DEUTSCH
Anschreiben an Abgeordnete:
Sehr geehrte/r Frau/Herr xxxx
es wird angenommen, dass Sie als Mitglied des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, für Justiz und innere Angelegenheiten des Europäischen Parlaments am 28. und 29. September 2010 in der Anhörung zur "Direktive des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung von Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern, sowie Kinderpornographie" zugegen sein werden. Teil dieser Direktive soll nach der zuständigen Kommissarin Cecilia Malmström auch die Anweisung sein, Netzsperren auf nationaler Ebene einzuführen.
Das Ziel, die Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Kindern und die Verbreitung kinderpornographischen Materials, wird natürlich von allen Parteien geteilt. Netzsperren einzuführen, ist jedoch ein denkbar ungeeignetes Mittel, um Verbrechen dieser Art vorzubeugen, da die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt wird und sich Zensur nie als ein effektives Mittel zur Bekämpfung erwiesen hat. Jene Zensur führt zu einer Einschränkung des Bürgerrechts auf freie Meinungsäusserung und der Informationsfreiheit. Zudem werden in einigen Mitgliedsstaaten Maßnahmen wie die Netzsperren bereits missbraucht, um andere unliebsame Inhalte zu blockieren. Die Kompetenz zu entscheiden, was hierbei "unliebsam" ist, soll entgegen des Rechtsstaatsprinzips bei den zuständigen Polizeibehörden oder gar privaten Dienstleistern liegen. Eine einheitliche Regelung, die den Prinzipien eines Rechtsstaats würdig sind, sind nicht geplant.
Darüber hinaus sind Netzsperren unwirksam in der Bekämpfung sexuellen Missbrauchs an Kindern sowie in der Eliminierung des betreffenden kinderpornographischen Materials. Vielmehr ist zu erwarten, dass Netzsperren als Mittel gegen Kindesmissbrauch und die Verbreitung entsprechenden Materials kontraproduktiv sind. So ist zu befürchten, dass es sich bei den Netzsperren nur um Symbolpolitik handelt und effektive Maßnahmen vernachlässigt werden.
1. Die OSZE hat einen Bericht veröffentlicht, der Netzsperren als ineffektiv entlarvt und die Vereinbarkeit mit den europäischen Menschenrechtskonventionen anzweifelt. ([
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2. Kommissar Füle (Parlamentarische Anfrage E-4620/2010) musste zugeben, dass die Netzsperren in der Türkei massenhaft und mühelos umgangen werden.
3. Das Sperren der Seite "The Pirate Bay" in Dänemark führte sogar zu einer Erhöhung der Zugriffe auf die "blockierte" Seite.
Weder die oben genannten Tatsachen, die auf die Ineffektivität von Netzsperren hinweisen, noch die potentielle Gefahr, dass von echten Gegenmaßnahmen abgelenkt wird, wurden von der Kommission berücksichtigt.
Die Löschung solcher unbestritten unerwünschten Inhalte und die Strafverfolgung derjenigen, die für die Erstellung und Verbreitung des Materials verantwortlich sind, muss angestrebt werden. Es ist heute schon möglich, sogenannte Phishing Seiten innerhalb von Stunden aus dem Netz zu entfernen. Wieso klappt diese Maßnahme im Finanzsektor, nicht aber wenn es um Kinderpornographie geht? Technisch ist beides problemlos möglich. Das Problem scheint vielmehr der mangelnde Wille im Kampf gegen den Missbrauch von Kindern und der Verbreitung des Beweismaterials dieser Verbrechen zu sein.
Wir bitten Sie daher darum, in der Debatte folgende Punkte anzusprechen:
Verlangen Sie, dass man sich für ein internationales Abkommen zur Verbesserung der Koordination im Kampf gegen den Missbrauch von Kindern und die Verbreitung kinderpornographischen Materials einsetzt.
Fragen Sie nach, in welchem Land die von der Kommission bevorzugten Sperrinfrastrukturen Erfolge vorweisen können. Verlangen Sie nach einem direkten Ansprechpartner in diesem Land, der die Aussage über einen solchen Erfolg belegen kann.
Verlangen Sie die Streichung jeglicher Inhalte in der Direktive, die eine Sperrinfrastruktur aufbauen sollen. Eine solche Infrastruktur hilft keinem Kind, sondern führt zu Restriktionen auf anderen Ebenen, was in anderen Ländern bereits Realität ist.
