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«Putin wird so weit gehen, wie ihm Europa zu gehen erlaubt.

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Ungelesen 26.06.22, 19:56   #1
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Standard «Putin wird so weit gehen, wie ihm Europa zu gehen erlaubt.

Zitat:
«Putin wird so weit gehen, wie ihm Europa zu gehen erlaubt. Und mein Eindruck ist nicht, dass Europa ein wahnsinniges Problem hätte, wenn er sich weitere Länder holt»

Der weissrussische Schriftsteller Sasha Filipenko ist sehr pessimistisch, was die Rolle des Westens betrifft im Ukraine-Krieg. Nach einem russischen Sieg, so sagt er im Interview, würde es aber nicht nur einen Ort wie Butscha geben, sondern Hunderte.


Nach einem russischen Bombenangriff auf Mikolajiw löscht die ukrainische Feuerwehr die ausgebrochenen Brände (Aufnahme vom 18. Juni 2022).

Herr Filipenko, Sie arbeiteten mehrere Jahre für den unabhängigen russischen TV-Sender Doschd. Bereits vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine sagten Sie, Russland wahre bloss noch den Anschein einer freien Presse. Wie und wann kippte die verhältnismässig liberale Praxis in die Repression?

Wir haben beobachtet, wie das Regime schrittweise repressiver wurde. Als der Sender Doschd 2012 vom Kabel genommen wurde und danach nur noch als Online-Angebot bestand, gehörte meine Satiresendung zu einer der ersten, die gestrichen wurden. Es hiess, man habe jetzt einfach kein Geld mehr für so etwas.

War das eine Massnahme der Behörden, oder versuchte der Sender der Zensur zuvorzukommen?


Alle unsere Sponsoren haben ab diesem Zeitpunkt ihre Unterstützung beendet. Da musste entschieden werden, ob wir Satire und Kultur machen oder die Nachrichtensendungen. Die Entscheidung fiel dann auf die Nachrichten.

In Ihrem Roman «Die Jagd» schildern Sie das Schicksal eines Journalisten, der massiv bedroht und unter Druck gesetzt wird. Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht?

Ich lebte seit 2004 in St. Petersburg, bin aber regelmässig nach Minsk gefahren, wo ich geboren worden war. 2020 wurde in Weissrussland ein Strafverfahren gegen mich eingeleitet, und es drohte bei der Einreise mit relativ grosser Wahrscheinlichkeit die Verhaftung. Seither fahre ich nicht mehr nach Weissrussland. Was den Helden meines Romans geschieht, sind Dinge, die zum Teil mir passiert sind und zum Teil meinen Kollegen. Ich wollte mit diesem Buch auch zeigen, wie viele Methoden und Arten es gibt, Journalisten loszuwerden.

Inzwischen haben Sie auch St. Petersburg verlassen. Heute sind Sie als Nomade im Westen unterwegs. An eine Rückkehr ist nicht zu denken, da Sie sich ohne Zurückhaltung gegen die russische Aggression äussern. Müssen Sie auch im Westen um Ihre Sicherheit fürchten?

Ich denke darüber nicht nach, weil es sinnlos ist, sich darüber Gedanken zu machen. Das Risiko kann man sowieso nie einschätzen. Mehr als auswandern kann ich nicht, alles andere steht ausserhalb meines Einflusses.

Sie haben sich dafür entschieden, weiterhin Kritik an Russland und am Krieg in der Ukraine zu üben. Das damit verbundene Risiko nehmen Sie auf sich?

Es ist ja nicht so, dass ich Kritik übe. Ich beschreibe einfach die Realität, ohne besondere Absicht, diese zu kritisieren. Derzeit passt das halt den Regierungen nicht, wenn man die Realität beschreibt. Wenn ich mich Schriftsteller und Journalist nennen will und meine Freunde im Gefängnis sitzen für ihre Arbeit, sehe ich mich jedoch dazu verpflichtet, darüber zu berichten.

