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18.03.21, 16:21
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Legende
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Missbrauch. Bistum Köln: Gutachten belastet Erzbischof Heße
Zitat:
Im Zuge der Aufarbeitung von Missbrauch im deutschen Erzbistum Köln wurden am Donnerstag dem heutigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße Pflichtverletzungen vorgeworfen. Die Rede ist von der Vertuschung zum Teil schweren Kindesmissbrauchs in Hunderten Fällen.
Beim Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sehen der Strafrechtler Björn Gercke und sein Team dagegen keine Pflichtverletzungen. Das sagten Gercke und die Rechtsanwältin Kerstin Stirner am Donnerstag in Köln bei der Vorstellung ihres 800 Seiten starken Gutachtens, in dem Hinweise auf 202 Beschuldigte festgestellt wurden.

Den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki entlastet das Gutachten
Gercke sagte, zu derselben Einschätzung sei auch das von Woelki unter Verschluss gehaltene Münchner Gutachten gekommen, ebenso der Vatikan. „Medial wäre es für uns am einfachsten gewesen, Herrn Woelki hier zum Schafott zu führen“, sagte der Strafrechtler. Dafür gebe es aber keine Grundlage.
Hamburger Bischof belastet
In ihrer Untersuchung erhoben die Gutachter aber schwere Vorwürfe gegen den Hamburger Erzbischof Heße. Heße war vor seiner Berufung nach Hamburg Personalchef und Generalvikar im Erzbistum Köln. In dieser Funktion musste er sich mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester auseinandersetzen.
Heße bestreitet bisher die bereits in anderem Zusammenhang gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Bei Heße hätten sich aus den Akten insgesamt elf Pflichtverletzungen ergeben. Davon seien sieben Pflichtverletzungen nicht ordnungsgemäß bearbeitete Missbrauchsfälle gewesen.
Zwei Geistliche entlassen
Woelki entband unmittelbar nach der Vorstellung des Gutachtens seinen Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und den Leiter des Erzbischöflichen Gerichts, Offizial Günter Assenmacher, wegen Pflichtverletzungen mit sofortiger Wirkung vorläufig ihrer Ämter. Woelki selbst sprach von „Vertuschung“ in seinem Bistum.
Woelki hatte eigentlich erst am Dienstag Konsequenzen aus dem Gutachten ziehen wollen. Während Schwaderlapp in acht Fällen konkrete Pflichtverletzungen begangen haben soll, soll Assenmacher in zwei Fällen eine unzutreffende Rechtsauskunft gegeben haben. Woelki selbst wurde in dem Gutachten entlastet.
Woelki sagte, in Köln hätten sich „höchste Verantwortungsträger“, darunter mit den Kardinälen Joachim Meisner und Joseph Höffner seine beiden Vorgänger, schuldig gemacht. „Sie haben nicht sanktioniert, sondern verzögert oder den Schutz der Betroffenen nicht beachtet.“ Es spreche Bände, dass Laien in Köln bei Missbrauchsvorwürfen immer schnell und konsequent bestraft worden seien, Priester aber nicht – „das berührt mich und beschämt mich auch zutiefst“.
Insgesamt 75 Pflichtverletzungen
Gercke und seine Mitgutachter sollten den Umgang des Erzbistums Köln mit Missbrauchsfällen im Zeitraum 1975 bis 2018 untersuchen, das erfolgte auf Aktengrundlage. Insgesamt stellten die Gutachter 75 Pflichtverletzungen fest, die von acht lebenden oder verstorbenen Verantwortlichen begangen worden seien.
Die mit Abstand schwersten Vorwürfe machten die Gutachter dem 2017 verstorbenen Kardinal Meisner. Diesem seien 24 Pflichtverletzungen und damit fast ein Drittel aller Fälle vorzuwerfen. Auch dem 1987 verstorbenen Kardinal Höffner seien Pflichtverletzungen vorzuwerfen, befanden die Gutachter.
Auch schwerer sexueller Missbrauch
Es gehe um das erste Gutachten dieser Art, in dem ungeschwärzt auch die Namen von Verantwortlichen genannt würden, sagte Gercke. Zusammen mit seinem Team hatte er in den vergangenen Monaten die Kirchenakten von 1975 bis 2018 ausgewertet.
Die Opfer waren mehrheitlich Buben. Bei 63 Prozent der Beschuldigten handle es sich um Kleriker, also Geistliche. In knapp 32 Prozent der Fälle habe es sich um sexuellen Missbrauch gehandelt, in gut 15 Prozent um schweren sexuellen Missbrauch. Die anderen Fälle stufte Gercke unter anderem als Grenzverletzungen und sonstige sexuelle Verfehlungen ein.
Erstes Gutachten nicht veröffentlicht
Ein erstes Gutachten hatte Woelki nicht veröffentlicht; er begründete das mit rechtlichen Bedenken. Gercke hatte vorab mitgeteilt, dass seine im Jahr 1975 beginnende Untersuchung mehr als 300 Opfer und über 200 Beschuldigte aufführt. Woelki hatte ihn beauftragt, Verantwortliche namentlich zu benennen – gegebenenfalls auch ihn selbst.
