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Corona-Folgen: Neue Weltordnung? Aber bitte!

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Ungelesen 24.05.20, 17:10   #1
Wornat1959
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Standard Corona-Folgen: Neue Weltordnung? Aber bitte!

Zitat:
Corona-Folgen
Neue Weltordnung? Aber bitte!

Verschwörungsgläubige sind wie schon die AfD das Symptom einer Politik ohne Ziele. Ihnen begegnet man nicht mit Argumenten, sondern mit Utopien. Jetzt ist die Zeit dafür.

Von [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]

23. Mai 2020, 12:35 Uhr 876 Kommentare


Diesen Mann kennen schon viel zu viele, sprechen wir also lieber über positive Zukunftsentwürfe. © Rolf Zöllner/​imago images, [M] ZEIT ONLINE

Ins Haus steht der Samstag, helle Vorfreude auf jene Horden demonstrierender Alleschecker, die begriffen haben, wer IN WAHRHEIT HINTER CORONA steckt. In welchem Verhältnis steht die ausführliche Berichterstattung über diese Menschen eigentlich zu der Bedeutung, die sie tatsächlich für die Gesellschaft haben? Ist es richtig im Sinne von wichtig, dass eine Großzahl der Bundesbürger inzwischen den nach Herrenunterwäschedesigner klingenden Namen "Ken Jebsen" kennt oder sollte dieser Mann im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht vielleicht doch eher unter ferner liefen rangieren?

Ich glaube ja, dass diese Demonstrationen beziehungsweise unsere gereizte Aufmerksamkeit auf dieselben ein Phänomen darstellen, das in seltsamer Weise die Talsohle der Pandemie abbildet. Das Desaster ist ausgeblieben oder gar, sorry, Herr Jebsen, verhindert worden, zumindest vorerst. Und so sind nun zwei Denkbewegungen möglich. Erstens: Die Aufarbeitung kann langsam beginnen. Wie richtig, wichtig, legal waren die Reaktionen von Politik und Verwaltung? Und zweitens: Die Leere vor uns wird offenbar. Jetzt, wo wir mutmaßlich wieder "frei" werden, zu agieren, zu gestalten, jetzt, wo der Zwang durch das Virus allmählich von uns zu weichen scheint (zumindest vorerst), stellt sich die Frage: Wohin wollen wir als Gesellschaft denn eigentlich? Zurück ins Alte? Vorwärts ins Neue?

Zunächst aber mal: Dieser möglich gewordene Rückblick. Als Lebendiggebliebene dürfen, müssen wir uns – auch im Gedanken an die Zukunft – die Frage stellen, ob die Maßnahmen der Regierung richtig waren oder nicht doch ein bisserl hysterisch. Da sind Leute gestorben, c’est triste, aber Jesses, Totalschaden der Wirtschaft dafür? Haben wir uns nicht, wie Paul Krugman in der New York Times kolumnierte, ein wenig so verhalten wie ein Elefant, der aus rasender Angst vor einer Mücke in einen Abgrund stolpert? Die WHO selbst sagt, dass an den ökonomischen Konsequenzen der Pandemie mehr Menschen sterben könnten als an dem Virus selbst.

"Ha!", sagt der Verschwörungstheoretiker. "Hinter der Radikalität der Maßnahmen steckt halt ein Plan! Irgendwer wollte, dass alles so kommt!" Dann schimpft er über die "Mainstream-Medien", scheint deren Inhalte allerdings gar nicht ernsthaft studiert zu haben. Sonst wüsste er, dass die gesamte Corona-Krise begleitet war von einem wieder und wieder transparent vorgetragenen Zweifel an den Maßnahmen, dem Zweifel aller an allem. Dass also sämtliche Virologen, Politiker und Kommentatoren ihre Unsicherheit über die Notwendigkeit der Maßnahmen [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ], ihre Ängste, Sorgen, ihre Ahnungslosigkeit. Die Politiker haben, und es ist wirklich eiskalt, ihnen das abzusprechen, geächzt über den gewaltigen Druck der Verantwortung, der sich mit der Pandemie auf ihre Schultern legte. Eiskalt – oder eben paranoid: Denn das vorsichtige Fahren auf Sicht erscheint dem Beobachter entweder schwankend, widersprüchlich, mal links, mal rechts, also halt als nervöse, angstmotivierte Improvisation – oder aber halt als die Spur eines Menschen, der etwas sehr Seltsames, ganz Spezifisches im Sinn hatte. Als Agenda.

Die Idee, dass ganz unterschiedliche Systemlogiken zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Maßnahmen und Einsichten produziert haben, aus denen sich widersprüchliche Handlungen, dumme wie kluge, gemeinschaftlich wie opportunistisch motivierte ergaben, scheint dem Verschwörungstheoretiker zu kuddelmuddelig. Er liebt es einfach und ordentlich.

Man muss auf ihn deswegen aber, bitte, nicht "zugehen". Die Politik dieses Landes hat sich keine mangelnde Kommunikation in Krisenzeiten zuschulden kommen lassen. Die Kanzlerin hat endlos ihre Videobotschaften aufgezeichnet, Fernsehansprachen gehalten, es gab Pressekonferenzen, Talkshows mit obersten Ministern, Interviews über Interviews, Essays, Analysen und so weiter.

