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12.05.20, 20:11
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Wutbürger, Verschwörungstheoretiker, Wissenschaftsfeindlichkeit, Antisemitismus – Der
Zitat:
Wutbürger, Verschwörungstheoretiker, Wissenschaftsfeindlichkeit, Antisemitismus – Der gefährliche Post-Corona-Cocktail

Lange haben es die Menschen bei uns in Europa eindrucksvoll im Lockdown ausgehalten, sind den Anweisungen zum Social Distancing gehorsam gefolgt, haben sich schweigend dem allgemeinen Schicksal der Vernünftigen gefügt. Dabei hat der Corona-Virus etwas geschafft, an dem letztere schon fast verzweifelt waren: die öffentliche Blossstellung der Dummheit und intellektuellen Unredlichkeit der Rechtspopulisten. Jedes Interview und jede Presseerklärung von Donald Trump, jede Twitter-Nachricht von Jair Bolsonaro, jeder Macho-Ausbruch Vladimir Putins und jeder clownshafte Auftritt Boris Johnsons (vor seiner eigenen Infektion) liessen die Menschen in Europa aufatmen, dass sie bei sich zu Hause mit vergleichsweise besonnenem, vernünftigem und integrem politischem Führungspersonal gesegnet waren. Langweilige, weil pragmatische und besonnene Politiker wie Angela Merkel in Deutschland oder Simonetta Sommaruga in der Schweiz (amtierende Bundesrätin), oder auch der jung-dynamische Sebastian Kurz waren ein wohltuender Kontrast zu den narzisstischen und jeder Vernunft entbehrenden Ausbrüchen eines Trumps oder Bolsonaros. Anders als in den USA oder Brasilen, wo «Wutbürger» – sich auf ihren «Wutpräsidenten» berufend – schon früh auf den Strassen waren, um ihren Gemütszustand zum Ausdruck zu bringen, waren die Menschen in Europa lange ruhig und warteten ab, wie sich die Pandemie entwickeln würde. Und nun wird immer klarer: Die Europäer erwiesen sich als weitaus erfolgreicher beim Bekämpfen der Pandemie. Während in den USA und dem Vereinigten Königreich die neuen Fall- und Todeszahlen seit mehr als sechs Wochen auf erschreckend hohem Niveau stagnieren und in Russland und Brasilen die Corona-Opfer nach anfänglichen Beteuerungen der Unverwundbarkeit der jeweiligen Bürger sogar immer noch dramatisch ansteigen, scheint Europa über den Berg, zumindest für jetzt. Deutschland, die Schweiz und Österreich sind mit ihren Fallstatistiken wieder dort, wo sie vor den Corona-Massnahmen waren, und die lange besonders stark gebeutelten Länder Italien, Spanien und Frankreich auf sehr gutem Weg dahin. Es erscheint, dass das Befolgen der Ratschläge der Wissenschaftler, die Besonnenheit der politischen Entscheidungsträger (die den Ratschlägen der Wissenschaftler folgten) und die Vernunft der Bürger im interdemokratischen Vergleich mit England, Amerika, Russland und Brasilien die entscheidenden Vorteile des europäischen Weges in der Corona-Krise darstellen (auf eine Diskussion der Massnahmen der autokratischen, aber nicht unbedingt populistischen Regierungen in Asien soll hier verzichtet werden).
Doch auf einmal, nach vielen Wochen des Ausharrens und Warten, erleben wir auch in Deutschland, der Schweiz und Österreich öffentliche Proteste und Demonstrationen gegen die vor Wochen beschlossenen Massnahmen. Der Erfolg gibt den getroffenen Regierungsbeschlüssen recht, macht sie zugleich aber auch angreifbar. «War doch alles nicht so schlimm», «Hätte es das wirklich gebraucht?», «Die Therapie war schlimmer als die Krankheit» heisst es nun immer mehr. Natürlich entbehren solche Aussagen nicht massloser Dummheit, oder wie der bekannte theoretische Physiker Wolfgang Pauli sagen würde: Sie sind nicht nur nicht richtig, sie sind nicht einmal völlig falsch. Sie entsprechen Vor-Corona-Aussagen wie «Ist doch nur eine Grippe» oder «Mich kann es ja nicht treffen» oder «Wenn es wärmer wird, verschwindet es auf wundersame Weise», die wir gerade von rechtspopulistischen Machthabern in Amerika, England, Brasilien oder Russland gehört haben.
