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14.06.22, 10:30
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Schrumpfende AfD : Der Traum von der Volkspartei ist aus
Zitat:

Schrumpfende AfD : Der Traum von der Volkspartei ist aus
Die AfD hat neun Wahlen hintereinander und tausende Mitglieder verloren. Die Funktionäre stehen vor großen strategischen Problemen. Es droht eine Abwärtsspirale.
Über viele Jahre war die AfD unzerstörbar. Es war egal, was ihre Vertreter taten, sie konnten rechtsextrem sein, homophob, rassistisch, nationalistisch, inkompetent oder peinlich, die Partei bekam trotzdem immer mehr Stimmen, Mitglieder und Spenden. Es schadete der AfD auch nicht, dass die Führung gar nicht führte, sondern sich gegenseitig bekämpfte. Die Partei wuchs so schnell wie keine andere. Die AfD-Politiker dachten, sie seien geniale Strategen, und manche ihrer Gegner dachten das auch. Wahrscheinlicher war, dass es auf sie und die AfD gar nicht ankam. Sie wurde getragen von einer Strömung, die viel größer war, und sie trieb einfach darin, manchmal dümpelnd, manchmal rasend schnell, aber nie aus eigener Kraft. Eurokrise und Flüchtlingskrise waren das Fahrwasser.
Seit einiger Zeit hat sich der Strom verlangsamt. Die AfD hat neun Landtagswahlen hintereinander verloren, 6000 Mitglieder haben sich abgewendet, und Meinungsforscher glauben nicht, dass sie noch wachsen kann. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz kostet viel Kraft, und in der Partei verlieren die Leute langsam die Geduld. Die AfD hat immer von hochtrabenden Plänen gelebt. Sie wollte Volkspartei sein, Deutschland vor dem Untergang retten, vielleicht sogar das ganze Abendland. Im Westen an der Fünfprozenthürde zu krebsen, im Landtag kleine Anfragen zu stellen und freche Reden zu halten reicht dafür aber nicht. Und gerade AfD-Wähler sind ungeduldig. Wenden sich welche ab, verstärkt das den Effekt, und noch mehr wenden sich ab. Eine Abwärtsspirale droht.
Von Pandemie und Krieg hat die AfD nicht profitiert
Hoffnung müsste also her für die Anhänger, aber woher? Manche AfD-Politiker sagen, die Wende könnte aus der Energiepolitik kommen. Wenn sich die Preise so verteuern, dass die Menschen wieder Kohlestrom und Atomstrom wollen, dann könnten sie AfD wählen, die einzige Partei, die das will, was alle anderen ablehnen. Ob diese Rechnung aufgeht, ist ungewiss, weil es gerade zwei Großkrisen gibt, die einschneidender sind als eine hohe Gasrechnung. Von der Pandemie und dem Krieg profitiert die AfD aber gerade nicht, obwohl beide Krisen für Populisten maßgeschneidert sind.
Die Pandemie brachte beispiellose Auflagen. Die Bürger durften eine Weile lang ihre Freunde und Verwandten nicht treffen. Ganze Branchen wurden stillgelegt. Die AfD hatte immer schon gesagt, es gebe eine verschworene Elite, die das Volk unterdrückt, und nur sie, die treuen Anwälte der einfachen Bürger, kämpfe dagegen an. Der Lockdown hätte für die Partei ein „Geschenk“ sein können, wie der frühere AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland die Flüchtlingskrise mal nannte. War er aber nicht. Die AfD verzettelte sich in ihrer eigenen Propaganda.

Als das Virus noch in China war, ein Fremdling also, forderte sie Grenzschließungen und harte Maßnahmen. Als es in Deutschland angekommen war, fand sie es auf einmal nicht mehr schlimm und polemisierte gegen Masken und Impfungen. Trotz bundesweiter Massenproteste gegen einen angeblich übergriffigen Staat gewann die AfD nichts dazu, sie verlor sogar einige Prozentpunkte mit Beginn der Pandemie.
