myGully.com Boerse.SH - BOERSE.AM - BOERSE.IO - BOERSE.IM Boerse.BZ .TO Nachfolger
Zurück   myGully.com > Talk > News
Seite neu laden

[Recht & Politik] Tempo 30 in deutschen Städten

Willkommen

myGully

Links

Forum

 
 
 
Themen-Optionen Ansicht
Prev Vorheriger Beitrag   Nächster Beitrag Next
Ungelesen 25.11.22, 03:55   #1
karfingo
Streuner
 
Benutzerbild von karfingo
 
Registriert seit: Aug 2013
Beiträge: 11.072
Bedankt: 13.137
karfingo leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punktekarfingo leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punktekarfingo leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punktekarfingo leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punktekarfingo leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punktekarfingo leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punktekarfingo leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punktekarfingo leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punktekarfingo leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punktekarfingo leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punktekarfingo leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkte
Standard Tempo 30 in deutschen Städten

Zitat:
Langsam reicht’s

Auch auf Hauptstraßen soll innerorts häufiger Tempo 30 gelten – das verlangen Hunderte Städte und Gemeinden. Noch blockiert FDP-Verkehrsminister Wissing, doch in der Schnellfahrfraktion zeigen sich Risse.


Von Lukas Kissel
24.11.2022, 19.38 Uhr




Markierung einer Tempo-30-Zone in Mainz: Weniger Schadstoffe, mehr Sicherheit für Radfahrer Foto: Andreas Arnold / picture alliance/dpa



Der Markt Cadolzburg ist eine 11.300-Einwohner-Ortschaft, geprägt von einer Burg aus dem Mittelalter – fränkische Idylle eigentlich, wäre da nicht die Staatsstraße 2409.

Die führt mitten durch die Gemeinde, zerschneidet sie regelrecht. Weil Cadolzburg auf einem Berg liegt, steigt sie an und fällt wieder ab, sie führt durch Kurven, die schlecht einzusehen sind. Und durch Engstellen, wo nicht mal Platz für eine Mittellinie ist, geschweige denn für Radstreifen. Gefährliches Terrain also, durch das täglich viele Autos fahren, auch Lkw. Mit einer Regelgeschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde. »Ich würde meine Kinder jetzt nicht ständig über diese Straße laufen lassen wollen«, sagt Bürgermeister Bernd Obst (CSU).

Seit Jahren kämpfen die Cadolzburger hier für Tempo 30 – und mussten lernen, wie schwer das sein kann. Der Fall, der nun eine neue Wendung nimmt, ist mehr als eine Lokalpolitikposse. Er steht stellvertretend für die Verkehrswende-Debatten, die nicht nur in Berlin oder München ausgefochten werden, sondern auch in Bleckede, Meerbusch oder eben Cadolzburg. Und in über 300 weiteren Gemeinden, die gern Tempo-30-Zonen einführen würden, aber vom geltenden Straßenverkehrsrecht ausgebremst werden.

Bisher jedenfalls. Die Bundesregierung hatte sich eine Reform des Regelwerks vorgenommen, am Dienstag beraten nun die Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister zum Thema. Die Gesetzesänderung könnte spürbare Folgen in den Kommunen haben.

Kommt nun der Durchbruch für Tempo 30 innerorts, den viele Kommunen seit Langem herbeisehnen?

In Cadolzburg begann der Kampf für langsameres Fahren vor Jahren mit der Debatte um eine Ortsumgehung. Die lehnten die Einwohner in einem Bürgerentscheid ab, stattdessen wurden Tempo-30-Schilder an der Hauptstraße aufgestellt. Das Pilotprojekt der Technischen Hochschule Nürnberg sollte herausfinden, wie sich Tempo 30 auf den Radverkehr auswirkt. Das Ergebnis: durchaus positiv. Weniger Autos waren unterwegs, dafür mehr Radfahrer, die sich auch ein wenig sicherer fühlten.

