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06.08.18, 11:45
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#1
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Download-Master
Registriert seit: Dec 2009
Ort: Österreich
Beiträge: 371
Bedankt: 471
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Von "Asyltourismus" bis "Vogelschiss" - verroht die politische Sprache?
Zitat:
Von "Asyltourismus" bis "Vogelschiss" - verroht die politische Sprache?
Politiker wollen verstanden werden, im Idealfall auch überzeugen. Wer "die Sprache des Volkes" spricht, hat da bessere Karten. Die eine oder andere Zuspitzung hilft auch. Doch wer es überzieht, kann sein Publikum verlieren.

Von "Asyltourismus" und "Anti-Abschiebe-Industrie" bis hin zu "Saboteure" des Rechtsstaats - unter CSU-Politikern schien zuletzt ein Wettbewerb um die gröbste Zuspitzung, die pointierteste Provokation ausgebrochen. Sie ernteten Widerspruch: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte dezent zu "Disziplin in der Sprache", Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle warnte vor Beschimpfungen von Flüchtlingshelfern. Und in München demonstrierten 25.000 Menschen unter dem Motto "#ausgehetzt" nicht zuletzt gegen die Wortwahl der CSU. Was ist da los? Warum wird die Sprache dermaßen zum Gesprächsthema?
"Ich sehe ganz klar eine Verrohung der politischen Sprache in Deutschland", sagt der Sprachwissenschaftler Thomas Niehr von der RWTH Aachen. Das sei zurückzuführen auf den Druck der Rechtspopulisten - auf die AfD, Pegida oder die Identitären. So nannte AfD-Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland Hitler und die Nazis einen " Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte". Dass das auch als "Bagatellisierung" der Naziverbrechen verstanden werden konnte, habe er erst später erkannt. "Politiker etablierter Parteien versuchen, sprachlich noch eins drauf zu setzen", sagt Niehr.
Beschimpfung von Minderheiten im Internet nichts Neues
Im Internet sei die Beschimpfung von Minderheiten nichts Neues, meint Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez von der Universität Erfurt - und auch in der Politik habe es solch raue Töne schon gegeben. "Diese Art von Polemik war nur kurzfristig verschwunden", sagt er. "In den 80er und 90er Jahren hatten wir ähnlich scharfe Debatten, die auch gegen Minderheiten gerichtet waren." Bedenklich findet er das trotzdem, zumal die Mitte mitzieht. "Man sollte sich fragen, ob man hier nicht eine gewaltförmige Sprache führt, die nicht auch zu physischer Gewalt ermutigen kann."
Viele Bürgerinnen und Bürger schrecke solche Rhetorik ab, erklärt Hafez: "Sie geben sich zwar dem Geschehen hin, aber sie wenden sich innerlich angeekelt von den politischen Akteuren und Strukturen ab. Man möchte gut unterhalten werden, aber nicht von unzivilisierten Politikern regiert werden."
AfD schaden Provokationen nicht
Der AfD schaden ihre Provokationen ganz offensichtlich nicht. Im gerade erst veröffentlichten ARD-"Deutschlandtrend" klettert die Partei auf 17 Prozent, den höchsten jemals gemessenen Wert. Doch im Gegensatz zur lautstarken Opposition müssen Regierungsparteien sich auch an ihren Taten messen lassen - wer zu laut tönt, weckt leicht falsche Erwartungen. Seehofer, der im Frühjahr mit dem Versprechen einer härteren Asylpolitik ins Amt kam, stürzte von 47 Prozent Zustimmung im Mai auf ein Rekordtief von 27 Prozent. In Bayern lassen Umfragen die CSU um ihre absolute Mehrheit zittern.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) jedenfalls will das Wort Asyltourismus "nicht wieder verwenden, wenn es jemanden verletzt", wie er Mitte Juli im bayerischen Landtag erklärte. Diese Entscheidung sei unabhängig von seiner persönlichen Wertung, wichtiger sei, dass Wortdebatten sinnvolle Sachfragen nicht verhindern dürften.
