[TinyTimm]

Ein Mob im Internet ruiniert den Ruf eines unschuldigen 17-Jährigen und lässt die dunkle Seite sozialer Netzwerke in den Fokus rücken.

Am Donnerstag galt er noch als der Hauptverdächtige im Fall der elfjährigen Lena, die in einem Parkhaus in Emden ermordet wurde. Am Freitag dann die überraschende Kehrtwende: Der 17-jährige Jugendliche wurde aus der Untersuchungshaft entlassen. Keinen Zweifel gebe es an seiner Unschuld, beteuerten Staatsanwaltschaft und Polizei. Ein virtueller Mob, der durch die Verhaftung ausgelöst worden war, dürfte allerdings dafür gesorgt haben, dass das Leben des Teenagers in Emden dennoch zerstört ist.

Ein zweites Opfer gebe es nun in Emden, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Udo Vetter, ein renommierter Rechts-Blogger am Freitag dieser Zeitung. „Der 17-Jährige wird sein normales Leben wohl nicht weiterführen können. Von dem Tatverdacht wird immer etwas haften bleiben.“

Die dunkle Seite sozialer Netzwerke

Der Fall in Emden rückt einmal mehr die dunkle Seite sozialer Netzwerke in den Fokus: Nur Minuten nach der Verhaftung des Berufsschülers teilten Bürger über soziale Netzwerke seinen Namen und die Anschrift mit. Wenige Stunden später rief ein 18-Jähriger über Facebook dazu auf, die Emder Polizei zu stürmen, um den Verhafteten zu lynchen. „Es gibt nur eins: Erschießen“, postete einer. Dutzende belagern daraufhin stundenlang die Polizeiwache.

Eine neue Dimension der Destruktivität sieht Rechtsanwalt Vetter in dem Internet-Mob. „Die emotionale Aufputschung findet ohne zeitliche Verzögerung statt“, sagt der Medienexperte. So wie Menschen mit sozialen Netzwerken im arabischen Raum um ihre Freiheit kämpfen, so werden diese Instrumente auch genutzt, um Lynchjustiz zu organisieren. „In Emden trägt daran aber auch die Polizei eine Mitschuld.“

Emdener Polizei in der Verantwortung

Auch der niedersächsische Kriminalpsychologe Christian Pfeiffer sieht die Emder Polizei in der Verantwortung. Sie habe den Jugendlichen möglichst medienwirksam festgenommen und ihn damit erst dem Mob preisgegeben. „Das war leichtfertig, zumal sie ganz offensichtlich viel zu wenig in der Hand hatten“, sagte Pfeifer dieser Zeitung. Er fordert Schadensersatzzahlung an den Jugendlichen.

Dabei war der 17-Jährige nicht der einzige Unschuldige, der im Internet zum Ziel wurde. Auch ein mit ihm verwandter 16-Jähriger war laut Nordwest-Zeitung in die Schusslinie geraten. Der Jugendliche musste von seiner Familie beschützt werden – und sei dann aus der Stadt gebracht worden, berichtet die Regionalzeitung.

Auch über Facebook sei es ihm nicht gelungen, die Verwechslung aufzuklären. Dort habe er gepostet: „Ich bin nicht derjenige, der in U-Haft sitzt. Habe mit dem nichts zu tun!“ Doch da war es schon zu spät. Kamerateams und Journalisten seien durch die Straßen gezogen und haben nach Informationen zu dem 16-Jährigen gesucht. Damit blieb sein Name im Umlauf.

Ungefilterte Weitergabe von Namen und Adressen

Welche drastischen Konsequenzen die ungefilterte Weitergabe von Namen und Adressen in sozialen Netzwerken mit sich bringt, hat in diesen Tagen auch ein älteres Ehepaar in Florida zu spüren bekommen. Es geriet plötzlich in die Auseinandersetzung um den Tod von Trayvon Martin. Der unbewaffnete schwarze Teenager war im Februar von dem 28-jährigen George Zimmerman, Mitglied einer Bürgerwehr, erschossen worden – angeblich aus Notwehr. Dass Zimmerman nicht verhaftete wurde, sorgte landesweit für Aufregung.