Doch nach Ende des Modellversuchs kamen die Schilder wieder weg – zum Ärger der Bürger. »Tempo 30 auf der Ortsdurchfahrt!«, forderte eine parteiübergreifende Initiative von CSU und Freien Wählern bis zur Linken sowie Vereinen. Bürgermeister Obst unterschrieb als Erster, nach ihm taten es über 1600 andere. Der Landrat signalisierte Zustimmung, zuckte aber mit den Achseln: Mit der derzeitigen Straßenverkehrsordnung sei da leider wenig zu machen.

Straßenverkehrsordnung bevorzugt Autoverkehr

Die Leitgedanken dieses Regelwerks stammen aus der frühen Bundesrepublik, erklärter Zweck: die »Sicherheit und Leichtigkeit« des Verkehrs sicherzustellen. »Man wollte damit möglichst viel Straßenverkehr, sprich: Autoverkehr, ermöglichen«, sagt Stefan Klinski, Professor für Umweltrecht in Berlin. »Das war Zeichen von Fortschritt, Freiheit, Wohlstand, und dafür sollte das Straßenverkehrsrecht die Grundlage schaffen.«

Man kann sagen, es hatte Erfolg. So viel Autoverkehr entwickelte sich in Deutschland, dass viele Kommunen ihn heute lieber ausbremsen würden. Doch dabei kollidieren sie regelmäßig mit Paragraf 45, Absatz 9 in der StVO: Demnach dürfen »Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs« nur angeordnet werden, wenn an der Stelle eine besondere Gefahrenlage besteht.

»Man muss also erst die reale Gefahr haben, um den fließenden Verkehr beschränken zu dürfen«, erklärt Klinski. Praktisch heißt das oft, dass schon Unfälle passiert sind, bevor ein Schild aufgestellt wird, das mehr Sicherheit bringt. »Da ist die StVO absolut nicht mehr zeitgemäß.« Andere Gesetze verfolgten dagegen eher den Vorsorgegrundsatz, um Gefahren gar nicht erst entstehen zu lassen.

Zwar gibt es Ausnahmen für Tempo-30-Zonen. Doch laut StVO dürfen diese nicht in Vorfahrtstraßen oder außerorts eingerichtet werden und innerorts zum Beispiel nur in Straßen ohne Ampelkreuzungen – »vereinfacht gesagt: fast nur im klassischen Wohngebiet oder vereinzelt vor sozialen Einrichtungen«, sagt Klinski. Um Schilder an anderen Orten aufstellen zu dürfen, muss die Verwaltung begründen, dass es dort besonders gefährlich ist. Denn der Verkehr soll immer noch fließen.

»Und da sagen die Cadolzburger: Der Verkehr fließt ja auch bei Tempo 30, aber halt langsamer. Und erträglicher für die Bevölkerung«, sagt Bernd Obst, der Bürgermeister aus der fränkischen Ortschaft. Obwohl sich viele Bürger auf der Staatsstraße im Ort unsicher fühlen, wurde eine besondere Gefahrenlage bisher nicht nachgewiesen. Also blieb erstmal Tempo 50 – Unterschriften hin oder her.

Über 330 Städte für Tempo 30

Auch andere Städte machten die Erfahrung, ein Tempolimit auf den eigenen Straßen nicht durchsetzen zu können. So verlangten im Juli 2021 sieben Großstädte, dass sie leichter Tempo 30 einführen dürfen. »Wir fordern keine Revolution«, sagt Thomas Dienberg, Bürgermeister in Leipzig und Sprecher der Initiative. »Wir wollen schlicht und einfach mehr Beinfreiheit für die Kommunen.« Nach deren Willen sollen sie selbst entscheiden dürfen, wo sie Geschwindigkeitsbeschränkungen umsetzen können.

