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Streuner
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Die Steuertricks der Großfamilien
Zitat:
Wie Berliner Clans mit gebrauchten VW Passat ein Vermögen machten
Ein Clan-Netzwerk entdeckt den transnationalen Autohandel – und eine EU-Regel. Mit einer Art Cum-ex-Methode für das Milieu prellen sie den Staat um Millionen Euro.
Von Pascal Bartosz
18.08.2022, 09:22 Uhr
Auf dem umzäunten Parkplatz eines Brandenburger Gewerbegebiets stehen 60 Mittelklassewagen. Abgewetzte Briefkästen mit arabischen Nachnamen hängen an der Einfahrt, ein „Beirut-Snack“ genannter Imbiss wirbt um Gäste. Sieht so Deutschlands lukrativster Gebrauchtwagenhandel aus?
Die Männer, die auf diesem Autoplatz nahe der A10 südlich von Berlin seit 2017 Gebrauchtwagen verkaufen, hatten Schwierigkeiten, ihr Bargeld unterzubringen. Vor zwei Jahren wurde ein mutmaßlicher Kurier mit 800.000 Euro erwischt, mit denen er in den Libanon fliegen wollte. Tausende 50er-, 100er- und 200er-Scheine waren in Lebensmittelpackungen versteckt.
Der wegen kleiner Delikte aktenkundige Berliner gehörte zum Umfeld dreier Clans: Die Großfamilien E., M., A. verdienten – zumindest zuletzt – nicht an Drogen, Raub, Schutzgeld, sondern an Gebrauchtwagen. Geldwäsche-Ermittler übernahmen den Fall.
Nun ist der An- und Verkauf ziviler Fahrzeuge ein legaler, milliardenschwerer Wirtschaftszweig. Eigens ausgebildete Automobilkaufmänner in ganz Deutschland beschäftigen sich damit. Vielleicht müssen dem, was es über die bargeldaffinen Gebrauchtwagenhändler am „Beirut-Snack“ zu sagen gibt, ein paar Sätze vorangestellt werden: Versierte Täter versuchen illegale Geschäfte so aufzuziehen, dass sie legitimen Unternehmungen ähneln, sie imitieren die Abläufe der Legalwirtschaft. Erstens, weil auch seriöse Firmen profitabel sind, man also von ihnen lernen kann. Und zweitens, weil es der Justiz dann schwerer fällt, Verbrechen zu erkennen.
Es wäre naiv zu glauben, dass die Auswanderung nach Deutschland diese tief verankerten Mentalitäten automatisch beseitigen könnte.
Berliner Studie aus dem Jahr 2016 zum Gewohnheitsrecht traditioneller Stammeskulturen
Wenn Männer bekannter Clans einen Goldschatz stehlen, Geldtransporter überfallen oder mit Heroin handeln, dann ist klar: Sie tun Illegales, oft werden sie dafür verurteilt. Wenn sich Männer weniger bekannter Großfamilien dem Autohandel widmen und dabei das Finanzamt betrügen, ist oft schwerer zu erkennen: Auch sie tun Illegales, wenngleich sie seltener verurteilt werden.
Die Autohändler der erwähnten Großfamilien leben überwiegend in Neukölln. Ein harter Kern von 20 Männern betrieb neben dem in Brandenburg weitere Autoplätze in Berlin. Ermittler schätzen, dass sie in den vergangenen fünf Jahren 50 Millionen Euro umsetzten. Acht, neun, vielleicht zehn Millionen Euro davon dürften Gewinn gewesen sein.
Prozesse dazu stehen erst an, es gilt die Unschuldsvermutung. Bekannt aber ist, dass die Männer zu jenen Clans zählen, die das Bundeskriminalamt der Organisierten Kriminalität, kurz der OK, zurechnet: Diese Clan-OK zeichne sich durch „Straftaten durch Angehörige ethnisch abgeschotteter Subkulturen“ aus – oft aus dem Libanon.
In einer Berliner Studie von 2016 heißt es, viele der aus dem Nahen Osten eingewanderten Clans lebten nach dem „Gewohnheitsrecht“ traditioneller Stammeskulturen. Der Staat gelte als Feind, obwohl er den Familien mit Sozialleistungen hilft. Die Autoren schreiben: „Es wäre naiv zu glauben, dass die Auswanderung nach Deutschland diese tief verankerten Mentalitäten automatisch beseitigen könnte.“ In Berlin wurden im vergangenen Jahr 295 Verdächtigen aus dem Clan-Milieu, die meisten deutsche Staatsbürger, 849 Straftaten zugerechnet: Eigentums-, Gewalt-, Drogendelikte.