Der US-Filmregisseur Spike Lee twitterte dann eine Adresse, von der er glaubte, dass sie dem Todesschützen gehörte – in Wirklichkeit aber wohnte dort das über 70 Jahre alte Rentnerpaar. Angesichts der 250.000 Follower des Filmemachers verfehlte die Mitteilung nicht ihre Wirkung: Nach massiven Drohungen mussten die Rentner aus ihrem Haus flüchten. Lee entschuldigte sich jetzt auf Twitter und nahm mit den Worten „Gerechtigkeit im Gericht“ seinen Aufruf zur Lynchjustiz zurück. Trotzdem gaben einige Personen immer noch die falsche Adresse auf Twitter weiter.

Unmöglich, Vorwürfe aus der Welt zu bekommen

Ein Kernproblem der Verleumdung im digitalen Zeitalter ist die Tatsache, dass es den Opfern nahezu unmöglich ist, die Vorwürfe aus der Welt zu bekommen. Zwar kann bei falschen Tatsachenbehauptungen per Gericht die Löschung durchgesetzt werden – doch fast immer tauchen die Anschuldigungen im Internet irgendwo wieder von Neuem auf.

Während die Gewerkschaft der Polizei am Freitag forderte, dass Aufrufer zu Lynchjustiz, die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen, sieht Kriminalpsychologe Pfeiffer auch die Polizei in der Pflicht, aus den Ereignissen zu lernen: „Sie muss in Zukunft sensibler agieren.“

Quelle: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]

[justmeok]

Der Kerl kann einem einfach nur leid tun.. Will echt nicht wissen wie seine Pinnwand aussieht und was er da für Nachrichten bekommen hat und noch bekommen wird..

[slimru]

War doch von Anfang an klar...

Dass die Medien ihn schon für 10 Jahre und mehr verknackt haben, ist doch ganz normal

Wiedermal die ganze Sache hochgeschaukelt, auf Basis von Vermutungen

Ich an seiner Stelle würde sämtliche Medien verklagen, es ist ja kein Einzelfall, das passiert doch die ganze Zeit in den Nachrichten, die kriegen eine Info zugespielt und schon basiert die ganze Berichterstattung auf diesem Hinweis obwohl es garnicht stimmt und am Ende gibts auch keine richtige Entschuldigung, sind ja immer andere Schuld, man möchte ja nicht zugeben dass es den Medien nur um Entertainment, Einschaltquoten und Verkaufszahlen geht, statt die Bürger zu informieren und es den Leuten überlassen ihre eigene Meinung zu bilden statt sich eine aufzwingen zu lassen.

[Setchan]

Was man hierbei vergisst ist aber dass dieses verhalten durchs internet zwar erleichtert wird aber die "dunklen" sozialen netzwerke keine bedingung dafür sind.

Auch ohne Facebook und co wird es nach so einem Fall immer jemanden geben welcher die unschuld nicht anerkennen will und auch dieser wird ohne facebook und co andere zu sich ins boot ziehen.

Soll mir mal keiner erzählen dass diese praxis erst im digitalen zeitalter auftauchte...


Aber letzendlich trotzdem echt mies was so im i-net abläuft.

[Lord_Wellington]

Ich denke, dass liegt nicht allein an sozialen Netzwerken. Sicher, damit lassen sich Beschuldigungen und Mordaufrufe schneller und viel weiter verbreiten, aber es braucht immer noch ein paar Vollidioten, die diese Möglichkeit auch ausnutzen.

