[MotherFocker]

Not in Kliniken
Strafrechtler: Arzt dürfte bei Triage Corona-Leugner benachteiligen
Von Lars Wienand
16.12.2020, 12:52 Uhr


Versorgung auf der Intensivstation: Bei immer volleren Krankenhäusern droht Triage, in einer Klinik wird schon von Fällen berichtet.
Doch wie ist die rechtliche Situation? (Quelle: Kay Nietfeld)

Ärzte stehen vor der Entscheidung, wem sie helfen und wem nicht: Ein Jura-Professor erklärt, dass in einer Triage-Situation Ärzte sogar straflos danach auswählen könnten, ob einer der Patienten Corona-Leugner ist.

Ein Ärztlicher Direktor einer Klinik in Sachsen hat bestätigt, dass in seinem Haus Ärzte bereits entscheiden mussten, wem geholfen werden kann und wem nicht. "Es ist eine einsame Entscheidung, und am Ende steht man alleine damit da", sagte Dr. Mathias Mengel zu t-online. Zuvor hatte er in einer Videokonferenz vor rund 100 Zuschauern erklärt, dass in der Klinik in Zittau mehrfach triagiert werden musste. Es gab nicht genug Sauerstoffgeräte für alle Patienten, deren Zustand sich verschlechtert hatte und die sie brauchten. Die Klinik versucht, andere Betten in anderen Häusern zu finden. Doch es gab auch einen anderen Fall: Ein Patient ist nicht transportfähig.

Explizite gesetzliche Regeln gibt es nicht, wie die Auswahl zu erfolgen hat und welche Folgen die Auswahl für Ärzte hat. Strafrechts-Experte Michael Kubiciel hat die Entwicklung zum Anlass genommen, die Lage auf Twitter zu analysieren. Es zeigt auch: Die Verschärfung der Lage bringt Ärzte in fürchterliche Dilemmata. Kubiciel ist an der Uni Augsburg Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches, Europäisches und Internationales Straf- und Strafprozessrecht, Medizin- und Wirtschaftsstrafrecht.

Triage-Regeln: So entscheiden Ärzte

Zwei Varianten der Triage unterscheidet er: Geht es nur um Konkurrenz unter Patienten, die noch nicht entsprechend versorgt sind – oder auch um Patienten, denen man die Hilfe wieder nehmen würde zugunsten anderer?

Fall 1: Ein freies Bett, aber mehrere Patienten

Wenn es einen freien Beatmungsplatz gibt, aber mehrere Menschen, die ihn benötigen, ist das Ex-ante-Triage: Nach herrschender Meinung kann der Arzt hier frei entscheiden, so Kubiciel. "Er handelt immer rechtmäßig, auch wenn er zum Beispiel Coronaleugner benachteiligt", sagt der Strafrechtler. Der Mediziner hat zwei Handlungspflichten, er kann aber nur eine erfüllen. Der anderen dann nicht nachzukommen, sei kein Unrecht. Hier gilt ihm zufolge der Grundsatz "ultra posse nemo obligatur" – über das Können hinaus wird niemand verpflichtet.

In der Praxis werden Ärzte sich nach den besten Behandlungschancen richten. Dazu gibt es eine Empfehlung von sieben medizinischen Fachgesellschaften – unter anderem der Gesellschaft der Intensivmediziner DIVI. Dort heißt es: "Die Priorisierung von Patienten sollte sich am Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht orientieren." In den Empfehlungen heißt es auch, dass das "nicht eine Entscheidung im Sinne der 'best choice' bedeutet, sondern vielmehr den Verzicht auf Behandlung derer, bei denen keine oder nur eine sehr geringe Erfolgsaussicht besteht". Die Auswahl solle nach "ethischen Grundsätzen" und nicht diskriminierend erfolgen.

Fall 2: Beatmungsplatz räumen für jungen Patienten

Strafrechtlich liegt der Fall anders, wenn Ärzte vor der Frage stehen, ob sie für einen jungen Menschen ein Bett freimachen und die Versorgung beispielsweise für einen hochbetagten, dementen Menschen einstellen. Das ist der Ex-post-Fall. Darf ein Arzt demjenigen Behandlungsressourcen nehmen, der geringe Chancen hat, um sie einem anderen mit besserer Chance zu geben?

