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10.01.20, 06:22
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#1
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Silent Running
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Die Lage am Morgen Was macht den Erfolg der Grünen aus?
Zitat:
Die Lage am Morgen
Was macht den Erfolg der Grünen aus?

Von Sebastian Fischer , Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüro
10.01.2020, 05:39 Uhr
Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen!
Heute beschäftigen wir uns mit dem Absturz der ukrainischen Passagiermaschine nahe Teheran, dem "Sozialdemokraten" Thilo Sarrazin sowie dem fulminanten Wandel der Grünen.
[...]
Von der Anti-Parteien-Partei zur Staatspartei

Daniel Reinhardt/ dpa
Ein Gastauftritt des Bundespräsidenten? Als sich im Januar 1980 die Delegierten der Grünen in der Karlsruher Stadthalle zur Gründung einer Bundespartei zusammenfanden, war das undenkbar. Vier Jahrzehnte später haben sich die Grünen von der Anti-Establishment-Partei zur Staatspartei gewandelt, heute Abend hält Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Grünen die Geburtstagsrede zum 40.
Im Grundsatzprogramm von 1980 steht gleich zu Beginn der Satz: "Wir sind die Alternative zu den herkömmlichen Parteien." Alternative. So bezeichnen sich die Rechtspopulisten von heute. Der Unterschied: Nach Parteiwerdung ließen die Grünen die radikaleren Mitstreiter und Positionen links wie rechts hinter sich und stehen heute als bürgerliche Kraft im Zentrum des Parteiensystems.
Die AfD hingegen radikalisiert sich seit ihrer Gründung immer weiter - wovon wiederum die Grünen profitieren: Sie werden als kontrastreicher Gegenspieler wahrgenommen. Obwohl in der Opposition, wirkt im Kampf gegen die AfD keine Partei staatstragender als die einstigen Ökopaxe.
In Umfragen liegen die Grünen bei 20 Prozent plus X, die nächste Bundesregierung wird womöglich eine schwarz-grüne sein. Oder gar eine grün-schwarze? Der Politikwissenschaftler Joachim Raschke legte vor 20 Jahren eine aufsehenerregende Studie zu den ersten beiden Jahren der Partei in der rot-grünen Bundesregierung vor. "So kann man nicht regieren", stand darüber. Die Grünen steckten in einer tiefen Krise, Raschke diagnostizierte Führungsversagen.
Seine Krisen-Analyse taugt heute spiegelbildlich als Analyse des Erfolgs. Denn fast alles, was die Grünen damals falsch machten, machen sie heute richtig. Raschke fragte: Wie können Parteien heutzutage erfolgreich sein? Seine Antwort:
"Durch ein kompliziertes, professionelles Zusammenspiel zwischen wenigen, strategiekompetenten Personen an der Spitze, der Partei als einem zunehmend symbolischen Akteur, den Wählern und den Medien. Wer die Regeln dieses Spiels, das immer weniger mit älteren Vorstellungen von innerparteilicher Demokratie, Programm- oder Mitgliederpartei zu tun hat, nicht kennt und sich für dieses strategisch-symbolische Spiel nicht fit macht, verliert über kurz oder lang."
Die Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock haben dieses Spiel drauf, sie haben ihrer Partei nicht nur ein strategisches Zentrum verpasst, sondern sie auch zur Projektionsfläche für politische Sehnsüchte sehr unterschiedlicher Wählersegmente gemacht.
Übrigens ist aktuell wieder eine Partei zu beobachten, die bei nahezu allen Erfolgskriterien Raschkes nicht liefert: die SPD.
Im heute erscheinenden neuen SPIEGEL dürfen Sie sich auf den Text von Julia Amalia Heyer und Ralf Neukirch freuen, die den langen Weg des grünen Wandels beschreiben.
[...]
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr Sebastian Fischer
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Quelle:
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Die folgenden 3 Mitglieder haben sich bei pauli8 bedankt:
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10.01.20, 08:27
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#2
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Freigeist
Registriert seit: Sep 2010
Ort: München
Beiträge: 11.319
Bedankt: 23.582
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Realo und Fundis. Mit Fundis kann man wenig verändern, nur heiße Luft ohne die Kraft für Veränderung. Mit Realpolitik kann man Dinge verändern, zwar mit Kompromissen aber der Wandel ist stetig. Natürlich ist die Poltik auch bei uns sehr stark amerikanisiert. Kaum jemand kennt Programme und Ziele, hauptsache das Lächeln und Auftreten erscheint sympathisch und glaubhaft.
