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[Wirtschaft] Besonderes Restaurant in Amsterdam

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Ungelesen 06.03.23, 03:49   #1
karfingo
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Standard Besonderes Restaurant in Amsterdam

Zitat:
Gemeinsam essen gegen die Einsamkeit
Es ist für jene, die verwitwet sind, wenig Geld haben oder einfach viel Zeit: Ein Restaurant in den Niederlanden bietet Menschen einen Platz an, die sonst allein an ihrem Esstisch säßen. Ein Besuch.
Aus Amsterdam berichtet Jan Petter
05.03.2023, 17.31 Uhr

Am Anfang, noch bevor die ersten Gäste da sind, sagt Sanne Doedens, dass es hier nur eine einzige Regel gibt. Die sei aber ganz außerordentlich wichtig: »Wir sagen keinem, dass er einsam ist. Niemals! Okay?«

Kurz darauf treffen bereits die ersten Gäste ein, gut eine Stunde, bevor das Essen eigentlich beginnt. Sie seien aus Langeweile hier, sagen sie, oder weil es gerade schon gut gepasst habe.

Da ist Miriam, eine 60-jährige Künstlerin, die nach dem Yogakurs oft mit ihrem Bekannten Peter vorbeikommt. Da ist der 83-jährige Henk, ein ehemaliger Drucksetzer, dessen Job es einfach nicht mehr gibt und der vor dem Essen jetzt in Ruhe Sonderangebote studiert. Hinten am Tisch sitzt immer eine Clique von gut gelaunten Rentnerinnen. Die älteste von ihnen ist Rietje, 89. An diesem Montag im Februar ist auch eine große Gruppe alleinerziehender Mütter aus dem Viertel dabei: die »Super Single Mums«.

Zweimal in der Woche laden Sanne Doedens und ihr Team in das kleine Restaurant »Resto van Harte«, das Restaurant von Herzen, in Amsterdam, in dem jede und jeder willkommen ist. Insgesamt 45 Menschen werden an diesem Abend mitessen.

Eigentlich ist es kein richtiges Restaurant, sondern der geschmückte Saal eines Gemeindezentrums. Was auf den ersten Blick nach Suppenküche, Armenspeisung oder Bahnhofsmission klingt, ist eines von mehreren Angeboten dieser Art in den Niederlanden, die von Stiftungen gefördert werden. Tatsächlich ist es ein Ort, an dem materielle Not eben nicht entscheidend ist. Vielmehr geht es darum, Menschen einen Platz anzubieten, die sonst allein wären oder die sich einfach über etwas Gesellschaft und ein gutes Essen freuen.



Sanne Doedens begrüßt die Gäste des Abends Foto: Jeremy Meek / DER SPIEGEL


Hier im Stadtteil Noord, einem ehemaligen Hafengebiet, das immer ein wenig rauer und eigensinniger war als das Grachten-Amsterdam, das Touristen so mögen, wird also ein Problem angepackt, das längst universell ist: Einsamkeit. Experten in Deutschland sprechen von sozialer Isolation inzwischen als »der größten Volkskrankheit«. In Großbritannien kümmert sich schon seit 2018 öffentlichkeitswirksam ein eigenes Ministerium darum. Studien zeigen, dass Einsamkeit das Sterberisiko stärker erhöht als Luftverschmutzung oder Übergewicht. In der Pandemie ist das Thema sichtbarer geworden, doch es war schon lange davor da – und ist es weiterhin. Obwohl wir immer häufiger inmitten von Großstädten leben, scheinen wir immer öfter allein zu sein.

Auch in den Niederlanden ist das so. 2020 gaben 46 Prozent der Bevölkerung an, immer mal wieder einsam zu sein. Auch junge Menschen sind betroffen, ältere jedoch viel mehr.

Während sich im Saal langsam die Tische füllen, wird in der Küche noch geschnippelt. Jedes Essen hat drei Gänge: Suppe, Hauptspeise, Nachtisch. Das Kochteam an diesem Tag sind Richard, Bibi, Loulou, Brigitte, Vincent, Pipa, Jaimy, Shaheem und Jasmin. Acht Freiwillige, vier davon sind junge Menschen mit Downsyndrom. Seit 14 Uhr stehen sie schon in der Küche. Gleich geht es los.

Sanne Doedens eilt wie ein Concierge zwischen Tür und Tischen hin und her. Begrüßt die Gäste, begleitet sie zu einer der zwei langen Tafeln, führt Small Talk. Wer beim Essen dabei sein will, muss sich vorher anmelden. Die meisten haben früh reserviert, zur Sicherheit.

