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02.12.18, 20:15
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Geplantes Kopftuchverbot in Österreich: Eine erfundene Bedrohung
Zitat:
Kopftuchverbot:
Erfundene Bedrohung
Kopftuchverbote bedrohen die demokratische Ordnung, meint Anton Pelinka. Die Regierung schafft absichtlich Scheinprobleme.
Ein Kommentar von Anton Pelinka
2. Dezember 2018, 18:22 Uhr ZEIT Österreich Nr. 49/2018, 29. November 2018 112 Kommentare

( Muslimische Mädchen dürfen in der Volksschule künftig kein Kopftuch mehr tragen. © Khalil Mazraawi/AFP/Getty Images )
Oft ist es schwer, den politischen Diskurs in Österreich nicht mit dem in Absurdistan zu verwechseln. Die Regierungsparteien haben nichts Besseres zu tun, als das christliche Abendland vor dem angeblichen Massenansturm kleiner Mädchen zu retten, die ein Kopftuch tragen. Und oberösterreichische Lehrer sollen demnächst alle Schüler sanktionieren, die in der Pause eine andere Sprache als die deutsche verwenden.
Und die Opposition? Neos und SPÖ erklärten sich gegenüber dem Kopftuchverbot zunächst einmal "gesprächsbereit", statt laut und deutlich darauf zu verweisen, dass diese Pläne der Regierung gegen Grundrechte verstoßen. Der Bildungsminister hat derweil dazu keine Meinung, weil es sich um eine "politische" und nicht um eine wissenschaftliche Frage handle. Es geht bloß um Religionsfreiheit und Diskriminierung.
So sehr hat die Angst vor der politisch geförderten Hysterie der "Wutbürger" schon die Rationalität österreichischer Politik zerstört, dass die Vermutung, "unsere Werte" würden durch die Kopftücher kleiner Kinder gefährdet, die öffentliche Diskussion vergiftet.
Mit der Einschränkung der Freiheit, eine Kopfbedeckung freier Wahl zu tragen, sollen der Grundwert der Freiheit vermittelt und das Prinzip der Religionsfreiheit unterstrichen werden, indem die einer Religionsgemeinschaft zugeschriebene traditionelle Kleidung verboten wird. Religiöse Toleranz soll dadurch propagiert werden, dass eine, nur eine, der staatlich anerkannten Konfessionen herausgegriffen und negativ punziert wird.
Der säkulare Staat ist verpflichtet, alle Religionsgemeinschaften gleich zu behandeln. Eben das tun Saudi-Arabien und der Iran nicht. Um den, von dort unterstützten, politischen Islam zu bekämpfen, will die Regierung die Mittel einsetzen, die Saudi-Arabien und dem Iran zurecht vorgeworfen werden: die Instrumente deklarierter religiöser Intoleranz.
Man kann, konsequent, gegen die Verwendung religiöser Symbole im öffentlichen Raum sein. Dann sind Kreuze in Gerichtssälen oder Klassenräumen nicht zu akzeptieren. Man kann auch dagegen sein, dass in Schulen und Kindergärten religiös bestimmte Symbole getragen werden – dann hat dort die jüdische Kippa ebenso keinen Platz wie ein islamisches Kopftuch. Man kann das Prinzip des säkularen Staates mit letzter Konsequenz umsetzen, aber dann darf sich eine solche nachvollziehbare, wenn auch vielleicht unvernünftige Politik nicht nur gegen eine Konfession richten.
Die Regierung will die freiheitsbeschränkende Wirkung religiös motivierter Kleidung bekämpfen, in dem sie die Freiheit der Menschen einschränkt, in freier Wahl sich für eine oder keine Kopfbedeckung zu entscheiden. Und das ist – zumindest latent – totalitär. Dass darauf nicht Abgeordnete des Nationalrates der Republik verwiesen haben, sondern ein römisch-katholischer Theologe wie Paul Zulehner, zeigt nur, wie tief die politische Auseinandersetzung sinken kann; und wie bösartig sie geworden ist.
