicht, Reststimmenverwertung: Das deutsche Wahlrecht ist kompliziert und womöglich noch immer grundgesetzwidrig - trotz Reformversuch der Koalition. Gibt das Verfassungsgericht nun selbst die Regeln für die nächste Bundestagswahl vor?
Berlin - Richterin Gertrude Lübbe-Wolff konnte nicht mehr. Drei Stunden dauerte die Sitzung schon, nun ging es um die Feinheiten der sogenannten Reststimmenverwertung, da prustete die Juristin los. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle hatte durchaus Verständnis für den Lachanfall. Die Komplexität der Materie habe "auch etwas Humoristisches", befand er.
Ja, wer in die Tiefen des deutschen Wahlrechts eintaucht, der kann irgendwann nur noch amüsiert mit dem Kopf schütteln. Das Ganze wird so absurd kompliziert, dass wohl nur noch Mathe-Nerds problemlos den Durchblick behalten. Doch so grotesk das Gesetz auch anmuten mag, der Hintergrund ist ernst. Schließlich geht es beim Wahlrecht um das Fundament der Demokratie.
Am Mittwoch, sieben Wochen nach der mündlichen Verhandlung mit dem ungewöhnlichen Heiterkeitsausbruch, wird das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verkünden, ob dieses Fundament hierzulande in Ordnung ist. Oder ob Deutschland kaum mehr als ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl ohne die dafür notwendige, gültige Rechtsgrundlage dasteht.
Dass es so kommt, ist nicht ausgeschlossen. Und wenn es so kommt, wäre es mehr als peinlich für die Politik - ihr droht ein höchstrichterlich ausgestelltes Armutszeugnis. Erst wurde eine notwendige Reform jahrelang verschleppt, dann die demokratische Etikette verworfen, derartige demokratische Grundsatzfragen überparteilich zu lösen. Und nun könnte sich das von Schwarz-Gelb gebastelte Gesetzeswerk schon nach ein paar Monaten als Murks erweisen.
Streitfrage Überhangmandate
Rückblick: Im Jahr 2008 hatten die obersten Richter des Landes das Wahlgesetz für verfassungswidrig erklärt, weil es gegen die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl verstieß. Sie monierten das sogenannte negative Stimmgewicht, ein Phänomen, das bei bestimmten Ergebniskonstellationen auftreten kann. Einfach ausgedrückt: Der Gewinn zusätzlicher Stimmen kann für eine Partei den Verlust eines Sitzes im Bundestag bedeuten.
Drei Jahre gab das Gericht der Politik Zeit, diese Merkwürdigkeit zu beheben und das Wahlgesetz gewissenhaft zu reformieren - einvernehmlich. Die Frist verstrich, Koalition und Opposition konnten sich nicht einigen, schließlich verabschiedete Schwarz-Gelb im Dezember vergangenen Jahres im Alleingang ein neues Wahlgesetz. Das ist nicht nur noch komplizierter, sondern nun auch mit dem Makel behaftet, dass jene, die derzeit die Macht haben, die Regeln für die künftige Machtverteilung festlegen.
SPD, Grüne und mehr als 3000 Bürger reichten umgehend Klage ein.
Nun geht es in Karlsruhe vor allem um die Frage der Überhangmandate. Diese Bonus-Sitze sind eine Folge des personalisierten Verhältniswahlrechts in Deutschland: Sie entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland über die Erststimme mehr Direktmandate erringt als ihr nach den über die Zweitstimme bestimmten Kräfteverhältnissen eigentlich an Sitzen im Bundestag zusteht. Und jene Überhangmandate sind eine der Ursachen für das vom Verfassungsgericht beklagte negative Stimmgewicht.
Weil aber die Union derzeit besonders stark von Überhangmandaten profitiert, war ihre Motivation nicht besonders hoch, diese für die Zukunft einzudämmen. Bei der letzten Bundestagswahl errangen CDU und CSU 24 Bonus-Mandate, mit denen die Koalition ihre Mehrheit ordentlich aufstocken konnte. Die SPD gewann keines, sie profitierte in der Vergangenheit aber auch - Kritik an den Überhangmandaten kommt aus den großen Volksparteien daher immer, wenn sie gerade in der Opposition sitzen.
Wenig Zeit für neue Reform
Im Bemühen, den eigenen Vorteil zu sichern, setzte die Union bei der Reform an anderer Stelle an: Sie kappte die bundesweite, rechnerische Verbindung der Landeslisten. Die Zahl der Abgeordneten soll nun für jedes Bundesland separat anhand der jeweiligen Wahlbeteiligung ermittelt werden. So sollte das Risiko des negativen Stimmgewichts abgeschwächt werden. Dazu baute die Koalition noch ein kompliziertes Verfahren für die Verteilung von Zusatzmandaten für kleinere Parteien ein - besagte Reststimmenverwertung.
Dass den Richtern des Zweiten Senats die Korrekturen reichen, daran darf man nach deren kritischen Nachfragen in der Verhandlung Zweifel haben. Für die Kläger ist die Sache ohnehin klar. Von einem "schwarz-gelben Überhangmandats-Sicherungsgesetz" sprechen die Grünen. "Das Wahlrecht muss den Wählerwillen abbilden und nicht die Mehrheit im Bundestag, die es erlassen hat", sagt Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. SPD-Kollege Thomas Oppermann nennt die Überhangmandate einen "giftigen Stachel im Fleisch der Wahlrechtsgleichheit", weil sie die Zweitstimmenergebnisse verzerren könnten.
Die Koalition ist sich dagegen sicher, den Reformauftrag des Gerichts erfüllt zu haben. Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU), einer der Autoren des Gesetzes, zeigt sich optimistisch, dass "das Gericht auch die Entstehung von Überhangmandaten weiterhin für verfassungsgemäß erachtet". Tatsächlich hat Karlsruhe die Überhangmandate einst abgesegnet - allerdings mit dem Hinweis, zu viele dürften es nicht werden. Ihre Zahl aber wächst, wenn immer mehr Parteien im Bundestag vertreten sind. Gut möglich also, dass das Gericht seine ohnehin knappe Entscheidung von 1997 revidiert und eine Beschränkung oder gar Abschaffung der Zusatzsitze, zumindest aber einen Ausgleich dafür fordert.
Viel Zeit bliebe für eine erneute Reform nicht. Der letztmögliche Termin für die kommende Bundestagswahl wäre der 27. Oktober 2013. Die Politik aber ist ja bislang eben nicht durch verschärftes Tempo aufgefallen. Wenn die es nicht schafft, müsste wohl die dritte Gewalt einspringen: Zur Not könnte das Gericht selbst ein Übergangswahlrecht formulieren.
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