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pauli8 02.08.20 00:41

NSU 2.0 - Liebe Polizisten, Ihr seid in der Pflicht
 
Zitat:

NSU 2.0

Liebe Polizisten, Ihr seid in der Pflicht


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Eine Kolumne von Sibylle Berg

Es häufen sich Meldungen, dass auch Polizisten mit Faschisten vernetzt sind. Beamte sollten sich lieber darauf konzentrieren, Freiheiten von Bürgern zu verteidigen.

01.08.2020, 16.39 Uhr

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Proteste gegen rechte Demo in München im Juli
Foto: Sachelle Babbar/ imago images/ZUMA Wire

Was'n los Deutschland? Was geht da bei Euch? Wobei - bei Euch ist bei uns. Nach den Nazis ist vor den Nazis, und deren Einfluss hält sich nicht an Schweizer oder österreichische Grenzen.
Fast täglich gibt es neue Meldungen über Todesdrohungen gegen Politikerinnen, Aktivistinnen, Personen des öffentlichen Lebens, Künstler*innen von mutmaßlich Rechten.

Während in Leitartikeln die Empörung von Traditionalisten, die ihre Redefreiheit durch eine zeitgemäße Sprache bedroht sehen, stattfinden, häufen sich Meldungen, dass neben dem üblichen Faschistenelend auch die Polizei mit Faschisten vernetzt ist. Sie gehen aber insgesamt unter im Strom der Meldungen, die wir junkiegleich fressen und unverdaut wieder ausscheiden.

Es ist doch erstaunlich, dass sich die deutschsprachige Welt mehr für die Exzesse eines US-amerikanischen Ex-Casting-Show-Darstellers zu interessieren scheint als für das Ende der intellektuellen und politischen Freiheit in den eigenen Ländern. Obwohl der Ex-Show-Darsteller mit der Entsendung von martialisch wirkenden Grenzschutz-Einheiten der Traum aller Faschisten ist.

Ein starker Mann, ein Führer, der den Menschen mit einfachen Parolen aus der Überforderung des Begreifens holt: Das Unwohlsein, dass die beschleunigte Welt erzeugt, die wir alle uns geschaffen haben, an der wir als Konsum-begeisterte Herde begeistert mitgewirkt haben, soll sich auflösen, so der Wunsch. Das Geraune von Klimakatastrophen und Verzicht, die Unsicherheit um die Arbeitsplätze, die Angst vor immer mächtiger werdenden Superreichen soll verschwinden. Ruhe soll herrschen. Ruhig sollen wir sein. Nicht noch mehr Unsicherheit verbreiten auf dem Weg, der in einer aufgeräumten Welt enden soll.

Zitat:

Sibylle Berg

Foto: Joseph Strauch

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Sibylle Berg ist Schriftstellerin und Dramatikerin. 2019 erschien ihr Bestseller-Roman "GRM. Brainfuck", 2020 der Gesprächsband "Nerds retten die Welt". Berg wurde für ihre literarische Arbeit vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem "Bertolt-Brecht-Preis" und dem "Schweizer Grand Prix für Literatur".
Das Gegenteil von Diktatur

Nur leider ist diese Art der Ordnung, die Teile der Bevölkerungen sich ersehnen, nur mit der Unterdrückung der Mehrheit zu erreichen. Mit der Unterdrückung jener, die Demokratie als Prozess der Auseinandersetzung begreifen. Jener, die unter Freiheit mehr verstehen, als aus drei Shampoo-Sorten auszuwählen.

Ganz klar formuliert: Unterschiedliche Theorien, Meinungen, Ansichten formulieren zu können, ist das Gegenteil einer Diktatur. Innerhalb des Gesetzes auch den größten Schwachsinn aussprechen zu können, ist eine Errungenschaft der Zivilisation, ist Teil unseres Selbstverständnisses.

So ermüdend Auseinandersetzungen zwischen Menschen sind – denn jeder denkt immer, im Alleinbesitz der einzig richtigen Weltsicht zu sein – so wichtig sind sie, um sich weiterzuentwickeln. Angst zu haben, sich frei zu äußern, mit Gewalt und Tod bedroht zu werden, ist ein Rückschritt in die dunkelsten Zeiten Europas.

Liebe Polizistinnen, Ihr seid verdammt noch mal in der Pflicht, die Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Weil Deutschland zu groß und zu mächtig ist, als dass Ihr Euch Nazis leisten könnt. Nazis, die Intellektuellen und Künstlerinnen oder schlicht Nichtfaschistinnen Angst einjagen. Menschen, die deshalb Angst haben, sich politisch zu engagieren. Die Angst haben, Lokalpolitikerinnen zu werden. Die Angst haben, die Polizei zu rufen.

Und jetzt nicht zuletzt noch eine Botschaft an die (hoffentliche) Mehrheit der Polizistinnen, die sich nun unter einem Generalverdacht sehen: Es ist an Euch, eines der höchsten Güter zu verteidigen - die Freiheit der Gedanken und deren Formulierung.
Quelle:

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