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10.01.20, 08:50
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#3
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Chuck Norris
Registriert seit: Sep 2009
Beiträge: 3.738
Bedankt: 5.859
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Das ist schon so armselig das man lachen muss: Die Grünen sitzen in der Opposition und können demnach verkünden was sie wollen. Es ist die AfD, die die Grünen so stark hat werden lassen. Keine, aber auch wirklich keine Partei und kein Medium, kann den grünen so stark den Stempel aufdrücken irgendwo links im Spektrum stehen zu können. Beide Parteien bedingen einander und leiten ihren Erfolg voneinander ab.
Das die Partei PR technisch darüber hinaus das Beste darstellt, was die Politiklandschaft zu bieten hat: geschenkt. Davon kann sich niemand was kaufen.
Was die Grünen in der Regierungsverantwortung machen hat man unter Rotgrün gesehen. Da es nie eine Aufarbeitung dieser Zeit gab, sind auch die Forderungen die dieser Zeit zuwider laufen entsprechend glaubwürdig. Wem das nicht reicht nehme das Gebaren Winfried Kretschmanns hinzu, und zwar auf so ziemlich allen Feldern. Und wem das nicht reicht, nimmt die Verteilung der [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]hinzu. Die spenden sicher nicht für eine Politik die ihnen ihre Geschäfte vermiest, was aber leider bei den künftigen Herausforderungen unumgänglich ist.
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Die folgenden 5 Mitglieder haben sich bei Nana12 bedankt:
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10.01.20, 09:53
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#4
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Profi
Registriert seit: Jan 2013
Beiträge: 1.694
Bedankt: 1.922
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"Was macht den Erfolg der Grünen aus?"
Schlicht und einfach die Dummheit der Bevölkerung, von denen viele glauben die Grünen wären ernsthaft eine Umweltpartei und i.d.R. nicht mal ansatzweise ahnen welche Verbots- und Teuerungspest sie sich damit auf den Hals holen würden.
Ob die Bevölkerungsmasse die "Segnungen" dieser Partei dann auch bezahlen kann war dagegen noch nie ein "grünes" Thema. Und niemals vergessen ihre Rolle als grüne Steigbügelhalter bei dem größten Sozialraub der Nachkriegsgeschichte, den Harzverbrechen von rosarot/grün...
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Die folgenden 2 Mitglieder haben sich bei acherontia bedankt:
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10.01.20, 10:35
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#5
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Echter Freak
Registriert seit: Apr 2009
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Schlicht und einfach die Menschen, die begriffen haben, wie teuer uns der bisherige Weg zu stehen kommen wird. Diejenigen, die langfristig denken können und wissen, dass diese Art der Wirtschaft am Ende mehr Ertrag erbringt.
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Die folgenden 5 Mitglieder haben sich bei csesraven bedankt:
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10.01.20, 11:26
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#6
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Profi
Registriert seit: Jan 2013
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Bedankt: 1.922
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Nichts und niemand wäscht die Grünen von der Mitwirkung an den Verbrechen gegen die ärmsten dieser Gesellschaft rein...
Es gibt genug die das niemals vergessen werden.
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10.01.20, 11:35
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#7
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Uploader
Registriert seit: Aug 2018
Beiträge: 336
Bedankt: 433
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Zitat:
Was macht den Erfolg der Grünen aus? 
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Ja, wird sich sicherlich noch in der Zukunft herausstellen, wenn Deutschland komplett an die Wand gefahren ist und vom Industriestaat zum Agrarstaat geworden ist.
Und dann wird es sicherlich interessant werden!
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Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.
Walter Ulbricht (1893-1973), Deutscher Politiker (SED / DDR))
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10.01.20, 11:43
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#8
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AZOR AHAI
Registriert seit: Aug 2013
Beiträge: 5.461
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Zitat:
Zitat von MunichEast
[...]Natürlich ist die Poltik auch bei uns sehr stark amerikanisiert. Kaum jemand kennt Programme und Ziele, hauptsache das Lächeln und Auftreten erscheint sympathisch und glaubhaft.
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Das ist der ehrlichste Satz von Dir, den ich jemals las. ^^
Damit ist alles kurz und knapp gesagt.
Die Klimakrise und Greta's Engagement hierfür, darf sich ein NIEMAND vor den Karren spannen
Sollte diese Aussage nicht abschreckend wirken, wenn man gar nicht weiss was einen erwartet?
