Bundestag: Die erste Hürde hat die skandalöse Gesetzesänderung schon genommen. (Bild: Deutscher Bundestag / Marc-Steffen Unger)
Bislang von der Presse erstaunlich wenig kommentiert hat der Bundestag am vergangenen Freitag eine Änderung des sogenannten Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) beschlossen, die einen faustdicken Datenskandal mit sich bringt: Künftig dürfen Meldeämter Ihre persönlichen Daten verkaufen, ohne dass Sie dagegen widersprechen können.
Das MRRG regelt, wie die Einwohnermeldeämter mit den erfassten Daten der Bürger umgehen dürfen beziehungsweise müssen. Die aktuelle Fassung des Melderechtsrahmengesetzes stammt von 1980 und wurde 2002 nur leicht überarbeitet, weshalb viele Bestimmungen nicht mehr dem aktuellen technologischen Stand gerecht werden. Eine Reform des MRRG ist daher unausweichlich.
Die am 29. Juni vom Bundestag verabschiedete Änderung des MRRG dehnt das Gesetz von bislang 27 auf künftig 55 Paragraphen aus, was noch einmal die Notwendigkeit einer Novellierung demonstriert. Doch die Masse an neuen Paragraphen bietet der Bundesregierung offenbar auch die Möglichkeit, beinahe unbemerkt eine Bestimmung einzustreuen, die jedem Datenschützer die Haare zu Berge stehen lassen muss.
MRRG: Ein Satz, der den gesamten Datenschutz aushebelt.
Widerspruch ist zwecklos
Im Paragraph 44, der die Herausgabe der persönlichen Daten beispielsweise an anfragende Unternehmen regelt, hieß es noch im Entwurf vom November 2011: "[...] die Auskunft verlangende Person oder Stelle erklärt, die Daten nicht zu verwenden für Zwecke a) der Werbung oder b) des Adresshandels, es sei denn die betroffene Person hat in die Übermittlung für jeweils diesen Zweck eingewilligt."
In der finalen Gesetzesfassung vom 27. Juni 2012 hingegen steht etwas völlig anderes: "Es ist verboten, Daten aus einer Melderegisterauskunft zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels zu verwenden, [...] wenn die betroffene Person gegen die Übermittlung für jeweils diesen Zweck Widerspruch eingelegt hat. Dies gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden."
Der letzte Satz hat eine gewaltige Tragweite: Jede Firma, die jemals irgendwelche Daten von Ihnen erfasst hat, kann diese Daten künftig vom Einwohnermeldeamt berichtigen oder bestätigen lassen. Sie haben bei einer Befragung, einem Gewinnspiel oder sonst wo nur Name und Ort angegeben? Das Einwohnermeldeamt liefert dem Unternehmen dazu bereitwillig frühere Namen (beispielsweise bei Heirat), gegebenenfalls Doktorgrad, Ordensname oder Künstlername, Geburtsdatum und Geburtsort sowie bei Geburt im Ausland auch den Staat, dann das Geschlecht, die Konfession, selbstverständlich alle aktuellen Anschriften, gekennzeichnet nach Haupt- und Nebenwohnung, bei Zuzug aus dem Ausland auch die letzte Anschrift im Inland, bei Wegzug in das Ausland auch die Anschrift im Ausland und den Staat, Einzugsdatum und Auszugsdatum, Familienstand, zusätzlich bei Verheirateten Datum, Ort und Staat der Eheschließung sowie die Zahl der minderjährigen Kinder. Und als Sahnehäubchen oben drauf auch noch alle bisherigen Anschriften.
Rechtfertigung á la Manuel Höferlin (FDP): "Bevor hier wieder das Geschrei aus der Opposition kommt: Die Entscheidung war richtig."
Triumpf der Werbe-Industrie kaum noch zu verhindern
All dem können Sie nicht entkommen: Ziehen Sie um, so fragt der Adresshändler einfach nach ihrer neuen Anschrift. Und legen Sie Widerspruch ein, dann greift der eben erwähnte Paragraph 44 Absatz 4: Der Widerspruch gilt einfach nicht.
Diese schöne neue Welt des Datenschutzes wird am 1. November 2014 beginnen, denn dann tritt das geänderte Melderechtsrahmengesetz nämlich in Kraft. Lediglich ein Nein im Bundesrat könnte die Neuregelung jetzt noch aufhalten.
