[BLACKY74]

Rassismus in Deutschland
Deutsch (unter Vorbehalt)

Deutscher Pass, fremde Wurzeln – keine Frage: So jemand ist deutsch. Oder? Die Realität zeigt leider immer wieder: Es gibt Deutsche erster und zweiter Klasse.


Polizei in Stuttgart © [M] ZEIT ONLINE, Andreas Werner/​7aktuell/​imago images

Von Hasnain Kazim
Freier Autor

16. Juli 2020, 8:14 Uhr

Deutscher ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. So einfach ist das, zumindest juristisch. Aber dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist in den Köpfen vieler Menschen, ist Realität in Deutschland. Gerade bei denen, die im Zusammenhang mit "den Ausländern" von der "Einhaltung unserer Gesetze" reden. Hier nehmen sie es mit der Geltung des Rechts, und wir reden hier übrigens vom Grundgesetz, nicht so genau.

Der deutsche Pass reicht längst nicht aus, um von Deutschen als Deutscher akzeptiert zu werden. Um dazuzugehören. Zuletzt wurde das wieder ersichtlich, als die Polizei nach der Krawallnacht in Stuttgart ankündigte, bei den Standesämtern nachzuforschen, welche Nationalität die Eltern der Tatverdächtigen haben. Die Bild-Zeitung schrieb nach den Ausschreitungen, die Festgenommenen seien "zwölf Ausländer, neun Deutsche und drei Deutsche mit Migrationshintergrund". Wozu diese Unterscheidung zwischen "Deutschen" und "Deutschen mit Migrationshintergrund"?

Leider wird immer noch diese Abstufung gemacht. Es wird unterschieden zwischen "richtigen", "echten" Deutschen und "Passdeutschen", zwischen "autochthonen" oder "Bio-Deutschen" und solchen, die kein "deutsches Blut" haben. Ich bin also nur "Passdeutscher". Den Unterschied bekomme ich nahezu täglich in Zuschriften zu spüren, seit Jahren schon.

1993, ich war da 18 Jahre alt, schrieb mir ein anonymer Briefeschreiber: "Nur die paar tausend Ausländer, die einen Arbeitsplatz haben, dürfen bleiben, die keine Forderungen wie: deutsche Staatsbürgerschafts-Erpressung, Ausländer-Wahlrecht, Bleiberecht u. s. w. stellen. Nach getaner Arbeit, mit dem Erhalt der 1. Rente gehe die Ausländer ohne Aufforderung unsererseits in ihre Heimatländer zurück, in denen die meisten Ausländer sowieso mit den hohen deutschen Löhnen in ihrer Heimat Eigentumswohnungen und Mietshäuser gebaut haben!" Er unterzeichnete mit: "Parteilose deutsche Bürger mit tausendjährigem Stammbaum: deutsch!"

2017 schrieb mir Georg W. aus Zwickau: "Beweisen Sie, dass Sie Deutscher sind!!! Ein deutscher Pass genügt nicht!!!" Ich antwortete ihm, indem ich auf der Blockflöte die deutsche Nationalhymne spielte. Das Video davon ging viral, und es hat eine gewisse Tragikomik, dass ich für diese, nun ja, musikalische Antwort so viel Aufmerksamkeit bekam, inklusive Interviews mit Medien aus Japan und den USA.

Erst gestern schrieb mir jemand: "Die Polizei in Stuttgart handelt RICHTIG!!!! Kanaken wie du gehören NIE ZU DEUTSCHLAND, EGAL WELCHEN PASS IHR HABT!!!!!"

Auch als Einwanderer, Kind, Enkel oder Urenkel von Einwanderern bleibt man, deutscher Pass hin oder her, in den Augen mancher doch immer Deutscher zweiter Klasse. Man kann sich noch so sehr anstrengen, die Sprache beherrschen, sich engagieren, sich korrekt und gesetzestreu verhalten, Leistung bringen – so ganz gehört man für diese Leute nie dazu. Man bleibt immer "der Ausländer", "der Fremde", "der Migrant", "der Flüchtling".

