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Tsitsi Dangarembga verurteilt : Triumph der Willkür

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Ungelesen 01.10.22, 20:09   #1
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Standard Tsitsi Dangarembga verurteilt : Triumph der Willkür

Zitat:

Tsitsi Dangarembga verurteilt : Triumph der Willkür




Das Korruptionsgericht von Simbabwe hat die Schriftstellerin Tsitsi Dangarembga wegen Aufruf zur Gewalt schuldig gesprochen. Das groteske Urteil zeigt auch, wie realitätsnah ihre Bücher sind.

Wenn man in letzter Zeit über die simbabwische Schriftstellerin Tsitsi Dan*garembga las, ging es selten um ihre Romane, sondern meist um die Tatsache, dass die Autorin schon seit zwei Jahren in ihrem Heimatland vor Gericht steht und dort bis heute gut dreißigmal erscheinen musste. Mit der Mitangeklagten Julie Barnes hatte die 1959 in Mukuto geborene Dangarembga friedlich protestiert und auf einem Plakat schlicht „ein besseres Simbabwe“ gefordert. Das reichte für eine Anklage. Nun ist in diesem ewigen Prozess, in dem es vermutlich um nichts anderes ging, als Regierungskritikerinnen wie Dangarembga und Barnes einzuschüchtern und zu schwächen, ein Urteil gefallen. Die Autorin, der von der Staatsanwaltschaft Anstiftung zur Gewalt, Friedensbruch und Bigotterie vorgeworfen wurden, ist in allen Punkten schuldig gesprochen und zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem muss Tsitsi Dangarembga 70 000 Simbabwe-Dollar zahlen, das entspricht rund 200 Euro.

Es ist ein ungerechtfertigtes und bitteres Urteil, auch weil es beweist, wie nah Dangarembgas Bücher, die, wie ihr Roman „Verleugnung“, der nun auf Deutsch erschienen ist, oft von Diskriminierung und Willkür handelnd, an der Wirklichkeit sind. Nur hätte es diesen Beweis nicht gebraucht. Denn für ihren genauen Blick ist Dangarembga längst berühmt und ausgezeichnet worden. Als die BBC im Jahr 2018 108 Kritiker und Schriftsteller nach den ihrer Meinung nach weltweit einflussreichsten Ge*schichten fragte, wählten diese Dangarembgas „Aufbrechen“ auf den 66. Platz (den ersten belegte Homers „Odyssee“). Kurz vor ihrer Anklage im Jahr 2020 wurde Dangarembgas Roman „Überleben“ für den Booker Prize nominiert, ein Jahr später erhielt sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Die Aufmerksamkeit, die mit all diesen Preisen einherging, ist in zweierlei Hinsicht ein Glück: Für die inzwischen auch in Deutschland berühmte Schriftstellerin, die auf Spenden angewiesen ist, um die hohen Anwaltskosten des langen Verfahrens zu stemmen. Und für ihre deutschen Leser, die die Romane der Autorin nun nach langer Zeit (teilweise: wieder) in Übersetzung lesen können.

Der fehlende Teil der Trilogie erscheint auf Deutsch

Nachdem der erste und der dritte Teil von Dangarembgas Trilogie über die Protagonistin Tambudzai Sigauke, die versucht, sich in Simbabwe aus einfachen Verhältnissen hochzuarbeiten, schon im Orlanda Verlag erschienen sind, kommt mit „Verleugnen“ nun auch der fehlende zweite Teil auf Deutsch heraus. Er schildert Tambus Schuljahre an der elitären Klosterschule „Young Ladies’ College of the Sacred Heart“, die hauptsächlich von Weißen besucht wird, und ihre ersten Schritte in der Berufswelt.

Die Geschichte Tambus setzt Ende der Siebzigerjahre ein. In Simbabwe, das damals noch „Rhodesien“ heißt, herrscht Bürgerkrieg. Schwarze Guerillas kämpfen gegen die weiße Regierung und deren Kolonialherrschaft. Mit Erfolg: 1980 wird Robert Mugabe zum Präsidenten gewählt und Simbabwe endgültig von Großbritannien unabhängig. Im Land herrscht kurzzeitig Aufbruchsstimmung – doch an der Situation einer jungen schwarzen Frau wie Tambu, so die Kurzform von Tambudzai, ändert sich wenig. Ihr Alltag ist von Rassismus und Ausgrenzung geprägt, die politische Situation hat einen Riss durch die Familie gezogen: Tambus Onkel, der seine Nichte auf eine Schule voller Europäerinnen schickt, gilt als Verräter an Landsleuten und Familie, die, wie Tambus Schwester, gegen die Weißen kämpft.