Kurz vor 18 Uhr sitzen fast alle, nur einige der alleinerziehenden Mütter mit ihren Kindern fehlen noch. Sanne Doedens klopft mit einem kleinen Löffel an ihr Glas. »Weeelkom!« ruft sie in den Raum und stellt dann das Menü des Abends vor: Erbsensuppe mit Croûtons und Pesto. Dann Pasta mit Grillgemüse und etwas Hühnerfleisch. Der Nachtisch bleibt vorerst geheim.

Nach ihrer kurzen Ansprache bittet Doedens erneut um Ruhe. »Ein Moment der Stille«, sagt sie. Einige sind religiös, für sie soll es jetzt die Möglichkeit zum leisen Gebet geben. Kurz darauf wird es schon wieder laut, Applaus füllt den Raum. Die Suppe kommt.

An der längeren Tafel sitzen die 89-jährige Rietje und ihre Freundinnen, daneben etliche Single Mums. An der kürzeren Miriam und Peter, daneben Henk und eine etwas verspätete junge Frau mit zwei kleinen Kindern. Zwischen all diesen Menschen sitzt noch ein schweigsamer älterer Mann, der den ganzen Abend nicht viel sagen wird, aber zufrieden scheint. Er trägt eine gehäkelte Mütze auf dem Kopf und auch beim Essen eine OP-Maske unter dem Kinn. Als die Nudeln serviert werden, bestreut er sie sehr großzügig mit Pfeffer. Schmeckt das denn? »Smakelijk!«, sagt er und schweigt wieder. Lecker! Es ist so etwas wie das Zauberwort an diesem Abend, sobald ein Gespräch stockt.

Tatsächlich ist das Essen sehr lecker. Die Spaghetti haben Biss, die schwarzen Oliven in der Tomatensoße sind besser als in den meisten italienischen Restaurants und der Staudensellerie ist so unauffällig untergehoben, dass deshalb kein Sechsjähriger den Teller stehen lässt. Smakelijk. Kein Wunder, dass das Haus bemerkenswerte Bewertungen hat, 4,2 Sterne bei Google. Das häufigste Lob: »leckeres Essen!«

Als schließlich der Nachtisch, eine fruchtige Creme mit Joghurt, in den Raum gebracht wird, wird in der Küche gejubelt, einer der Köche gibt den anderen High Five. Nach knapp fünf Stunden sind sie fertig.

Peter, 74, erzählt, dass er für das Essen eine Stunde mit dem Fahrrad unterwegs gewesen sei. Miriam sagt, dass das Essen für sie besonders günstig sei. Mit dem Stadspas, einem Angebot für Menschen mit geringem Einkommen, erhielten sie beide das Menü für nur je zwei statt 7 Euro.




Rentner Henk (l.) mit seiner Nachbarin: »Im Amsterdam von heute fühle ich mich nicht wohl« Foto: Jeremy Meek / DER SPIEGEL


Am kurzen Tisch unterhält sich inzwischen Henk mit der jungen Mutter neben ihm, die sich als seine Nachbarin herausstellt. Er erzählt, dass er 1995 mit Mitte 50 seinen Job verloren habe, als kaum mehr Drucktechniker gebraucht wurden. Noch heute hat er einen krummen Rücken und Mühe aufzustehen. Die Arbeit ist verschwunden, der Schmerz geblieben. Er sei nicht freiwillig vom Zentrum in den Norden der Hauptstadt gezogen, sondern weil es nur noch dort bezahlbar gewesen sei, sagt er leise. »Im Amsterdam von heute fühle ich mich nicht wohl.« Die Regierung habe immer zu wenig gebaut. Und was jetzt auch hier im Viertel neu entstehe, sei nicht für Leute wie ihn. Er streckt den Rücken durch. »Es gibt keine Orte für normale Menschen hier.« Das Resto ist offensichtlich eine Ausnahme.

Die junge Mutter neben ihm lächelt, ihre beiden Kinder rutschen aufgedreht über die Stühle. Nach einer Stunde sind die drei Gänge verspeist und die Ersten machen sich schon wieder auf den Weg. Senioren wollen rechtzeitig nach Hause, Kinder müssen ins Bett.

Rietje und ihre Freundinnen bleiben noch ruhig beisammen sitzen und trinken Wein.