Innerhalb von anderthalb Jahren ist daraus eine Bewegung entstanden, über 330 Städte unterstützen die Initiative inzwischen. Kleine Gemeinden mit ein paar tausend Einwohnern sind darunter genauso vertreten wie die 3,8-Millionen-Hauptstadt Berlin. Das Bündnis umfasst so gut wie alle Parteifarben – CDU- und CSU-regierte Städte genauso wie welche mit Grünen- oder FDP-Bürgermeistern. Auch Cadolzburg schloss sich an. Wenn Bürgermeister Obst, ein CSU-Mann, davon erzählt, wie sich ein grüner Stadtrat aus dem nahen Fürth ganz beeindruckt von dieser Entscheidung gezeigt habe, dann klingt er doch ziemlich stolz.

Dabei fordert die Städteinitiative ausdrücklich nicht, 30 km/h zur Regelgeschwindigkeit geschlossenen Ortschaften zu machen. Dennoch glaubt Dienberg, dass viele Kommunen Tempo 30 auch verstärkt auf Hauptverkehrsstraßen einführen wollen. Hauptverkehrsstraßen »geben ganzen Stadtteilen Identität, da leben Menschen. Deshalb würde es helfen, wenn dort langsamer gefahren würde«, so Dienberg. Denn Tempo-30-Zonen in Wohngebieten hätten die Kommunen ja bereits. Zumindest auf deutlich mehr Hauptstraßen könnte 30 also das neue 50 werden, wenn auch nicht überall und regelhaft.

Mit der neuen Bundesregierung sah es zuerst so aus, als käme Bewegung in die Sache. Im Koalitionsvertrag nahm sich die Ampel vor, das Straßenverkehrsgesetz und die StVO zu reformieren und dabei auch den Schutz von Klima, Umwelt oder der Gesundheit zu berücksichtigen – statt den flüssigen Verkehr über alles zu stellen. Umgesetzt ist das Vorhaben bisher nicht, ein Gesetzentwurf lässt auf sich warten. Während sich immer mehr Städte anschlossen, schrieb die Initiative mehrere Briefe an den Bundesverkehrsminister, zuletzt im September. In der Antwort von Staatssekretär Oliver Luksic stand nicht viel mehr als ein weiterer Verweis auf den Koalitionsvertrag. Und, dass sich die Verkehrsministerkonferenz am Dienstag mit dem Thema befassen werde. Wie um zu sagen: Es passiert doch was.

Dienberg überzeugt das nicht. »Wir fühlen uns als Initiative, die von sehr vielen Kommunen in der ganzen Republik getragen wird, nicht angemessen berücksichtigt.«

Druck von allen Seiten auf Wissing

Lange wird sich Wissings Haus nicht mehr Zeit lassen können. Der Druck steigt, aus den Ländern, aus den Kommunen, aus Vereinen und Verbänden.

Da ist ein Brandbrief aus Berlin von Anfang Oktober, unterzeichnet von den zuständigen Stadträtinnen und -räten aller zwölf Bezirke. »Uns erreichen jeden Tag Bitten, Petitionen, Beschlüsse und Arbeitsaufträge«, heißt es darin. Fast flehentlich appelliert der Brief an Wissing, das Straßenverkehrsrecht »dringend« zu reformieren.

Eine Antwort kam drei Wochen später. Das Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt, ist fast wortgleich zu dem, das auch die Städteinitiative erhielt. Und ist für die Berliner Lokalpolitiker genauso unbefriedigend. »Offenbar ist dem Minister die Dringlichkeit, die wir vor Ort sehr präsent haben, nicht bewusst«, sagt die grüne Stadträtin aus Tempelhof-Schöneberg, Saskia Ellenbeck. Denn wenn nicht in diesem Jahr noch der Gesetzgebungsprozess auf den Weg gebracht würde, so befürchtet die Städteinitiative, dann könnte die Zeit innerhalb dieser Legislatur zu knapp werden.

Dabei denkt inzwischen sogar ein einflussreiches Fachgremium um, das lange als Bollwerk für den Autoverkehr galt: die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Dieser gut 100 Jahre alte Zusammenschluss aus Bauingenieuren, Verkehrsplanern und Wissenschaftlern bestimmt mit seinen Empfehlungen maßgeblich mit, wie Straßen in Deutschland geplant werden. Seit ihrem Kongress im Oktober ist auch bei der FGSV die Verkehrswende angekommen. Es sei nicht mehr die Frage, ob Tempo 30 komme, sagte einer der vortragenden Stadtplaner dort, »sondern wann.« Inzwischen empfiehlt die FGSV auch geringere Geschwindigkeiten als Klimaschutzmaßnahme im Verkehr. Wenn dieser Traditionsklub das Mantra vom »leichten« Verkehr überdenkt, dann heißt das was.

