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Regierungsbefragung - Wie Merkel deeskaliert
Ein Bericht über die Stimmung im Bundestag...
Zitat:
Regierungsbefragung
Wie Merkel deeskaliert
Die Kanzlerin stellt sich erstmals in der Corona-Krise den Fragen der Abgeordneten. Obwohl die Kritik der Opposition zunimmt, geht es erstaunlich höflich und heiter zu.
Von Michael Schlieben
13. Mai 2020, 18:40 Uhr

Angela Merkel während der Regierungsbefragung im Bundestag © Michael Kappeler/dpa
Liest man in diesen Tagen die Tweets und Pressemitteilungen der Opposition in Deutschland, so ergibt sich schnell der Eindruck eines tief gespaltenen Landes. Der Ton wird giftiger.
Die FDP, die ihre anfängliche Unterstützung der Corona-Politik der Bundesregierung längst aufgegeben hat, warnt vor einem Kollaps der Wirtschaft. Die Linke wirft der Regierung vor, "den sozialen Ernst der Lage" immer noch nicht verstanden zu haben. Die Grünen, im Ton am konziliantesten, sorgen sich weiter um den Klimawandel. Und die AfD klingt fast noch mehr als sonst wie eine Ansammlung von Wutbürgern.
Allerdings ist dieser kraftstrotzende, alarmistische Duktus nur ein Teil der Wahrheit.
Das wurde in der Regierungsbefragung der Bundeskanzlerin an diesem Tag überdeutlich.
Es war das erste Mal, dass sich Angela Merkel in der Corona-Krise den Fragen der Abgeordneten stellte. Eine gute Stunde nahm sie sich dafür Zeit.
Aber wer erwartet hatte, dass die Opposition die Kanzlerin hart attackieren, sie gar "grillen" würde, wie manche es im Politjargon mitunter nennen, sah sich getäuscht. Die Atmosphäre im Deutschen Bundestag war überaus zivilisiert und diszipliniert. Es gab viel Sachlich-, mitunter sogar kollektive Heiterkeit.
"Das wissen Sie auch", sagt Merkel zum AfD-Mann
Das liegt zum einen am Format. Ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete fragt etwas, Merkel antwortet. Dann kommt der oder die Nächste, mitunter zu einem völlig anderen Themenkomplex. Die Redezeit ist knapp und wird streng vom Bundestagspräsidenten kontrolliert. Hitzige Debatten entstehen so nicht.
Es liegt aber auch an den Fragestellern. Manche Kritiker des Regierungskurses machen es Merkel leicht, indem sie übertriebene Bemerkungen in ihre Fragen einfließen lassen, mit denen sich die Kanzlerin dann kritisch oder sanft spöttisch auseinandersetzen kann. Eine Minute Antwortzeit ist schnell um.
Als der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla etwas zur Lage der Gastronomie fragen will, die, so Chrupalla, "von staatlicher Hilfe ausgenommen" ist, erwidert Merkel erst mal stoisch, welche Liquiditätshilfen und andere Maßnahmen tatsächlich bereits geflossen seien – "und das wissen Sie auch", sagt sie zu dem AfD-Mann. Der sieht in diesem Moment ein wenig so aus, als fühle er sich ertappt.
Der Linke kringelt sich vor Lachen
Andere verlieren sich in Details. Etwa der FDP-Politiker Manuel Höferlin, der sich darüber beklagen will, dass die Corona-App immer noch nicht am Start ist, obwohl doch schon wochenlang daran gearbeitet werde. Er stellt Fragen, auch zum "Design der App", zu deren "Farbgebung" und "Namen".
Merkel schaut halb mitleidig, halb belustigt. Okay, wenn das jetzt unsere größten Probleme sind … , signalisiert ihre Mimik. Und dann antwortet sie ausführlich, nicht unfreundlich, irgendetwas Unbestimmtes: Die App werde noch vor dem Impfstoff kommen, zumindest gehe sie davon aus.
Insgesamt sind die Abgeordneten fast alle recht zahm. Viele nicken höflich, wenn Merkel auf ihre kritischen Fragen antwortet. Ein Linke-Politiker lacht schallend, als Merkel eine pointierte Antwort gibt. Dabei geht es nicht um die prekäre Situation der Pflegenden, auf die er hingewiesen hat, sondern darum, dass Merkel angibt, sie sei ja "ein aufmerksamer Zeit-Mensch", sagt Merkel. Sie gebrauche diesen Terminus, "um nicht Genosse zu sagen". Der Linke kringelt sich.
Trocken, routiniert, detailgenau
Es liegt natürlich auch an der Kanzlerin selbst, die die Stimmung im Bundestag nicht hochschaukelt, sondern eher herunterdimmt. Sie antwortet einerseits trocken und routiniert. Stilistisch unterscheidet sich das nicht so sehr von ihrer letzten Regierungsbefragung vom Dezember 2019. Allerdings ging es damals noch vornehmlich um die Kassenbonpflicht. Petitessen im Vergleich zur heutigen Pandemie.
Andererseits hört sie dann doch genau zu und vermittelt den Fragestellern, dass sie diese ernst nimmt. Sie ist gut informiert, zeigt Detailkenntnis und die Bereitschaft, auf Kritik und Verbesserungsvorschläge einzugehen. Ihre Antworten haben oft ein ähnliches Muster: Merkel verweist auf die konkrete Politik (in der Gastronomie, an der Grenze oder in Schlachthöfen), die ihre Regierung bereits veranlasst hat.
Dabei lässt sie Schlagwörter und Fachausdrücke nur so purzeln. Dann räumt sie in einem zweiten Schritt ein, dass noch mehr getan werden könnte. Und das, drittens, dieses und jenes bereits in Planung sei.
Ihren Kurs, die Corona-Maßnahmen nur behutsam wieder zu lockern, verteidigt sie: "Ich bin fest davon überzeugt: Wenn wir konsequent bleiben, haben wir alle mehr davon." Sie verknüpft das aber nicht mit einem Angstszenario, sondern mit Lob und Zuversicht: "Wir haben einiges geschafft, das uns Mut machen kann."
Sie endet mit Selbstironie
Die Stimmung im Plenum ist entsprechend gut, der Neuigkeitswert hingegen gering. Als Breaking News melden die Nachrichtenagenturen hinterher. "Merkel: Stand heute sind keine Erhöhung von Abgaben und Steuern vorgesehen." Ein Satz, der mit "Stand heute" eingeleitet wird, kann, nun ja, morgen bekanntlich schon nicht mehr gelten.
Merkel endet mit einem rhetorischen Mittel, das für sie nicht untypisch ist: mit einem Funken Selbstironie. Es geht um mögliche weitere Hilfe für freiberufliche Kulturschaffende. Ein Abgeordneter regt eine bundesweit einheitliche Regelung an. "An mir wird es nicht liegen", sagt Merkel.
Sie spielt auf die Ministerpräsidenten an, die zuletzt häufiger mit eigenen Maßnahmen vorpreschten und sich dabei über Merkels Vorgaben hinwegsetzten. Und auf den Vorwurf, der im Raum steht: Sie lasse sich stets von den Länderchefs und -chefinnen auf der Kanzlerinnennase herumtanzen.
Das Plenum lacht. Als Merkel fertig ist, erhält sie Applaus aus mehreren Fraktionen. Auch das: eher ungewöhnlich für dieses Format. Und erst recht für ein angeblich tief gespaltenes Parlament.
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Quelle:
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Siehe auch... Krisen kann sie
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Geändert von pauli8 (13.05.20 um 22:36 Uhr)
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