Willkommen |
|
myGully |
|
Links |
|
Forum |
|
|
|
 |
22.08.18, 16:13
|
#1
|
Download-Master
Registriert seit: Dec 2009
Ort: Österreich
Beiträge: 371
Bedankt: 471
|
Max Bögl baut eine Magnetschwebebahn für den ÖPNV
Zitat:
Max Bögl baut eine Magnetschwebebahn für den ÖPNV
Eine Magnetschwebebahn, aber kein Transrapid: Das bayerische Bauunternehmen Max Bögl hat eine Magnetschwebebahn entwickelt, die für den Nahverkehr gedacht ist. Auf einer Versuchsstrecke wird die Bahn getestet. Wir sind eingestiegen.

Das Fahrzeug gleitet langsam aus dem Hangar und stoppt kurz. Dann geht die Demonstrationsfahrt los: Rasant beschleunigt es auf 40, 60, 80 Kilometer pro Stunde. Die Trasse führt in einem eleganten Bogen nach links erst eine Brücke hinauf, dann in einem Bogen nach rechts wieder hinunter. Festhalten ist eine gute Idee.
Viele Möglichkeiten dazu gibt es jedoch nicht: Der Wagen ist weitgehend leer. Keine Verkleidung, keine Sitze, nur ein paar Haltestangen für die Mitfahrer. Es ist der Prototyp des Transport System Bögl (TSB), einer Magnetschwebebahn, mit der die Firmengruppe Max Bögl aus Neumarkt in der Oberpfalz den Nahverkehr der Zukunft gestalten will. Mit dem gescheiterten Transrapid hat das Projekt jedoch nur wenig zu tun.
Leise soll das Transportmittel sein, schnell und wartungsarm. Es soll viele Menschen von einem Ende der Stadt zum anderen befördern, sich dabei so gut in die Gegebenheiten einfügen, dass der Bau der Trasse mit überschaubarem Aufwand und Kosten realisiert werden kann. Das könne das TSB, sagt Projektleiter Bert Zamzow im Gespräch mit Golem.de.
Das Fahrzeug schwebt mit sieben Millimeter Abstand an einer Schiene aus Stahl. Der fehlende Kontakt zur Schiene sowie die Geschwindigkeit - die Höchstgeschwindigkeit beträgt 150 Kilometer pro Stunde - machen es sehr leise. Weiterer Vorteil: Es gibt keine Reibung und damit weniger Abnutzung, das reibungslose System ist zudem effizienter.
820 Meter lang ist die Strecke südlich von Sengenthal, zwischen einem Baggersee und einer Bundesstraße. Seit 2012 testet das Unternehmen, das aus der Baubranche stammt, dort den Zug. Über 100.000 Mal fuhr er hin und her. Mehr als 65.000 Kilometer legte er dabei zurück.
Nach dem Abwärtsbogen geht es geradeaus. Die Fahrdynamik und Fahrgeräusche sind im Zug deutlich wahrnehmbar. Draußen, direkt neben der Strecke, ist der Zug hingegen bereits jetzt kaum zu hören. Kein Vergleich zu einer Straßenbahn oder einer S-Bahn. Der Prototyp sei innen noch sehr einfach gestaltet, um das Laufverhalten optimal abzustimmen, erklärt Zamzow. Für den normalen Betrieb werde das Fahrzeug innen ausgebaut und gedämmt. Dann werde es drinnen genauso leise sein wie draußen.
Wir erreichen das Ende der Strecke. Noch einmal geht es nach rechts um die Kurve und dann eine Steigung hinauf. Oben bremst das Fahrzeug rasch. Auf dieser Trasse sei der Zug "etwas sportlicher, spektakulärer unterwegs als auf einer Anwendungsstrecke", sagt Zamzow: zehn Prozent Gefälle, ein Bogen mit 160 Metern Radius, die gerade Strecke, ein weiterer Linksbogen mit einem Radius von 250 Metern, der enger wird. Oben auf der Brücke schließt sich direkt ein Rechtsbogen von 150 Metern an, so dass sich das Fahrzeug um 16 Grad um die Längsachse dreht. Ziel ist es, die Grenzen des Systems auszuloten.