Man muss sich einmal vorstellen, in welche Richtung all das weist. Was anderes als ein Schritt in einen durch Dummheit (vielleicht) gemilderten Totalitarismus wäre es, wenn in öffentlichen Schulen Lehrerinnen vor die Frage gestellt werden, ob die so fremd klingenden Töne – aufgefangen auf einem oberösterreichischen Pausenhof – eine alemannische Dialektform (und daher "deutsch") oder aber albanisch (und damit "fremd" und verboten) sind. Oder ob in einem öffentlichen Kindergarten in Wien die Kopfbedeckung, die oft junge männliche Sikhs tragen (als "Einübung" in ihre religiösen Traditionen), dem islamischen Kopftuch der Mädchen gleichzusetzen ist. Willkommen im Land, in dem Lehrer mit den Aufgaben eines paranoiden Quasi-Stalinismus überfrachtet werden.
Schafft Scheinprobleme, erzeugt Angst
Nächste Schritte sind vorstellbar: Werden Bänke in öffentlichen Parkanlagen demnächst die Aufschrift tragen "Nicht für Frauen mit Kopftüchern"? Sind der Politik mit der Angst noch Grenzen gesetzt? Offenbar nicht, wenn schon Kopftücher in Kindergärten und fremde Worte in Schulpausen "unsere" Werte gefährden. Es kann noch schlimmer kommen. Und die lahme Reaktion der parlamentarischen Opposition zeigt, dass dagegen nur die Proteste der Zivilgesellschaft helfen können.
Kopftuchverbote und Sprachverbote sollen mit der Sorge um die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund zu tun haben. Ein Kopftuch im Kindergarten und ein nicht deutsches (ein türkisches, arabisches oder gar englisches) Wort in der Schule sind demnach also die großen Hindernisse auf dem Weg, muslimische Kinder zu "echten Österreichern" zu machen. Erreicht wird das Gegenteil davon: Eltern, die den Unsinn der Regierungspolitik zu Recht als Diskriminierung wahrnehmen, werden nun versucht sein, ihre Kinder in islamische Kindergärten und islamische Schulen zu schicken, und damit Schritte setzen, die auf Segregation hinauslaufen. Doch wer weiß, vielleicht fällt den Meisterstrategen der Regierung noch ein, private Kindergärten zu verbieten, die Kopftücher tolerieren.
Das alles folgt einer klaren Logik: Schafft Scheinprobleme, erfindet Bedrohungen, erzeugt Angst – und mobilisiert dann die so hervorgebrachten Emotionen. Diesmal geht es nur um die Einschränkung des von der Regierung angeblich so hoch gehaltenen Rechtes auf Familienautonomie. Eltern wird verboten, kleine Mädchen mit einer Kopfbedeckung ihrer Wahl in den Kindergarten oder die Grundschule zu schicken. Demnächst soll vielleicht das Wahlrecht, so sie eines haben, solch unbotmäßiger Eltern aufgehoben werden, mit der Begründung, sie verweigerten sich einer von ÖVP und FPÖ deklarierten Wertehaltung. Man kann sich durchaus vorstellen, dass eine Forderung dieser Art, erhoben während einer Bierzelt-Veranstaltung der Freiheitlichen, bei den mit entsprechender Wut aufgeheizten Bürgern Beifallsstürme provozierte.
Wenn diese Entwicklung nur dumm und nicht gefährlich wäre, könnte man sich darüber amüsiert zeigen, dass die Regierung auch den Feminismus bemüht. Islamische Machos, die es natürlich gibt, dürften ihre Töchter nicht zur Unterwürfigkeit zwingen. Abgesehen davon, dass diese Regierung die finanzielle Unterstützung für Frauenhäuser zurückfährt – wo bleiben die analogen Argumente für die in anderen, etwa christlichen, Familien ebenfalls vorhandene Realität, dass Eltern Religion und Kultur und Tradition ihrer Kinder bestimmen? Für einen aktiven Feminismus hätte diese Regierung ein weites Betätigungsfeld. Die Reduktion dieses türkis-blauen Feminismus auf islamische Familien aber ist bar jeder Glaubwürdigkeit.