Was allerdings fehlte, was weiter fehlt, was so lange schon so dringend fehlt, ist – apropos "vorsichtiges Fahren auf Sicht" – eine Kommunikation von Zielen.

Visionen, Utopien, Träumen

Ich meine das nicht im Sinne dieses berühmten, immer wieder verlangten, idiotischen "Fahrplans in die Normalisierung". Diese ganze Metapher nervt ja so gewaltig, "Fahrplan", "Normalität", was sollen diese Begriffe eigentlich bedeuten? Ist das Land ein Linienbus? Ich meine die Frage, wo wir eigentlich hinwollen. Ich rede von Visionen, Utopien, Träumen. Seit Jahrzehnten gab es keine dringendere Gelegenheit, über dieses Thema zu sprechen, als diese virusindizierte, und doch hört man hierzu: nichts. Wer von Visionen spricht, soll weiter zum Arzt, dieses Bonmot ist triste politische Leitlinie geworden. Und insofern hatte Francis Fukuyama natürlich doch und absolut Recht: das Ende der Geschichte, ja. Es gibt keine Richtung mehr, es geht um nichts mehr, wir sind in der Fortwurstelei gefangen.

Noch einmal ganz kurz: Die Pandemie war, auch wenn es sich sehr, sehr schnell schon gar nicht mehr so anfühlt, auch hierzulande wirklich besonders. Die Innenstädte schauten jeden Tag so aus wie Sonntagfrüh. Die Menschen saßen still zuhause. Alles hatte zu. Klopapier war ausverkauft. Ja, ich weiß, wir sind noch nicht zurück in der NORMALITÄT, aber ich rede von dieser kleinen Phase, in der sich die Welt seltsam magisch anfühlte, vielleicht nicht gerade gut magisch, aber magisch doch. Erinnern Sie die noch?

Corona, hieß es in dieser Zeit allerorten, stelle eine Zäsur dar. Stimmt das, aus heutiger Warte? Mein Eindruck des gegenwärtigen Kurses ist eher, dass Corona am Ende einen ordentlichen Riss, eine anständige Narbe darstellen soll und wird, aber keine Zäsur. Eine Zäsur ist, wenn das Alte aufhört, damit das Neue beginnen kann.

Tatsächlich glauben an die Zäsur eigentlich nur noch die Verschwörungstheoretiker, und vielleicht ist nichts mehr Emblem ihrer Verblendung als diese Tatsache. Sie glauben, dass Corona der Etablierung einer New World Order, also einer Neuen Weltordnung, dienen soll, sie glauben an ein sinistres Komplott der Eliten. Diese Idee wurzelt natürlich mal wieder in dem paranoiden Missverständnis, dass aus gar keinem Plan einen total geheimen Plan stricken möchte. Anders gesagt: Wenn die Regierenden, wenn die Parteien keine Vision der Zukunft haben, dann denken sich die Paranoiker halt einen für sie aus.

Ich persönlich würde mich ja sehr freuen, wenn es eine New World Order geben könnte (über deren inhaltliche Gestaltung dann freilich zu diskutieren wäre). Jedenfalls fände ich die Rückkehr zur Old World Order oder zur Normal World Order unfassbar deprimierend. Die Idee, dass selbst diese Pandemie den schlafwandelnd weiterbummelnden Koloss der Weltgeschichte nicht wecken konnte, sondern dass es alles wieder so weitergehen soll wie zuvor, ist mir ein Graus.

Verstehen wir uns nicht falsch: Klar habe auch ich Angst vor den ökonomischen Folgen dieser Krise, und erst recht Angst vor den politischen Folgen der ökonomischen Folgen. Natürlich finde ich diese seltsame Windstille gerade nicht ungruselig und denke mir oft, dass es vor Corona zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht so gemütlich war. Also, auch ich habe Ängste, und dabei ist es mir durch Corona nicht ansatzweise so sehr ans Schlafittchen gegangen wie so vielen, vielen anderen, deren Sorgen mir weitaus dringender, berechtigter, wichtiger erscheinen als jene von KEN JEBSEN, über den ich ab jetzt wirklich nie wieder ein einziges Wort hören oder lesen möchte.

Aber:

Die alte, leider offenbar nicht vollkommen verlorene Welt war zugleich doch auch schrecklich. Vor Corona war unser nachrichtlicher Alltag in diesem Land ein absolut grauenvoller Cocktail aus hässlicher Rechtsradikalisierung, schamloser Brutalisierung des Diskurses und niederschmetternden Wasserstandsmeldungen einer Umweltkatastrophe globalen Ausmaßes. Aber egal, wie viele Politiker erschossen, verletzt oder bedroht, wie viele Menschen verbal gekreuzigt, wie viele Koalas abgefackelt wurden, es ließ sich an all dem offenbar nichts ernsthaft ändern, man musste dem gefühlt einfach beiwohnen, woraus man eben folgern kann, dass das alles einfach nur gleichgültig war. Es gab so eine seltsame Gamification der Wirklichkeit, nichts hatte schwere Bedeutung, Konsequenz, Gravitas, es wirkte alles nur noch wie ein Spiel, ein Theater, eine Netflix-Show, wie das berühmte Debordsche Spektakel. Bald, das ist mein furchtbares Gefühl, wird auch Corona nur Spektakel gewesen sein.