Dann überfiel Russland die Ukraine, die Menschen hatten Angst vor einer Eskalation, und die AfD bediente genau jene NATO-kritische Russophilie, die unter einigen Deutschen beliebt ist, gerade im Osten. Wenn große Ängste der Stoff sind, aus dem Populisten ihr Geschäftsmodell bauen, hätte eine Regierung, die Flakpanzer in die Ukraine liefert, doch ein Trittbrett sein können. War sie aber nicht. Die AfD war sich wieder nicht einig. Einmal redete ein Abgeordneter im Bundestag über Biowaffenlabore in der Ukraine, da verließ ein anderer empört das Plenum und twitterte, das sei „Putin-Propaganda“, so geschehen bei Steffen Kotré und Norbert Kleinwächter. Beim Sondervermögen für die Bundeswehr stimmten 33 AfD-Abgeordnete dafür, 35 dagegen, sechs enthielten sich, sechs stimmten gar nicht ab. Für welche Wähler sollte das attraktiv sein? Die AfD, die sich viel auf ihre Nähe zu Soldaten einbildet, war nicht mal sicher, ob sie die Bundeswehr ausrüsten wollte.
Die AfD trägt ein enges Korsett, das schreckt ab
Es wirkt, als wäre die AfD schon zu festgelegt, um neue Bewegungen aufzusaugen. Sie ist die Anti-Islam-Anti-Ausländer-Anti-Grünen-Partei, trägt also ein enges Korsett. Angenommen, jemand hat noch nie AfD gewählt und will die Atomkraftwerke zurück, weil das Gas so teuer ist. Will er deshalb in die AfD eintreten und sich die anderen Positionen der Partei zu eigen machen? Wahrscheinlich nicht. In Diskussionen müsste er sich nicht nur für das Atommüllproblem rechtfertigen, sondern für alles, was Björn Höcke in seinem Leben gesagt hat. Genauso geht es einem Anthroposophen in Stuttgart, der gegen Impfungen ist. Will dieser sich deshalb mit Rechtsradikalen gemeinmachen? Eher nicht.
Der Themenstrauß der AfD ist sehr eigen. Die Partei besetzt meist Positionen, die im Abseits stehen, und hofft, ein Alleinstellungsmerkmal zu haben. Sie will eben die „Alternative“ sein, in vielen Bereichen. Das Außenseitertum hat aber einen Preis. Es gibt kaum einen Wähler, dessen Charakter so originell ist, dass er in allem immer das will, was sonst niemand will. Aus vielen schrulligen Merkmalen entsteht keine Lieblingspartei. „Die Mehrheit wird man damit nicht erreichen“, sagt einer aus der Partei, der anonym bleiben will. Wenn ihre Namen nicht genannt werden, reden selbst hochgestellte Funktionäre ganz offen über die Probleme.
Nicht-Wähler sind eine schwierige Klientel
Die AfD wächst nicht mehr. Im vergangenen Jahr ließ die Partei Nichtwähler befragen. Das Ergebnis war: Es gab nur wenige Nichtwähler, die der AfD gewogen waren. Würden alle davon die Partei wählen, könnte sie maximal einen Prozentpunkt dazugewinnen. Mehr nicht. Manche in der Partei kennen Umfragen, da sind es drei oder vier Prozentpunkte. Das löst aber nicht das grundsätzliche Problem. Bei den Wählern anderer Parteien ist die AfD auch extrem unbeliebt. Die meisten würden lieber jede andere Partei wählen als die AfD. „Und es ist extrem schwer, das zu ändern“, sagt Renate Köcher vom Allensbach-Institut. Man muss auch sehen, wer die Leute sind, die AfD wählen. Viele waren früher einmal Nichtwähler. Ihre Politisierung ist zerbrechlich. Werden sie frustriert, kehren sie schnell dorthin zurück, wo sie hergekommen sind. Köcher dazu: „Wer primär auf Nichtwähler hofft, der kann kurzfristig mal Erfolge erzielen, aber nicht nachhaltig.“
Neben Wählern verliert die AfD auch Mitglieder. Öffentlich sind die Zahlen nicht, aber wie die F.A.S. erfuhr, hat die Partei heute 6000 Mitglieder weniger als 2019, das ist fast ein Sechstel aller Mitglieder. In der Partei wird das gerne beschönigt, weil 4000 davon Leute waren, die ihren Mitgliedsbeitrag nicht bezahlt hatten. Sie wurden vom Schatzmeister rausgeworfen. Das heißt aber nicht, dass die 4000 glühende Anhänger waren. Den Beitrag nicht zu bezahlen ist auch eine Art, sich abzuwenden. Es sind also schon 6000, denen die AfD nicht mehr wichtig war. Die AfD hat ohnehin die wenigsten Mitglieder von allen Parteien im Bundestag, und sie hat nicht einmal halb so viele wie die zweitkleinste, die FDP.
