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BLACKY74
Chuck Norris sein Vater
 
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Standard Rechter Terror in Deutschland: Hundert Jahre Mord

Zitat:
Rechter Terror in Deutschland
Hundert Jahre Mord

Vor 20 Jahren starb das erste Mordopfer des "Nationalsozialistischen Untergrundes". Zum Terror gegen den Staat verschworen sich deutsche Rechtsradikale jedoch schon 1920. Die Parallelen sind beunruhigend.



Von Florian Huber
11.09.2020, 12.29 Uhr

"Ich bin gewohnt, von allen Möglichkeiten die entschiedenste zu ergreifen", tönte der Kopf des Terrorkommandos vor seinen blutjungen Leuten, wie es einer von ihnen Jahre später darstellte: "Ich habe die Absicht, den Mann zu erschießen, der größer ist als alle, die um ihn stehen."

Gemeint war der liberale Reichsaußenminister Walther Rathenau, ein Großindustrieller jüdischer Herkunft, der mit seiner Politik des europäischen Ausgleichs nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg die deutsche Öffentlichkeit polarisierte. Erschießen wollte ihn Erwin Kern, ehemals Marineoffizier, nun Kopf eines ultrarechten Terrorkommandos. Sein Hass richtete sich weniger gegen die Person Rathenaus als gegen das politische System, das er repräsentierte: Kerns Ziel war es, die Demokratie zu vernichten.
Zitat:
Zum Autor

Florian Huber (Jahrgang 1967) ist promovierter Historiker und preisgekrönter Dokumentarfilmer. Sein Bestseller "Kind, versprich mir, dass du dich erschießt - der Untergang der kleinen Leute 1945" wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und von der "Times" unter die besten historischen Bücher des Jahres 2019 gewählt. Frisch erschienen ist Hubers Buch "Rache der Verlierer: Die Erfindung des Rechtsterrors in Deutschland".
Zu den spärlichen Quellen über Erwin Kern zählen neben einigen Gerichtsakten vor allem die Erinnerungen seiner Mitverschwörer wie der autobiografische Roman "Die Geächteten" des späteren Schriftstellers Ernst von Salomon. So stilisiert und eingefärbt diese Darstellungen sind, geben sie dennoch Aufschluss über Haltung und Motive der Rechtsextremisten damals. Fast ein Jahrhundert ist das her, doch was damals begann, ist keineswegs vorbei. Kerns Anschlag auf Außenminister Rathenau im Juni 1922 war einer der ersten großen Auftritte des Rechtsterrorismus in Deutschland, der sich in den Zwanzigerjahren formierte - die Nachfahren töten bis heute.

• Vor 20 Jahren verübte der "Nationalsozialistische Untergrund" den ersten Mord. Der Blumenhändler Enver Şimşek starb am 11. September 2000 in Nürnberg, neun weitere Menschen folgten.

• Derzeit steht in Frankfurt der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor Gericht.

• Und in Magdeburg läuft der Prozess gegen den Attentäter von Halle, der nach seinem gescheiterten Angriff auf eine Synagoge zwei Menschen erschoss.

Jedes Mal stoßen die Ermittler auf Muster, die sich erstmals im Leipziger Staatsgerichtshof offenbarten, als die Beteiligten am Rathenaumord vor Gericht standen. Es war der größte politische Mordprozess der Weimarer Epoche. Die Ermittlungsergebnisse von damals wirken erschreckend aktuell: Dem Attentat lagen Feindbilder, Denkweisen und Sprachfiguren zugrunde, die den demokratischen Rechtsstaat bis heute herausfordern. In den Strukturen und Milieus zeigen sich erstaunliche Parallelen – und ebenso in den Gefühlswelten der Täter.

Diffamierung als "Volksverräter"


Erwin Kern hatte als junger Marineoffizier im Ersten Weltkrieg unter der schwarz-rot-weißen Kriegsflagge des Kaiserreichs gedient, bis ihm am 9. November 1918 die Niederlage Deutschlands und der Untergang der Hohenzollern-Monarchie alles entriss, wofür er gelebt hatte: "Ich bin tot", lässt Ernst von Salomon ihn über dieses Trauma sagen. "Was an mir lebt, bin nicht ich. Ich kenne kein Ich mehr seit jenem Tage."

