Die im Vorfeld veröffentlichten Trailer des hier getesteten „The Outer Worlds“ führten bei Zuschauern mit kennerischem Auge stets zu der Äußerung „Das sieht ja aus wie Fallout im Weltraum“. Und das ist kein Zufall. Hinter dem Spiel stecken nämlich die Mannen von Obsidian Entertainment, eben jenes Entwicklerteam, das dereinst mit „Fallout: New Vegas“ eines der besten Rollenspiele seiner Zeit abgeliefert hat. „The Outer Worlds“ versteht sich von daher als eine Art spiritueller Nachfolger, bleibt inhaltlich allerdings vollkommen losgelöst von der namhaften Reihe aus dem Hause Bethesda.
The Outer Worlds - Official Launch Trailer [
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Darum geht’s:
Als Passagier eines mit Experten und Wissenschaftlern vollgepackten Kolonieraumschiffes bekommen wir im Kryoschlaf gut konserviert glücklicherweise nicht mit, dass wir das geplante Ziel nie erreichen sollten. Die „Last Hope“ wird daraufhin für lange Zeit als verschollen erklärt, bis das Schiff schließlich doch noch entdeckt wird und uns ein wohlwollend als „durchgeknallter Wissenschaftler“ zu bezeichnender Kerl namens Phineas Wells aus dem Kälteschlaf holt.
Von ihm erfahren wir, dass es um die menschlichen Kolonien im Halcyon-System nicht zum Besten steht. Machthungrige Konzernbosse kontrollieren praktisch alles und jeden auf den einzelnen Planeten und überfüttern ihre zur Zwangsarbeit verdammte Herde arglos mit Kapitalismus. Laut Wells ist es fortan an uns, dem fiesen Firmenkonglomerat Einhalt zu gebieten, um die Kolonien damit vor einer großen Verschwörung zu retten. Ob ihr dem im nachkommt, bleibt allerdings euch überlassen.
Das ist gut:
Ihr merkt schon: Hier klingt eine ordentliche Portion Gesellschaftskritik mit. Und auch den „Fallout“-typischen, mitunter tiefschwarzen Humor hat man nicht nur hinübergerettet, sondern sogar perfektioniert. Tatsächlich zählen nämlich die zu Teil saukomischen und durch die Bank toll geschriebenen Dialoge und Situationen, in denen ihr euch wiederfinden werdet, zu den größten Stärken von „The Outer Worlds“. Entsprechend viel wird auch geredet, aber angesichts der Qualität des Gebotenen stört das überhaupt nicht.
Natürlich könnt ihr euch im Zuge der Charaktererstellung aber auch dafür entscheiden, einen tumben Haudrauf zu spielen, der für Worte nicht allzu viel über hat. Denn jede Quest bietet euch verschiedene Lösungsansätze, die mit eurer Spielweise variieren. Stürmt beispielsweise ein Banditenlager auf einer Raumstation mit schierer Waffengewalt, schaltet durch eine hohe Redegewandtheit Dialogoptionen frei, um den Anführer ganz einfach zur Kooperation zu überreden, oder schleicht euch heimlich durch die Gänge, knackt Schlösser und hackt Computer. Alles übrigens in Ego-Sicht. Eine optionale Third-Person-Perspektive sucht ihr in „The Outer Worlds“ vergebens, die wir aber auch zu keinem Zeitpunkt vermisst haben.
Die spielerische Freiheit ist ganz im Geiste der Vorlage angenehm groß, was entsprechend auch Auswirkungen auf die Spielwelt und das Ende der Geschichte hat. Mit Blick auf die wohltuend überschaubare Spielzeit von rund 20–30 Stunden lohnt sich also durchaus ein zweiter oder gar dritter Durchlauf, um auszuloten, was wohl passiert, wenn ihr euch diesmal an dieser oder jener Stelle anders entscheidet. Zumal man sich in dem unverbrauchten Setting durchaus wohlfühlen kann.
The Outer Worlds - Come to Halcyon Trailer [
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Zwar ist die Nummer mit dem Stil der 50er Jahre jetzt nicht so wirklich originell, in einem von Konzernen beherrschten Weltraum-Szenario wirkt die Prämisse aber dann doch recht erfrischend. Das Art Design von Sci-Fi-Groschenromanen wurde von den Machern dabei gekonnt mit einer ordentlichen Prise Western-Flair durchmengt und die überschaubaren Gebiete auf dieser Basis äußerst detailverliebt in Szene gesetzt. Denn anstelle einer mittlerweile fast schon obligatorischen epischen offenen Welt bereist ihr in „The Outer Worlds“ lediglich einzelne klar abgegrenzte Areale.
