Giftschlamm: Aufräumen als Gefahr für die Gesundheit
Sonnenschein in Kolontar und Devecser sind derzeit kein Grund zur Freude. Der an manchen Stellen trocknende rötliche Schlamm beginnt sich langsam in Staub zu verwandeln und wird so zur Gefahr für alle die ihn einatmen.
In Devecser mühen sich Helfer in Schutzkleidung ab, die Straßen zu reinigen. Und immer wieder beißender Geruch. Für die Menschen hier hat die Katastrophe eine Farbe: rot. Und sie ist noch lange nicht vorbei. Sie wird einige Jahre dauern.
Die Ortseinfahrt von Kolontar bietet ein Bild der Verwüstung. Die Schlammmassen haben Felder zerstört, Vorgärten und Häuser überflutet. Kolonnen von Militärfahrzeugen wälzen sich durch das Dorf. Bewohner stehen völlig ungeschützt vor der giftigen Brühe in ihren Vorgärten und beobachten Soldaten mit Mundschutz. Eine Mutter mit Baby am Arm blickt aus einer Hauseinfahrt auf die Straße, wo einige Lkw vorbeidonnern und den getrockneten Staub aufwirbeln. Kurz darauf rollt eine Kolonne von Tankfahrzeugen heran und spritzt die Fahrbahn wieder nass.
Alles ist rot
Es sei immer noch schwer, die Gefahren genau einzuschätzen, sagen Mitarbeiter von Greenpeace. "Deshalb sagen wir, dass es besser ist, sich zu schützen", meint etwa Balazs Tömöri. Vor allem, wer bei den Aufräum- und Reinigungsarbeiten eingesetzt sei, sollte Schutzkleidung tragen. Alles, was vor der Katastrophe nicht rot war, ist jetzt rot. Straßen, Felder, Autos, Häuser, Menschen, Tiere, Flüsse, einfach alles. Und es stinkt bestialisch. Dass der Aufenthalt in diesem Gebiet auf längere Sicht nicht gesund sein kann, ist hier allen klar.
Wirklich bleiben will ohnehin niemand. In Kolontar haben die Bürger in einer Versammlung schon die Weichen für die Zukunft gestellt - 90 Prozent wollen weg, nur raus hier. Die Häuser wieder sauber zu bekommen, daran glaubt kaum noch jemand. Selbst Premier Viktor Orban, der in der Früh durch Kolontar streifte, meinte, es mache nicht viel Sinn, hier wieder etwas aufzubauen. Lieber woanders.
Zweites Reservoir instabil
Weiter östlich, wo das gigantische Becken der Aluminiumfabrik gebrochen ist, versuchen die Einsatzkräfte die Giftbrühe mit Wasser zu verdünnen, schütten Gips und Chemikalien in die rote Schlammmasse. Sogar das angrenzende Reservoir sei instabil, heißt es. Auch dort wird verdünnt und abgeleitet. Denn der Inhalt ist zwar nicht rot, aber ebenfalls ziemlich giftig.
Eine Fahrt durch das Katastrophengebiet nimmt apokalyptische Züge an und erinnert an düstere Prophezeiungen aus der Bibel. Menschen waten durch eine tote Landschaft, durch die sich tote Flüsse schlängeln, in denen tote Fische treiben. Und überall dieses beißende Rot.