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karfingo 22.05.23 20:13

Megafallen im Nahen Osten
 
Zitat:

Älteste Baupläne der Menschheit entdeckt
Steinzeitliche Jäger trieben große Herden in riesige Tierfallen. Der Bau der Anlagen war wohl nur dank überraschend präziser Pläne möglich, die aufwendig in Stein graviert waren.
22.05.2023, 16.40 Uhr

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Wüstendrache in Jebel az-Zilliyat in Saudi-Arabien Foto: Oliver Barge / CNRS / dpa

In Jordanien und Saudi-Arabien haben Forschende die ältesten bekannten Baupläne der Menschheit entdeckt. Mithilfe der Darstellungen sollen Menschen damals gewaltige Anlagen aus Steinen und Gruben geschaffen haben, um Wildtiere zu fangen. Ein internationales Forschungsteam datiert zwei der Anlagen samt Plänen im Fachblatt »PLOS One« auf ein Alter von 8000 und 9000 Jahren und damit auf eine Zeit Jahrtausende vor Erfindung der Schrift.

Riesige Tierfallen, wie die nun analysierten, wurden erstmals in den Zwanzigerjahren von Flugzeugen aus entdeckt. Sie bestehen aus bis zu fünf Kilometer langen Steinaufschüttungen, die trichterförmig in eine Art Gehege führen. Begrenzt werden die Fallen von bis zu vier Meter tiefen Gruben. Wegen ihrer Form aus großer Höhe betrachtet, werden die Strukturen auch Wüstendrachen (»Desert Kites«) genannt.


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Gravierter Felsblock in Jebel az-Zilliyat in Saudi-Arabien: 8000 Jahre alter Bauplan Foto: Crassard et al. / PLOS ONE / dpa

Das Team um Rémy Crassard von der Universität Lyon geht davon aus, dass die Menschen einst Tierherden, etwa eine Gruppe Gazellen, entlang der Steinreihen in die Gehege getrieben haben. Noch bemerkenswerter als die Anlagen selbst sind jedoch die in Stein gravierten präzisen Baupläne, über die das Team nun berichtet.

Mit Werkzeugen eingemeißelt

Die 8000 Jahre alten Pläne gehören zu einem Wüstendrachen in Saudi-Arabien. Die 9000 Jahre alten Aufzeichnungen zu einer ähnlichen Struktur in Jordanien, berichten die Fachleute. Es handele sich um die ältesten bekannten, maßstabsgetreuen Baupläne der Menschheitsgeschichte. Die Gehege der Wüstendrachen, die von bis zu 20 Gruben begrenzt werden, messen im Schnitt einen Hektar – also 10.000 Quadratmeter.

Kein Wunder also, dass Pläne für den Bau notwendig waren. Weil die riesigen Anlagen nur aus der Luft als Ganzes erkennbar sind, nutzte das Forschungsteam aus Frankreich, Deutschland, Saudi-Arabien und Jordanien Satellitenbilder für seine Ausgrabungen.

Insgesamt gibt es in der Gegend von Jibal al-Khasabiyeh im Südosten Jordaniens acht bekannte Wüstendrachen. Der nun vorgestellte 9000 Jahre alte Plan wurde in einen Felsen geritzt. Er ist rund 80 Zentimeter lang und 32 Zentimeter breit.

In Zebel az-Zilliyat in Saudi-Arabien gibt es ebenfalls zwei Megafallen, die rund 3,5 Kilometer voneinander entfernt liegen. Die dazugehörigen Baupläne sind auf einem Felsen mit einer Länge von 382 und einer Breite von 235 Zentimetern dokumentiert. Sie wurden nicht in Stein geritzt, sondern wahrscheinlich mit Werkzeugen eingemeißelt.

Das Besondere an den Plänen sei, dass sie »überraschend realistisch und genau« seien, schreibt das Team. Angefertigt wurden sie in Saudi-Arabien im Maßstab 1:175 und in Jordanien im Maßstab 1:425. Die Präzision unterscheidet sie von früher gefundenen, lediglich groben Darstellungen größerer Bauwerke.

Meilenstein in der kognitiven Entwicklung

Die Analyse zeige, dass Menschen schon damals dazu fähig waren, große Räume gedanklich zu erfassen und auf kleinere zweidimensionale Flächen zu übertragen, berichtet das Fachteam. Das Entwerfen von Plänen und zweidimensionalen Bildern von dreidimensionalen Räumen in einem verkleinerten Maßstab sei ein Meilenstein in der kognitiven Entwicklung im Bereich des abstrakten Denkens.

»Es sieht so aus, dass die drachenbauenden Jäger eine Vermessungstechnik beherrschten, die uns heute unbekannt ist«, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Menschen müssten bereits eine Idee von Vermessung und Berechnungen gehabt haben.


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Ältester bekannter Bauplan der Menschheitsgeschichte in Jordanien: 9000 Jahre alt Foto: Oliver Barge / CNRS

Möglich sei auch, dass die Menschen die Zeichnungen genutzt haben, um ihre Jagdstrategien zu verbessern. Denn anhand der Pläne könne man die Anzahl und Position der Jäger festlegen, ihre Aktionen koordinieren und Reaktionen der Beutetiere planen. Damit könnten die Gravuren auch so etwas wie ein steinzeitliches Kommunikationsmittel gewesen sein.

Der Fund trage dazu bei, zu verstehen, wie Menschen einst beim Bau auch von anderen Großobjekten vorgegangen sein könnten. Bisher gab es nur wenige Pläne und Karten aus der Zeit vor Entstehung der Schrift in Mesopotamien und Ägypten. Auch über die Jagd mit solchen Großfallen ist bisher noch wenig bekannt – obwohl bis heute weit über 6200 Wüstendrachen im Nahen Osten, im Kaukasus und in Zentralasien registriert wurden.
jme/dpa
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