Inzwischen arbeitet das Team daran, das Konzept auch für junge Menschen in der Innenstadt anzubieten. Bei den unter 30-Jährigen seien genau so viele einsam wie im Rest der Gesellschaft: 46 Prozent. Um sie zu erreichen, laden die Organisatoren nicht in Stadtteilzentren, sondern zum Essen in Filialen der Supermarktkette Albert Heijn ein. »Das läuft super«, sagt Doedens. »Man darf nur nicht ›Einsamkeit‹ sagen.«

Auch Rietje versichert bei einem Treffen am nächsten Tag, sie sei nicht einsam. Sie bekomme als Witwe etwa 1200 Euro Rente. Das sei nicht viel, aber etwas anderes als Armut. Sie ist eine moderne niederländische Großmutter. Ihre Steuererklärung macht sie auf einem iPad, mit dem sie auch Katzenfutter und Blusen bestellt.
Rentnerin Rietje mit Kater Snoopy in ihrem Haus: »Der bleibt immer bei mir«




Die Nachbarschaft im Norden ist schon seit Jahrzehnten Rietjes Zuhause, als Kind lebte die 89-Jährige nur zwei Häuser weiter Foto: Jeremy Meek / DER SPIEGEL


Schon als Kind lebte sie nur zwei Häuser weiter. Sie zeigt kurz aus dem Fenster. Da vorn war ein Milchladen, daneben der Konsum, etwas weiter ein Fahrradgeschäft. Alle weg. Abends sei es sehr ruhig. Im Traum begegnet ihr jetzt fast jede Nacht ihr verstorbener Mann, sie vermisst ihn. Es passiere dann gar nichts Verrücktes, sagt sie, er sei einfach wieder da und sitze im Wohnzimmer.

Zum Resto gehe sie vor allem für andere, ihre Freundin Wickie habe sie einst überredet. Es sei eine schöne Sache. »Heute sind ja so viele isoliert.« Sie selbst fühle sich allein – aber nicht einsam. Nur abends und im Winter fehle ihr manchmal Gesellschaft: »Die Nachbarn machen dann ihre Vorhänge zu und man sieht leider nichts mehr.«

Miriam, die Künstlerin, beschreibt es so: »Natürlich will ich nicht allein sein, wirklich niemand auf der Welt will das.« Und dann: »Aber natürlich sind wir das alle irgendwie. Eben nicht immer, aber doch manchmal.«

Eventuell ist es mit der Einsamkeit wie mit dem Zähneputzen: Man muss täglich etwas tun, damit es nicht zu schlimm wird. Das klappt nicht immer. Und auch wenn man sich besonders anstrengt, bleibt es ein leidiges Thema, das einen täglich aufs Neue erwartet.

Das Resto van Harte bietet seinen Gästen im unverbindlichen Alltag einen Anlass, sich zu verabreden. Eine Gelegenheit, mit Nachbarn ins Gespräch zu kommen, selbst wenn es manchmal nur kurz ist. Viele Gäste sind längst da. Manche haben genügend Geld, andere kommen, weil es hier günstig etwas zu essen gibt, das smakelijk schmeckt. Einige bringen ihre Kinder mit, andere kommen, weil sie allein sind oder weil ihre erwachsenen Kinder ihnen kurzfristig abgesagt haben. Und wenn am Ende alle davon überzeugt sein sollten, nur für die anderen dort zu sein, aber etwas Gutes zu tun – dann ist das wohl auch gut.

In diesem Leben, in dem so vieles erwartet wird, so viel erzwungen, erduldet und enttäuscht, haben sie sich einen Ort eingerichtet, in dem zweimal in der Woche vieles anders ist. Sie sind für andere da, sie hören einander zu, sie hören weg, sie geben Acht. Sanne Doedens sagt, dass es nicht immer klappt. Aber ein besonderer Ort sei es schon.
Quelle: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]

Im Link findet ihr noch viel mehr Bilder des „Resto van Harte“
Prefix „Wirtschaft“ im weitesten Sinne des Wortes.
karfingo ist offline   Mit Zitat antworten
Die folgenden 6 Mitglieder haben sich bei karfingo bedankt:
bpHinch (08.03.23), Draalz (06.03.23), elise (06.03.23), Luke_Sky123 (06.03.23), MotherFocker (08.03.23), sydneyfan (09.03.23)
Ungelesen 08.03.23, 22:57   #2
bpHinch
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Eine sehr schöne Idee. Die könnte es ruhig überall geben, auch in Deutschland.
bpHinch ist offline   Mit Zitat antworten
Folgendes Mitglied bedankte sich bei bpHinch:
sydneyfan (09.03.23)
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