Zwar sieht Strafrechts-Professor Kubiciel das persönlich so. Er sagt aber, dass er damit eine Minderheitenmeinung vertritt. Herrschende Meinung in der Rechtswissenschaft, die auch der Deutsche Ethikrat vertritt: Es ist dem Arzt nicht erlaubt. So erklärte es auch Reinhard Merkel, emeritierter deutscher Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie und bis vor kurzem Mitglied des Ethikrats, bei n-tv: "Er würde getötet, weil ein anderer bessere Aussichten hat. Das ist und bleibt rechtswidrig." Ethisch steht dahinter auch der Gedanke, dass ein Leben nicht weniger wert ist als ein anderes.

Aus Sicht von Kubiciel bedeutet das: In der Ex-Post-Triage gibt es nach der herrschenden Meinung für den Arzt keinen Handlungsspielraum. Es droht Strafe für Mediziner, der dennoch die Behandlung beim alten Patienten aufgibt, um für den jungen Platz zu schaffen.

Weil Ärzte im anderen Fall so viel Spielraum haben, waren im Sommer neun Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen vors Bundesverfassungsgericht gezogen. Ihre Sorge ist, schlechtere Behandlungsmöglichkeiten zu haben oder gar von einer lebensrettenden medizinischen Behandlung ausgeschlossen zu werden. Die Karlsruher Richter lehnten aber ihre Forderung ab: Der Gesetzgeber muss kein zusätzliches Fachgremium schaffen, das verbindliche Kriterien festlegt.

Das Gericht befand, dass die Verfassungsbeschwerde "nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet" sei und misst dem Thema offenbar eine hohe verfassungsrechtliche Relevanz bei. Es will sich deshalb eingehend damit befassen – nichts für einen Eilantrag. Die Richter waren auch der Meinung, dass es keinen dringenden Handlungsbedarf gibt: "Das momentan erkennbare Infektionsgeschehen und die intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten lassen es in Deutschland derzeit nicht als wahrscheinlich erscheinen, dass die Situation der Triage eintritt." Das war im Juli.

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[Kirkwscks4eva]

Wie will man im Notfall herausfinden ob jemand Corona Leugner ist oder nicht?

Solche Aussortierungen könnten (nicht müssen) ganz schnell merkwürdige Ausmaße annehmen: Erst die Corona Leugner, dann die alten Leute, dann die chronisch Kranken, dann die Arbeitslosen... ich hoffe so ein Fall tritt niemals ein.

[kleineszickchen]

Zitat von Kirkwscks4eva

Wie will man im Notfall herausfinden ob jemand Corona Leugner ist oder nicht?

Solche Aussortierungen könnten (nicht müssen) ganz schnell merkwürdige Ausmaße annehmen: Erst die Corona Leugner, dann die alten Leute, dann die chronisch Kranken, dann die Arbeitslosen... ich hoffe so ein Fall tritt niemals ein.

Ein sogenannter *Corona-Leugner* wird das wohl kaum leugnen, liegt er erstmal flach.
Wer dann zuerst dran kommt... keine Ahnung. Ich war vor Jahren schon fast klinisch tot, als man mich in der Notaufnahme nicht nur hin- und hergeschoben hatte, sondern die Notärzte einfach keinen Plan hatten, was sie mit mir anfangen sollten, und das ist jetzt ca genau 10 Jahre her. Ich lag und lag und lag... und ständig kamen neue Patienten zu. Tja, was sollen die Ärzte dann machen? In der Notaufnahme sitzen auch seltenst Spezialisten für deine*persönliche Krankheit*, bzw sie erkennen es einfach nicht (so wie bei mir). Und Borreliose erkannte damals kaum jemand bzw konnte es gar nicht erkennen, weil B. noch heimtückischer als Corona ist und den ganzen Körper außer Kraft setzen kann, an irgend einer beliebigen Stelle. Von unsagbaren Rückenschmerzen angefangen, in einer halbseitigen Gesichtslähmung endend - das dazwischen erwähne ich gar nicht.

Das fatale jetzt, du DARFST nicht krank werden! Vermutet wird sowieso erstmal Corona, obwohl du das vielleicht gar nicht hast.

Wer mal eine Nacht in einer Intensiv-Aufnahme verbracht hat wird wissen, wie es dort zu geht! Manche meinen die fahren mich dort rein und sofort kümmert man sich um mich... ganz großer Irrtum, wenn du dort als Nr. 67 reingeschoben wirst!

Ich kann allen nur ans Herz legen: Versucht euch so gut wie es geht zu schützen, auch wenn das momentan *leierartig* wie eine Gebetsmühle klingt. Und bedenkt, daß über Weihnachten noch weniger Ärzte als sonst zur Verfügung stehen, denn das sind auch nur Menschen.