Vor ein paar Jahren verschwand ein Bauer (ich glaube, das war in Bayern) spurlos und die Familie (durchweg alle an der Grenze zur geistigen Behinderung, IQ irgendwas um 50 rum) wurde beschuldigt und später auch dafür verurteilt, ihn ermordet, zerstückelt und den Hunden zum Fraß vorgeworfen zu haben. Jahre später wurde das Auto mit der Leiche des Bauern aus einem Fluss nahe seiner Stammkneipe gezogen. Die Beschuldigungen waren allesamt falsch.

Sorry für das weite Ausholen, jetzt komme ich zum Punkt: Soziale Netzwerke gab es damals noch kaum, schon gar nicht bei 50-Jährigen Bauern in der bayerischen Provinz. Trotzdem wussten natürlich alle Name und Adresse, jeder hatte gewusst, dass "irgendwann mal so etwas passiert bei denen" und natürlich waren sich auch vor dem Prozess schon absolut alle sicher, dass sich die Tat genau so abgespielt hat.

[W. C. Fields]

@ Lord_Wellington

Das gleiche ist doch im Fall des verschwundenen Pascal passiert.

[oder]

Ganz klar muss doch jetzt wohl ne fette Entschädigung kohlemäsig für einen Neuanfang drin sein,dann soll er weiter wegziehen und dazu nen neuen Namen kriegen,nur so kann der sein Leben noch einigermaßen retten.
Und für ne Entschädigung in so nem Fall ,wird glaub kein Steuerzahler was dagegen haben ,besonders für die wo ihn zu voreilig zum Lynchen aufgerufen und seine Privaten Daten veröffentlicht haben,wäre es wenigstens ne kleine Wiedergutmachung sozusagen.

[skyce]

Zitat von oder

Ganz klar muss doch jetzt wohl ne fette Entschädigung kohlemäsig für einen Neuanfang drin sein,dann soll er weiter wegziehen und dazu nen neuen Namen kriegen,nur so kann der sein Leben noch einigermaßen retten.
Und für ne Entschädigung in so nem Fall ,wird glaub kein Steuerzahler was dagegen haben ,besonders für die wo ihn zu voreilig zum Lynchen aufgerufen und seine Privaten Daten veröffentlicht haben,wäre es wenigstens ne kleine Wiedergutmachung sozusagen.

ALs wenn der Junge dick Kohle nen neuen Namen usw bekommt...

[oder]

Zitat von skyce

ALs wenn der Junge dick Kohle nen neuen Namen usw bekommt...

Ne Entschädigung kriegt der ja wies aussieht,jetzt muss er nur noch nen Neuen Namen beantragen und fertig ,und natürlich wegziehen.

[bambamfeuerstein]

serdar somuncu erklärt richtig, warum es keine "helle" seite der sozialen netzwerke gibt:

[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]

ie dinger sind voll fürn ....... darmausgang

[ckjthedogmaster]

Lord_Wellington ich danke dir für deinen Beitrag.

Sollten sich nämlich alle Mal am Kopf packen und nachdenken, bevor sie was posten..... oder den Mund aufmachen.


Haftentschädigung steht ihm zu.... für 3 Tage. Wie hoch das ist, kann sich jetzt jeder ausmalen...
Das er aber eine deutlich höhere Entschädigung erhalten dürfte, ist auch klar.

"Der unschuldige Täter" wird jedoch in sein altes Leben nie mehr zurückkehren können.
Emden ist eine Kleinstadt, ländlich, wo fast jeder jeden irgendwie kennt.

Fehlverhalten der Polizei sei mal dahin gestellt... der Druck der Öffentlichkeit war enorm, da es nicht sein kann, das am helligsten Tag mitten in der Stadt in einem überwachten Parkhaus ein Kind getötet wird.

Die Polizei hat unter dem Druck der Medien und Öffentlichkeit einen Fehler gemacht, und hat dies auch sofort eingeräumt.
Bereits bei der ersten Pressekonferenz wurde davor gewarnt, voreilig einen Menschen zu verurteilen.

