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22.06.19, 12:20
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Chuck Norris sein Vater
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Überfällige Reform: Was ist die Mehrwertsteuer wert?
Zitat:
Sieben Prozent auf Tierfutter, 19 Prozent auf Babywindeln: Die Mehrwertsteuersätze treiben absurde Blüten. Diskutiert wird jedoch nur über Einzelfälle. An eine grundlegende Reform traut sich niemand.
Von Sandra Stalinski, tagesschau.de
Die Regelungen im Umsatzsteuergesetz lesen sich wie ein Katalog aus Absurdistan: Für Milch und Milcherzeugnisse gilt der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent, nicht aber für Sojamilch. Für lebende Tiere, auch Hauskaninchen, sind es sieben Prozent, für Meerschweinchen aber 19. Tierfutter oder Schnittblumen sind ermäßigt, Eltern kleiner Kinder müssen für Babywindeln aber den vollen Satz bezahlen.
Dass die unterschiedliche Besteuerung von Konsumgütern häufig nur schwer nachvollziehbar ist, ist nicht neu. Doch immer wieder erregen Einzelbeispiele die Gemüter. Jüngst hat eine Online-Kampagne gegen die sogenannte Tampon-Steuer so viele Unterstützer mobilisiert, dass sich demnächst der Bundestag in einer Anhörung damit befassen muss. Eine entsprechende Petition haben mehr als 80.000 Menschen unterzeichnet.

Für Babywindeln sind 19 Prozent fällig - für Tierfutter beispielsweise nur sieben.
"Tampon-" und "Mövenpick-Steuer" in der Diskussion
Dass Menstruationsartikel wie Tampons oder Binden mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent besteuert werden, finden die Unterzeichner unfair. Weil es sich dabei um eine Notwendigkeit und nicht um ein Luxusprodukt handle, und: weil es Frauen benachteilige.
Auch die sogenannte "Mövenpick-Steuer" sorgt aktuell wieder für Diskussionen. Schon als die schwarz-gelbe Bundesregierung diese Steuervergünstigung von sieben Prozent für Hotelübernachtungen eingeführt hatte, sorgte sie für Wirbel. "Dreiste Klientelpolitik für Hoteliers" lautete der Vorwurf. Zumal dem Vorstoß in der öffentlichen Wahrnehmung auch ein Hauch von Korruption anhaftete. Denn die Hotelgruppe Mövenpick hatte der FDP im Wahlkampf zuvor hohe Spendengelder gezahlt. Jetzt will Finanzminister Olaf Scholz diesen Steuerrabatt endgültig einkassieren, um mit den Mehreinnahmen die Grundrente zu finanzieren.
Ausnahmen für einzelne Branchen
Tatsächlich soll der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent die Kosten für den lebensnotwendigen Bedarf und damit das Existenzminimum steuerlich entlasten. Deshalb gilt er für Lebensmittel, für den Öffentlichen Nahverkehr, auch für Bücher und Presseerzeugnisse sowie für bestimmte medizinische Produkte und Dienstleistungen gemeinnütziger Organisationen. Doch nicht zuletzt auch weil Lobbygruppen ganze Arbeit geleistet haben, gibt es für einzelne Branchen wie die Landwirtschaft oder eben das Hotelgewerbe Ausnahmen.
Das Beispiel "Tampon-Steuer" zeigt, welche Probleme das nach sich zieht: Wenn für Menstruationsartikel künftig ein ermäßigter Steuersatz von sieben Prozent gelten soll, warum dann nicht auch für andere notwendige Hygieneartikel wie Toilettenpapier oder Seife? Und wie ist es mit Rasierern für Männer? "Wo fängt man an und wo hört man auf? Das ist das große Problem bei vielen Ausnahmen", sagt der Steuerexperte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Gespräch mit tagesschau.de. Da werde es immer wieder Abgrenzungsprobleme geben, die irgendjemanden benachteiligen.

Obwohl manchmal lebenswichtig, gilt auf Arzneimittel der Regelsteuersatz von 19 Prozent.
Grundlegende Reform gefordert
Schon lange plädieren zahlreiche Experten und Institutionen deshalb für eine grundlegende Reform. Der Bundesrechnungshof fordert seit vielen Jahren eine Überprüfung der Ausnahmen, weil viele historisch gewachsen und nicht mehr zeitgemäß seien. Andere schlagen einen einzigen Mehrwertsteuersatz auf alles vor, der dann aber niedriger ausfallen müsse. 16 Prozent nennt beispielsweise die arbeitgebernahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
Doch durch so einen einheitlichen Satz würden Haushalte mit geringen Einkommen stärker belastet, sagt der DIW-Forscher Bach. "Wer sein gesamtes Einkommen für Dinge des täglichen Bedarfs aufbraucht, ist von einem höheren Mehrwertsteuersatz stärker betroffen als Haushalte mit höherem Einkommen." Wer hingegen finanzstärkere Haushalte mehr belasten wolle, müsse an der Einkommenssteuer schrauben.
SPD bleibt bei "Mövenpick-Steuer" hart
Bach, der an zahlreichen Gutachten zum Thema beteiligt war, hat einen anderen Vorschlag: Der Regelsatz sollte auf 18 Prozent sinken, ein ermäßigter Satz sollte nur noch für Nahrungsmittel und öffentlichen Nahverkehr gelten. Würde man auch den noch auf fünf Prozent absenken, kämen Verbraucher auf eine Steuerentlastung von 15 Milliarden Euro. Weil alle anderen Ausnahmen dann aber abgeschafft würden, hätte der Fiskus nur mit Mindereinnahmen von rund 7,5 Milliarden Euro zu rechnen.
Doch weil solche Reformen den Staat viel Geld kosten, gibt es keine politischen Mehrheiten dafür. Stattdessen behilft man sich mit Stückwerk. Das Thema "Tampon-Steuer" werde man sich sehr genau ansehen, heißt es aus dem SPD-geführten Finanzministerium. Bei der "Mövenpick-Steuer" will die SPD trotz Gegenwinds vom Koalitionspartner hart bleiben und hält an ihrem Finanzierungskonzept der Grundrente fest.

Menstruationsartikel werden mit 19 Prozent besteuert.
Reformen nur da, wo es nicht weh tut
Solche Mini-Reförmchen sind aber nur da zu erwarten, wo es nicht allzu sehr weh tut. Bei der "Tampon-Steuer" schätzt Bach die Mindereinnahmen auf 50 Millionen Euro. Bei der Hotel-Steuer wären es laut seinen Berechnungen 1,3 Milliarden. An richtig große Brocken, wie beispielsweise Arzneimittel, traut sich aber niemand ran. Denn auch die werden, ärztlich verordnet oder nicht, mit 19 Prozent besteuert. Würde der Staat hier den ermäßigten Steuersatz gewähren, würde das fünf Milliarden Euro kosten. Geld, das aber wiederum den Krankenkassen für bessere Leistungen oder Beitragssenkungen zur Verfügung stehen würde.
Doch egal, an welcher Stelle nachgebessert wird, bleibt noch ein grundsätzliches Problem: Ob die Steuerermäßigung nämlich am Ende tatsächlich den Verbrauchern zugute kommt, ist nicht gesagt. Unternehmen können nämlich nicht gezwungen werden, die Steuererleichterung tatsächlich auch in Preissenkungen umzusetzen. Die Erfahrung zeigt vielmehr, dass Steuererhöhungen sofort auf Preise aufgeschlagen werden, Steuersenkungen jedoch nicht.
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