Bleibt gesund!

[TinyTimm]

Zitat von kleineszickchen

Wer mal eine Nacht in einer Intensiv-Aufnahme verbracht hat wird wissen, wie es dort zu geht!

Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen und fiel in die Hände eines übermüdeten, miserablen Diagnostikers, der ein massives Lungenemphysem nicht erkannte. Zum Glück wurde ich auf ausdrücklichen Wunsch nachts noch in ein anderes Spital überführt, wo man auf Anhieb wusste was mit mir los war. Diese Erfahrung würde ich meinem ärgsten Feind nicht wünschen, halb am Ersticken beinahe als Hypochonder angesehen zu werden. Aus dem Grund bin ich seit März beinahe durchgängig freiwillig in Quarantäne, und werde von Freunden und Familie versorgt. Vorsicht ist besser als ein Kreuz am Friedhof.

[karfingo]

Zitat von Kirkwscks4eva

Wie will man im Notfall herausfinden ob jemand Corona Leugner ist oder nicht.

Hellseher einschalten?

Zitat von kleineszickchen

Ein sogenannter *Corona-Leugner* wird das wohl kaum leugnen, liegt er erstmal flach.

Der behauptet, er habe eine „leichte“ Grippe.

[Dieter993]

Vorschlag: Maskenverweigerer und Corona-Leugner werden der Krankenkasse oder der Meldestelle für Corona-Erkrankungen mitgeteilt. Im Falle eines Positiven Befundes wird der Leugner-Patient ( er hat sich mutwillig der Erkrankung ausgesetzt) nicht bevorzugt behandelt und hat 50% der Behandlungskosten selbst zu tragen.
Ein Fahrradfahrer ohne Helm bekommt auch im Fall eines unverschuldeten Unfalls erhebliche Abzüge beim Schmerzensgeld.

[karfingo]

Ein Fahrradfahrer ohne Helm bekommt auch im Fall eines unverschuldeten Unfalls erhebliche Abzüge beim Schmerzensgeld

Hast du einen guten Anwalt vom ADFC, trifft dein letzter Satz nie zu, da in DE keine Helmpflicht besteht.

[Kirkwscks4eva]

Zitat von Dieter993

Vorschlag: Maskenverweigerer und Corona-Leugner werden der Krankenkasse oder der Meldestelle für Corona-Erkrankungen mitgeteilt. Im Falle eines Positiven Befundes wird der Leugner-Patient ( er hat sich mutwillig der Erkrankung ausgesetzt) nicht bevorzugt behandelt...

Würdest Du das genau so entscheiden wenn es um Leben und Tod geht? Jemanden sterben lassen weil er Maskenverweigerer ist?

[Caplan]

auch wieder so eine Kolumne, die ihr Papier nicht wert ist.
Kein Arzt wird sich explicit mit Absicht, durch persoenliche Ansichten oder Racheglueste einem Coronaleugner verweigern.

Die Engelmethode ist Gott sei Dank schon etwas laenger her.

Das waere ein erheblicher Verstoss gegen seine Berufsethik.; siehe Eid
Wie er ihn behandelt, muss auch nachvollziehbar sein.
Also mal fallen lassen, waere auch hoechst schwierig zu verteidigen.
Im Grundsatz hat er zu entscheiden, zwischen den moeglichst besten Voraussetzung..wenn Kapazitaeten nicht mehr ausreichen.

Was sich der ein oder andere denkt, wenn er denn Arzt waere, findet hier keine Anwendung.

Ich raeume auch ein, das ich im ein oder anderen Fall, wenn ich diese Schwachsinnsbuerger mitsamt ihren Aufmaerschen sehe,
mich zu aehlicher Meinung hinreissen lasse. Was diese verwirkt haben sollten.

[elise]

Zitat von Kirkwscks4eva

Würdest Du das genau so entscheiden wenn es um Leben und Tod geht? Jemanden sterben lassen weil er Maskenverweigerer ist?

ähm... hm... eher aus dem grund, weil die krankheit, an der er stirbt, ja nicht existent ist in seinen augen...

[Klopperhorst]

Wenn es einen freien Beatmungsplatz gibt, aber mehrere Menschen, die ihn benötigen, ist das Ex-ante-Triage: Nach herrschender Meinung kann der Arzt hier frei entscheiden, so Kubiciel. "Er handelt immer rechtmäßig, auch wenn er zum Beispiel Coronaleugner benachteiligt"

Gut das ein Arzt in der Lage ist seine Selektion nicht an Hand von Parteibüchern oder Weltanschauungen, sondern an Hand der Überlebenschancen der Patienten durchzuführen.
Noch besser das Herr Michael Kubiciel selbst nur ein Jurist und kein Arzt ist.