Betrachtet wir die Menschen, die nun auf solchen (die Regeln des Social Distancing verletzenden) Demonstrationen ihre Wut herausbrüllen, so erkennen wir unter ihnen bestimmte, immer wiederkehrende und mehr laut- als zahlenkräftige Gruppen:- Rechtextremisten, die den Augenblick nutzen, um ihre Hetze gegen die Regierung, gegen Ausländer und Andersdenkende, gegen Wissenschaft und so ziemlich alles, was nicht in ihr limitierts Weltbild passt, an den Mann zu bringen (es handelt sich hier in den meisten Fällen um Männer) und dabei immer wieder die alte Mär von einer Meinungsdiktatur der Regierung und den Wissenschaftlern von sich geben,
- Anti-kapitalistische Linke, die die Gelegenheit gekommen sehen, um endlich mit einem verhassten Wirtschaftssystem abzurechnen,
- Verschwörungstheoretiker, die glauben, dass dunkle Mächte (Bill Gates, chinesische 5G-Technologen, eine heimliche Weltregierung a la Bilderberger oder Freimaurer) ihren eigenen Interessen nachgegen, zulasten der breiten Mehrheit, dem «Volk», und die daraus ihr eigenes Recht auf Widerstand ableiten,
- Esoteriker, die mit ihrem Überwissen auf jenseitige Kräfte hinweisen, auf die wir uns, anstatt staatlichen Anweisungen zu folgen, doch stützen sollen,
- Impfskeptiker, die davor warnen, dass die Regierungen ihre Bürger schon bald dazu zwingen werden, sich einen Chip einzusetzen, damit sie uns alle kontrollieren können,
- Antisemiten, die den Grund allen Übels, und damit auch für die Corona-Krise, in den Machenschaften einer weltweiten jüdischen Verschwörung gegen Nicht-Juden sehen,
- C-Promis, de jede Chance zur Aufmerksamkeit zu nutzen versuchen und sei der Weg noch so dämlich,
- Reaktionäre Kirchenvertreter, die Hassparolen von sich geben und auf ihr Recht der Massenpredigt pochen, was beides schon im Mittelalter die Pest hat erst so schlimm werden lassen,
- Wissenschaftsskeptiker, die mit ihren eigenen Theorien etabliertes Wissen über den Haufen werfen wollen und die Corona-Krise als willkommene Chance sehen, nun die Welt über die abstrusen Produkte ihres Geistes zu informieren, oder die nur «machthungrigen Wissenschaftlern» ihre Grenzen aufzeigen wollen. Ganz nach der «Logik»: Wir sind in einer Corona-Krise. Nun wird es daher Zeit, endlich mal die Deutungsmacht der korrupten Wissenschaftler zu brechen. So gibt es eine erstaunliche laute Gruppe von Menschen, die, ohne auch nur annähernd die dafür notwendige physikalische Bildung zu besitzen, die Relativitätstheorie widerlegt zu haben glauben oder die scheinbaren Widersprüche der Quantentheorie dazu verwenden, um das Weltbild der modernen Physik grundlegend zu verdammen. In entsprechenden Internetforen zeigt sich hier ein erstaunlicher Überlapp mit «Corona-Skeptikern».
Fakt ist: In Ländern wie Deutschland, der Schweiz und Österreich, ja in jeder Demokratie der Welt, sind Grundrechte derzeit stark eingeschränkt, etwa die Versammlungsfreiheit oder die Freizügigkeit in der Mobilität. Solange sie nicht willkürlich ausgesetzt sind, sondern mit gutem Grund und zeitlich begrenzt, so wie jetzt, steht dies zu 100% auf dem Boden unserer Verfassungen. Fakt ist auch, dass die Wissenschaftler noch bei weitem nicht alles über das Covid-19 Virus wissen. So ist jede politische Entscheidung auch eine Risikoabwägung. Dass sich dabei im Nachhinein bei klarerem Wissen zeigt, dass die ein oder andere Entscheidung nicht optimal war, liegt in der Natur von solchen Abwägungen. Aber darum darf es nicht gehen. Es entspricht nicht der Methode der Wissenschaften, am Anfang schon alles über einen neuen Gegenstand oder eine neue Erscheinung zu wissen. Vielmehr folgt sie einer Methode, die den Status quo unseres Wissens ständig hinterfragt, so dass wir in einer nicht endenden kritischen Reflexion unseres gegenwärtigen Denkens, Erkennens und Meinens mit der Zeit immer besser Bescheid wissen. Weniger geduldigen, von ihrem eigenen Wissen stets zu 100% überzeugten oder allgemein von starken Botschaften getriebenen Zeitgenossen ist dieser mühsame Weg, den Dingen auf die Spur zu kommen, nicht leicht zu vermitteln. Was in der Wissenschaft Normalität ist, nämlich, dass jede Erkenntnis innerhalb der Community immer auch angezweifelt und kontrovers diskutiert wird, sorgt bei diesen Menschen für Verunsicherung – und erlaubt es Esoterikern und anderen Fanatikern unter ihnen leider auch, wissenschaftliche Erkenntnisse per se anzugreifen, gerade weil diese nie den Anspruch ewiger Wahrheit mit sich führen.
Gerade in der gegenwärtigen Krise, in der wir immer noch versuchen den Covid-19-Virus genauer und genauer zu verstehen, stehen wissenschaftliche Ergebnisse immer wieder auf dem Prüfstand und werden dabei auch kontrovers diskutiert. Aber sie geben uns nichtsdestotrotz immer noch die besten Wahrheiten und Richtlinien in dieser schwierigen Zeit. Die aufgezeigten unterschiedlichen Erfolge der verschiedenen Länder in der Corona-Krise haben dies eindrucksvoll aufgezeigt.