CHIP Online meint:
Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viel Lobbyarbeit Adresshändler und Werbe-Industrie wohl zwischen November 2011 und Juni 2012 betrieben haben müssen, damit aus einem soliden Gesetz ein Datenschutz-GAU wird. Und dann fragen sich Politiker immer wieder, warum sich die Bürger von ihnen verraten und verkauft fühlen. (cel)
Nicht nur der Werbeindustrie wird da Tür und Tor geöffnet, auch Nicht-Rechtschaffenden (wobei Werber auch keinen Heiligenschein tragen) werden hier sehr viele Möglichkeiten in die Hände gelegt.
Ich denke aber, dass man diese Novellierung hauptsächlich vornahm um dem Mietnomadenproblem etwas herr zu werden.
Leider hinkt auch hier die Politik der Logik deutlich hinterher.
Ich denke aber, dass man diese Novellierung hauptsächlich vornahm um dem Mietnomadenproblem etwas herr zu werden.
Das kann gut sein, aber deswegen das Widerspruchsrecht abzuschaffen, ist ein Unding!
Und statt dieses Gesetz zu vereinfachen, haben sie die Paragraphen verdoppelt! So finden windige Anwälte und Firmen genügend Schlupflöcher!
da kommt mir mal wieder der alte witz in den sinn:
staubsaugervertreter verkaufen staubsauger,
versicherungsvertreter verkaufen versicherungen,
und volksvertreter...
ohne scheiss, wenn ich in letzter zeit nachrichten lese wünsche ich mir manchmal die monarchie, da muss nur eine kopf rollen wenn die regierung zu weit geht
EDIT: ich hab mal für entmündigt gestimmt, finde aber der ausdruck verkauft wäre zutreffender
Mietnormaden sind doch sowieso viel zu Gut geschützt. Da hilft so ein Gesetzt auch nicht.
Ich kenne genau 3 Leute die Opfer von Mietnormaden wurden und alle 3 haben nie wieder Geld gesehen. Wenigstens haben sie sich bei den Tüpen ordentlich "Bedanken" können =)
Es geht doch nicht nur um Mietnomaden! Es geht darum, daß es ausreicht, wenn ihr bei einem Gewinnspiel Euren Namen angebt, und damit die Firma berechtigt ist ihre Datensätze zu vervollständigen!
Somit haben sie nicht nur den Namen, sondern einfach alles was in den Datenbanken der Meldeämter steht!
Zitat:
Sie haben bei einer Befragung, einem Gewinnspiel oder sonst wo nur Name und Ort angegeben? Das Einwohnermeldeamt liefert dem Unternehmen dazu bereitwillig frühere Namen (beispielsweise bei Heirat), gegebenenfalls Doktorgrad, Ordensname oder Künstlername, Geburtsdatum und Geburtsort sowie bei Geburt im Ausland auch den Staat, dann das Geschlecht, die Konfession, selbstverständlich alle aktuellen Anschriften, gekennzeichnet nach Haupt- und Nebenwohnung, bei Zuzug aus dem Ausland auch die letzte Anschrift im Inland, bei Wegzug in das Ausland auch die Anschrift im Ausland und den Staat, Einzugsdatum und Auszugsdatum, Familienstand, zusätzlich bei Verheirateten Datum, Ort und Staat der Eheschließung sowie die Zahl der minderjährigen Kinder. Und als Sahnehäubchen oben drauf auch noch alle bisherigen Anschriften.
Menschen haben (u.a.) Staaten gegründet um sich gemeinsam vor inneren und äußeren
Feinden zu schützen !
Der Staat "verkauft" also auf Grundlage dieses Gesetzes Informationen über seine Bürger
an Privatpersonen.
Sorry, das ist PERVERS !
.....wie die FDP !
Lediglich ein Nein im Bundesrat könnte die Neuregelung jetzt noch aufhalten.
Ebend dies glaube ich nicht. Ich denke das wird früher oder später ein Fall für das Bundesverfassungsgericht oder so.