Ob Clan oder Konzernchef, für Steuerschlupflöcher interessieren sich beide
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte, man arbeite daran, kriminelle Clans frühzeitig zu erkennen und illegales Vermögen zu beschlagnahmen. Die SPD-Politikerin setzt damit die Linie ihres Vorgängers fort. Einfach ist die Aufgabe allerdings nicht – obwohl die Verdächtigen nicht über eine betriebswirtschaftliche Ausbildung, geschweige denn einen Jura-Abschluss verfügen.
Doch ähnlich wie es die Manager bekannter Konzerne tun, interessierten sich die aus dem Libanon stammenden Großfamilien E., M. und A. für Steuerschlupflöcher und Wege, eine von ihnen erwählte Branche zu dominieren.
Die Wagen auf dem erwähnten Autoplatz waren stets zugelassen, fahrtüchtig, sauber. Die allermeisten der dort veräußerten Autos wurden jedoch offiziell nicht in Deutschland verkauft, steuerrechtlich standen die Wagen nie auf diesem Platz südlich von Berlin.
Und doch basierte das Geschäft auf einer legalen Vorschrift. In Europa gibt es eine Regel, wonach auf Ausfuhren aus einem EU-Staat in einen anderen keine Umsatzsteuer anfällt. Die Steuer entrichtet erst der Endverbraucher, also derjenige, der die Ware im Zielland kauft. Das soll den innereuropäischen Handel ankurbeln. Eine belgische Firma, die Güter nach Deutschland liefert, muss also nicht die in Belgien üblichen 21 Prozent Umsatzsteuer zahlen. Erst der deutsche Abnehmer entrichtet die in der Bundesrepublik fälligen 19 Prozent, nachdem ihm der Endverbraucher die Güter samt Steueraufschlag abgekauft hat.
Clans nutzen das Duty-Free-Prinzip im EU-internen Handel
Deshalb wird auf jedem Kassenbon die Umsatzsteuer ausgewiesen – außer in einem Duty-Free-Shop. In der Transitzone des Flughafens zahlt der Konsument keine Steuer, weil er den Staat de jure schon verlassen hat. Von diesem Duty-Free-Prinzip im EU-internen Handel erfuhren auch die Clans.
Angehörige der Familien E., M., A. leben im Libanon, Deutschland, den Benelux-Staaten. In Berlin gründeten einige der Clan-Männer 2017 einen Autohandel A. Regelmäßig trafen sie sich mit Gebrauchtwagenhändlern in den Benelux-Staaten. Clan-Firma A. aus Berlin orderte unter anderem bei Händler B. in Brüssel 30 Wagen pro Monat.
Die Berliner wollten die Fahrzeuge aber nicht offiziell nach Deutschland importieren (worüber zu reden sein wird). Für Extrageld einigten sie sich mit Verkäufer B. darauf, in den Ausfuhrpapieren als Zielland beispielsweise „Bulgarien“ anzugeben.
Das wurde legendiert, also mit einer Legende versehen, indem die Clans verarmte Bauern auf dem Balkan für 500 Euro rekrutierten, damit diese Firmen anmeldeten, die offiziell als Käufer der belgischen Fahrzeuge fungierten. Weil diese Bauern nie ein Auto in Bulgarien verkauften, fragte dort kein Finanzbeamter nach der Umsatzsteuer.
Beliebt sind Mercedes GLC, Audi A 6 und VW-Passat Variant
Tatsächlich wurden die Wagen nach Deutschland gefahren. Gleich nach der Grenze in Nordrhein-Westfalen arbeiten legale Zulassungsdienste, die für Autohäuser und Fahrzeugvermietungen die Anmeldungen erledigen. Die Clan-Männer legten diesen Diensten die legitimen Fahrzeugpapiere aus Belgien vor.
Die Autos wurden zügig für den Transit in der Bundesrepublik angemeldet, erhielten deutsche Übergangsnummernschilder und Fahrzeugpapiere. Nachdem die Wagen im Berliner Umland ankamen, bewarben die Clan-Männer sie auf Online-Portalen. Auf dem erwähnten Autoplatz der Firma A. besichtigten bald Interessierte die Fahrzeuge. Beliebt: Mercedes GLC, Audi A 6, VW-Passat Variant.