"Das ist nichts, was man normalerweise mit einer Straßenbahn machen kann", sagt Zamzow. Straßenbahn ist das Stichwort: Das TSB ist ein Nahverkehrssystem, mit dem Max Bögl den etablierten Rad-Schienen-Systemen - U-Bahn, S-Bahn und Straßenbahn - Konkurrenz machen will.
Anders als der Transrapid
Zwölf Meter lang ist das Fahrzeug und 2,85 Meter breit. 127 Passagiere sollen darin Platz finden. Ein Zug soll aus bis zu sechs dieser Sektionen bestehen und dann etwa 750 Personen befördern. Elektromagnete lassen ihn schweben, angetrieben wird der Zug von Linearmotoren. Zehn sind es - genug, dass auch einmal einer ausfallen kann, ohne dass der Zug liegen bleibt. Die Antriebsleitung liegt bei 600 Kilowatt - so viel hat in etwa auch eine Straßenbahn. Bei der Magnetschwebebahn kommen noch etwa 6 bis 8 Kilowatt für das Schweben hinzu - die gleicht die Straßenbahn mit Verlusten durch Reibung oder im Getriebe aus.
Die Motoren sind im Fahrzeug untergebracht. Das unterscheidet das TSB vom Transrapid, bei dem der Antrieb im Fahrweg war. Da Bögl auf aktive Komponenten im Fahrweg verzichtet, wird dieser weniger aufwendig - und damit günstiger. Ein weiterer Vorteil dieser Konstruktion ist, dass die Züge in kürzerer Folge verkehren können.
Verglichen mit der Trasse im Emsland wirkt die in Sengenthal geradezu filigran. Der Fahrwegträger ist 1,2 Meter hoch, darin verschwindet das Unterteil des Zuges. Denn anders als beim Transrapid umfasst nicht der Zug den Fahrweg, sondern der Fahrweg den Zug. Das hat einige Vorteile: Der TSB macht kaum Lärm. Die Stromversorgung - 750 Volt Gleichstrom, wie bei einer Straßenbahn - verläuft ebenfalls geschützt im Fahrweg.
Filigran ist die Trasse aber nicht nur im Vergleich mit der Transrapid-Trasse. Auch gegenüber einer konventionellen Hochbahntrasse wie in Berlin oder Hamburg ist sie schlank. Das liegt nicht nur daran, dass die Teststrecke einspurig ist. "Unter jeder 12 Meter langen Sektion ist links und rechts jeweils ein 12 Meter langes Magnetsystem, das die Kräfte gleichmäßig in den Fahrwegträger einleitet", erklärt Zamzow. Das erlaube es, den Fahrweg so schlank zu bauen.
Bei einer Bahn lastet das gesamte Gewicht auf briefmarkengroßen Punkten zwischen Rad und Schiene. "An dieser Stelle herrscht ein extrem hoher Druck. Von diesem Punkt aus muss ich die Lasten in das Bauwerk leiten. Das heißt, ich habe erst einmal die Schiene und unter der Schiene die Schwellen. Dann kommt der Schotterkörper, der eine gewisse Höhe braucht, damit er die Lasten verteilt", sagt Zamzow. "Das ist teuer, dauert lange und ist umständlich. Da ist das, was wir uns überlegt haben, viel einfacher."
Die Magnetbahn fährt automatisch
Einen Lokführer hat der Magnetschwebezug nicht. Gefahren wird automatisch - das betrachten die Entwickler "heutzutage als Stand der Technik". Da für den Betrieb weniger Personal benötigt wird, ist er vergleichsweise günstig. Zudem ist es dadurch möglich, den Takt an das Fahrgastaufkommen anzupassen. Bei einer kurzen Zugfolge kann das TSB bis zu 30.000 Personen in der Stunde in eine Richtung befördern. Wie die Trasse ausgelegt ist, hängt vom Fahrgastaufkommen ab: Auf einer weniger frequentierten Strecke reicht eine Spur. Müssen mehr Fahrgäste befördert werden, werden es zwei, um den Verkehr in beide Richtungen zu ermöglichen.