Schutz der Kirche im Vordergrund
Strafrechtler Gercke und die Koautorin der Studie, die Rechtsanwältin Kerstin Stirner, bescheinigten den Verantwortlichen eine große Rechtsunkenntnis und eine desaströse Aktenlage. Wenn Vorschriften geheim seien, sei Rechtsunkenntnis die logische Folge. Der Schutz der Institution Kirche sei im Vordergrund gestanden. Bei Verfehlungen von Laien habe es dagegen kein Fehlverhalten gegeben; es habe rasche Kündigungen gegeben.
Das Handeln der Verantwortlichen in der Erzdiözese sei über viele Jahre „von Chaos, subjektiv empfundener Unzuständigkeit und Missverständnissen“ geprägt gewesen, sagte Stirner. Geändert habe sich das erst mit Einrichtung einer Interventionsstelle im Jahr 2015.
Keine lückenlose Rekonstruktion möglich
Sein Team habe die Geschehnisse der Vergangenheit nicht lückenlos rekonstruieren können, sagte Gercke. „Wir haben erhebliche Mängel im Hinblick auf die Organisation des Aktenbestands sowie der Aktenführung im Erzbistum festgestellt.“ Zudem habe sein Team den Eindruck gewonnen, dass einige Aktenbestandteile fehlten. Vor allem einige ältere Akten seien handschriftlich geführt und zum Teil unleserlich. Im Laufe der Begutachtung seien auch mehrfach Unterlagen nachgereicht worden.
„Brüder im Nebel“
Der Strafrechtler sagte, dass der frühere Kölner Erzbischof Kardinal Meisner zusätzlich zu den Beständen der Erzdiözese einen eigenen Ordner mit Akten über „Brüder im Nebel“ geführt habe, „in dem er geheimhaltungsbedürftige Unterlagen aufbewahrt“ habe. Mindestens zweimal habe es Aktenvernichtungen gegeben, wie sie das kirchliche Recht jedoch vorschreibe. Die Gutachter hätten in diesen Fällen weitere Nachfragen bei verschiedenen Stellen der Erzdiözese unternommen.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki (r.) und der damalige Generalvikar Stefan Heße 2014
Vertrauenskrise
Das Zurückhalten des ersten Gutachtens hatte im größten deutschen Bistum eine Vertrauenskrise ausgelöst. Schon seit Monaten ist es äußerst schwierig, einen Termin für einen Kirchenaustritt zu bekommen. Sogar der ehemalige Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums, Oliver Vogt, trat aus Enttäuschung über den Umgang mit Missbrauch aus der Kirche aus.
„Große Enttäuschung und Irritation“
Anfang dieses Monats hatte das Erzbistum angekündigt, das erste Gutachten ab dem 25. März doch zur Einsicht auszulegen. Das gelte für „Betroffene, Medienvertreter und die interessierte Öffentlichkeit“.
Der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für Fragen des sexuellen Missbrauchs, Bischof Stephan Ackermann, kritisierte Woelki im Vorfeld.
Wichtige Diözese, viele Austritte
Das Erzbistum Köln ist eine der ältesten und zugleich die mitgliederstärkste römisch-katholische Diözese im deutschsprachigen Raum. Dem Bistum gehören derzeit rund 1,9 Millionen Katholikinnen und Katholiken an. Damit liegt das Erzbistum am Rhein noch vor Münster, Freiburg und Rottenburg-Stuttgart, die jeweils 1,8 Millionen Mitglieder verzeichnen. Zuletzt erhöhte sich die Zahl der Kirchenaustritte in Köln jedoch deutlich.
Die Diözese umfasst sieben Stadt- und acht Kreisdekanate im westlichen Nordrhein-Westfalen sowie im Norden von Rheinland-Pfalz. Zu den Stadtdekanaten zählen neben Düsseldorf und Bonn auch Leverkusen, Remscheid, Solingen und Wuppertal. Ebenfalls zum Erzbistum Köln gehören beispielsweise der Rhein-Erft-Kreis und der Kreis Altenkirchen im Westerwald.
Drittreichste Diözese Deutschlands
Die Kathedrale des Erzbistums ist die Hohe Domkirche Sankt Petrus, besser bekannt als Kölner Dom. Auch Schulen, Bildungseinrichtungen, Museen und ein Radiosender gehören zur Diözese. Im Erzbistum gibt es allein 48 katholische freie Schulen aller Schulformen mit knapp 2.400 Lehrkräften.
Seit 2013 gibt das Erzbistum Einblick in sein Vermögen. Im Geschäftsjahr 2019 erhöhte sich die Bilanzsumme der Diözese auf rund 3,9 Milliarden Euro, wobei die Kirchensteuer die wichtigste Ertragsquelle darstellte. Das Kölner Erzbistum ist damit nach Paderborn und München-Freising die drittreichste Diözese Deutschlands.
Seit dem 20. September 2014 ist der Kardinal Woelki Erzbischof von Köln. Er ist der 95. Bischof des Erzbistums.
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