Man könnte meinen, dass manchen, die aus der Partei austreten, ein Licht aufgeht, wie radikal ihre Partei geworden ist. In der AfD werden andere Geschichten erzählt, wer geht und warum. Sie handeln von Zermürbung. Irgendwann sind die Leute es leid, die ständigen Anfeindungen, der Zoff. Ihre Familie, ihre Freunde, alle fragen sie, warum sie in so einer Partei Mitglied sind. Ständig müssen sie sich rechtfertigen. Unter den Mitgliedern gibt es auch keinen Frieden, sondern Intrigen und Geschacher. Jeder Parteitag ist ein Richtungsparteitag, jede Wahl eine Schicksalswahl. Die AfD ist eine anstrengende Partei. Viele wollen das nicht mehr. Sie wollen ihre Ruhe haben. Das ist etwas anderes als ideologische Einsicht.
In Kreisverbänden fehlen die Leistungsträger
Durch die Zermürbung sortieren sich die Mitglieder neu. Es gehen eher Leistungsträger, Leute, die neben der Parteimitgliedschaft noch etwas anderes zu tun haben. Es bleiben eher solche, die nichts zu verlieren haben, „Rentner und Busfahrer“, wie einer sagt. Es soll Kreisverbände geben, bei denen besonders die aktiven Mitglieder gehen und die Verbände deshalb Mühe haben, die Lücken zu füllen. Mittlerweile gibt es Referenten in Landtagsfraktionen, die nicht Parteimitglied werden wollen, weil sie die Stigmatisierung fürchten. „Jeder hat einen anderen Bruchpunkt. Die These, dass Leute austreten, weil sie Ärger auf der Arbeit kriegen, ist belegt“, sagt der hessischen AfD-Vorsitzende Robert Lambrou.

Neulich hat Lambrou in Ravensburg einen Vortrag vor Parteifreunden gehalten. Er erzählte die Geschichte der Republikaner, einer Partei, die schnell wuchs, sich radikalisierte, vom Verfassungsschutz beobachtet wurde und daran zerbrach. Bei der Ursachenforschung stieß Lambrou auf eine Parallele: Die Republikaner hatten bis auf den bayerischen Landesverband nie Aufnahmegespräche geführt. Innerhalb weniger Monate strömten sechs- bis achttausend Menschen in die Partei, vielen davon waren Spinner. Auch in der AfD wurden Aufnahmegespräche erst 2015 eingeführt. Erst ganz langsam entwickelt sich in der AfD, was bei anderen Parteien üblich ist, dass junge Leute eintreten und die Ochsentour machen, bevor sie in Machtpositionen kommen. In der Theorie steigert das die Professionalität, die Quote der komischen Vögel sinkt.
Das andere Problem der Republikaner kann die AfD nicht lösen. Auch sie wird beobachtet. Das schlägt vielen in der Partei auf das Gemüt. Sie sind gehemmt, fühlen sich abgehört, überlegen, ob der Parteifreund ein V-Mann sein könnte. Manche werden radikaler, weil sie Beobachtung als Beweis sehen, dass dieser Staat korrupt ist und verdorben. Manche werden ängstlicher, sie wollen die Mäßigung, damit die Beobachtung endet. Wieder andere versuchen Entgleisungen, die der Verfassungsschutz notiert hat, für sich zu nutzen, um Gegner zu beseitigen. Was eine Beobachtung verändert, welche Konflikte sie schafft, lässt sich in jedem Big-Brother-Container beobachten.
In der AfD wird viel darüber gesprochen, wie die Partei geeinter werden kann. Auch beim Parteitag in Riesa am kommenden Wochenende werden das viele sagen. Der Landesverband Thüringen macht es vor, zu einem hohen Preis. Der Vorsitzende dort, Höcke, ist so polarisierend, so schrill, dass alle, die seinen Kurs nicht mittragen, längst raus sind. Die, die noch da sind, bilden eine homogene Truppe, die mit sich im Reinen ist. In einem Landesverband wie Hessen lässt sich das nicht kopieren. Dort wurde die AfD gegründet, und es kamen besonders unterschiedliche Mitglieder, ohne Aufnahmegespräche. Der Parteistreit ist also nichts, was die Mitglieder hinter sich lassen können.