Keine sympathische Hauptperson

Obwohl Dangarembgas „Verleugnen“ auf Englisch im Jahr 2006 und somit fast zwanzig Jahre nach seinem Vorgänger veröffentlicht wurde, ist es ratsam, mit „Aufbrechen“, dem ersten Teil der Trilogie, zu beginnen. Denn auch wenn der Roman für sich steht, erschließen sich sein politischer Kontext und die Situation seiner Protagonistin nur nach und nach: Dangarembga wirft ihre Leser mitten rein ins Geschehen. Die Ich-Perspektive, aus der „Verleugnen“ erzählt ist, verbietet ausführliche Erklärungen oder „Was bisher geschah“-Einschübe – dafür bekommen die Leser umso deutlicher zu spüren, was Tambu widerfährt und wie es ihr dabei wohl gehen muss.

Sie verstehen auch, warum aus ihr die Person wird, die sie ist: keine besonders sympathische, dafür eine sehr neidische und missgünstige junge Frau. Solidarität kennt sie kaum. Im Alltag ist sie von Ehrgeiz getrieben und macht andere nieder, um sich selbst besser zu fühlen. Sie übernimmt den Blick der Weißen auf sich und ihre schwarzen Mitschülerinnen und hasst sich selbst, weil sie sich für „eine biologisch frevelhafte Person“ hält. Um fortzukommen, biedert sie sich an, strickt Schals für die rhodesischen Soldaten und versteht nicht, dass sie sich damit ihre eigenen Landsleute zum Feind, allerdings niemanden zum Freund macht: Die Anerkennung der Weißen kann man sich auch so nicht erkaufen.


Tsitsi Dangarembga: „Verleugnen“. Roman. Übersetzt von Anette Grube. Orlanda, 306 Seiten, 24 Euro. : Bild: Orlanda Verlag

Man mag Tambu also nicht besonders, und das ist eine gute Voraussetzung, um nachzuvollziehen, wie das koloniale System nicht nur die Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen, sondern auch die der Kolonialisierten untereinander vergiftet. Dangarembga scheut sich nicht, die Gewalt aufseiten der schwarzen Widerstandskämpfer zu beschreiben, doch macht sie vor allem klar, woraus diese erwächst. Das College, das Tambu besucht, heuchelt christliche Nächstenliebe, doch schwarze Haut darf weiße nicht berühren. Die wenigen schwarzen Schülerinnen müssen sich das „afrikanische Zimmer“ zu sechst teilen, während für alle anderen Viererzimmer vorgesehen sind. In einer besonders demütigenden Szene benutzt Tambu in ihrer Not eine Toilette, die nur für weiße Mitschülerinnen bestimmt ist. Die Hausmutter bemerkt das und fordert sie mit solcher Vehemenz dazu auf, die Kabine zu verlassen, dass Tambu sich nicht traut, sich in Ruhe zu säubern und die Spülung zu benutzen.

„Verleugnen“ ist ein Bildungs- und Entwicklungsroman und ist es zugleich nicht. Denn er handelt, einerseits, von Bildung und vom Streben. „Meine Wünsche in diesem ersten Jahr waren positiv“, heißt es zu Beginn, „etwas leisten, etwas leisten, noch etwas mehr leisten, und ich wusste, wie ich sie wahr werden lassen konnte. Ich würde lernen, bis ich mehr wusste als alle anderen um mich herum, erst im Klassenzimmer, dann in der Schule und schließlich in der Stadt.“ Andererseits erzählt der Roman aber auch, wie Tambu das alles umsetzt, sogar die schulbeste Mittlere Reife schafft und ihr trotzdem die erhoffte soziale Entwicklung bis zum Schluss verwehrt bleibt. Sie lebt zwar nicht mehr in dem Dorf, aus dem sie gekommen ist, eine glänzende Zukunft steht ihr dennoch nicht bevor.

Es ist nicht besonders aufheiternd, aber doch erfrischend, dass Dangarembga keine glatte Aufsteigergeschichte erzählt, sondern zeigt, dass die Geschichte vom fleißigen Tellerwäscher allzu oft eine Mär ist: Harte Arbeit wird nicht immer belohnt, manche Mühen sind vergebens, weil für einige die Türen immer verschlossen bleiben. Ob jemand weiterkommt, hängt nicht nur von Fleiß, sondern von vielen Dingen ab: von der eigenen Herkunft, dem Geschlecht, der Hautfarbe. Manchmal auch schlicht von Machtdemonstration und Willkür. Das gilt, wie das Urteil gegen Dangarembga zeigt, nicht nur für das Simbabwe der Siebziger und Achtziger, sondern für viele Orte und Situationen auf dieser Welt.
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Eine sehr außergewöhnliche Schriftstellerin und Filmemacherin die letztes Jahr mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels verdient gewürdigt wurde.
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Ungelesen 23.10.22, 00:05   #2
pauli8
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Die Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga I ttt

titel thesen temperamente

Die Schriftstellerin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga kämpft in Simbabwe gegen Korruption und für die Gleichheit aller Menschen. Nun bekommt sie am 24. Oktober in Frankfurt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen.

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