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10.01.20, 11:46
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#9
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Super Moderatorin
Registriert seit: Mar 2009
Ort: South Bronx
Beiträge: 24.096
Bedankt: 63.070
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Könnt ihr auch mal Sachlich, anstatt dem ständigen Mimimi?
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10.01.20, 11:49
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#10
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Master of Desaster
Registriert seit: Dec 2014
Beiträge: 4.298
Bedankt: 3.395
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Der Titel sagt letztendlich aus
Was macht den Erfolg der Grünen aus?
Zur Zeit oder seit einiger Zeit:
Im Auftritt pragmatische Politik , bei der man abwarten kann, wann einem die Baelle zugespielt werden.
Und die Kunst, derzeit, ohne weitere vorlaute Dazwischenrufe eigener Erlesenener aus den eigenen Reihen, wie in Kindergaerten z.B. ueblich.
An einem Strang zu ziehen oder platt gesagt, eine Gewisse Haltungsrichtlinie, sich nicht andauernd selbst in Frage zu stellen.
Die tatsaechliche Regierungsaehigkeit des Landes ist noch nicht erwiesen.
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10.01.20, 11:51
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#11
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Freigeist
Registriert seit: Sep 2010
Ort: München
Beiträge: 11.319
Bedankt: 23.582
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Zitat:
Zitat von MotherFocker
Die Klimakrise und Greta's Engagement hierfür, darf sich ein NIEMAND vor den Karren spannen
Sollte diese Aussage nicht abschreckend wirken, wenn man gar nicht weiss was einen erwartet?
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Wir wissen wohin die Reise geht, wenn nichts unternommen wird. Nur die drei Affen ignorieren was jetzt schon aktuell auf der Welt passiert und schädigen weiter die Umwelt und schlußendlich sich selbst damit !
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11.01.20, 00:21
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#12
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Silent Running
Registriert seit: Feb 2010
Beiträge: 7.191
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Hier die Rede von Bundespräsident Steinmeier bei den Grünen im Wortlaut.
Zitat:
40 Jahre Die Grünen
Berlin, 10. Januar 2020

Gnädig war es nicht gerade, das Establishment. Selbst die Süddeutsche Zeitung, kaum als reaktionäre Kampfpostille bekannt, schrieb am 15. Januar 1980: "Wer den Gründungskongreß der Grünen in allen Phasen erlebt hat, dem muß die Vorstellung, die Entscheidung über eine neue Regierung, ja gar die innen- und außenpolitische Handlungsfähigkeit einer Bundesregierung solle im Zweifel von dieser Organisation abhängen, grelle Alpträume verursachen."
Oha. Grelle Alpträume. Umgekehrt aber wäre es vermutlich für so manche Gründungsgrüne der grelle Alptraum gewesen, hätten sie gewusst, dass 40 Jahre später ausgerechnet der Bundespräsident, sozusagen das amtgewordene Establishment, zur Geburtstagsparty kommt. Auf Einladung des Vorstands! Mit Rederecht! Aber keine Sorge, Aufstehen und Hymne singen, hat mir das Protokoll versichert, wurde heute hier im Motorwerk nicht angeordnet.
Das Wichtigste also ganz am Anfang: Herzlichen Glückwunsch, liebe Frau Baerbock, lieber Herr Habeck, liebe Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen in Ost und West, im ganzen Land. Alles Gute zu diesem doppelt runden Geburtstag!
Die Grünen haben das Land verändert – und das Land hat die Grünen verändert. Deutschland ist offener geworden und vielfältiger, menschlicher und moderner in diesen 40 Jahren. Vor allen Dingen aber ist die Ökologie seit 1980 aus der Politik nicht mehr wegzudenken. Mehr noch: Ökologie und Nachhaltigkeit sind zum Maßstab von Politik geworden – auch weit jenseits dieser Partei.
Und auch die Grünen selbst sind gewachsen, gemessen nicht nur an Umfragen, Mitgliedern oder Wahlergebnissen, sondern auch an ihrem Willen, Partei zu sein und zugleich das Bild dessen aufzubrechen, zu verändern, was eine politische Partei ist und sein kann. Und: Gewachsen sind sie nicht zuletzt an ihrer Bereitschaft, Verantwortung zu schultern für alle Menschen in diesem Land – und für Rechtsstaat und Demokratie.