Verwaltung des Status quo

Ich glaube, dass dieser Eindruck des Theaterhaften und Konsequenzlosen letztlich so eine Art Epiphänomen der Technokratie darstellt. Einer politischen Kultur also, die ihre Aufgabe in einer Verwaltung des Status quo sieht, die sich messen lassen will an verschiedenen Quotienten und Zählerständen, deren Impulse also stets der Anpassung, nie der Ausprägung dienen. Ich glaube, dass auch die AfD ein Phänomen der Technokratie darstellte und darstellt, ein Phänomen der richtungslos dahinplätschernden Gesellschaft, die irgendwann ihren ganzen ennui, ihre Autoaggression und Haltlosigkeit in Parteiform gießt. Ich glaube, dass auch die Demonstranten, die Verschwörungstheoretiker bloß die ersten Vorboten sind der Rückkehr in die sogenannte NORMALITÄT, in die visionslose, vom Doktor gut durchgecheckte Technokratie, deren Krebs allerdings, die politisch-ästhetische Einfallslosigkeit, langsam weitermetastasiert.

Man kann der AfD und den Verschwörungstheoretikern, man kann diesen Phänomenen, die offenbar alle Grundlagen auch ihrer eigenen Existenz abreißen wollen, nicht entgegenwirken durch Diskussion, durch Verweis auf die Faktenlage, durch Schulprogramme oder Aufklärungskampagnen. Man kann ihnen, das meine ich nun endlich begriffen zu haben, nur entgegenwirken, indem man über Utopien, über Ziele spricht.

Ich war vor ein paar Jahren mal in Palermo und durfte dort mit dem Bürgermeister Leoluca Orlando reden. Orlando hat in seiner Heimatstadt die Mafia besiegt, das war lange seine Vision: ein Palermo, das nicht der organisierten Kriminalität diente. Viele hielten ihn für verrückt, aber es ist ihm gelungen. Und als ich mit ihm sprach, waren gerade sehr viele Geflohene in Palermo, und Orlando formulierte seine neue Vision: aus der endlich dem Recht folgenden Stadt Palermo sollte eine Stadt der Menschenrechte werden, in der alle Menschen aller Herren Länder die gleiche Würde kannten und voreinander die gleiche Achtung. Das kam mir, Achtung, nachgerade utopisch vor, aber auch sehr schön, und ich fand, man spürte das Gemeinsame, das Kollektive, dadurch das Friedliche der geteilten Vision in den schönen Straßen der schönen Stadt.

Wir haben hier eine Regierung, die an vielen Lösungen arbeitet: Grundrente, Klimaschutzgesetz, Digitalisierung. Aber all diese Regelungen, die gefühlt abgearbeitet werden, haben kein gesellschaftliches Ziel vor Augen, eher, scheint mir, sollen sie dafür sorgen, dass die Bilanzen weiter anständig aussehen und heute genug getan wird, damit morgen nicht der Laden zusammenbricht. Und das ist sicher viel Arbeit, und vernünftig, aber es ist auch so furchtbar sisyphosmäßig und trist, weil es eben so wahnsinnig technisch und bürokratisch, letztlich so vollkommen unlustig, leblos, altersmüde wirkt. Es gibt kein Ziel jenseits des Erhalts, und ausgerechnet darin begegnen sich das politische Establishment und dessen radikalste Gegner: Denn erhalten muss man nur, was im Niedergang befindlich ist. Und all die Unzufriedenen, Aggressiven denken mit Nietzsche: Was fällt, das soll man auch noch stoßen.

Es herrscht, Corona sei Dank, eine Sekunde der Windstille. Und ich bin keiner, der jetzt einfach nur um auffrischenden Wind betet. Ich will wissen, wo das Land liegt, in das wir segeln wollen. Ich will, dass darüber breit geredet wird, dass die Parteien sich mal aus dem Fenster lehnen. Nicht erklären, welche Gesetze sie durchbringen wollen, sondern wozu. Was für eine Welt fändet ihr schön? Wie sähe die aus? Wo wollt ihr hin, jetzt, wo alles stillsteht? Woran dürfen wir Euch messen? Für welche Vision sollen wir euch wählen? Für welche Utopien habt ihr Kraft?
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"Mitleid und Erbarmen hielten Bilbos Hand zurück. Viele, die leben, verdienen den Tod und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben, Frodo? Dann sei nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand. Selbst die ganz Weisen erkennen nicht alle Absichten. Mein Herz sagt mir, dass Gollum noch eine Rolle zu spielen hat, zum Guten oder zum Bösen, ehe das Ende kommt." (Gandalf zu Frodo)
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