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Putin und der KGB

Wie die Propaganda-Methoden weltweilt Karriere gemacht haben

Putin hat die Kremlmaxime aus KGB-Zeiten – was Fake ist, bestimme ich – wieder zu Staatsraison gemacht und auf den Westen noch ausgeweitet. Nun aber hat er sich in seiner eigenen Propaganda verstrickt. Ein Kommentar.

Von: Martin Zeyn

Stand: 03.06.2022 | Archiv |Bildnachweis



Spätestens seit Leonid Breschnew war klar: Das Paradies des Proletariats ist ein potemkinsches Dorf, reine Fassade und selbst die bröckelte. Der Wettkampf der Systeme war verloren. Das konnte jeder sehen. Und genau da setzte der KGB ein: Als effektives Mittel erwies sich die Desinformation: also die Diskreditierung, das Verunglimpfen, in Hinterfragen von Personen und Informationen. Die Fakten sprachen gegen die Sowjetunion, also galt es die Wirklichkeit zu vernebeln.

Die Wahrheit wird überschätzt

Das rief aber eine Bewusstseinsspaltung hervor: Man musste das Gegenteil dessen vertreten, was man als Wahrheit ansah. Alles, um einem höheren Ziel zu dienen. Gegen manchen KGB-Mann sehen die Jesuiten wie blutige Anfänger aus. Eine Folge ist: Die Arroganz des Besserwissers. Wer je sich angeschaut hat, wie Putin seine Umgebung abkanzelt, der sieht, wie er bis heute glaubt, einer kleinen Elite anzugehören. Manchmal hat es gar den Eindruck, sie bestehe nur aus ihm.

Schwer zu veranschlagen, wie erfolgreich diese Strategie war. Aber mutmaßlich funktionierte sie in der realen Welt wie heute im Netz: Fakes verbreiten sich schneller, weil sie Emotionen wecken.

Und die Tea Party-Bewegung, die um 2009 in den USA begann, die Republikaner von rechts zu unterwandern, argumentierte wie vom KGB geschult: 'Die da oben in Washington verarschen uns', 'eine gesetzliche Krankenversicherung ist der erste Schritt zum Kommunismus', 'wir sind die echte Mehrheit im Land'.

Analoge Trolle, die mit dem Verunglimpfen der Demokratie eben diese zu retten glaubten. Trump hat da nur vollendet, was sich über Jahre ankündigte. Seine Gefolgschaft mag ihm vielleicht nicht ganz glauben, die Wahl gewonnen zu haben. Aber in jedem Fall habe Biden sie nicht rechtmäßig gewonnen. Word is a virus, hat William S. Burroughs einmal gesagt. Der gefährlichere Virus aber ist der Verschwörungsmythen. Und deren machtvolle Wirkung beobachten wir gerade im Ukrainekrieg.

Wahrheit ist Fake

Was Fake ist, bestimme ich – so die Kremlmaxime. Aus einem Krieg wird eine "Spezialoperation", aus der gewählten Regierung eines Nachbarlandes "faschistische Banden". Das ist orwellsches "Neu-Sprech", also eine Sprache, die ostentativ aufgegeben hat, noch irgendwelche Beziehungen zur Realität aufrechtzuerhalten. Aber es gibt einen zentralen Unterschied zu den Propaganda-Methoden der 30er und 40er Jahre. Es geht nicht mehr darum, seine eigene Wahrheit zu präsentieren, sondern vor allem darum, den Wahrheitsanspruch der anderen Seite zu unterwandern.

Aus 'Der Westen lügt' wurde so 'Sagt irgendwer überhaupt die Wahrheit'. Diese spät-sowjetische KGB-Taktik haben die Troll-Fabriken in Russland perfektioniert. 'Die einen sagen dies, die anderen das' – so reagieren viele Russen. Und glauben damit schlauer zu sein als alle anderen. Die Welt – eine einzige Verschwörungsideologie.