Dafür will ich Ihnen heute Danke sagen. Sie haben viel dazu beigetragen, dieses Land vielfältiger und moderner zu machen. Sie haben 40 Jahre Politik in Deutschland mitgeprägt und auch neu geprägt – anfänglich gegen heftige Widerstände in großen Teilen der Gesellschaft. Wenn sich heute Ihre Themen in den Programmen der meisten anderen Parteien wiederfinden, muss Sie das nicht ärgern. Im Gegenteil, es ist doch ein Hinweis darauf, dass Sie Fehlstellen früher als andere erkannt und mit politischem Inhalt, mit Hartnäckigkeit und wachsender Zustimmung gefüllt haben. Dafür haben Sie meine aufrichtige Anerkennung!
Meine Damen und Herren, darf der das denn? Darf denn ein überparteilicher Bundespräsident einer einzelnen Partei danken? Die Frage ist berechtigt. Und bevor sich jetzt manche Journalistenstirn in Falten legt: Keine Sorge, der Bundespräsident ist und bleibt überparteilich. Aber parteiisch bin ich sehr wohl – ich glaube, ich muss es sogar sein in dieser Zeit: parteiisch für die Demokratie.
Denn auch das führt uns heute hier zusammen. Sie spüren ebenso wie ich: Dies sind Bewährungsjahre für unsere Demokratie. Wir leben in spannungsgeladenen, in hochpolitischen Zeiten. Zeiten von Dauerempörung, von wachsender Polarisierung und Verrohung, mit Hass und Hetze, insbesondere, aber längst nicht nur im Netz. Es greift eine neue Faszination des Autoritären um sich, und zugleich wächst die Ungeduld mit der Demokratie. Mit repräsentativen Verfahren können viele immer weniger anfangen. 80 Prozent der jungen Leute haben nach einer neuen Studie kein Vertrauen in Parteien.
Zehntausende von ihnen machen aber trotzdem Politik – Politik auf anderen Wegen: Sie gehen ins Internet und auf die Straße, für Klimaschutz, für die Freiheit im Netz, gegen Ausgrenzung und Rassismus.
Manche in Parteizentralen oder Gemeinderäten oder Zeitungsredaktionen – und ja, auch in Bellevue – reiben sich deshalb die Augen und fragen: Gräbt dieses neue Engagement unserer gewachsenen, repräsentativen Demokratie das Wasser ab? Unterspült die wachsende Skepsis gegenüber den politischen Parteien nicht das Fundament, auf dem in unserem Verfassungsgefüge so vieles ruht? Und vor allem: Wie soll die sogenannte etablierte Politik mit alledem umgehen?
Meine Antwort wäre: Schaut auf diesen Geburtstag! Schaut auf diese Partei! Ich finde, bevor wir vorschnell den Untergang der Demokratie herbeireden, lasst uns diesen Anlass nutzen und einen Blick in die Geschichte werfen.
Wenn wir nachdenken über politische Umbrüche, über die Anfechtung staatlicher Institutionen und letztlich über die Veränderungsfähigkeit, die Erneuerung von Demokratie, dann lohnt ein Blick in jene bewegte Zeit, die Gründungsphase der Grünen.
In welcher Periode bundesdeutscher Geschichte gab es je eine stärkere Sonderkonjunktur von Engagement außerhalb von Parlamenten und Parteien als damals mit den Neuen Sozialen Bewegungen? Vor allem aber: An welchem Beispiel könnte man besser verstehen, wie ganz unterschiedliche und oft genug gegensätzliche Kräfte zusammenfinden können? Wie über die Jahre aus Umwelt-, Frauen- und Friedensbewegten, aus Gruppen und Strömungen eine Partei werden konnte, die diese Demokratie verändert hat?
"Bäuerliche Bauplatzbesetzer vom Kaiserstuhl begegnen radikalen Feministinnen aus Köln. Militante Brokdorf-Gegner diskutieren mit Vogelschützern aus Niedersachsen. Punks mit Schlipsträgern. Kommunistinnen mit Anthroposophen." So beschrieb eine prominente Delegierte den Gründungsparteitag von Karlsruhe. Und ich vermute, wer von Ihnen dabei war, dem muss diese heutige Party, dieses Motorwerk geradezu langweilig vorkommen. Zumindest, bis die Reden vorbei sind.
