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12.11.14, 21:46
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Legende
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Tödliche Sterilisationen - Indische "Zwangsoperationen" in der Kritik
Zitat:
„Wie Vieh zusammengetrieben“
Zwölf Frauen sind seit dem Wochenende in Indien nach einer Massensterilisation gestorben. Ihre Angehörigen erheben nun schwere Vorwürfe gegen die Behörden: Das medizinische Personal habe die Frauen „wie Vieh zusammengetrieben“, sagte der Schwager einer Verstorbenen. Innerhalb weniger Stunden wurden laut indischen Medien in einem „Familienplanungscamp“ im Bundesstaat Chhattisgarh über 80 Frauen operiert. Solche Massen-OPs sind in Indien keine Seltenheit. Im Kampf gegen den Bevölkerungsboom setzen die Behörden seit Jahren auf Kinderplanung durch das Skalpell - mit nicht immer sauberen Methoden und manchmal tödlichem Ausgang.
18 Euro für die Unfruchtbarkeit
83 Sterilisationen in wenigen Stunden: Mit dieser Bilanz konnten am Samstag die Chirurgen im indischen Dorf Pendari ihren Dienst beenden. Vier Tage später sind zwölf der operierten Frauen tot. Mindestens 14 weitere schweben noch in Lebensgefahr. Die Angehörigen erheben schwere Vorwürfe gegen die Behörden - und gegen eine Praxis, mit der Indien seit Jahren den Bevölkerungsboom bekämpft.
Raman Singh, Ministerpräsident des indischen Bundesstaat Chhattisgarh, versucht zu beruhigen: „Es war eine grobe Fahrlässigkeit - sehr unglücklich.“ Vier Beamte seien vom Dienst suspendiert worden - unter ihnen der Direktor des Familienplanungsprogramms des Bundesstaates und der Arzt, der die Operationen beaufsichtigte. Die Behörden werden den Zwischenfall untersuchen, versprach Singh.
Schwere Komplikationen
Für die Kongresspartei in dem indischen Bundesstaat ist das nicht genug. Laut einem BBC-Bericht rief sie zu einem Generalstreik auf und fordert den Rücktritt des Gesundheitsministers Amar Agrawal. Für viele Angehörige ist auch ohne Untersuchungen klar, was zu den Komplikationen führte. Sie sprechen von Pfusch, fehlenden technischen Hilfsmitteln und abgelaufenen Medikamenten. Weder vor dem Eingriff noch danach sollen die Frauen untersucht worden sein. „Die Frauen gingen nach Hause, sie wurden krank und mussten wieder ins Krankenhaus“, sagte einer der Angehörigen. Insgesamt 50 der operierten Frauen wurden wieder in Krankenhäuser eingewiesen.
Vor dem Eingriff habe das medizinische Personal aber allen versichert, dass es sich nur um einen kleinen Eingriff handle, sagte Mahesh Suryavanshi, ein Schwager einer der Toten, gegenüber der indischen Zeitung „Express“. Laut ihm wurden die Frauen „wie Vieh zusammengetrieben“. 1.400 Rupien bekommen die Frauen in Chhattisgarh von der Regierung für den Eingriff - umgerechnet 18 Euro. „Die Vermittler bekommen 200 Rupien pro Frau, die sie zu den Camps bringen“, sagte ein Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde. Auch für die Ärzte gibt es üblicherweise pro Operation eine Prämie.
Ein Land kämpft gegen die Überbevölkerung
Der Vorfall in Pendari wirft ein unschönes Licht auf eine gängige indische Praxis. Denn Massensterilisationen, wie die in Pendari, sind keine Seltenheit. In Indien werden weltweit die meisten Frauen sterilisiert. Die Regierung sieht in dem Eingriff ein wirksames Mittel gegen die Überbevölkerung des Landes. Bereits jetzt leben auf dem Subkontinent 1,25 Milliarden Menschen. Laut Berechnungen der UNO wird Indien in etwa 15 Jahren China als bevölkerungsreichstes Land abgelöst haben.
Der Bevölkerungsboom stellt das Land bereits jetzt vor gewaltige Herausforderungen. Wie kann ein solches Riesenvolk ernährt werden? Wie den Ausbau der Infrastruktur im nötigen Tempo vorantreiben. Anders als China hat Indien nie eine Einkindpolitik eingeführt. Und stattdessen auf Aufklärung und Verteilung von Verhütungsmitteln gesetzt.
Doch nach Angaben des indischen Gesundheits- und Familienministeriums wendet etwa nur die Hälfte aller Familien irgendeine Art von Verhütung an. Dafür ließ sich fast ein Drittel aller indischen Frauen sterilisieren. Allein seit 2013 wurden laut indischer Regierung vier Millionen dieser Operationen durchgeführt. Verschwindend gering ist diese Rate freilich bei den Männern - gerade einmal ein Prozent aller indischen Männer ließ ihre Samenstränge durchtrennen. Obwohl der Eingriff laut Experten bei Männern deutlich unkomplizierter und ungefährlicher ist.
Todesfälle und Behördendruck
Denn auch wenn die indischen Behörden die Operation, bei der die Eileiter durchtrennt und abgebunden werden, als Routineeingriff verkauft. Sie ist nicht frei von Risiko. Zwischen 2003 und 2012 starben laut der „Hindustan Times“ 1.434 Frauen bei dem Eingriff. 568-mal habe die Regierung zwischen 2009 und 2012 eine Entschädigung an Hinterbliebene gezahlt. Auch bei den jüngsten Fällen sollen die Familien der Opfer wieder eine Entschädigung bekommen: Umgerechnet 650 Euro gibt es für jene Kranken, die überleben. Etwa 5.000 Euro erhalten die Familien der Verstorbenen.
Für Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch ist das die Kompensation eines grundsätzlich falschen Systems. Sie bemängeln, dass die Frauen in Indien zumeist nicht ausreichend informiert und betreut würden. Außerdem setzten die Lokalregierungen der Bundesstaaten sich Ziele, wie viele Sterilisationen sie pro Jahr durchführen möchten, und übten Druck auf die Beamten aus, diese auch zu erfüllen. Offiziell gibt es in Indien zwar seit 40 Jahren keine Zielvereinbarungen für Sterilisationen mehr. Allerdings: „Von April bis zum nächsten März gibt es ein jährliches Ziel, das haben wir damit erfüllt“, sagte einer der suspendierten Beamten dem lokalen Fernsehender NDTV.
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