An der Münchner Sicherheitskonferenz sagten Sie im letzten Februar, die Angst vor der Repression sei in Russland von einer Generation zur nächsten weitergegeben worden. Heisst das, es wird auch Generationen brauchen, um diese Angst zu überwinden?


Ja, ich glaube wirklich, es wird Generationen dauern. Aber eine Generation wird bereit sein müssen, diesen entscheidenden Schritt zu wagen. So wie die ukrainische Bevölkerung für ihre Rechte aufgestanden ist und wie Weissrussland sich gegen das Regime gestellt hat. Mir scheint, in Russland fürchtet sich die Gesellschaft schon im Voraus. Russland begegnete den Protesten der letzten Jahre nicht mit der gleichen Brutalität wie Weissrussland, aber es hat genügt, um die Menschen so weit einzuschüchtern, dass sie sich nicht mehr auf die Strassen trauen.

Wie beurteilen Sie die Haltung des Westens gegenüber Russland seit dem 24. Februar?

Im Grunde macht der Westen genau das, womit Putin gerechnet hat, ausser dass Putin vielleicht überrascht ist über das Ausmass der Sanktionen. Und er hatte nicht erwartet, dass die Ukraine so erbitterten Widerstand leisten wird. Dafür hat sich seine Einschätzung, dass der Westen weiterhin mit Russland Handel treiben wird, als richtig erwiesen: Trotz Sanktionen sind seit Kriegsbeginn zig Milliarden Euro nach Russland geflossen für den Kauf von Öl und Gas. Das heisst, Putin kann sich darauf verlassen, dass Energie für europäische Wohnungen immer wichtiger sein wird als die Freiheit der Ukrainer und Russen.

War oder ist der Westen gegenüber Russland naiv oder überheblich, weil er einerseits die Vorbereitungen auf den Krieg nicht ernst genommen hat und sich anderseits nicht vom Glauben abbringen liess, mit Handel könne man Russland in die westliche Staatengemeinschaft einbinden?


Die europäischen Länder reagieren sehr unterschiedlich, es gibt den Westen nicht als Einheit. Das Gemeinsame besteht allenfalls darin, dass kein Land eine Ausbreitung dieses Kriegs in die EU will. Ich befürchte trotzdem, dass auch Polen oder Litauen, die Russlands nächste Ziele sein könnten, nicht auf die Hilfe der EU zählen könnten. Man will also um jeden Preis die eigene Integrität bewahren und ist bereit, die Ukraine zu opfern, wenn dafür das Ende des Kriegs garantiert ist.

Was dachten Sie, als Sie den offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz lasen, in dem sich zahlreiche Intellektuelle gegen die Lieferung schwerer Waffen ausgesprochen haben?

Mich ärgern solche fürchterlichen Briefe deutscher Intellektueller, die meinen, die Ukraine müsse aufhören zu kämpfen, um das Blutvergiessen und den Krieg zu beenden. Die haben offenbar nur ihre Gasrechnungen im Sinn und haben nicht verstanden, dass es nach dem Sieg der Russen nicht nur einen Ort wie Butscha geben würde, sondern Hunderte. Sie würden nicht Blumen pflanzen und Häuser bauen. Es ist eigentlich unvorstellbar, dass solche Briefe geschrieben werden, während an der Front Menschen ums Leben kommen.

Würden Sie sagen, dass diese Intellektuellen, die der Ukraine die Kapitulation nahelegen, das Land an die Russen verraten und darüber hinaus die eigenen Grundsätze und Ideale?