Geht alles so weiter, wie es jetzt ist, hat die Partei magere Zeiten vor sich. In Schleswig-Holstein ist sie aus dem Landtag geflogen, in Nordrhein-Westfalen und im Saarland war es knapp. So wächst in der Partei das Selbstbewusstsein der Ostverbände. Dort gibt es Ergebnisse bis über zwanzig Prozent. Im Groben kann das daran liegen, dass Systemkritik im Osten verbreiteter ist, die AfD also mehr Menschen aus dem Herzen spricht. Manche reden schon von der „Lega Ost“, wie die italienischen Rechtspopulisten, die früher Lega Nord hießen. Aber auch im Osten gibt es Probleme, zumindest in den Städten. Bei der Oberbürgermeisterwahl in Magdeburg kam die AfD auf fünf Prozent, bei der Bürgermeisterwahl in Eberswalde auch. Bei der Kommunalwahl in Potsdam waren es neun Prozent.
Gegen die Malaise kann die AfD mit Geld ankämpfen. Davon hat sie genug, viele Millionen sind es. Die Rechtspopulisten investieren jetzt in Immobilien. Gerade wird eine Veranstaltungshalle in der Landesmitte gesucht, dort sollen dann Parteitage stattfinden. Das spart Millionen an Saalmieten jedes Jahr. Auch ein Haus für die Bundesgeschäftsstelle wird gesucht. Und eine Imagekampa*gne ist geplant, um neue Mitglieder zu werben, 100 000 Euro soll sie kosten, ihr Arbeitstitel lautet „Wir für euch“. Ganz gleich, wie die Kampagne sein wird, ein Dilemma wird bleiben. Es waren radikale Töne, mit denen die AfD Nichtwähler gewinnen konnte, dort kann sie nicht mehr viel holen. Es wären gemäßigte Töne, mit denen sie Anhänger anderer Parteien bezirzen könnte, aber dann verlöre sie die anderen, denen die Radikalität wichtig ist. Wollte die AfD von ihren frühen Erfolgen lernen, müsste sie eingestehen, dass Geld keine Rolle spielt. Sie war arm, als sie nach oben kam, und ist reich, als es abwärts geht. Die Strömung war immer stärker als sie selbst.
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Ein wirklich guter Artikel mit ausführlicher Analyse. In einem Punkt sehe ich es aber anders, denn die steigende Inflation gepaart mit einer deutlichen Teuerungsrate, könnte der AfD wieder viel Zulauf an Wählerstimmen bringen.
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Die folgenden 6 Mitglieder haben sich bei MunichEast bedankt:
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14.06.22, 13:51
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#2
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AZOR AHAI
Registriert seit: Aug 2013
Beiträge: 5.459
Bedankt: 22.997
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Im Dritten Reich ging die NSDAP auf gleiche Weise auf Stimmenfang.
Die Dümmsten und/oder Ärmsten folgen immer den verführerischten Schreiern.
Die Geschichte wiederholt sich hoffentlich nicht.
Das klingt natürlich sehr plakativ, aber da die AfD eben nur Hass und keine echten Lösungen zu bieten hat, wird auch das Klientel diese Vereinigung nicht verbessern, sondern nur noch schlimmer machen.
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Die folgenden 5 Mitglieder haben sich bei MotherFocker bedankt:
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13.10.22, 12:53
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#3
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Anfänger
Registriert seit: Nov 2014
Beiträge: 2
Bedankt: 15
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Zitat:
Zitat von MotherFocker
...aber da die AfD eben nur Hass und keine echten Lösungen zu bieten hat...
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Woran ist das festzumachen? Da würden mich die Fakten schon sehr interessieren!
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13.10.22, 13:23
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#4
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Agnostiker
Registriert seit: Dec 2009
Beiträge: 4.457
Bedankt: 4.873
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Zitat:
Zitat von claridgef56
Woran ist das festzumachen? Da würden mich die Fakten schon sehr interessieren!
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Das Leben ist ein Geben und Nehmen... also wenn du Fakten über "echte Lösungen" der AfD lieferst, bekommst du sicherlich ein mehrfaches an Hass- und Hetzbotschaften der AfD geboten.
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Der Klügere gibt nach... deshalb regieren die Dummen die Welt
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Folgendes Mitglied bedankte sich bei eitch100:
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14.06.22, 15:51
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#5
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Erfahrener Newbie
Registriert seit: Apr 2010
Beiträge: 180
Bedankt: 225
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Ich glaube nicht das die in naher Zukunft mehr Stimmen bekommen.
Sie schaffen es ja zum Glück noch nicht mal zum Bürgermeister in einer Hochburg ihrer Partei und das ist auch gut so.
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