Ich weiß wohl: Die große gesellschaftliche Integrationsleistung dieser Partei, in ihrer Gründungsphase ebenso wie während und nach der Wiedervereinigung, geschah nie zur Freude aller Beteiligten. So manche Hoffnung wurde enttäuscht, so manche zogen sich zurück oder gingen andere Wege. Und viele mussten sich schlicht und einfach aneinander gewöhnen: Manche revolutionserprobte Bürgerrechtlerin, gerade noch im Freiheitskampf gegen die SED-Diktatur, war – so habe ich mir sagen lassen – doch etwas verstört nach ihrer ersten Begegnung mit jenen seltsamen Westgrünen und ihren Krötentunneln.
Aber gerade jene Zeit, gerade das Zusammenwachsen von Bürgerrechtsbewegung und Grüner Partei war ein unschätzbarer Beitrag zur Deutschen Einheit. Und er begann schon lange zuvor, in Kontakten zu Dissidenten in ganz Osteuropa, in einer Zeit, in der kaum jemand solche Kontakte pflegte, in der viele, zu viele im Westen auf die offiziellen Kanäle zu Kadern und Nomenklatura pochten.
Jene frühen Kontakte, die manche Grüne pflegten, waren weitsichtig. Auch dank ihnen hat das Erbe von 1989, hat der Mut der Friedlichen Revolutionäre seither einen festen Ort in der deutschen Parteienwelt – nicht nur diesen, aber auch diesen Ort.
Meine Damen und Herren, Sie dürfen stolz sein auf dieses Erbe!
Im Lauf dieser 40 Jahre haben die Grünen noch eine weitere Qualität erworben, die unverzichtbar ist, wenn aus buntgescheckten Bewegungen eine starke politische Kraft werden soll: die Fähigkeit nämlich, auch schwierige Entscheidungen zu treffen, Kompromisse einzugehen, Verantwortung zu übernehmen und bei Widerstand in den eigenen Reihen auch zu tragen.
Der jüngste Parteitag der Grünen fand Ende 2019 in Bielefeld statt. Das hat mich an einen anderen Parteitag erinnert, zwanzig Jahre zuvor, ebenfalls Bielefeld. Dort flog der Farbbeutel durch den Saal und Ihre Partei fast auseinander.
Die Grünen haben damals Verantwortung übernommen, vor der deutschen Geschichte, im Spannungsfeld von "Nie wieder Krieg!" und "Nie wieder Auschwitz!", und für einen Militäreinsatz auf dem Balkan gestimmt. Ja, es war ein schmerzhafter Beschluss, und ja, Sie haben damals viele Mitglieder verloren. Ebenfalls schmerzhaft waren für die Grünen manche Kompromisse, die Sie in Regierungsverantwortung eingegangen sind, damals etwa beim Ausstieg aus der Kernenergie.
Inzwischen tragen die Grünen Verantwortung in elf Landesregierungen und koalieren mit ganz unterschiedlichen Partnern. Der Ausgleich mit den Interessen und Prioritäten anderer gehört zum Alltag. Der Kompromiss gilt nicht mehr als Verrat grüner Identität und Opposition nicht als die edlere Alternative. Jürgen Trittin hat das – in nicht untypischem Selbstbewusstsein – mal so formuliert: "Wer kann meine Ideen eigentlich besser umsetzen als ich selber?" Wie recht er damit hatte, habe ich selbst am Kabinettstisch so manches Mal zu spüren gekriegt.
Wer Politik macht, nicht um recht zu haben, sondern um die Welt zu verändern, der muss – oft genug – die reine Lehre hinter sich lassen. Und weil die Grünen zum Verändern angetreten sind und nicht einfach zum Rechthaben – meistens jedenfalls –, sind sie gut gefahren auf dem Weg von Bielefeld nach Bielefeld.
Wer auf die Geschichte der Grünen blickt, kann eine weitere Lehre kaum übersehen: Im politischen Wettbewerb tut es gut, bei aller Fähigkeit zum Kompromiss, dem eigenen Kern treu zu bleiben. Und keine Idee hat die Politik der Grünen über vier bewegte Jahrzehnte so sehr geprägt wie Umwelt und Ökologie.
Nach vierzig Jahren kann man ohne Übertreibung festhalten: Die Grünen haben die Ökologie neben dem Sozialen, dem Liberalen und dem Konservativen als vierten Fixpunkt in unserer politischen Landschaft etabliert. Ökologie war für die Grünen schon immer mehr als Umweltpolitik, es geht Ihnen bis heute um eine Veränderung der gesamten Gesellschaft, weg von der Zerstörung ihrer eigenen Grundlagen und hin zu mehr Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen, hin zu mehr Demokratie und Gleichberechtigung.