Millionen Menschen machen diese Erfahrung

Und immer steht man mit seinem Reden und Handeln für die Gesamtheit aller Ausländer, Fremden, Migranten, Flüchtlinge. Die Autorin Kübra Gümüşay beschreibt es so: Jedes Mal, wenn sie bei Rot über eine Ampel gehe, habe sie dabei 1,9 Milliarden Muslime im Schlepptau. Genau dieses Gefühl befeuern Stuttgarter Polizei und Bild: Nicht die Einzelpersonen, sondern gleich "die Migranten" stehen unter Tatverdacht.

Millionen von Menschen machen diese Erfahrung des Ausgregrenztwerdens. Doch das Feindbild hat sich in den zurückliegenden Jahren verändert: Waren es noch in den Achtzigerjahren alle "Ausländer", unabhängig von Hautfarbe und Religion, die angefeindet wurden, richtet sich der Hass immer mehr gegen People of Color und Muslime beziehungsweise Menschen, die als Muslime gelesen werden. (Ich selbst bin zum Beispiel gar kein Muslim, werde aber aufgrund meines Namens und der Wurzeln meiner Familie in Pakistan als solcher wahrgenommen.)

Rechtsextremistische Parteien agieren zunehmend rassistisch. So warb die AfD im Wahlkampf mit russischen Wahlsprüchen und machte damit deutlich: Russlanddeutsche als Weiße sind ihr als Wähler willkommen, damit sie Politik gegen Muslime und nicht weiße Menschen machen kann. Der Münchner Politikwissenschaftler Lorenz Narku Laing spricht von einem "Anstieg eines rassistischen Ethnopluralismus". So gewinne eine Ideologie an Zulauf, "die davon überzeugt ist, in Europa sollten ausschließlich weiße Menschen leben". "In Deutschland akzeptieren viele Menschen noch immer nicht, dass ein schwarzer Mensch auch deutsch sein kann", sagt er.

Es ist eine Ideologie, der auch die "Identitären" anhängen. Die vom Verfassungsschutz beobachteten "Identitären" sehen eine ethnisch homogene "europäische Kultur" als Ideal, die durch "Islamisierung" bedroht werde. Die sich oft als Intellektuelle gerierenden Anhänger dieser völkisch denkenden Bewegung reden allen Ernstes von "Bevölkerungsaustausch" und von "Umvolkung", die in Deutschland stattfinde. Menschen wie ich seien demnach "Beitrag zum Bevölkerungsaustausch", wie mir ein "Identitärer" mal schrieb. Mit anderen Worten: Ich könne machen, was ich wolle, ein gleichberechtigtes Mitglied dieser Gesellschaft könne ich nicht werden.

Deutschland ist bunt, mehr als ein Viertel aller Menschen hat einen Migrationshintergrund. Migration bringt viele Vorteile mit sich, aber natürlich auch Herausforderungen und Probleme. Aber unabhängig von der Bewertung gilt: Dass Menschen wie ich Deutsche sind, ist gesellschaftliche Realität. Wir verstehen uns als Teil dieser Gesellschaft, reden mit, bestimmen mit, gestalten mit. Wenn nun "Identitäre" und andere Rassisten einem ausschließlich von Weißen bevölkerten Europa das Wort reden, frage ich mich, wie sie dieses – in Wahrheit glücklicherweise unerreichbare – Ziel zu erreichen gedenken. Wollen sie Menschen wie mich abschieben? Oder gleich alle umbringen?

Das klingt ungeheuerlich, aber es ist leider Teil des Denkens mancher, die zwischen "Deutschen" und "Deutschen mit Migrationshintergrund" unterscheiden. Die Drohbriefe gegen eine Juristin, gegen eine Politikerin und gegen eine Kabarettistin, die sich durch ihre Arbeit auf unterschiedliche Weise gegen Rassismus engagieren, kamen aus der hessischen Polizei. Ihre Daten wurden von hessischen Polizeicomputern abgerufen.

