Moin,
da ist ein wenig Vorsicht geboten. Hier wird eine Kausalkette gebildet bei der fraglich ist, ob sie einer genaueren Prüfung standhält. Im "System Tönnies" werden mit fleischlosen Produkten mehr als 25 Millionen Euro Umsatz pro Jahr erzielt. Dieser Umsatz soll sich bis 2025 verfünffachen. Das ist im Vergleich zum Gesamtumsatz des Konzerns nicht viel. Trotzdem wüsste ich keinen Grund, warum bei dieser Produktion bessere Zustände herrschen sollten als bei der Verarbeitung von Fleisch. Ich kann es nicht beweisen. Aber ich kann mir nicht vorstellen das Praktiken wie Schwarzarbeit, Sozialbetrug und Geldwäsche die in einem Geschäftszweig "erfolgreich" praktiziert werden nicht auch in einem anderen Zweig zur Anwendung kommen sollten. Das würde bedeuten, das die selbe Führungsriege die die Fleischverarbeiter rücksichtslos ausbeutet bei der Herstellung von Fleischersatzprodukten ethischen oder moralischen Grundsätzen folgt. Klingt für mich nicht sehr wahrscheinlich.
Viele unserer Nahrungsmittel sind Massenware. Anders ist unsere Ernährung auch nicht möglich. Wer das in Frage stellt, soll sich sein Konzept in Berlin Hellersdorf mit seinen über 10.000 Einwohnern pro Quadratkilometer vorstellen. Das hat es sich ganz schnell erledigt mit handwerklich gefertigten Lebensmitteln die in kleinen, vom Hersteller geführten Läden an der Ecke verkauft werden. Abgesehen von der Frage, ob es für diese Läden genügend Ecken gäbe. Die Vorstellung von bezopften, singenden Landfrauen die mit einem Flechtkörbchen zum Eiersammeln in den Stall schleichen wenn das Huhn gerade nicht da ist und ihm Gipseier unterjubeln um den Trennungsschmerz zu mildern ist sicher ganz nett. Unsere Ernährung ist so nicht zu bewerkstelligen. Nebenbei bemerkt würde das Huhn ca 10 Quadratmeter Platz benötigen was eine Fläche von ca. 11 Hektar (im Galileo Flächenmass ca. 15 Fussballfelder) benötigt, wenn jeder Hellersdorfer nur ein Ei in der Woche isst.
In dieser Massenfertigung ist der Mechanisierungsgrad sehr hoch. Das bedingt einen hohen Anteil an Tätigkeiten für die es keine oder nur eine kurze Ausbildung braucht. Leider haben die Leute die solche Jobs annehmen häufig keine Alternative. Alles Voraussetzungen sie zu Opfern solcher Praktiken zu machen, wie sie offenbar bei Tönnies herrschen. Ob nun bei Tönnies oder anderswo und ob nun Fleisch oder ein anderes Massengut hergestellt wird, ist dabei meiner Meinung nach nicht entscheidend.
Das ist keine Rechtfertigung für das, was sich in der Fleischindustrie im allgemeinen und bei Tönnies im besonderen abspielt. Es ist nur so das ich glaube, dass sich ähnliche Zustände überall dort abspielen wo Lebensmitten in großen Massen verarbeitet werden. Der Unterschied besteht wohl oft nur darin, ob wir die billigen Arbeiter oder gleich die billigen Produkte aus aller Welt zu uns holen.
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Wenn Kik den Preis pro Shirt um einen Euro erhöht um seinen Mitarbeitern ein besseres Gehalt zu zahlen, dann finden wir das alle gut.
Und dann gehen wir zu Takko einkaufen ...
Geändert von Melvin van Horne (28.04.22 um 22:47 Uhr)
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