Veröffentlicht von Lars Jaeger
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Jahrgang 1969 habe ich in den 1990er Jahren Physik und Philosophie an der Universität Bonn und der École Polytechnique in Paris studiert, bevor ich am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden im Bereich theoretischer Physik promoviert und dort auch im Rahmen von Post-Doc-Studien weiter auf dem Gebiet der nichtlinearen Dynamik geforscht habe. Vorher hatte ich auch auf dem Gebiet der Quantenfeldtheorien und Teilchenphysik gearbeitet. Unterdessen lebe ich seit nahezu 20 Jahren in der Schweiz. Seit zahlreichen Jahren beschäftigte ich mich mit Grenzfragen der modernen (sowie historischen) Wissenschaften. In meinen Büchern, Blogs und Artikeln konzentriere ich mich auf die Themen Naturwissenschaft, Philosophie und Spiritualität, insbesondere auf die Geschichte der Naturwissenschaft, ihrem Verhältnis zu spirituellen Traditionen und ihrem Einfluss auf die moderne Gesellschaft. In der Vergangenheit habe ich zudem zu Investment-Themen (Alternative Investments) geschrieben. Meine beiden Bücher „Naturwissenschaft: Eine Biographie“ und „Wissenschaft und Spiritualität“ erschienen im Springer Spektrum Verlag 2015 und 2016. Meinen Blog führe ich seit 2014 auch unter [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ].
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"Mitleid und Erbarmen hielten Bilbos Hand zurück. Viele, die leben, verdienen den Tod und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben, Frodo? Dann sei nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand. Selbst die ganz Weisen erkennen nicht alle Absichten. Mein Herz sagt mir, dass Gollum noch eine Rolle zu spielen hat, zum Guten oder zum Bösen, ehe das Ende kommt." (Gandalf zu Frodo)
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Die folgenden 2 Mitglieder haben sich bei Wornat1959 bedankt:
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13.05.20, 10:09
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#2
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Mitglied
Registriert seit: Mar 2020
Beiträge: 371
Bedankt: 427
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Ohne Zweifel ist ein Physiker die erste Adresse, wenn man Fragen zu Epidemilogie, Sozialmedizin, Psychologie u.s.w. hat.
Die politischen, ideologischen, gesellschaftlichen, sozialen und psychologischen Folgen des Shutdowns werden langsam sichtbar, wenn ich z.B. an die Verschwörungstheoretiker und Psychotiker wie den völlig durchgeknallten Koch denke.
Das wird Tag für Tag bedeutsamer, während die Zahl der Corona-Neuinfektionen nunmehr schon seit 2 Wochen nur noch im 3-stellig (Meldeverzögerungen geglättet) liegt.
Wieviel Übersterblichkeit wir durch Suizide, spät diagnostizierte Krebserkrankungen, Herzinfarkte, Schlaganfälle etc. bekommen, wird die Zukunft zeigen.
Es gibt gute Gründe, anzunehmen, dass die Sauce teurer wird, als der Braten.
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13.05.20, 12:14
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#3
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Erfahrener Newbie
Registriert seit: Apr 2011
Beiträge: 191
Bedankt: 182
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Zitat:
Ohne Zweifel ist ein Physiker die erste Adresse, wenn man Fragen zu Epidemilogie, Sozialmedizin, Psychologie u.s.w. hat.
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Siehe Harald Lesch, der uns jeden Tag auch ausserhalb der Physik die Welt erklärt.
Es ist schon sagenhaft, mit was man Kritiker so alles überschüttet. Sicher sind wie oft auch zutreffend gesagt, völlig Irre dabei. Wie jener Koch eben, der bei seinen Töpfen bleiben sollte. Vegan ist eben doch ungesund.  Oder dieser Bekloppte von staatenlos.info, der seine Meise einfach nicht aus dem Kopf entlässt, keine anderen Lebensinhalt zu haben scheint, wir wären Personal der BRD GmbH...grummel....
Aber Kritik muss trotzdem möglich sein. Jetzt würde man sagen, ja ist doch erlaubt. Sicher ist das erlaubt, aber die Folgen? Da hat man plötzllich kein Problem mit Diskriminierung. Geht ja nur um so etwas unwichtiges wie die freie Meinung. Oder wurde die auch schon unbemerkt abgeschafft? Denn alles in einem Topf zu schmeissen, ist zwar praktisch, aber nicht zielführend. Es ist nunmal nicht alles Schwarz und Weiss.
Derzeit scheinen sich aber zwei Seiten zu bilden, die beide ohne ******* kaum noch auskommen können. Damit wird "Volk" beschäftigt, während die Probleme auf der Strecke bleiben könnten.
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Folgendes Mitglied bedankte sich bei wennsdennseinmuss:
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