Die „Standzeiten von Gebrauchtwagen bei Autohändlern in Deutschland“ betrugen im Jahr 2018 dem Portal „Statista“ zufolge im Schnitt 107 Tage. Die meisten Verkäufer brauchten also fast vier Monate, bis sie ein Fahrzeug absetzten. Clan-Firma A. verkaufte ihre Wagen nach zwei, drei, vier Tagen. Warum?
5500 Euro Gewinn machen die Clan-Händler pro Auto
Die Großfamilien offerierten die jeweiligen Modelle zehn bis 15 Prozent billiger als andere Händler. Das konnten die Clans deshalb tun, weil die Autos offiziell in Bulgarien standen, die familieneigene Firma A. in Deutschland also keine 19 Prozent Umsatzsteuer entrichtete.
Die Wagen sind weder gestohlen noch kaputt
Ein seriöser Gebrauchtwagenhändler bietet einen drei Jahre alten VW-Passat für 20.000 Euro an. Im Preis sind die fast 4000 Euro Umsatzsteuer enthalten, die der Händler abführt. Wenn er sparsam wirtschaftet, macht er mit einem solchen Verkauf fast 3000 Euro Erlös. Auf dem Autoplatz mit dem „Beirut-Snack“ war der gleiche Wagen im gleichen Zustand für 18.000 Euro zu haben.
Die Clan-Händler machten nicht nur circa 2500 Euro üblichen Händlerprofit, sondern sparten auch die 3500 Euro Steuern. Zwar hatten sie Extraausgaben von 500 Euro, die der belgische Großhändler bekam, weil er die Ausfuhrpapiere freizügig gestaltete. Das wenige Geld für die bulgarischen Bauern lässt sich auf die einzelnen Wagen heruntergerechnet kaum beziffern. Letztlich verdienten die Clans pro Autoverkauf circa 5500 Euro, also deutlich mehr als steuerehrliche Wettbewerber.
Wohlgemerkt: Die Wagen waren weder gestohlen noch kaputt. Zuweilen reichten den Käufern sogar belgische Papiere, spätestens die Überführungszulassungen aus NRW überzeugten dann.
Bei diesem Geschäft war nicht nur der Gewinn pro Wagen größer als bei den Wettbewerbern, sondern auch der Gesamtumsatz. Weil die Händler aus den Großfamilien günstiger waren, wurden ihre Angebote in den Autoportalen immer beliebter. Zu den Kunden von Clan-Firma A. zählten viele Pendler aus Polen, aber auch Einwanderer, die wenig Geld hatten. Viele der Käufer bezahlten in bar, was nicht zwangsläufig bedeutet, dass sie selbst Schwarzgeld wuschen.
Ab und zu wechselten auch die Händler auf den Autoplätzen
Wer mehr als 10.000 Euro in Scheinen ausgibt, muss seinen Ausweis vorlegen – den Ermittlern zufolge taten die Kunden das möglicherweise. Nur haben die Clan-Männer etwaige Kopien davon verschwinden lassen. Ab und zu wechselten auch die Händler auf den Autoplätzen, eine Vorsichtsmaßnahme, falls sich Kunden doch betrogen fühlten und mit der Polizei wiederkommen sollten.
Einige Verkäufe billiger Autos wiesen die Händler dem Finanzamt ordnungsgemäß aus. Ein Gebrauchtwagenhandel ganz ohne Steuerlast wäre dann doch zu auffällig gewesen.
In diesem Karussell, wie Ermittler es nennen, profitieren alle. Der Brüsseler Autohändler konnte sich darauf verlassen, dass seine Wagen massenhaft gekauft werden. Die Berliner zahlten zudem höhere Preise als andere Abnehmer, denn die Clan-Männer mussten sich wegen der falschen Ausfuhrstempel auf den Belgier verlassen können.
Die Clans profitierten, weil sie viel Gewinn machten und den regionalen Gebrauchtwagenhandel dominierten. Wäre das ungestört weitergelaufen, befürchten die Ermittler, hätten viele seriöse Händler aufgegeben. Dominieren die Großfamilien die Branche, könnten sie sich sogar steuerrechtlich gesehen ehrlich machen und trotzdem massenhaft Wagen absetzen. Ein einst illegales Netzwerk hätte es dann geschafft, einen legalen Wirtschaftszweig zu erobern.
Die Masche funktioniert bis heute, weil Daten nicht abgeglichen werden
Auch die Kunden hatten einen Vorteil, waren die Wagen aus dieser Brüssel-Berlin-Connection doch günstiger. Dass die Autos steuerrechtlich nicht in Deutschland verkauft wurden, ist im Alltag der Nutzer egal. Und sollten Polizisten etwa in Warschau dies je moniert haben, war der Verkäufer in Berlin weit weg.