Nun war Kern einer von vielen im Ozean der Verlierer, die sich mit einem grauen Leben in der demokratischen Gesellschaft nicht abfinden wollten. Die Rolle dieser Männer schien ausgespielt. Das aber war ein Irrtum, denn sie waren noch da, und mit ihnen ihr Schmerz, der nicht vergehen wollte.

In der Novemberrevolution von 1918 war neben Kerns Traum von einer Offizierskarriere zugleich sein Bild von der Heimat zerronnen. Jene, die soeben noch für ihr Vaterland gekämpft hatten, schienen überflüssig und nicht mehr gewollt. Die Schuldigen dafür suchten viele Frontheimkehrer bei den Vertretern der neuen Ordnung in Parlament und Regierung. Der zentrale Mythos der rechts*******n Propaganda wurde die "Dolchstoßlegende": Zivilisten seien dem "im Felde unbesiegten" Heer in den Rücken gefallen; "Volksverräter" wie Rathenau hätten das Reich an fremde Mächte verschachert, die sich unter dem Mantel der westlichen Demokratie gegen das deutsche Volk verschworen hätten.

In Salomons literarischer Rechtfertigungsschrift formuliert Erwin Kern ein zeitloses Glaubensbekenntnis der *******n Rechten: "Wenn es eine Macht gibt, die wir vernichten, mit allen Mitteln zu vernichten die Aufgabe haben, dann ist es der Westen und die deutsche Schicht, die sich von ihm überfremden ließ."

Fast dieselben Worte sind heute wieder zu hören. Als Agenten der Überfremdung, als "Volksverräter" wurden Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck 2016 am Tag der Deutschen Einheit in Dresden beschimpft. Sogar den 2019 ermordeten Politiker Walter Lübcke erklärte ein Pegida-Demonstrant vier Wochen nach der Tat zum Volksverräter: "Wer seinem eigenen Volk empfiehlt, wenn ihm die Flüchtlingspolitik nicht passt, das Land zu verlassen, das ist für mich ein Volksverräter", sprach der Mann in ein Mikrofon.

Von Beschimpfungen zu Morden

Vokabeln wie "Volksverräter", "Lügenpresse" oder "Systempolitiker" gehören auch zum Wortschatz rechter Politiker wie Donald Trump in den USA, Marine Le Pen in Frankreich oder Alexander Gauland in Deutschland. Diese Kampfbegriffe kursierten bereits in den deutschnationalistischen Kreisen vor hundert Jahren. Das "System", gemeint war die Weimarer Demokratie, sahen Rechtsradikale als seelenlose Macht hinter dem Niedergang der Heimat. Die parlamentarische Praxis von Debatte und Kompromiss galt ihnen als Nebelwand, hinter der korrupten "Systempolitiker" sich vor allem selbst bereicherten.

Von dieser diffamierenden Sprache ist der Schritt nicht weit zur Tat. Sie wird zum "Fanal", denn wer die Tat riskiert, füllt die eigene Leere mit selbsterklärtem Sinn und macht sich selbst mächtig, indem er Angst und Schrecken verbreitet. In ihrem NSU-Bekennervideo verkündeten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt: "Der Nationalsozialistische Untergrund ist ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz – Taten statt Worte."

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Von den Rathenau-Mördern bis zum NSU - die Todesschwadronen der rechten Demokratiefeinde

Vor einem Jahrhundert entschloss sich auch der Marineveteran Erwin Kern zur Tat. Nach der Rückkehr von der Front trat er der "Organisation Consul" bei, einem Untergrund-Netzwerk in der Nachfolge des berüchtigten, 1920 aufgelösten Freikorps Brigade Ehrhardt. Dort fand Kern eine Heimat für seine autoritären Sehnsüchte: einen geheimen Männerbund, durch Eid und Schweigegelübde darauf eingeschworen, die herrschende Macht zu bekämpfen und sich Deutschland zurückzuholen.