Mit dieser Idee haben Sie unser Land verändert – und an dieser Idee messen Sie bis heute Ihre Verantwortung für unser Land; von "Randthema" ist keine Rede mehr, heute muss man niemandem mehr ihre Bedeutung erklären. Aus grüner Sicht mag man darüber Genugtuung empfinden. Aber leichte Siege sind in der Politik selten. Mit Ihrem Erfolg wächst Ihre Verantwortung! Die Verantwortung, andere Interessen nicht zu übersehen und andere Bedürfnisse nicht geringzuschätzen.
Die Verantwortung, unsere Gesellschaft über das eigene Thema nicht auseinanderzutreiben, sondern zusammenzubringen. Brücken über die sichtbaren Gräben in unserer Gesellschaft zu schlagen, das muss in diesen besonderen Zeiten auch ein Anliegen der Grünen sein. Und ich weiß, dass es das ist.
Womit ich wieder im Heute bin und fragen will: Was können wir lernen aus dieser, Ihrer Geschichte für unsere repräsentative Demokratie, die unter Druck steht, und das Parteiensystem, das vielfach angezweifelt wird?
Als Bundespräsident ist mir eines wichtig: Natürlich kommt den Parteien eine besondere, eine wichtige Rolle in unserer Demokratie zu. Aber wir dürfen deshalb nicht den Fehler machen, die altgewohnte Parteienwelt mit der Demokratie an sich in eins zu setzen.
Unsere Demokratie ist wandlungsfähig, und demokratische Parteien selbst sind es hoffentlich auch. Nirgendwo steht geschrieben, dass Parteien langweilig und unattraktiv sein müssen. Ganz im Gegenteil – gerade das haben die Grünen doch bewiesen. Sie haben gezeigt, welche Veränderung, welche Erneuerung unter dem Etikett "Partei" im Rahmen unserer Verfassung und unseres Parteienrechts möglich ist.
Ja, neue Ideen müssen sich ihren Platz im System erst zäh erstreiten. Davon können viele hier ein Lied singen. Aber unsere Demokratie, die ruft uns deutlich zu: Es gibt Platz für Neues und Erneuerung! Und jeder, der die Freiheit und Würde der anderen nicht infrage stellt, der Hass und Gewalt nicht zum Mittel der Politik macht, der darf bei uns den Weg zur Mehrheit wagen. Er muss es nur tun – und die Grünen, die haben‘s getan!
Und die Moral von der Geschicht? Ihre Partei feiert 40. Geburtstag, die Zeitungen sind voll davon, der Bundespräsident gratuliert. Gott bewahre – gehören die Grünen nun endgültig selbst zu diesem sogenannten Establishment?
Ich habe neulich eine wunderbare Karikatur gesehen. Da steht ein König auf seinem Burgwall. Vor ihm protestieren wütende Massen und schwingen ihre Mistgabeln. Neben dem König steht ein Höfling mit Narrenkappe und raunt dem König ins Ohr: "Majestät, sagen Sie einfach: Das Establishment ist schuld! Das macht man heute so."
An all die selbsternannten Kämpfer gegen das "Establishment", an all die selbsternannten Kämpfer gegen das sogenannte "System" habe ich eine deutliche Botschaft: Wir leben nicht unter Königen und Mistgabeln. Wir leben in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat. Und wer diese Demokratie als "System" verschreit, wer sich anmaßt, einen "wahren" Volkswillen gegen "die da oben" zu verteidigen, wer Parlamente und freie Medien verächtlich macht, wer Hass und Hetze und sogar Gewalt gegen gewählte Repräsentanten schürt, der ist nicht einfach ein Narr, sondern der legt die Axt an Freiheit, Recht und Menschenwürde, auf die wir alle angewiesen sind!
Vielleicht ist es eine besondere Ironie der Geschichte, aber diese Grüne Partei hat einen anderen, einen besseren Weg gewiesen. Sie haben dieses Land verändert, nicht weil Sie gegen "das System" gekämpft haben, sondern weil Sie, im Respekt vor den demokratischen Regeln, den berühmten "langen Marsch durch die Institutionen" gewagt haben – und ganz offensichtlich heil am anderen Ende rausgekommen sind. Ihre Geschichte zeigt: Wer die Demokratie verändern will, der muss sich als ihr Teil verstehen.