Diese Intellektuellen tun so, als seien sie die Einzigen, die jetzt wissen, dass die Gefahr eines dritten Weltkriegs besteht. Sie hätten doch einfach schreiben können: «Wir haben Angst.» Und niemand könnte ihnen einen Vorwurf machen, es ist normal, Angst zu haben und das mitzuteilen. Aber ich finde es widerlich, die eigene Angst hinter irgendwelchen Friedensideen zu verbergen und so zu tun, als wüsste man, wie man Putin aufhalten und diesen drohenden dritten Weltkrieg verhindern kann. Es gibt ja absolut nichts Rationales, womit man Putins Vorgehen erklären könnte, und keine Logik, mit der man darauf Einfluss nehmen könnte.

Ich glaube, Putin wird einfach schauen, wie weit Europa bereit ist, seinerseits den Einsatz zu erhöhen, und er wird darum so lange wie möglich tun, was er gerade will. Im Endeffekt besteht sein Ziel darin, wieder eine Art Sowjetunion zu etablieren, mit der Ukraine, mit Weissrussland, Kasachstan, vielleicht irgendwann auch mit dem Baltikum. Er wird so weit gehen, wie ihm Europa zu gehen erlaubt. Und mein Eindruck ist jetzt nicht, dass Europa ein wahnsinniges Problem damit hätte, wenn sich Putin die Länder holt, die zuvor zur Sowjetunion gehört haben.

Hat die Ukraine eine Überlebenschance ohne ein militärisches Eingreifen des Westens?

Ohne die Hilfe Europas hat es die Ukraine schwer. Viele Soldaten der ukrainischen Armee sind sehr schlecht ausgerüstet. Sie werden zum Teil von ihren Müttern oder Ehefrauen mit Kampfausrüstung versorgt, die diese in Europa einkaufen. Wobei die Soldaten gegen die Raketen aus Russland, die das Land flächendeckend zerstören, ja nichts ausrichten können.

Sie schreiben Russisch, aber verstehen sich ganz selbstverständlich als Weissrusse. Empfanden Sie je das Bedürfnis, auf Weissrussisch zu schreiben? Oder ist es für Sie gerade jetzt auch eine bewusste Entscheidung, um zu zeigen, dass die russische Kultur für anderes steht als das, was Putin und sein Regime repräsentieren?

Ich sträube mich immer dagegen, die Verwendung einer Sprache als politischen Akt wahrzunehmen. Die russische Sprache gehört nicht Russland und schon gar nicht Putin, sie gehört auch der Ukraine, Weissrussland und Lettland. Meine ukrainischen Freunde, die mit ihren Gewehren für ihr Land kämpfen, sind russischsprachig und werden das auch nach dem Krieg bleiben. Sie kämpfen unter anderem dafür, weiterhin ihre Sprache sprechen zu können. Ich möchte vielmehr zeigen, dass Russisch auch die Sprache der Freiheit, der Liebe und der Gleichberechtigung sein kann.

Und was geht in Ihnen vor, wenn Sie an Ihr eigenes Land, an Weissrussland denken, wo man Sie strafrechtlich zu verfolgen droht?


Es ist eine Tragödie, dass Weissrussland nun wieder in den Hintergrund rückt wegen des Kriegs in der Ukraine. Es ist in Weissrussland seither nicht besser geworden, es sind noch immer mindestens tausend politische Gefangene inhaftiert. Es ist noch immer die gleiche Regierung, es hat sich nichts geändert, der Konflikt ist nicht gelöst. Vor zwei Jahren hat Weissrussland noch enorm viel Solidarität von Europa erhalten, wir galten als tapfere Freiheitskämpfer. Nun heisst es von einem Tag auf den anderen, wir seien Putins Komplizen.

Befürchten Sie, dass Putin auch Weissrussland annektieren könnte?

Na ja, wir sind ja schon von Russland okkupiert, russische Truppen sind auf weissrussischem Territorium stationiert. Es hängt eigentlich alles vom Ausgang des Kriegs in der Ukraine ab.

Dolmetscherin des Interviews: Ruth Altenhofer.
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Ein interessantes Interview mit dem Schriftsteller Sasha Filipenko.
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