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" Die Rechtschaffenheit deines Handelns wird gemessen an der Stärke deiner Überzeugung. "
" Sieg bedarf keiner Erklärung, Niederlage erlaubt keine. "
Die rheinland-pfälzische Landesregierung will im Bundesrat das neue Meldegesetz blockieren. Die neuen Regelungen erlauben es Einwohnermeldeämtern, persönliche Daten von Bürgern an Firmen weiterzugeben.
Zwar gibt es noch keinen Beschluss im Kabinett, sagte ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums dem SWR. Allerdings sei bereits sicher, dass man dem Meldegesetz in der jetzigen Form im Bundesrat nicht zustimmen werde. Dazu gebe es bereits Gespräche mit anderen Bundesländern.
Das neue Meldegesetz sieht vor, dass Behörden Daten von Bürgern an Firmen weitergeben können. Bürger können aber nur unter bestimmten Voraussetzungen widersprechen. Dadurch könnten etwa Werbefirmen oder Inkassounternehmen leicht mit Adressdaten handeln. Neben Datenschützern kritisieren das auch Politiker von SPD, Grünen und der Linkspartei im Bundestag.
Das Widerspruchsrecht der Bürger wird durch eine Ausnahmeregelung im neuen Gesetz aufgeweicht: Es gilt nicht, wenn die Informationen nur dazu dienen, bereits vorliegende Daten zu bestätigen oder zu korrigieren - was regelmäßig der Fall sein dürfte. Dann bleibt nur die Möglichkeit, direkt beim Unternehmen zu widersprechen. Dafür müssen die Bürger jedoch erst einmal beim Meldeamt in Erfahrung bringen, an wen die Daten überhaupt weitergegeben werden.
Wenn ein Mensch zu anderen Himmelskörpern fliegt und dort feststellt, wie schön es doch auf unserer Erde ist, hat die Weltraumfahrt einen ihrer wichtigsten Zwecke erfüllt.
Ich überlege schon die ganze Zeit ob meine Daten nicht auch dem Urheberrecht unterliegen und diese würden doch bei mir selber liegen. Ob da jetzt das neue Gesetz dieses aufhebt und über dem Urheberrecht steht entzieht sich im Augenblick meiner Kenntnis.
Da ich gerade den Artikel bezüglich der GEZ gelesen habe, könnte ich doch auch glatt vermuten, dass dieses neue Gesetz für die GEZ sehr von nutzen wäre. Doch wenn ich aber der Urheber meines Namens, meiner Adresse ect. bin, kann ich dann die GEZ verklagen?
Um das ganze jetzt weiter zu spinnen, könntet ihr ja meinen, dass mein Namen mir meine Eltern geben haben und somit sie die Urheber wären. Wie sieht es denn aus wenn ich zum Amt gehe und eine Namensänderung durch führen lassen würde? Das ist natürlich nur aus wichtigen Grund möglich. Hier wäre doch der Grund, da es um Urheberrechtsansprüche ging doch mehr als wichtig, denn sonst könnten meine Eltern auf die Herausgabe meines Namens bestehen weil sie ja die Urheber sind und das wäre doch unschön wenn ich ganz ohne Namen da stehen würde.
PS: Das ganze ist natürlich etwas sarkastisch gemeint, aber mit ein klein wenig ernst im Hintergrund.
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Geisterabstimmung im Bundestag Bundesregierung distanziert sich von Meldegesetz
09.07.2012
Es war eine Beschneidung der Bürgerrechte im Expresstempo: In nur 57 Sekunden brachte der Bundestag Ende Juni das Meldegesetz auf den Weg. Die umstrittene Regelung wurde außerdem in letzter Minute drastisch verschärft. Nun distanziert sich die Bundesregierung von dem neuen Gesetz.
Berlin - Wer wissen will, was die meisten Deutschen am 28. Juni um 20.51 Uhr gemacht haben, muss nur auf den Spielplan der Fußball-EM in Polen und der Ukraine schauen. Die deutsche Elf kämpfte zu diesem Zeitpunkt vergebens gegen Italien um den Finaleinzug. Und knapp 28 Millionen TV-Zuschauer fieberten mit.
Rund zwei Dutzend deutsche Bundestagsabgeordnete verpassten das Spiel dagegen: Sie beschlossen stattdessen mit dem umstrittenen Meldegesetz eine Gesetzesänderung, die nun für gewaltige Aufregung sorgt. Die Bundesregierung geht inzwischen sogar davon aus, dass die Regelung im parlamentarischen Verfahren wieder verändert wird. Das machte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin deutlich.