Sich in Deutschland wieder mit einer Magnetschwebebahn zu beschäftigen, erfordert Mut.
Emsland, Berlin und Schanghai
Denn die Magnetschwebebahn ist ein Reizthema. Zwar wurde die Technik hierzulande entwickelt, doch passiert ist nicht viel: Es gab eine teure Transrapid-Teststrecke im Emsland, wo etwa 30 Jahre Hochgeschwindigkeitstechnik ausprobiert wurden. Nach einem Unfall im Jahr 2006 mit 23 Toten wurde die Strecke 2010 stillgelegt.
In Berlin entstand in den 1980er Jahren eine weitgehend nutzlose Strecke im Niemandsland zwischen Berliner Mauer und einem stillgelegten Bahngelände. Die M-Bahn wurde bekannt durch einen Unfall im Jahr 1998, als ein Triebwagen die Glasfassade einer Endhaltestelle durchbrach. Nach der Wiedervereinigung wurde sie abgebaut, um die Wiederbelebung der Stadtbrache am Potsdamer Platz zu ermöglichen. Ein letztes Aufbäumen - der Plan, eine Magnetschwebebahn vom Münchener Hauptbahnhof zum Flughafen zu bauen - ging schließlich unter. Offensichtlich war die Fürsprache durch den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber nicht überzeugend genug.
Geschwebt wird anderswo: Die erste kommerzielle Magnetschwebebahn nahm Ende 2002 in der chinesischen Metropole Schanghai ihren Betrieb auf. Zwei weitere Bahnen schweben in Changsha und Peking. Diese beiden sind aber anders als der Maglev in Schanghai keine Hochgeschwindigkeitstransportmittel, sondern Teil des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).
Weitere Nahverkehrssysteme sind in Südkorea, am Flughafen Seoul Incheon, sowie in Nagoya in Japan im Einsatz. Japan will aber auch eine Hochgeschwindigkeitstrasse auf der Hauptinsel Honshu errichten. Auf der Teststrecke in der Präfektur Yamanashi fuhr der Zug schon schneller als 600 Kilometer pro Stunde. China liebäugelt ebenfalls mit einem Hochgeschwindigkeitssystem.
China könnte auch der erste Markt für das TSB werden: Max Bögl will eine zweite Teststrecke bauen, in Chengdu, der Hauptstadt der südwestchinesischen Provinz Sichuan. Sie soll 3,5 Kilometer lang werden und im kommenden Jahr in Betrieb gehen. Ziel ist, die Technik chinesischen Kunden zu präsentieren sowie die Zulassung für den dortigen Markt zu erhalten.
Das TSB wird sofort mit dem Transrapid assoziiert - schließlich war Max Bögl seit Mitte der 1990er Jahre an dem Projekt beteiligt: Das Unternehmen fertigte Teile für die Trasse im Emsland, später auch für die in Schanghai und kennt die Thematik. "Da haben wir ein immenses Maß an Wissen hinsichtlich Magnetbahnsystemtechnik gewonnen", erzählt Zamzow. "Da macht man sich schon Gedanken, was man verbessern kann, auch in Bereichen, die von den damaligen Systempartnern geliefert wurden."
Genau das war der Plan, als das Unternehmen 2010 das Projekt TSB beschloss: eine Bahn in Eigenregie zu entwickeln und zu bauen. "Der Transrapid war ein System für Höchstgeschwindigkeit im Fernverkehr, für 400 bis 500 km/h. Es sollte sehr große Entfernungen zurücklegen, mit Haltestellenabständen von etwa 200 Kilometern", erläutert Zamzow. Eine Trasse für den TSB hingegen ist zwischen 5 und 30 Kilometer lang, die Haltestellen sind 500 Meter bis 5 Kilometer voneinander entfernt. Beide Systeme zu vergleichen, sei wie ein Vergleich von ICE und Straßenbahn.
