Willkommen |
|
myGully |
|
Links |
|
Forum |
|
|
|
 |
07.04.21, 18:22
|
#1
|
Super Moderator
Registriert seit: Oct 2012
Beiträge: 8.169
Bedankt: 9.692
|
»Deutschland steckt noch in der Steinzeit«
Zitat:
Ärztin über Probleme im Gesundheitssystem
»Deutschland steckt noch in der Steinzeit«
Enise Lauterbach war Chefärztin, dann gab sie entnervt auf: zu viel Bürokratie, Pedanterie in der Medizin. Sie sagt: Deutschland könnte in der Coronapandemie viel besser sein, macht aber wieder alte Fehler.
Ein Interview von [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
04.04.2021, 20.36 Uhr

Mangelnde Digitalisierung: »Wenn ich eine Akte brauchte, ging das nur per Fax oder die Informationen waren tagelang mit dem Postboten unterwegs« Foto: Luis Alvarez / Getty Images
Vor Beginn der Pandemie kündigte Enise Lauterbach ihren Job als Chefärztin und gründete ein Start-up. Ihr Ziel: die Medizin digitalisieren. Denn sie hat einen Verdacht, warum Deutschland so schlecht durch die Krise kommt.
SPIEGEL: Frau Lauterbach, Sie waren Chefärztin in Trier und haben ausgerechnet kurz vor Beginn der Pandemie Ihren Job gekündigt. Warum?
Lauterbach: Ich liebe meinen Beruf als Kardiologin – aber die Probleme, mit denen wir und unsere Patienten im Gesundheitssystem konfrontiert sind, haben mich dazu bewegt, etwas zu verändern. Deutschland steckt bei Innovationen teilweise noch in der Steinzeit.
Zitat:
Zur Person

Foto: privat
Enise Lauterbach, 46, ist Fachärztin für Kardiologie mit Spezialisierungen in Rhythmologie und Herzinsuffizienzbehandlung. Sie war bis zum Sommer 2019 Chefärztin der kardiologischen Abteilung des Zentrums für ambulante Rehabilitation in Trier. Heute leitet sie das Start-up »Lemoa Medical«, das Software für digitale Gesundheitsanwendungen entwickelt.
|
SPIEGEL: Wie meinen Sie das?
Lauterbach: Der Informationsaustausch ist grottig, um es salopp zu sagen. In Deutschland kommunizieren Ärzte untereinander immer noch per Telefon, Fax und über die Post. Die meisten Dokumente kommen mit dem Briefträger. Die Einführung der elektronischen Patientenakte ist 2003 beschlossen worden – und nichts hat sich getan.
Wenn ich eine Akte brauchte, ging das nur per Fax, oder die Informationen waren tagelang mit dem Postboten unterwegs. Wenn für Patienten Termine für Nachsorge-Untersuchungen gemacht werden müssen, sind stundenlange Warteschleifen für uns Beschäftige im Gesundheitswesen keine Seltenheit. Das ist eine Katastrophe, das hat mich wahnsinnig gemacht, immerhin geht es hier um Menschenleben. Manche Befundübermittlung duldet keine Zeitverzögerung. Ich wollte dagegen etwas tun.
SPIEGEL: Dann kam die Pandemie.
Lauterbach: Ja, und sie hat uns gezeigt, dass Deutschland den Digitalisierungszug verpasst hat. In Schulen, Ämtern, Krankenhäusern, überall.
SPIEGEL: Haben wir deshalb die Krise so schlecht gemeistert?
Lauterbach: Das ist sicherlich ein Grund, aber auch die Denkweise der Deutschen spielt eine Rolle: Wir sind allgemein sehr pflichtbewusst und neigen zu einem 120-prozentigen Perfektionismus. Deshalb zögern wir zu oft, bis alles perfekt ist, fast schon pedantisch. Es gibt zu wenige Entscheidungsträger, wie auch Politiker, die einfach den Mut haben, Dinge zu wagen. Der Pragmatismus fehlt.
Ein Beispiel: Viele Ärzte, auch ich, haben sich seit Dezember freiwillig gemeldet, um in den Impfzentren und in mobilen Impfteams zu arbeiten. Wir sind Nachtarbeit und Schichtdienst gewohnt, kein Problem, wir könnten sieben Tage 24 Stunden am Tag impfen, impfen, impfen. Aber dann hören wir, dass manche Impfzentren am Freitagmittag gegen 13 Uhr schließen und andere an Feiertagen und am Wochenende gar nicht öffnen. Dazu fehlt mir völlig das Verständnis.
SPIEGEL: Sie haben nach Ihrer Kündigung ein Start-up für medizinische Dienste gegründet. Was haben Sie erlebt?
Lauterbach: Das war definitiv nicht einfach. Ich habe im Sommer 2019 ein Konzept geschrieben und bin dann zur Bank. Danach hat es leider mehr als ein halbes Jahr gedauert, bis ich überhaupt einen Termin beim Notar bekommen habe. Auch hier funktioniert das meiste per Fax, postalisch oder durch persönliches Erscheinen. Es war sehr schwierig. Wenn alle Gründer solche Startprobleme haben, kann ich verstehen, warum hier kaum jemand gründet.
SPIEGEL: Was macht Ihre Firma?
Lauterbach: Software, wir sind ein kleines Team, aktuell mit fünf Mitarbeitern. Mein Mann ist Mitgründer. Wir haben zwei Apps entwickelt. »Cons!l!um«, ein Messenger für das Gesundheitswesen, und »Herz-Held«, eine digitale Gesundheitsanwendung für Herzpatienten.
SPIEGEL: Sie waren Chefärztin. Hatten Sie keine Angst, Ihren Job zu kündigen und zu scheitern?
Lauterbach: Ich habe mir die Frage gestellt: Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte? Du kannst dich fürchterlich blamieren, du kannst dich in eine katastrophale finanzielle Lage hineinbegeben. Aber ich hatte die Zauderer, die Pedanten und Bedenkenträger satt. Einmal muss man anfangen.
SPIEGEL: Sind Sie mutig?
Lauterbach: Ich glaube schon. Meine Eltern sind in den 1970er-Jahren als Gastarbeiter hergekommen. Ihnen wurde damals hier nichts geschenkt. Sie mussten sich reinknien. Vielleicht ist es das, was manchen Entscheidern hierzulande gerade fehlt: der Wille, einfach mal zu machen.
SPIEGEL: Letzte Frage – Sie haben einen inzwischen ziemlich prominenten Namen. Kennen Sie Karl?
Lauterbach: Persönlich kenne ich ihn nicht, aber fachlich schätze ich ihn sehr.
|
[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
|
|
|
Die folgenden 3 Mitglieder haben sich bei Draalz bedankt:
|
|
Forumregeln
|
Du kannst keine neue Themen eröffnen
Du kannst keine Antworten verfassen
Du kannst keine Anhänge posten
Du kannst nicht deine Beiträge editieren
HTML-Code ist Aus.
|
|
|
Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 15:43 Uhr.
().
|