Der Vorgang ist so kurios wie die Art, in der das verschärfte Gesetz im Bundestag durchgewunken wurden. Ganze 57 Sekunden brauchte das äußerst spärlich besetzte Parlament im Juni, um dem verschärften Meldegesetz zuzustimmen. Zwei Beratungen und die entscheidende Abstimmung in unter einer Minute - Bescheidung der Bürgerrechte im Turbotempo.
Das Gesetz sieht vor, dass Meldebehörden die persönlichen Daten der Bürger an Firmen verkaufen dürfen - damit diese sie zu Werbezwecken nutzen können. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema finden Sie hier.
Auch die Form, in der der finale Entwurf vorgelegt wurde, sorgt für erhebliche Verwirrung. Denn der ursprüngliche Entwurf vom vergangenen November sah eigentlich eine durchaus verbraucherfreundliche Regelung vor: Ohne Einwilligung des Betroffenen hat niemand Zugriff auf die Daten - die Behörde hätte also beim Bürger nachfragen müssen.
Doch im zuständigen Innenausschuss setzten CDU, CSU und FDP gegen die Oppositionsparteien eine Änderung durch, welche die Regelung ins Gegenteil verkehrt.
Ratlosigkeit bei der CSU
Protest kommt nun aus nahezu allen Parteien. Eine der schärfsten Kritikerinnen: Verbraucherministerin Ilse Aigner, deren CSU in dem Innenausschuss selbst vertreten war. Doch besonders eng waren die Absprachen offenbar nicht. Die Ministerin machte erneut klar, dass der zuständige Bundestagsausschuss das von der Regierung vorgelegte Gesetz ohne Rücksprache geändert und verschärft habe. Auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer erklärte, er könne sich gar nicht vorstellen, wie das Gesetz in der beschlossenen Form im Bundestag zustande kam.
Ministerin Aigner bemüht sich nun um Schadensbegrenzung in der peinlichen Affäre. In der ursprünglichen Gesetzesfassung sei "aus guten Gründen" vorgesehen gewesen, dass die Bürger der Weitergabe persönlicher Daten durch die Meldebehörden ausdrücklich zustimmen müssen. In der verschärften Gesetzesfassung ist nun vorgesehen, dass die Bürger aktiv Widerspruch einlegen müssen. "Das wollen wir nicht", betonte Aigner.
Das Gesetz sollte eigentlich 2014 in Kraft treten. Doch nach dem überwältigend negativen Echo gilt ein Veto im Bundesrat als nahezu sicher.
Mich würde eigentlich jetzt mal interessieren wie das jetzt überhaupt heraus gekommen ist? War das ein Politiker der die Info an einen Journalisten/in weiter gegeben hat? Oder saß jemand von der Presse dabei wie das verabschiedet wurde und fand das interessant und brachte den Stein ins rollen?
Weil ist ja schon merkwürdig das auf einmal so viele Politiker dagegen sind, nach dem es in die Presse gelangte und nach dem Motto: "Davon haben ich nichts gewusst! Aber ich bin dagegen!".
Zeigt dieser Vorfall ein mal mehr wie wichtig es ist zu Wahlen zu gehen und die richtigen Volksvertreter zu wählen!
Informativ wäre auch zu wissen die Namen der Politiker die für das Gesetz gestimmt hatten, denn denen gehört mal ganz kräftig den Kopf gewaschen und bei der nächsten Wahl sollte man die nicht mehr wählen.
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Auf der einen Seite sollen wir den Gürtel enger schnallen, nicht über unsere Verhältnisse leben etcpp.
Auf der anderen Seite wollen sie uns auf die Art mit noch mehr Werbung zuscheissen auf das wir kaufen sollen wie die Geisteskranken?
Eigentlich müssten sie doch Werbung und Adresshandel verbieten und alle Adress- und sonstigen Daten geheimhalten, damit wir nicht auf dumme Konsumgedanken kommen.