Wissing ist gegen flächendeckend Tempo 30

Die Befürworter von Tempo 30 drängen nun auf schnelles Handeln, einerseits wegen der Verkehrssicherheit: Nachdem in den Coronajahren weniger Menschen im Verkehr verunglückten, kamen in den ersten neun Monaten des Jahres schon 11 Prozent mehr Menschen bei Unfällen ums Leben als im Vorjahreszeitraum. Andererseits soll der Klimaschutz nicht länger warten. »Wenn das Straßenverkehrsrecht schon keine Gefahrenvorsorge erlaubt, dann enthält es erst recht keine Möglichkeit, andere Aspekte einzubeziehen«, sagt der Umweltrechtler Stefan Klinski. »Es gibt darin keinen Raum für eine Strategie, zum Beispiel den Radverkehr zu steigern, um die Emissionen zu senken.«

Doch ist die Frage, inwieweit Minister Wissing überhaupt hinter diesen Vorhaben steht oder ob er bei der StVO-Reform nicht eher ein Herzensprojekt des Koalitionspartners umsetzen muss. Vor Kurzem sprach sich Wissing gegen »flächendeckend Tempo 30 in Innenstädten« aus, man benötige einen »flüssigen Verkehr an Durchgangsstraßen«.

Im September sprach der Minister auf einer Podiumsdiskussion in Stuttgart. Demnach sagten die Städte zu ihm: »›Herr Minister, wir hätten gerne flächendeckend Tempo 30, also so als Zwischenschritt, danach machen wir dann Tempo 20 – ‹« Sein Ton ließ keinen Zweifel, wie viel er davon hält. »Die Rezepte der Städte sind doch klar: Parkplätze zurückbauen, dann Geschwindigkeitsbeschränkungen, Parkhäuser stilllegen, Citymaut«, fuhr Wissing fort. »Und da sage ich: Das kann es nicht sein.«

Bernd Obst, der CSU-Bürgermeister aus Cadolzburg, gehört zu denjenigen, denen die Reform zu langsam geht. Das Thema beschäftige die Leute vor Ort, sagt er. Und da erwarte er vom Bund, dass die Kommunen nun mehr Mitspracherecht bekämen. »Denn momentan werden wir in dieser Hinsicht überhaupt nicht gehört.«

Die 1600 Unterzeichnenden der Bürgerinitiative hätten das Tempolimit gern sofort. Doch für eine dauerhafte Geschwindigkeitsbegrenzung müsste auf der Staatsstraße, nach aktuellem Recht, eine besondere Gefahrenlage gelten. Um die Sicherheitslage dort zu untersuchen, soll es bald wieder einen Modellversuch geben, den nunmehr zweiten – mit Verkehrszählungen und Segen vom bayerischen Innenministerium.

Und auch mit Tempo-30-Schildern. Vorerst wieder vorübergehend.
[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]

·

Geändert von karfingo (25.11.22 um 04:02 Uhr) Grund: korr.
karfingo ist offline   Mit Zitat antworten
Die folgenden 6 Mitglieder haben sich bei karfingo bedankt:
didi53 (25.11.22), Draalz (25.11.22), MunichEast (25.11.22), sydneyfan (26.11.22), talkie57 (27.11.22), toyperdre (26.11.22)
 


Forumregeln
Du kannst keine neue Themen eröffnen
Du kannst keine Antworten verfassen
Du kannst keine Anhänge posten
Du kannst nicht deine Beiträge editieren

BB code is An
Smileys sind An.
[IMG] Code ist An.
HTML-Code ist Aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 17:43 Uhr.


Sitemap

().