"Jetzt frisst Markus Söder Kreide", merkte SPD-Fraktions- und Parteichefin Andrea Nahles süffisant an. Auch sie hat allerdings erst vor Kurzem reichlich Gegenwind bekommen für die Aussage "Wir können nicht alle bei uns aufnehmen." Faktisch richtig. Und dennoch fragwürdig, meint Sprachforscher Niehr. "Man könnte fragen: Wer hat das gefordert? Und warum diese Äußerung in diesem Kontext?", meint er. "Das Problem ist, was mitgemeint ist, und auch von allen so verstanden wird."
Seehofer spricht von "Kampagne" gegen sich
Auf derlei Sprachkritik reagiert die CSU empfindlich. Innenminister Seehofer spricht von einer "Kampagne" gegen sich, unterstellt, seine Äußerungen würden bewusst ins falsche Licht gerückt. "Genau diejenigen, die jeden Tag dafür eintreten, dass man in der Politik Anstand und Stil zu bewahren hat, überschütten mich mit Worten und Eigenschaften und Attributen, die weit unter der Gürtellinie liegen", sagt er erst am Donnerstagabend in einer Bierzelt-Rede im oberbayerischen Töging am Inn. "Jetzt steht also der böse Seehofer vor Ihnen - der Mörder, der Terrorist, der Rassist."
Generalsekretär Markus Blume empörte sich über Grünen-Chef Robert Habeck, der die CSU-Spitze im "Amok-Modus" sah. Den Begriff "Asyltourismus" verteidigt er: "Eine Volkspartei muss die Sprache der Bevölkerung sprechen." Gleichwohl wolle die Partei künftig noch stärker auf ihre Wortwahl achten.
Es sei eine Gratwanderung zwischen konstruktiver und destruktiver Polemik, sagt Forscher Hafez. "Politik mit Unterhaltungswert, die nicht auf Menschenverachtung setzt, wäre Deutschland zu wünschen." So jemand wie Emmanuel Macron in Frankreich oder der frühere US-Präsident Barack Obama fehle hierzulande. Habeck habe da schon Talent, meint er, ebenso FDP-Chef Christian Lindner.
Über Konsequenzen des Gesagten nachdenken
Was folgt aus all dem? Über Sprache nachzudenken, sich die Konsequenzen des Gesagten klar zu machen, empfiehlt Experte Niehr. Zu Naturmetaphern wie "Flüchtlingslawine" oder "-welle" sagt er: "Da geht man davon aus, dass wir es mit gefährlichen Naturgewalten zu tun haben, gegen die man sich schützen muss. (...) Asylbewerber werden nur noch als bedrohliche Masse wahrgenommen. Die Frage, warum jemand Leib und Leben riskiert, um nach Europa zu kommen, wird dabei ausgeblendet."
Die Medien sieht er in einer Zwickmühle. "Zum einen haben sie die Pflicht, möglichst umfassend zu berichten. Aber damit kommen sie leicht in die Lage, über jedes Stöckchen zu springen, das Rechtspopulisten ihnen hinhalten." Man solle nicht jede steile These eines Hinterbänklers aufgreifen, meint er. Sein Erfurter Kollege Hafez beklagt "ein geradezu unterwürfiges Verhalten gegenüber sozialen Medien" in den Medien. Die Bedeutung von Kanälen wie Twitter werde überschätzt und durch die Massenmedien künstlich vergrößert.
Die direkte Kommunikation mit dem Bürger, das reizt jetzt aber auch Seehofer. "Ich fange wahrscheinlich Ende August selbst das Twittern an", sagte er bei seiner Bierzelt-Rede am Donnerstagabend. "Ich sehe mich jetzt gezwungen, weil manche Wahrheiten ich sonst nicht unter eine breitere Bevölkerung bekomme."