Bitte tun Sie das auch in Zukunft! Bleiben Sie neugierig! Bleiben Sie streitlustig! Behalten Sie den Blick fürs gesellschaftliche Ganze! Happy Birthday, vielen Dank, und Ihnen allen eine tolle Feier!
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Quelle:
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Folgendes Mitglied bedankte sich bei pauli8:
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11.01.20, 01:18
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#13
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Chuck Norris
Registriert seit: Sep 2009
Beiträge: 3.738
Bedankt: 5.859
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Nehmen wir doch das Kernthema: Merkel projektiert den Kohleausstieg 2038. Viel zu spät? Aber sicher doch. Was wollen die Grünen? Also [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Was heißt das bloß nun? Deutlich früher als 2038 kann auch 2020 heißen. Irgendwie schwammig. Unter Energiewende steht dann im letzten Satz (listig, listig) [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]. Klingt irgendwie nicht so überambitioniert, und soll es auch nicht. Denn wenn es nicht so wäre, würde so manch wohlwollender Artikel über die Grünen es nicht an die Öffentlichkeit schaffen. Dann wäre sofort die nächste "Fundi vs Realo" Spalterei im Gange. Solange bis nur noch moralisch flexible Sprechautomaten übrig bleiben.
Vielleicht erinnert sich noch jemand an das Rezo Video, als er in einem Nebensatz sagte "auch die Wissenschaftler sagen, die Grünen müssten viel radikaler werden." Fundi könnte in diesem Jahrzehnt synonym werden, für denjenigen der zuletzt am besten lacht, weil er recht hatte.
Aber dieser Sachverhalt findet öffentlich kaum statt, weil die Schreihälse vom braunen Rand in der Diskussion die Grünen immer dort hieven wo sie schon lange nicht mehr stehen. Selbst hier im Thread kann man das nachlesen. Das ist der Grund für den Höhenflug. Vielen dank an jene rechte Schreihälse.
Jutta Dittfurth, egal was man von ihr halten mag, hat es passend ausgedrückt:
Zitat:
„Alle Parteien machen ihren Wählern was vor, aber es gibt keine Partei, die eine so grandiose Differenz zwischen ihrem Image und ihrer Realität hat wie die Grünen“
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Dazu passend der Erguss des Bundespräsidenten:
Zitat:
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Der jüngste Parteitag der Grünen fand Ende 2019 in Bielefeld statt. Das hat mich an einen anderen Parteitag erinnert, zwanzig Jahre zuvor, ebenfalls Bielefeld. Dort flog der Farbbeutel durch den Saal und Ihre Partei fast auseinander.
Die Grünen haben damals Verantwortung übernommen, vor der deutschen Geschichte, im Spannungsfeld von "Nie wieder Krieg!" und "Nie wieder Auschwitz!", und für einen Militäreinsatz auf dem Balkan gestimmt.
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Wenige erinnern sich daran, dass die Grünen mal als Friedenspartei starteten, denen Frieden genau so wichtig war wie die Umwelt. Als Joschka Fischer unter dem Eindrücke von [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] im Bundestag sprach, starb ein Teil der Seele dieser Partei. Den er verwandelte vor der Öffentlichkeit die ultimative Lehre des dritten Reiches "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!" in einen intellektuellen Brainfuck. Er spielte das eine gegen das andere aus um einen Bruch des Völkerrechts zu legitimieren den der Bundespräsident Rechtsstaatsbefreit hier "Verantwortung" nennt. Das war nicht nur eine Zäsur für die Grünen, sondern auch für die SPD und für Deutschland gewesen. Heute kämpfen deutsche Soldaten in immer mehr Ländern, wobei schon gar nicht mehr gefragt wird weshalb. Es ist schreckliche Normalität geworden.
Ja, die Grünen sind schon lange angekommen. Nachdem die SPD sämtliche Prügel für die Schröderjahre kassiert hat und sich langsam in die Bedeutungslosigkeit verabschiedet, freut sich der Wähler ja scheinbar darauf herauszufinden wie "staatstragend" die Grünen sein können. Auf das die AfD Schreihälse in jedes Mikrofon und in jede Kamera kotzen das sie finden können, denn das braucht es mindestens um den Widerspruch zwischen Realität und Anspruch zu überdecken.
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Die folgenden 2 Mitglieder haben sich bei Nana12 bedankt:
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