Solange Unterscheidungen zwischen "Deutschen" und "Deutschen mit Migrationshintergrund" toleriert werden, sogar in den deutschen Sicherheitsbehörden, in denen rechtsextremistische Unterwanderungen nicht aufgeklärt, sondern vertuscht werden, solange solch ein Denken und Handeln als "patriotisch" angesehen wird, solange ein Innenminister sagt "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" und "Die Migration ist die Mutter aller Probleme", ist in Deutschland noch eine Menge zu tun. Das sage ich als jemand, der dieses Land und seine Menschen und seine Vielfalt schätzt, von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen, von Aachen bis Frankfurt (Oder). Ich sage es als Deutscher.

Quelle:[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]

[MunichEast]

Danke für den großartiken Artikel ! [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]

[Avantasia]

Vielleicht sollten diese "Deutschen" mal ihre eigenen Wurzeln hinterfragen.

Ich Wette, da bleiben nicht mehr viele übrig, die keinen Migrationshintergrund haben.

[TinyTimm]

Jedes Mal, wenn sie bei Rot über eine Ampel gehe, habe sie dabei 1,9 Milliarden Muslime im Schlepptau

Ich bin nachts in Münster bei Rot über einen Zebrastreifen gegangen, weil weit und breit kein Fahrzeug zu sehen war, und wurde von meinen deutschen Begleiterinnen (wir waren Aussteller auf einer Messe) prompt als disziplinloser Ösi tituliert. Man muss also von nicht weit her kommen, um in Deutschland unangenehm aufzufallen.

[muavenet]

Zitat von TinyTimm

Ich bin nachts in Münster bei Rot über einen Zebrastreifen gegangen, weil weit und breit kein Fahrzeug zu sehen war, und wurde von meinen deutschen Begleiterinnen (wir waren Aussteller auf einer Messe) prompt als disziplinloser Ösi tituliert.

Ich hoffe, du hast dich von diesem Schock mittlerweile erholt.

[karfingo]

AKdomino nannte mich in einer negativen Bewertung: Versager. Erzähl uns was aus deinem Leben. Meine Antwort: Der Versager bereut nichts aus seinem Leben.

Tja, so sind einige Mitmenschen.

Gegen den Mainstream schwimme ich sehr gerne; über 60 Jahre bereits. Wer möchte mitschwimmen?

[muavenet]

Zitat von karfingo

Gegen den Mainstream schwimme ich sehr gerne; über 60 Jahre bereits.

Und was haste im Krieg gemacht?

[nichdiemama]

Zitat von muavenet

Und was haste im Krieg gemacht?

In welchem der vielen?

[Avantasia]

Mal ein Buchtipp dazu:

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Leseprobe:

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[karfingo]

Zitat von TinyTimm

Ich bin nachts in Münster bei Rot über einen Zebrastreifen gegangen, weil weit und breit kein Fahrzeug zu sehen war, und wurde von meinen deutschen Begleiterinnen (wir waren Aussteller auf einer Messe) prompt als disziplinloser Ösi tituliert. Man muss also von nicht weit her kommen, um in Deutschland unangenehm aufzufallen.

Disziplin stellt keine Hinterfragungen; arme DeutschTante.

Zitat von muavenet

Und was haste im Krieg gemacht?

2020 minus 60 = 1960. Es gab hier keinen Krieg seit dieser Zeit.
Wo lebst du eigentlich; hinterm Mond um halb zwei?

Zitat von PornoPups

Mir kommen die Tränen

Dann heul doch - mit den Wölfen. Näxter Vollmond ist Montag 2020-08-03 16:58.

[Avantasia]

Bitte bleibt sachlich.