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[Kurioses] Koloniale Haarpracht: weißblonde Perücken

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Ungelesen 01.06.23, 20:48   #1
karfingo
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Standard Koloniale Haarpracht: weißblonde Perücken

Zitat:
Warum afrikanische Anwälte heute noch weißblonde Perücken tragen
Koloniales Erbe oder Statussymbol? Die Briten haben ihre Kolonien in Afrika vor 60 Jahren aufgegeben, doch geblieben sind: blonde Perücken in Gerichtssälen. Nun tobt ein Kulturkampf.
Aus Kenia und Uganda berichten Heiner Hoffmann, Asha Jaffar und Henry Wasswa

01.06.2023, 16.50 Uhr


Naomi Chebose nach der Zulassung zur Anwältin Foto: Korir Abel

Hinter dem Auto beginnt die Verwandlung. Erst die Robe, dann die Schleife am Hals, schließlich am Ende das Highlight: die helle Perücke auf den Kopf. Ein paar Mal dran zupfen, zurechtrücken, bis sie perfekt sitzt. Üppiges weiß-blondes Haar auf schwarzer Glatze, an der Seite und hinten gewallte Locken. Genauso, wie es die englischen Anwälte vor Gericht getragen haben, als Uganda noch Teil des Empires war. Die Kolonialmacht ist verschwunden, die Perücken sind geblieben.

John Mary Mugisha, der Anwalt, betritt mit seiner Perücke den Gerichtssaal im Norden Ugandas, ein paar Schweißperlen treten bereits unter dem blonden Kunsthaar hervor. Ein Erbschaftsstreit wird verhandelt, mehrere Witwen eines reichen Verstorbenen kämpfen um ihren Anteil. Mugisha ist einer der angesehensten Anwälte Ugandas, er trägt den Titel Senior Counsel, wie nur 19 andere im Land. Er steht aufrecht, argumentiert eloquent, trägt den Kopfschmuck mit Würde. »Es ist ein Zeichen von Prestige«, sagt er, »es ist schon ein erhebendes Gefühl, die Perücke zu tragen.« Wenn es nach ihm ginge, könnte das ewig so bleiben. Immerhin hat seine Haarpracht fast 600 Euro gekostet, importiert aus England, gefertigt aus echtem Pferdehaar.



Anwalt John Mary Mugisha vor einem Gerichtstermin in Masindi,
Uganda Foto: Issac Kasamani / DER SPIEGEL

Fast 60 Jahre nach der Unabhängigkeit werden in zahlreichen Staaten des ehemaligen Empires, in Ghana, Sambia, Kenia oder Uganda, die britischen Perücken in Verhandlungssälen getragen – zumindest in den Obersten Gerichten der Länder. Fast überall gibt es Debatten darüber, ob die kolonialen Überbleibsel nicht endlich verbannt werden sollten. Doch sie halten sich hartnäckig. Warum?

In Kenia, Ugandas Nachbarland, sitzt Willy Mutunga in einem Café und nippt an seinem Tee, zubereitet nach englischer Art, mit Milch und Zucker. Der Pensionär war bis 2016 Chief Justice in Kenia, Oberster Richter und damit Chef der gesamten Justiz im Land. Neben der Abwehr von beständigen Versuchen politischer Einflussnahme hatte er vor allem ein Ziel: Die Perücken sollten weg. Für ihn geht es um mehr als ein Gebilde aus stinkenden Pferdehaaren, es geht um eine Justiz auf Augenhöhe, um Nahbarkeit.

Mutunga erinnert sich noch gut an seinen ersten Arbeitstag, die traditionelle Amtseinführung stand auf dem Programm. Ein Mann habe ihn in eine Art Vorzimmer geführt, sich als professioneller Ankleider vorgestellt. Auch die Perücke lag schon bereit. »Ich habe ihm sofort gesagt: Wir suchen dir einen neuen Job«, erinnert sich Mutunga. Dann ging er in einem grünen Anzug und pinkfarbenen Hemd zum Präsidenten, um den Amtseid abzulegen, ohne künstliche Haarpracht.



Ein koloniales Überbleibsel: Pferdehaarperücken Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL



Die Briten brachten die uralte Tradition der Perücken in ihre Kolonien mit Foto: Rischgitz / Hulton Archive / Getty Images

»Die Perücken und roten Roben wurden von englischen Richtern getragen, die in Kenia Freiheitskämpfer zum Tode verurteilt haben. Das kann man niemanden zumuten«, sagt Mutunga. Er reiste herum, auch zum deutschen Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe, um sich Inspirationen für eine neue, moderne Justiz zu holen und ließ sogar hippe Designkünstler neue Roben entwerfen, in den Landesfarben Kenias. Vor allem aber verbannte er die Perücken, »es gab darüber unter den Obersten Richtern auch einen Konsens«, erinnert sich Mutunga.