(^ etwas Ironie^)
Nach dem Lärm den das verursacht hat, versucht die Regierung nun zurückzurudern:
Zitat:
Das dürfte einmalig in der deutschen Parlamentsgeschichte sein: Die Bundesregierung hat am Montag dazu aufgefordert, ein von der eigenen Koalition im Parlament durchgedrücktes Gesetz im Bundesrat wieder zu kippen. Dafür gibt es gute Chancen: Nicht nur Datenschützer, sondern auch Unions- und SPD-regierte Bundesländer lehnen die Regelung entrüstet ab.
Am 28. Juni hatte der Bundestag im Schnelldurchlauf das neue Meldegesetz verabschiedet, das den Datenkraken im Adreßhandel leichter neue Nahrung zuführen sollte. Nur wenige Abgeordnete saßen überhaupt im Plenum, weil ihre Kollegen während des Abstimmungsmarathons bereits die erste Halbzeit des EM-Halbfinales schauten. Sie mußten die beiden Treffer des italienischen Stürmers Mario Balotelli verwinden, der die Titelträume der deutschen Nationalelf verhagelte.
Nach dem Fußballkater setzte vergangene Woche eine Protestwelle gegen die Weitergabe von Einwohnerdaten an die Adreßhändler ein, die sich zu Wochenbeginn überschlug. Gestern kritisierte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar im Deutschlandfunk: »Dieses Vorhaben – so wie es der Bundestag jetzt beschlossen hat – ist ein Geschenk für die Werbewirtschaft.« Denn selbst wenn die Bürger der Nutzung widersprechen, können Adreßagenturen und Werbevertriebe auf die Anschriften zugreifen, um Bestandsdaten zu bestätigen oder zu berichtigen. Im Klartext: Wessen Daten einmal in die Fänge der Kraken geraten sind, der kann sich dem Zugriff nie mehr entwinden.
Schwarz-gelb hofft nun darauf, daß der Koalitionsentwurf vom Bundesrat gestoppt wird, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag die Kehrtwende umschrieb. Selbst CSU-Chef Horst Seehofer will im Bundesrat als bayerischer Ministerpräsident gegen das neue Gesetz stimmen. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) geht davon aus, daß »jetzt der Vermittlungsausschuß einberufen wird, und daß sich hier noch eine Änderung ergibt.« Kurios mutet die Stellungnahme der FDP-Fraktion an: »Wir laden die CDU/CSU-Fraktion herzlich ein, schnellstmöglich zu einer Einwilligungslösung im Melderecht zu kommen«, erklärte ausgerechnet die innenpolitische Sprecherin der FDP, Gisela Piltz, die den Aufruhr erst verursacht hat.
Der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl und FDP-Frau Piltz hatten am 15. Juni, einem Freitag, einen Änderungsantrag zum Meldegesetz im Innenausschuß eingereicht. Darauf folgte eine sitzungsfreie Woche, der Ausschuß tagte dann am 27. Juni, einem Mittwoch. Es gab nur eine kurze Aussprache zum Thema, denn vielen Abgeordneten waren die Änderungen offenbar entgangen. Auch im Bundestagsplenum fand die neue Fassung keine Beachtung.
Der Internetblog Abgeordnetenwatch.de hat den Adreßhändler Schober als Nutznießer der Datenweitergabe ermittelt. Der habe für die FDP im Bundestagswahlkampf 2009 eine E-Mail-Kampagne organisiert. Zuvor hatte Piltz der CDU-SPD-Koalition im Bund pikanterweise noch vorgeworfen, »unter dem Druck der Adreßhandelslobby eingeknickt« zu sein.
Unglaublich wie Demokratie funktioniert, wenn man dem nur minimale Aufmerksamkeit schenkt. Gut das Gesetz ist ein Skandal, aber die Tragweite ist für unsere Zeit vergleichsweise gering.
Man stelle sich nur vor was man mit etwas mehr Druck bei ESM und Fiskalpakt erreichen könnte...
Berlin - Wer wissen will, was die meisten Deutschen am 28. Juni um 20.51 Uhr gemacht haben, muss nur auf den Spielplan der Fußball-EM in Polen und der Ukraine schauen. Die deutsche Elf kämpfte zu diesem Zeitpunkt vergebens gegen Italien um den Finaleinzug. Und knapp 28 Millionen TV-Zuschauer fieberten mit.
Sehr gut beobachtet, dieser Volksverrat hat echt System...
Bin schon gespannt, welche Gurke wir 2014 zum Endspiel der Fussball-WM verpasst bekommen!