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06.08.18, 14:57
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#2
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Anwesend
Registriert seit: Jan 2010
Beiträge: 667
Bedankt: 308
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Heult doch!
Die Eliten bekommen jetzt per Internet den normalen Mob direkt frei Haus geliefert, wo sich früher mehr Techies und andere Gebildete bewegten. Die brauchen jetzt keine Fackeln und Mistgabeln mehr, nur noch ihr Smartphone.
Der direkte Kontakt mit dem sonst gemiedenen und ausgegrenzten Fußvolk ist ganz klar ein echter Kulturschock. So ganz außerhalb der gewohnten Kaste, mit dem eigenen Sprachkodex und den Verhaltensmustern...
Und was fällt den Bonzen nun ein? Jau, die Unerwünschten müssen weg, mindestens aus der Hörweite. Mehr Zensur, Überwachung, Propaganda gegen die 'anderen', war ja klar dass die Freiheit des Internets früher oder später zur Spielwiese der Begüterten verkommt. Wie im 'wirklichen' Leben.
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06.08.18, 15:31
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#3
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Chuck Norris sein Vater
Registriert seit: Apr 2009
Beiträge: 5.075
Bedankt: 12.638
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Moin,
auf der einen Seite mag die politische Sprache etwas drastischer werden. Aber die Empfindlichkeit ist auch viel größer. Die Liste der von Sprachwächtern als böse indizierten Wörter ist ja kaum noch zu überblicken. Von "Asyltourismus" bis "Zigeuner" ist für jeden was dabei. Es ist ja kaum noch möglich, zu bestimmten Themen einen Satz zu sagen ohne das ein selbsternannter Sprachpolizist erzürnt die Stirn runzelt.
Das treibt zum Teil schon kuriose Blüten. Zitat aus der Quelle ""Wir können nicht alle bei uns aufnehmen." Faktisch richtig. Und dennoch fragwürdig"
Was soll der Unsinn? Wenn es faktisch richtig ist, dann muss man das auch so sagen. Wie denn sonst?
Nun gibt es ja das Argument " "Man sollte sich fragen, ob man hier nicht eine gewaltförmige Sprache führt, die nicht auch zu physischer Gewalt ermutigen kann."
Und wenn man mal beim Fragen ist, könnte man sich ja auch mal fragen ob es den Sprachwächtern darum geht die Verrohung der Sprache zu vermeiden oder ob da nicht auch der Wunsch dahinter steckt, durch das "Verbot" bestimmter Worte auch bestimmte Meinungen zu ächten.
Es kommt auf den Zusammenhang an. Das Wort "Neger" kann gut gemeint sein. Und das Wort "Facharbeiter" kann eine böse Beleidigung darstellen.
Für mich ist das hilfloses herumdoktern an Symptomen. Wer Ausländer hasst, der wird durch die Ächtung bestimmter Worte nicht davon abkommen.
__________________
Wenn Kik den Preis pro Shirt um einen Euro erhöht um seinen Mitarbeitern ein besseres Gehalt zu zahlen, dann finden wir das alle gut.
Und dann gehen wir zu Takko einkaufen ...
Geändert von Melvin van Horne (06.08.18 um 16:12 Uhr)
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Folgendes Mitglied bedankte sich bei Melvin van Horne:
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06.08.18, 23:17
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#4
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Silent Running
Registriert seit: Feb 2010
Beiträge: 7.191
Bedankt: 22.374
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Zitat Melvin:
Zitat:
Das treibt zum Teil schon kuriose Blüten. Zitat aus der Quelle ""Wir können nicht alle bei uns aufnehmen." Faktisch richtig. Und dennoch fragwürdig"
Was soll der Unsinn? Wenn es faktisch richtig ist, dann muss man das auch so sagen. Wie denn sonst?
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«Wir können nicht alle bei uns aufnehmen» – Skandal!
Auch dazu gibt es einen Kommentar aus der Schweiz..
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