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Deutsch bei Kindern - Die ewige Angst vor der Parallelgesellschaft

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Ungelesen 13.09.20, 09:44   #1
pauli8
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Standard Deutsch bei Kindern - Die ewige Angst vor der Parallelgesellschaft

Zitat:
Deutsch bei Kindern

Die ewige Angst vor der Parallelgesellschaft

Eine Kolumne von [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]



Der Umgang der deutschen Öffentlichkeit mit Mehrsprachigkeit ist verlogen: Es gibt gute und schlechte Sprachkenntnisse - je nachdem wie hoch das Sozialprestige des Herkunftslandes ist.

10.09.2020, 19.30 Uhr



Streitthema Spracherwerb: "Kaum Deutsch zu Hause spricht jedes fünfte Kitakind"
Foto: Nora Carol / Getty Images


Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich das erste Mal gemerkt habe, dass die Sprache, die ich daheim mit meinen Eltern spreche, für die Politik irgendwie von nationaler Wichtigkeit zu sein schien. Damals wurde in Deutschland die Fördern-und-Fordern-Debatte geführt. Bis heute hallen vage Sätze wie "Integration ist keine Einbahnstraße" und Wörter wie "Multi-Kulti" oder "Parallelgesellschaft" nach, die aus dem überlauten Röhrenfernseher vom Wohnzimmer ins Kinderzimmer waberten und deren Bedeutung ich bis heute nicht so recht durchdrungen habe.

Der Sound meiner Kindheit war schon immer mehrsprachig und auch Diskussionen darüber, ob das als vermeintlich desintegratives Moment ein Problem sei, sind Teil dieser Kakofonie.

Da ich in einem zweisprachigen Haushalt groß geworden bin, hatte ich diese Erkenntnis, dass meine private Sprache politisch ist, gewissermaßen auch zweisprachig: "La Sprache que tu parle daheim est wichtig pour les gens da draußen." Nein, Entschuldigung, als Erwachsene und mehr noch als Deutsche muss ich das selbstverständlich korrigieren, es muss natürlich heißen: "Die Sprache, die du daheim sprichst, ist wichtig für die Menschen da draußen."

Anfang dieser Woche verbreitete die "Tagesschau" nun in einem sehr lustigen Deutsch die Meldung "Kaum Deutsch zu Hause spricht jedes fünfte Kitakind". Ein Satz so lautmalerisch anmutig wie eine Schreibmaschine, die man eine Treppe hinunterwirft. Sein Inhalt ging aus der Antwort des Bundesfamilienministeriums auf eine Anfrage der FDP hervor. Zudem erfuhr man, dass der Anteil dieser Kinder somit um gute zwei Prozent gestiegen ist.

Man hätte ebenso schreiben können: "Kaum Englisch sprechen vier von fünf Kitakindern." Und halt, stopp, bevor Sie mir jetzt ein "Wir sind hier aber in Deutschland und nicht in Englischland, Fräulein!" in die Kommentare motzen, möchte ich mit diesem Vergleich ja auch nur deutlich machen, wie verlogen der Umgang mit Mehrsprachigkeit in der deutschen Öffentlichkeit ist. Denn während man in dieser kulturellen und gesellschaftspolitischen Debatte über die sprachlich konstruierte Identität und gesellschaftliche Stärkung durch verbale Integration lamentiert, existiert natürlich ein vom Habitus abhängiges Ranking der Qualitäten von Mehrsprachigkeiten.

Unterstellte Leitkulturverweigerung

Es gibt auf der einen Seite die gute Mehrsprachigkeit. "Ja, wir haben jetzt ein britisches Au-pair-Mädchen, die mit Atticus-Leon den ganzen Tag nur Oxford English talkt, isn't it, Atticus-Leon?" Und auf der anderen die schlechte, denn wer daheim mit seinen Eltern Türkisch, Arabisch oder Vietnamesisch spricht, weil dies eben buchstäblich die Mutter- und Vatersprache ist, der zählt lange zu den integrationsunwilligen Ausländerkindern, deren Eltern man insgeheim eine deutschen- und/oder lehrerfeindliche Leitkulturverweigerung unterstellt.

Ich weiß nicht einmal, ob diese Wahrnehmung und Vorstellung, dass manche Sprachen mehr wert sind, gesprochen zu werden, rassistisch ist oder aufgrund des neoliberalen Dispositivs, das Sprachen nach ihrer Markttauglichkeit bewertet, klassistisch.

Die als Besorgnis um das Kindeswohl getarnte Furcht um die privaten Räume, in denen nicht Deutsch gesprochen wird, spiegelt die ewige Angst vor einer behaupteten Parallelgesellschaft und verkennt dabei die ohnehin heterogene Struktur und pluralistische Dynamik der deutschen Gesellschaft.


Die integrative Stärke Deutschlands liegt nicht in der soziologisch etwas onkelig wirkenden Inszenierung von deutscher Kernkultur, sondern in dem leichtherzigen Aushalten, dass Unterschiedlichkeiten und dementsprechend auch Mehrsprachigkeiten Teil der deutschen Gegenwart sind.

Außerdem zeugt diese pappkameradhafte Problematisierung des Spracherwerbs auch von erstaunlich wenig Vertrauen in die Bildungsstrukturen unserer Gesellschaft wie in ihre sozialen Kräfte. Wenn jeder zweite Deutsche, der aus einem einwöchigen Rom-Aufenthalt zurückkehrt und von dann an sein Leben lang nur noch auf Sizilianisch bestellen und unerbittlich die "Gnotschis” und "Schiantis” der Unwissenden um ihn herum korrigieren darf, wieso sollte dann ein lernwilliger Fünfjähriger nicht damit zurechtkommen, dass er mit seinen Spielfreunden Deutsch spricht und mit seinen Eltern eben nicht.

Neurotisches Verhältnis der Deutschen zu sich als Nation

Und ich weiß, ich weiß, die Wehmut, welche öffentlich beschmollte, dass der Duden plötzlich 300 Wörter strich (weil wirklich kein Mensch mehr "Bäckerjunge" oder "Hackenporsche" verwendet), oder die semantisch existenzielle Panik vor Ausdrücken wie "Person of Color" vermitteln mir natürlich, wie verbunden manche Deutsche mit ihrer Muttersprache sind. Sie ist der Klang einer kulturellen Identität, mit welcher sich Deutschland ja immer besonders schwertut.

Aufgrund dieses neurotischen Verhältnisses zu sich als Nation stellt die Sprache die eine, scheinbar unverfängliche, weil selbstverständliche Konstante dar, auf die man sich gesellschaftlich als kleinsten Nenner einigen kann. Das ist der Grund, weshalb bei ihr nahezu überkompensatorisch auf die Einhaltung der deutschsprachlichen DIN-Norm im Privaten geachtet wird.

Aber das, was hierbei als Problem wahrgenommen wird, diese zwanzig Prozent Kinder, die daheim kaum oder kein Deutsch sprechen, das müsste man doch genau andersherum denken: Mindestens jedes fünfte Kind in Deutschland hat die Möglichkeit, seinen Eltern eine zweite Sprache beizubringen - so wie auch ich das mit meinen gemacht habe.

Pfiat eich, chers parents!
Quelle:

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