In diesem paramilitärischen Verband zorniger junger Männer stieg Kern, der Charisma mit Kaltblütigkeit verband, zum führenden Aktivisten auf. Viele Mitkämpfer erlagen seinem Einfluss: "Kern glaubte an die Sache und riß, wie immer, alles mit sich. Er wußte: unser Tag kommt", beschrieb ihn der damals erst 17-jährige Hans Gerd Techow später.

Todesschwadron gegen Demokraten

Die Organisation Consul bekämpfte die demokratische Verfassung und wollte eine nationalistische Regierung einsetzen. Dafür verübte sie Anschläge auf Gegner und unliebsame Politiker. Nachdem 1920 ein Attentat auf den Zentrumspolitiker Matthias Erzberger gescheitert war, töteten ihn im Jahr darauf zwei Consul-Angehörige mit Kopfschüssen und flohen dann ins Ausland.

Doch alle bisherigen Aktionen seien ungenügend, befand Kern laut Salomon: "Wir trafen Glieder, nicht das Haupt und nicht das Herz." Deshalb nahm er das neben Reichspräsident Friedrich Ebert prominenteste Gesicht der Regierung ins Visier: Rathenau. Der Außenminister stand für die Verständigungspolitik mit den Feinden von einst und zog somit glühenden Hass auf sich - "schlagt tot den Walther Rathenau, die gottverdammte Judensau", hetzte man ganz rechts unverhohlen.

Die terroristische Vereinigung führte Listen möglicher Opfer aus der republikanischen Elite, von liberalen Politikern über jüdische Bankiers bis zu Gewerkschaftern und Vertretern der "Systempresse". Ihr Kalkül war simpel und radikal, ihr Ziel der Bürgerkrieg. Im Rathenau-Prozess von 1922 beschrieb ein Mitkämpfer Kerns "Provokationsstrategie": "Er sagte, dass das natürlich seiner Meinung nach nicht auf gesetzlichem Wege erreicht werden könnte, sondern es bedürfe dazu eines gewaltsamen Anstoßes, und zwar müßte das die gewaltsame Beseitigung eines politisch linksstehenden Führers sein." Das Consul-Schattenheer sollte dann den Bürgerkrieg niederschlagen, die Demokratie abservieren und Deutschland in eine rechte Diktatur verwandeln, so der Plan.

Politische Gewalt, um einen Umsturz zu erreichen: Diese Logik verbindet Erwin Kern mit Rechts*******n von heute. Etwa mit den Mitgliedern der "Revolution Chemnitz", die 2018 mit Angriffen auf Ausländer und Vertreter der Zivilgesellschaft die Revolution herbeiführen und den demokratischen Staat abschaffen wollten. Oder mit der mutmaßlichen Terrorzelle "Gruppe S.", die im Februar 2020 enttarnt wurde und offenbar eine Anschlagsserie auf Moscheen in Deutschland plante, um eine Kettenreaktion bis zum Bürgerkrieg auszulösen.

Millionen nahmen Abschied von Rathenau

Diese Unterfangen scheiterten. Der Attentatsplan von Erwin Kern hingegen funktionierte 1922 wie ein Uhrwerk. Das Untergrundnetz versorgte die Terrorzelle mit Wagen und Waffen, stellte Kuriere und Quartiermeister ab und schickte immer wieder Geld. Bis zum Morgen des 24. Juni 1922. "Fahren Sie los und machen Sie das besprochene Manöver!", rief Kern dem Komplizen am Steuer seines Wagens zu, so beschrieb es später der Oberreichsanwalt in der Anklageschrift gegen den Fahrer, Ernst von Salomon und elf weitere Mitbeteiligte.