[Kirkwscks4eva]

Zitat von elise

eher aus dem grund, weil die krankheit, an der er stirbt, ja nicht existent ist in seinen augen...

Und wenn die alle tot sind und es dann um die nächste Gruppe geht, wer wäre dann dran? Die Älteren? Die chronisch Kranken? Die Arbeitslosen? Die Migranten?

Ich weiß dass solche Selektierungsentscheidungen in Kriegen gefällt werden wo Krankenhäuser, Material, Ärzte... Mangelware sind.

Wir hatten in Deutschland fast 1 Jahr Zeit um uns auf solches Szenario vorzubereiten. Dass nicht so viel passiert ist wie es hätte sein können und vor allem auch müssen dürfte jedem klar sein. Es mögen zwar Betten da sein in den ganzen Hallen, aber es fehlt an Gerätschaften und Personal.

Wenn die Fallzahlen weiter steigen und der Lockdown (mit seinen vielen Schlupflöchern - siehe Einkaufen in Polen) nichts bringt, was dann?

[cradul]

Entschuldigt bitte aber manche von Euch reagieren ein bisschen komisch.
Die Nationalsozialisten haben früher auch aussortiert, war das gut?
Ihr würdet auch keinen Kinderschänder verurteilen, nur weil er sagt, dass Kinder keine Kinder sondern kleine Erwachsenen sind?
Entschuldigt aber diese Diskussion ist ein Witz.
Ein Mensch ist ein Mensch!!!
Ein Mediziner hat seinen Eid geschworen und ist kein Richter.

[eitch100]

Wie wäre es mit einer Live-Reality-Show, wo man per TED "sein Opfer" aussuchen kann? Irgendwann bekommt man dann keine notwendige Bluttransfusion, wenn man nicht selbst Blutspender ist...

[kleineszickchen]

Zitat von cradul

Ein Mediziner hat seinen Eid geschworen und ist kein Richter.

Und wenn keine Betten mehr da?
Der Bruder von Reinhold Messner (Arzt) hat das letztens sehr gut dar gelegt - die Triage ist längst da.
Und dann gibt es noch Leute, die sich selber von Tag zu Tag schöner reden. Seibert. Hündchen von Merkel. Der Widerling schlechthin.
Dieser Trottel weiß nicht mal ansatzweise, was im Volk passiert, wie das Volk denkt.

[TinyTimm]

Zitat von Kirkwscks4eva

Wie will man im Notfall herausfinden ob jemand Corona Leugner ist oder nicht?

In Österreich ginge das ganz einfach, weil alles auf der elektronischen eCard verzeichnet wird was für den Arzt wichtig ist.

[Caplan]

Und da ist auch die politsche oder gesellschaftspolitische Haltung des Patienten verzeichnet??
So wie einst hier, der Saeuferbalken im Fuehrerschein??

[nolte]

Mit der Methode kann man gut den Betten- und vor allem den Personalmangel in den Griff bekommen. Einfach nicht behandeln. Genial.
Ein Patient, der bei Einlieferung bloß: "hoffentlich ist es nur Grippe" äußert, geht dann als Leugner durch und kann auch noch ethisch begründet abgewiesen werden?
Auf die Idee, endlich was gegen den [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] im Gesundheitssystem zu tun kommt anscheinend niemand.

[Kirkwscks4eva]

Zitat von TinyTimm

In Österreich ginge das ganz einfach, weil alles auf der elektronischen eCard verzeichnet wird was für den Arzt wichtig ist.

Klingt sehr nach Stasi. Könnt Ihr wenigstens prüfen was genau auf Eurer eCard alles drauf gespeichert ist?

[0815pogo]

Die Triage ist ja nicht so außergewöhnlich, wie oft dargestellt, und taucht nicht erst seit Corona auf. Auf jedem RTW werden Patientenkarten mitgeführt mit Feldern für Sichtungsvermerke - Plural, auf den Karten ist Platz für 4 Sichtungen zu verschiedenen Zeitpunkten. Dabei geht es ja nicht nur um Intensivstationsbetten, sondern auch um die Versorgung vor Ort bei Großschadensereignissen, ehe Hilfskräfte aus größerer Entfernung da sind.