Die Hetze, die auf Facebook statt fand, ist ebenfalls unter aller Sau gewesen. Ich weiß nicht, wer die bereits entfernten Beiträge da gelesen hat... Ich finde diese Leute sollten allesamt ausfindig und zur Rechenschaft gezogen werden. Es wurden dort von unbehelligten Bürgern Adressen etc. gepostet, die einfach mal so verurteilt worden sind. Und es hätte so gut wie von jedem die Daten da stehen können, und was meint ihr, wenn man aus dem Fenster schaut und da steht ne aufgebrachte Meute, die einen lynchen wollen.

Genauso die Aktion das Polizeigebäude zu stürmen. Absoluter Schwachsinn. Ich weiß nicht was der 18- jährige sich davon erhofft hat. Das jetzt 1000 Leute aus Facebook nach Emden reisen um sich mit der Polizei zu prügeln???

Das ganze hat einfach mehr negatives Aufsehen erregt, und eine Rückkehr des zu früh verurteilten unschuldigen Täter's unmöglich gemacht.



Aber heute um 15 Uhr gibt es eine neue Pressekonferenz. Anscheinend haben jetzt nicht nur Verdächtigungen, sondern eine ausgewertete DNA - Analyse den wahren Täter(18 ) entlarvt. Lt. Medien ist er bereits geständig...


Mfg

[Octal]

Meiner Meinungs nach sollte jedes Großmaul, dass auf Facebook etc zu Selbstjustiz aufgerufen hat, juristisch verfolgt werden.
Ein öffentlicher Prozess wäre natürlich noch schöner.

[Skyler9000]

Zitat von Octal

Meiner Meinungs nach sollte jedes Großmaul, dass auf Facebook etc zu Selbstjustiz aufgerufen hat, juristisch verfolgt werden.
Ein öffentlicher Prozess wäre natürlich noch schöner.

Gegen diese Personen soll ja eh ermittelt werden.
So sieht man zu mindest wozu Facebook und co. fähig sind nämlich zu nichts gutem.

[Octal]

So sieht man zu mindest wozu Facebook und co. fähig sind nämlich zu nichts gutem.

Das kann ich so nicht unterschreiben...Facebook Gruppen zum Beispiel haben schon so einiges stark vereinfacht...aber das geht nun am Thema vorbei

[cocnutk]

Soziale Netzwerke sind doch auch nichts anderes als eine Plattform wo Menschen - die gleichen wie vor Facebook und co. übrigens - ihre Meinung zur Schau stellen können, und sich sogar mit anderen austauschen bzw. mit Gleichgesinnten zusammenschließen können.

Es wirkt also sozial katalytisch. Das ist keine "dunkle Seite der soz. Netzwerke", sondern viel eher die dunkle Seite der Menschen. Ein gesprochenes Wort wird nicht gespeichert, ein geschriebenes schon. So wird eben für jeden ersichtlich und bleibt dauerhaft gespeichert, wie Menschen eben manchmal ticken.

Man sollte daraus lernen oft distanzierter und kühler an eine Sache ranzugehen, aber ich kann die Bewohner auch verstehen, immer hin ist was wirklich schreckliches praktisch direkt vor ihrer Haustür passiert. Dass man da emotional mitgerissen wird, sollte jedem klar sein.

[Yhikly]

Wie hat mein Politiklehrer immer gesagt?
"In einem Rechtsstaat ist eine Person erst dann als schuldig anzusehen, wenn sie von einem Gericht rechtskräftig verurteilt wurde. Vorher gilt Unschuldsvermutung!"
Die heutige Gesellschaft macht mich krank.

[Setchan]

Zitat von Yhikly

Die heutige Gesellschaft macht mich krank.

warum die heutige gesellschaft? Die hat sich was das angeht kaum verändert, außer dass man jemanden nicht mehr nur für das aussehen erfolgreich als hexe verbrennen lässt