Am helllichten Tag, mitten in Berlin, feuerte Kern mit der Maschinenpistole auf den ahnungslosen Rathenau in seinem offenen NAG-Kabriolett. Der Minister starb noch am Tatort. Die Nachricht jagte durchs ganze Reich. Während der politische Betrieb in Berlin zum Erliegen kam, strömten in vielen Städten Menschen auf die Straßen, lieferten sich Gefechte mit der Polizei und machten Jagd auf rechte Politiker. Bürgerkrieg lag in der Luft - für einen Moment schien sich Erwin Kerns Mission zu erfüllen, wie er sie nach Salomons Darstellung beschrieben hatte: "den ersten Schritt zu tun, die Bresche zu schlagen. Wir müssen abtreten in dem Augenblick, da unsere Aufgabe erfüllt ist. Unsere Aufgabe ist der Anstoß."

Ganz ähnliche Ziele verfolgte der rechts******* Attentäter von Christchurch, der 51 Menschen tötete: "Die Schockwellen meiner Tat werden noch über Jahre Politik und Gesellschaft in Atem halten. So schaffen sie genau jenes Klima von Angst und Veränderung, das wir brauchen" - das hoffte er kurz vor seinem live gestreamten Mordfeldzug am 15. März 2019. Seine Taten indes ließen die neuseeländische Gesellschaft eher enger zusammenrücken. Auch in Deutschland besannen sich einst die Menschen nach dem Rathenau-Mord, indem sich Millionen auf den Straßen von ihrem Minister verabschiedeten. Nie fanden in Deutschland so viele zu einer Demonstration für die Demokratie zusammen.

Kerns Umsturzvision war gescheitert. Nach einer Verfolgungsjagd durch halb Deutschland starb er im Schusswechsel mit der Polizei, sein Mittäter erschoss sich selbst. Ein Polizeifoto zeigt die beiden im Tod vereint nebeneinander im Turmzimmer der mittelalterlichen Burg Saaleck. Zeugen vernahmen laut Bericht der Kriminalpolizei Halle einen letzten Ausruf: "Wir wissen, wie wir zu sterben haben, wir sterben für unsere Ideale, unsere Nachfolger werden sich einstellen."

Gerichte klammerten die rechten Netzwerke aus

Zwei dieser Nachfolger lagen 89 Jahre später tot nebeneinander in einem Wohnmobil: Nach einer Verfolgungsjagd mit der Polizei töteten sich die NSU-Mörder Böhnhardt und Mundlos.

Der Prozess gegen Beate Zschäpe und NSU-Unterstützer ließ viele Fragen offen, vor allem die nach dem Netzwerk, das den Tätern ein Leben im Untergrund ermöglichte. Auch 1922, im ersten großen Rechtsterrorverfahren um den Mord an Walther Rathenau, verhängte das Gericht zwar harte Strafen. Ausgeklammert blieb jedoch die Rolle der Geheimorganisation Consul, die der Demokratie den Krieg erklärt hatte.

Wie im NSU-Prozess spielte auch damals im Urteil keine Rolle, dass es nicht nur Einzeltäter gab, sondern eine organisierte Kampfbewegung gegen den demokratischen Staat. Damit war die Chance auf eine entschlossene Verteidigung des Rechtsstaates gegen die Feinde der Republik verspielt. Die Mitglieder der Organisation Consul wurden nicht weiter verfolgt. Viele schlossen sich der nationalsozialistischen Bewegung um Adolf Hitler an, die wenige Jahre später die Demokratie tatsächlich zertrümmerte.

Einige Stunden nach Rathenaus Ermordung drang ein Student in den Plenarsaal des Reichstages vor, in dem gerade noch das Weimarer Parlament getagt hatte, und legte einen Eichenlaubstrauß in den Sitzreihen rechts*******r Politiker ab, für die "Verteidiger deutscher Ehre". Die Bänder zeigten das Schwarz-Weiß-Rot der alten Reichsflagge. Unwillkürlich drängen sich hier die Bilder der Randalierer auf, die unlängst mit Reichsflaggen die Treppen des Reichstagsgebäudes stürmten.

Auch die ratlose Empörung gegenüber der nie endenden Herausforderung von rechts hat vor einem Jahrhundert Ernst von Salomon vorweggenommen, indem er dem Terroristen-Anführer Erwin Kern die Worte in den Mund legte: "Was uns bewegte, werden sie nie verstehen."
Quelle:https://www.spiegel.de/geschichte/re...-afc5e59381e6#
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