Die Ideologie hinter dem Ukraine-Krieg Russlands Irrglaube an eine Vorreiterrolle
Was hinzukommt, ist eine Besonderheit des sowjetischen Kommunismus, auf die Boris Groys in "Die Erfindung Russlands" hingewiesen hat: die Allgegenwart einer absurden Dialektik. Seit Stalin nahm man in Anspruch, die ganze Wirklichkeit widerzuspiegeln.

Das heißt die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft. In ihrer Realität und mit all ihren Widersprüchen. Das klingt sehr abstrakt und etwas vermessen. In der Praxis hat es bedeutet: wahr und falsch, Vergangenheit und Zukunft haben keine Bedeutung mehr. Alles geht zusammen, wenn der Staat es befiehlt und der Geheimdienst es verbreitet. An den russischen Staatsinsignien lässt sich das gut zeigen: die Melodie der sowjetischen Hymne wurde beibehalten, der Text erneuert und die Fahne ist die des Zarenreichs. Prinzipienlosigkeit als Prinzip.

Dasselbe lässt sich bei der Propaganda-Schlacht gegen die Ukraine beobachten. Ein wirrer Mischmasch aus 400 Jahren mit Elementen des russischen Chauvinismus, haltlosen Faschismusvorwürfen, antisemitischen Ressentiments und Einkesselungsbefürchtungen. In der sowjetischen Logik ist das nicht wirr, sondern bildet die Wirklichkeit ab. Und die hat im Zweifel den Vorgaben des Kremls zu folgen – und nicht umgekehrt.

Homo sovieticus

Wieso Putin die Ukraine so hasst

Der KBG und seine Vorläuferorganisation NKWD waren nie ein 'normaler' Geheimdienst, weil sie nicht nur dem Ausland, sondern auch der eigenen Bevölkerung, unter Stalin sogar den eigenen Regierungsmitgliedern misstrauten. Dadurch entstand eine Bunkermentalität. Hier ist ein Denksystem zu beobachten, das vorgibt, mit der Außenwelt zu kommunizieren, in Wirklichkeit aber sich derart in der eigenen Propaganda verstrickt hat, dass kein Blick nach außen mehr möglich ist.

Der homo sovieticus, der von der Sowjetunion geprägte Mensch, hält Diebstahl von Staatseigentum für normal – genauso wie belogen zu werden. Putin hat sein Land nicht erneuert, sondern in eine fatale Vergangenheit zurückgeschickt. Weil er als Geheimdienstmann glaubte, sie nach Gutdünken manipulieren zu können. Eine Vergangenheit, in der das Überfallen des Nachbarlandes zum Wohle des Ruhms der Sowjetunion jeden Preis rechtfertigte. Die Rechnung muss das Land trotzdem bezahlen. Da ist die Wirklichkeit unerbittlich. Mit dem Leben seiner Soldaten, einer internationalen Isolierung und Milliarden, die in ein unsinniges Militärabenteuer gesteckt werden. Während Putin in seinem Bunker sitzt und immer noch hofft, die Lügen würden ihn retten.

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[Pux]

Man schaut da viel zu lange zu und ergibt sich dem. Man hätte schon viel früher reagieren sollen, nicht nur bei Putin. Man hat es zugelassen, dass Fehlverhalten ohne jegliche Konsequenz bleibt. Dann wird es immer Menschen geben, die dies ausnutzen.
Man hat Angst vor negativen Auswirkungen. Wie man sieht, kommen die negativen Auswirkungen aber trotzdem auf die ein oder andere Weise zurück.
Russland, China, Brasilien, Indien,... überall gibt es Beispiele. Konsequenzen gibt es aber keine. Irgendwann hat man auch keinen Einfluss mehr, dann muss man es laufen lassen und ist nur mehr Passagier. Zumindest als "Westen" sollte es Werte geben, die man entweder einhält oder eben mit den Konsequenzen leben muss. Für mich ist auch legitim zu sagen, nein, diese Werte teile ich nicht. Aber dann sollte auch keine Verbindung zum Westen geben.