Die Masche funktioniert bis heute, weil Kfz-Zulassungsstellen und Finanzämter ihre Daten nicht abgleichen, schon gar nicht über Bundesländer hinweg.
Auf niedrigerem Niveau erinnert das Vorgehen an die Cum-ex-Geschäfte windiger Banker, genauer an die Steuervermeidung im sogenannten Cum-cum-Modell: Wer in der Bundesrepublik wohnt oder seinen Firmensitz hat, kann die Dividenden auf seine Aktien de facto steuerfrei erhalten. Zwar zahlt er Kapitalertragssteuer, verrechnet diese aber, wenn er die Aktien verkauft oder Verluste erleidet.
Wer dagegen im Ausland wohnt, muss stets Kapitalertragsteuer zahlen. Also haben Investoren aus dem Ausland ihre Aktien vor der Dividendenausschüttung einer deutschen Bank geliehen. Die kassierte die Dividende und gab sie samt Aktie zurück an den Partner im Ausland. Der Investor und die Bank teilten sich den Extraprofit, der sich aus der gesparten Steuer ergibt.
Nun stehen um die Tempelhofer Ullsteinstraße auffallend viele VW-Passat Variant
Anders als Banken müssen die Clans ihren Extraprofit verstecken, zumal er oft in bar vorliegt. Das dazu übliche Verfahren heißt Hawala. Wer Geld transferieren will, gibt eine Summe und einen Code an einen Hawaladar, eine Respektperson im Milieu, die Provision kassiert. Der gibt Summe und Code einem Partner-Hawaladar im Libanon. Nun ruft der Sender aus Berlin den Empfänger in Beirut an und nennt auch ihm Summe und Code.
Der Empfänger bekommt vom Vor-Ort-Hawaladar das Geld. Es wurde physisch nicht transferiert, der Berliner Hawaladar hat die Scheine noch. Er rechnet aber regelmäßig mit seinem Partner in Beirut ab, weil zwischen ihnen ständig Geschäftliches abgewickelt wird, gleichen sich die Bilanzen aus, ohne dass beide mit Bargeld verreisen müssten.
Gelegentlich aber passiert das eben doch, wie das entdeckte Bargeld im Gepäck auf dem Weg nach Beirut zeigt. Anfang des Jahres durchsuchten Ermittler den Autoplatz. Vermutlich stehen bald 15 Männer vor Gericht.
Einige aus den Familien E., M. und A. handeln nach wie vor mit Gebrauchtwagen. Inzwischen, so ist in Neukölln zu hören, verkaufen sie gern an Ukrainer. Sie tun das nun seltener auf Autoplätzen, sondern öfter am Straßenrand. Beispielsweise stehen dann um die Tempelhofer Ullsteinstraße auffallend viele VW-Passat Variant.
Manchmal fallen die Wagen durch Kurzzeitkennzeichen auf, das sind Überführungsnummernschilder mit gelben Balken. Die maximale Laufzeit dieser Kennzeichen beträgt fünf Tage. So lange brauchen die Neuköllner Familien auch heute nicht. Schon wenn ihnen ein bestimmtes Auto in Belgien angeboten wird, annoncieren die Berliner den Wagen unter „privat an privat“ im Netz und holen ihn umgehend ab. Zwei, drei Tage später freut sich ein Kunde in Berlin über den günstigen Kauf.
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Das sind die sogenannte Karussellgeschäfte. Das geht schon seit Jahrzehnten so. Ist weniger gefährlich als Rauschgifthandel und sonstige Mafiageschäfte.
Schaden in Deutschland geschätzt zwischen 10-50 Mrd. Euro. Schon allein die Spanne bei den Schätzungen zeigt, dass keiner eine Ahnung hat, was da überhaupt läuft.
Hatte in meiner Berufszeit damit zu tun, ist ein *******r Aufwand, das nachzuweisen...
Wäre Aufgabe der Politik, das zu unterbinden, gab vor 10 Jahren gute Ideen hierzu. Leider gibt es in der Politik Einflüsse aus der Wirtschaft. Den Herstellerfirmen ist es egal, ob produzierte Autos mit oder ohne Ust verkauft werden, Hauptsache sie sind weg....
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Diskutiere nie mit einem Idioten, denn wenn du dich auf sein Niveau herabläßt, schlägt er dich mit seiner Erfahrung.
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