Doch bei der Verteidigung von Grundrechten geht es nicht um Amüsement. Es geht um Grundwerte, die von denen bedroht werden, die mit Berufung auf Grundwerte ebendiese einschränken wollen, ohne den geringsten Nachweis einer tatsächlichen Bedrohung der demokratischen Republik. Es besteht die Gefahr, dass den Bürgern dieser Republik eingeredet werden soll, Kopftücher in Kindergärten und nicht deutsche Worte in oberösterreichischen Schulen würden an der Stabilität einer Ordnung rütteln, in deren Mittelpunkt der Respekt vor der Freiheit jedes Menschen steht.
Die demokratische Republik und ihre Ordnung können mit vielem leben – vor allem mit der Vielfalt politischer und religiöser Art. Diese Vielfalt macht Demokratie aus. Bedroht ist die demokratische Ordnung von jenen, die diese Vielfalt infrage stellen.
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Als Hintergrund ein Bericht von ARD-Wien vom 22.11.2018:
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Zum Autor schreibt die Zeit:
Zitat:
Anton Pelinka - freier Autor
Anton Pelinka ist ein österreichischer Jurist und Politikwissenschaftler
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Und ein Auszug aus der Wiki:
Zitat:
[...]
In vielen Publikationen setzt sich Pelinka mit seinen Forschungsschwerpunkten auseinander, allen voran mit dem politischen System Österreichs.
So zeichnet er den Wandel der österreichischen Gesellschaft auf historischer Ebene unter anderem in seinem Buch Fünf Fragen an drei Generationen. Der Antisemitismus und wir heute. nach. Im Kontrast dazu analysierte er ebenfalls jeweils herausragende Etappen der Politik Österreichs, wie etwa den Aufschwung der FPÖ und ihres damaligen Vorsitzenden Jörg Haider, in The Haider Phenomenon (2001). In anderen Veröffentlichungen verdeutlicht er den Einfluss von Parteien sowie wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Faktoren auf die Gesellschaft.
Beispiel: Vom Glanz und Elend der Parteien (2005):- Untersuchung der Bedeutung von Parteien für die Demokratie
Die österreichische Politik der letzten 50 Jahre ist in besonderer Intensität von Parteien geprägt.- Status der Großparteien SPÖ und ÖVP
- Wandel der Parteienlandschaft Österreichs seit Anfang der 1980er Jahre
Sein Aufenthalt in Neu-Delhi motivierte ihn zur Hinterfragung der Demokratie Indiens (Demokratie in Indien. Subhas Chandra Bose und das Werden der politischen Kultur, 2005) – denn trotz der Einstufung als Entwicklungsland gibt es in diesem Staat eine seit Jahrzehnten überraschend stabile, funktionierende Demokratie – hinsichtlich der Bevölkerungszahl die größte der Welt. Diese analysiert er mit Blick auf Geschichte des Landes, insbesondere seit der Unabhängigkeit, sowie den Einfluss durch die vielfältigen kulturellen Strömungen.
Auch sind diverse Publikationen zur vergleichenden Parteien- und Verbändeforschung erschienen, die hauptsächlich der Einführung in dieses Teilgebiet der Politikwissenschaften dienen. Beispiel: Vergleich politischer Systeme (2005):- Typologisierung von den wichtigsten Bereichen politischer Systeme: Verfassung, Wahlsystem, etc.
- Transformation von politischen Systemen
- Fallstudien zu den USA, EU und verschiedenen Kleinstaaten
- Konkrete Fallstudie: China – Indien
[...]
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Achja dann noch zu Paul Zulehner der in dem Kommentar ja als derjenige genannt wird der darauf hinweist:
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und auch von seiner Webseite:
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und die Wiki:
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"Mitleid und Erbarmen hielten Bilbos Hand zurück. Viele, die leben, verdienen den Tod und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben, Frodo? Dann sei nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand. Selbst die ganz Weisen erkennen nicht alle Absichten. Mein Herz sagt mir, dass Gollum noch eine Rolle zu spielen hat, zum Guten oder zum Bösen, ehe das Ende kommt." (Gandalf zu Frodo)
Geändert von Wornat1959 (02.12.18 um 20:31 Uhr)
Grund: Info zu Paul Zulehner ergänzt
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