Verlangen Sie, dass man sich für ein internationales Abkommen zur Verbesserung der Koordination im Kampf gegen den Missbrauch von Kindern und das Verbreiten des Materials einsetzt. Prävention und Strafverfolgung müssen höchste Priorität haben, Netzsperren lenken nur von den tatsächlichen Zielen ab.
Anbei schicken wir Ihnen noch eine Zusammenfassung der Probleme, die mit einer Sperrinfrastruktur nicht beseitigt werden, bzw.eine Auflistung der Maßnahmen, die stattdessen zu treffen sind.
Gerne stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Verfügung. Unser Ziel ist es, die Verbreitung kinderpornographischen Materials und den Kindesmissbrauch wirksam zu verhindern, aber ebenso den Eingriff in die Bürgerrechte zu vermeiden.
Mit freundlichen Grüßen
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ENGLISCH
Dear Mr./Ms.,
As a member of the committee for Civil Liberties, Justice and Home Affairs, we imagine that you will be attending the hearing on the Directive on "Combatting sexual abuse, sexual exploitation of children and child pornography", which will be held on September 28th and 29th. Part of this directive will be to oblige Member States to implement internet blocking on a national level.
The primary goal, fighting sexual abuse and sexual exploitation of children and the distribution of documented abuse, is clearly supported by everyone. However, blocking the net is the wrong measure to combat these crimes and does fail to respect the principle of proportionality, in particular because blocking has not alone never been proven to work effectively. Furthermore, there is a grave danger that it could undermine child protection. Blocking means introducing censorship and constraining the rights of free speech and freedom of information.
There are numerous reasons to fear that this measure could be counter-productive for child protection. Firstly, it is so ineffective and easy to circumvent that this approach risks distracting the EU from real measures (such as investigation and prosecution and cooperation with third countries) that would be more victim-oriented:
1. The OSCE adopted a report which said that blocking was so ineffective as to be probably illegal under the European Convention on Human Rights. ([
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2. Commissioner Füle (Parliamentary question E-4620/2010) downplayed the significance of blocking in Turkey, saying that "many people" have circumvented the ban.
3. The blocking of "Pirate Bay" in Denmark actually led to an increase in the traffic from Denmark to the supposedly "blocked" site.
None of these considerations were considered in the European Commission's impact assessment - neither from the perspective of the grave doubts that blocking is a distraction from taking real action nor from the perspective that blocking is so ineffective that it is quite obviously disproportionate.
Furthermore, enabling a broad censorship technology is already leading to abuse - as seen by the spread of blocking to gambling websites and websites accused of infringing intellectual property. The responsibility for deciding what is blocked and what is not varies from member state to member state. In some states these decisions are made by the police, in some by judicial authorities and in some by completely private entities. .
Blocking mechanisms are ineffective in the fight against sexual child abuse and the deletion of its documentation. The deletion of this undesirable content and the prosecution of those responsible for the production and distribution of the material should be the main agenda.
It is already possible to delete so called Phishing Sites in a matter of hours. Why is this possible in the financial sector, but not for the sake of children? Technically, the deletion of all such content is not a great problem. The problem rests with the lack of political will to fight against the abuse of children and the distribution of evidence of such crimes.
As a consequence, we ask you to address the following points:
That the European Commission finally provide statistics that show the necessity of internet blocking.
That the European Commission provide an evaluation of internet blocking in each country where it has been used and the concrete, demonstrable results.
Insist on the deletion of any provisions within the directive which seek to impose a blocking-infrastructure. Such an infrastructure will serve (and in some member states already is serving) to impose restrictions on other's interests and does nothing to help identify criminals or rescue victims.
Insist that the Commission launches an initiative to launch an enforceable multilateral treaty to improve international cooperation against child abuse, exploitation and the distribution and production of material that documents these crimes. Mutual commitment to fight these crimes must have the highest priority. Blocking is a counterproductive distraction from this goal.
Please find attached an abstract of the issues that will not be eliminated by building a blocking infrastructure and an analysis of which measures are more effective.
We are ready to assist if you have further questions. Our main goal is to prevent disproportional constraints of civil rights and simultaneously and effectively combat the distribution of documented child abuse and exploitation as well as the crime itself.
Sincerely