Der Anti-Perücken-Erlass galt somit nur für den Obersten Gerichtshof, weiter reichte Mutungas Macht nicht. An allen anderen Gerichten konnten die Anwälte frei entscheiden, ob sie Perücke tragen wollten oder nicht. »Viele setzen sie weiterhin auf, sie bestehen auf dem Statussymbol«, sagt Mutunga. Die Vereinigung der Juristen in Kenia gilt in dieser Sache als traditionell konservativ und auf Formalia bedacht. Nicht wenige Anwälte tragen die Perücken in einer schicken Box bei sich, inklusive Puder für die Kopfhaut.

Willy Mutunga hat in seiner Amtszeit eine Debatte über koloniale Relikte in ganz Afrika angestoßen. »Auf dem Kontinent funktioniert Justiz traditionell anders, Menschen versammeln sich unter einem Baum, alle dürfen mitreden, am Ende wird eine Entscheidung getroffen. Das wirkt viel weniger bedrohlich als der britische Symbolismus, und da wollte ich hin«, sagt der ehemalige Chief Justice. Doch: »Macht ist verlockend, deswegen sehen viele keinen Reformbedarf.«



Sitzt sie? Eine Kundin probiert die Perücke im Laden von Irene Awino an Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

In einem kleinen Laden in der Innenstadt von Nairobi versucht Verkäuferin Irene Awino die koloniale Tradition zu Geld zu machen. In ihrer Boutique verkauft sie Kosmetikartikel – und Perücken für Anwälte. Die blonden Kunsthaare sind zwar auch aus Pferdehaar, stammen jedoch nicht aus London, sondern aus China, und kosten umgerechnet 170 Euro pro Stück. Die Haarteile verkaufen sich eher schlecht, im Schnitt geht gerade einmal eine Perücke pro Monat über den Tisch. Die meisten Kundinnen und Kunden sind angehende Anwälte, sie brauchen den Kopfschmuck für die feierliche Zulassung bei der Anwaltskammer. »Viele haben nicht viel Geld und mieten lieber«, sagt Verkäuferin Awino, und die wohlhabenderen Anwälte importieren direkt aus England. 20 Euro pro Tag kostet die Miete, und ziert das Haupt auf dem Erinnerungsfoto.

Auch Naomi Chebose hat so ein Foto, es ist sogar ihr Profilbild auf Twitter. Lächelnd sitzt sie da auf einem Ledersessel, die Beine übereinander geschlagen, gekleidet in Robe und mit blonder Perücke, unter der ihre schwarzen Naturhaare zum Vorschein kommen. Chebose wurde im vergangenen Jahr bei der kenianischen Anwaltskammer zugelassen, es war eine große Feier, größer als je zuvor. 766 junge Anwältinnen und Anwälte waren dabei, aber es gab ein Problem: »Weil wir so viele waren, ließen sich kaum Perücken auftreiben, die waren alle ausverkauft«, sagt Chebose. Am Ende hatte sie Glück, ein befreundeter Anwalt lieh ihr seine.



Perücke aus Pferdehaar Foto: Studio-Annika / iStockphoto / Getty Images

»Für mich war es ein tolles Gefühl, die Perücke zu tragen, es ist der Traum eines jeden Anwalts, schließlich symbolisiert es den Abschluss einer langen Ausbildung«, sagt Chebose. »Es ist eine alte Tradition, die Autorität ausstrahlen soll.« Die junge Anwältin ist gegen eine Abschaffung dieser Tradition, es sollte jedem selbst überlassen bleiben, ob sie oder er sich wohl damit fühle, findet sie.

Willy Mutunga hat seinen Tee inzwischen ausgetrunken, er spricht jetzt über seinen Nachfolger, der zur Amtseinführung wieder in der kolonialen roten Robe und einer üppigen Perücke erschien, »so ein hässliches riesiges Teil«, wie Mutunga sagt. Es ärgert ihn sichtlich, er sieht es als kulturellen Rückschlag.

Als der Oberste Gerichtshof im vergangenen Jahr über die Rechtmäßigkeit des Wahlergebnisses in Kenia entscheiden musste, trugen fast alle Anwältinnen und Anwälte eine Perücke. Doch auch in Rente will Mutunga seinen Kampf gegen das künstliche Haupthaar fortführen, 60 Jahre nach der Unabhängigkeit seines Landes.
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Ungelesen 01.06.23, 21:06   #2
MotherFocker
AZOR AHAI
 
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Robe/Talar, ja ok.
Das hebt nicht nur den Amtsträger hervor, bzw. ab, sondern soll auch deren Einheit vor dem Recht darstellen. Nicht zuletzt auch etwas mehr Würde verleihen.

Aber den Sinn dieser Perücken habe ich bis heute nicht verstanden und empfand die auch immer als irgendwie... rückständig, unbequem und überflüssig.
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nolte
Echter Freak
 
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Unter den Talaren - der Muff von 500 Jahren...
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