Die Firmengruppe Max Bögl profitiert davon, dass die technische Entwicklung inzwischen weiter fortgeschritten ist. Für den Transrapid musste vieles eigens entwickelt werden. Im TSB verwendet Max Bögl Serientechnik - aber nicht vom Transrapid. "In unserem System ist im wesentlichen Standard-Straßenbahntechnik verbaut, wie die Leistungselektronik oder die Energieversorgung", sagt Zamzow. "Da ist nichts drin, was mit enormem Forschungsaufwand speziell für uns entwickelt wurde. Das sind alles Komponenten, die in anderen Projekten schon vielfach eingesetzt werden."
Nach den über 65.000 abgespulten Kilometern hätten sie "eine sehr gute Einschätzung der Zuverlässigkeit", sagt Zamzow. Derzeit arbeitet das Unternehmen mit dem Eisenbahnbundesamt an der Zulassung für das System. Bis Mitte kommenden Jahres soll dieser Prozess abgeschlossen sein. Dann könnte auch hierzulande erstmals eine Magnetschwebebahn im kommerziellen Einsatz sein. Voraussetzung: "Man muss das besser machen als beim Transrapid, um eine Chance zu haben."
Asien will die Schwebetechnik
An die glaubt das Unternehmen. "Der Bedarf kommt daher, dass die Städte immer weiter wachsen. Das ist ein weltweites Phänomen", sagt Zamzow. "Klar ist, dass in den Nahverkehr investiert werden muss, und wir bieten eine Lösung dazu an, von der wir überzeugt sind, dass diese Vorteile hat gegenüber den bestehenden Lösungen."
Von den Investitionskosten her sei das System mit Straßen- sowie U- und S-Bahn konkurrenzfähig. Es kann auf Stützen gestellt werden, so dass es nur wenig Platz in Anspruch nimmt - im Unterschied etwa zu einer Straßenbahn, deren Trasse oft auf Kosten der Fahrbahn geht. Weiterer Vorteil: Das System ist berührungslos, die Motoren haben keine rotierenden Teile. Das bedeutet wenig Verschleiß und wenig Wartung.
Insofern sieht Zamzow eine Chance für die Magnetschwebebahn - und eine wirtschaftliche dazu. Denn: 70 Prozent der Kosten für den Bau eines spurgebundenen Verkehrssystems werden für die Errichtung der Infrastruktur aufgewandt, und das ist Kerngeschäft des Bauunternehmens Max Bögl.
Wahrscheinlich werden die ersten TSBs aber nicht in unseren Breiten entstehen, sondern beispielsweise in Asien. Dort ist der Bedarf groß, aber auch die Bereitschaft, sich auf eine neue Technik einzulassen. Diese habe hierzulande abgenommen, beklagt Max-Bögl-Unternehmenssprecher Jürgen Kotzbauer. Vielleicht sind verstopfte Städte oder Fahrverbote ein Impuls zum Umdenken.
Oder der Impuls kommt aus Asien. Die Städte dort wachsen schneller als in Europa. Die konventionellen Hochgeschwindigkeitszüge in China und Japan kommen an die Kapazitätsgrenze. Lösungen müssen her, und eine davon sind Magnetschwebebahnen. Wenn diese sich bewähren, bekommen sie vielleicht auch bei uns eine Chance, und zwar nicht nur auf der Teststrecke entlang des Baggersees in Sengenthal.
|
Quelle: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
|
|
|
Forumregeln
|
Du kannst keine neue Themen eröffnen
Du kannst keine Antworten verfassen
Du kannst keine Anhänge posten
Du kannst nicht deine Beiträge editieren
HTML-Code ist Aus.
|
|
|
Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 16:47 Uhr.
().
|