Die meiste Zeit seid ihr dabei nicht allein. Im Laufe des Spiels finden sich bis zu sechs weitere Besatzungsmitglieder auf eurem Raumschiff ein, von denen ihr bis zu zwei in eure Party aufnehmen könnt. Diese bringen alle ihre ganz eigenen Fähigkeiten mit, wodurch ihr bei einer geschickten Zusammenstellung der Gruppe Lücken in eurem Skilltree ausgleichen könnt. So kann es schon mal sein, dass eure Kollegen sich in ein Gespräch einmischen, und dadurch einen neuen Lösungsweg aufzeigen.
Zudem bringt jedes Teammitglied eine eigene persönliche Quest mit, die viel dazu beiträgt, den Charakter hinter der Figur kennenzulernen. Insbesondere hier beweist sich, dass man eben nicht immer eine potente Grafik-Engine braucht, um Figuren realistisch darzustellen. Geht es darum, ihnen echtes Leben einzuhauchen, bedarf es vor allem erst mal fähiger Autoren.
Das ist schlecht:
Und zum Glück sitzen eben solche Leute bei Obsidian Entertainment, denn technisch lockt „The Outer Worlds“ keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Die Mimik der Figuren ist steif und hölzern, die Spielwelt leblos und fast schon steril, dazu noch mit einer äußerst geringen Auswahl an Klonpflanzen und -NPC gefüllt. Letztere haben nicht einmal einen Tagesablauf, sondern stehen einfach nur so in der Gegend rum. Geheimnisse abseits des von der Story festgelegten Pfades gibt es nicht, dafür aber massenweise Loot-Krempel, den zu sammeln lediglich dem Zweck dient, Geld anzuhäufen.
Beim Testen unserer Xbox-One-Version nervten uns zudem immer wieder die langen Ladezeiten. Enorm schade fanden wir überdies, dass es nicht für eine deutsche Sprachausgabe gereicht hat, auch wenn die Untertitel referenzverdächtig gut übersetzt worden sind. Hier macht sich dann doch die Macht des Budgets bemerkbar, weshalb die Macher im Vorfeld immer wieder darauf hingewiesen haben, dass für die Entwicklung von „The Outer Worlds“ vergleichsweise wenig Geld zur Verfügung stand.
Während nun das tolle Skript die mäßige Technik immer wieder vergessen machen kann, ist man leider auch hier nicht vor lahmen Quest-Bringdiensten gefeit. Derart langweilige Quest-Lückenfüller wären an sich ja noch zu verschmerzen, wenn jene mit einem spaßigen Kampfsystem dargereicht würden. Jedoch liefert Obsidian Entertainment hier nur lauwarme Kost ab.
Die typischen Waffengattungen können zwar alle ausgewertet werden, sind aber nur allzu erprobt und ob des Settings erstaunlich uninspiriert ausgefallen. Der Gegnertypen gibt es meist nur zwei oder drei verschiedene und generell sind die Gefechte nicht zuletzt aufgrund der wenig intelligenten KI-Gegner alles andere als anspruchsvoll. Tatsächlich brauchten wir das Zeitlupensystem eigentlich gar nicht, welches es euch erlaubt Schwachstellen der Gegner gezielt zu attackieren und damit gewissermaßen das VATS aus „Fallout“ ersetzt.
Geht es also ruhig von Anfang an etwas härter an. Und wer es so richtig dreckig mag, der freut sich über den Alptraum-Modus, in dem euch unter anderem Survival-Elemente wie Ernährung und Schlaf, sowie der drohende Permadeath eurer Kumpane das Leben schwermachen.
Endlich wieder ein kompromissloses Singleplayer-Rollenspiel. „The Outer Worlds“ brilliert als spiritueller Nachfolger von „Fallout: New Vegas“ vor allem mit lebendig und teils urkomisch geschriebenen Dialogen und seinem detailliert in Szene gesetzten Art Design. Hinsichtlich Technik und Abwechslung spielt man hier zwar nicht in der aktuellen Ersten Liga, dafür stimmt es in Sachen spielerischer Freiheit und Widerspielwert. Schade nur, dass es ob der grandiosen Übersetzung nicht für eine deutsche Syncho gereicht hat.
„The Outer Worlds“ ist für Playstation 4, Xbox One und PC erhältlich. Eine Version für Nintendo Switch soll folgen.